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 G.W.F.Hegel                                                                                                                          hegeleliforp03Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse   (1830)

Dritter Teil. Die Philosophie des Geistes

Einleitung

§ 377

Die Erkenntnis des Geistes ist die konkreteste, darum höchste und schwerste.
Erkenne dich selbst, dies absolute Gebot hat weder an sich noch da, wo es geschichtlich als ausgesprochen vorkommt, die Bedeutung nur einer Selbsterkenntnis nach den partikulären Fähigkeiten, Charakter, Neigungen und Schwächen des Individuums, sondern die Bedeutung der Erkenntnis des Wahrhaften des Menschen wie des Wahrhaften an und für sich, - des Wesens selbst als Geistes.
Ebensowenig hat die Philosophie des Geistes die Bedeutung der sogenannten Menschenkenntnis,
welche von anderen Menschen gleichfalls die Besonderheiten, Leidenschaften, Schwächen,
diese sogenannten Falten des menschlichen Herzens zu erforschen bemüht ist,
- eine Kenntnis, die teils nur unter Voraussetzung der Erkenntnis des Allgemeinen, des Menschen und damit wesentlich des Geistes Sinn hat, teils sich mit den zufälligen, unbedeutenden, unwahren Existenzen des Geistigen beschäftigt, aber zum Substantiellen, dem Geiste selbst, nicht dringt.
 

Zusatz.
Die Schwierigkeit der philosophischen Erkenntnis des Geistes besteht darin,
daß wir es dabei nicht mehr mit der vergleichsweise abstrakten, einfachen logischen Idee, sondern mit der konkretesten, entwickeltsten Form zu tun haben, zu welcher die Idee in der Verwirklichung ihrer selbst gelangt.
Auch der endliche oder subjektive Geist - nicht bloß der absolute - muß als eine Verwirklichung der Idee gefaßt werden.
Die Betrachtung des Geistes ist nur dann in Wahrheit philosophisch, wenn sie den Begriff desselben in seiner lebendigen Entwicklung und Verwirklichung erkennt, d. h. eben, wenn sie den Geist als ein Abbild der ewigen Idee begreift.
Seinen Begriff zu erkennen gehört aber zur Natur des Geistes.
Die vom delphischen Apollo an die Griechen ergangene Aufforderung zur Selbsterkenntnis hat daher nicht den Sinn eines von einer fremden Macht äußerlich an den menschlichen Geist gerichteten Gebots; der zur Selbsterkenntnis treibende Gott ist vielmehr nichts anderes als das eigene absolute Gesetz des Geistes.
Alles Tun des Geistes ist deshalb nur ein Erfassen seiner selbst, und der Zweck aller wahrhaften Wissenschaft ist nur der, daß der Geist in allem, was im Himmel und auf Erden ist, sich selbst erkenne.

Ein durchaus Anderes ist für den Geist gar nicht vorhanden. Selbst der Orientale verliert sich nicht gänzlich in dem Gegenstande seiner Anbetung.
Die Griechen aber haben zuerst das, was sie sich als das Göttliche gegenüberstellten, ausdrücklich als Geist gefaßt, doch sind auch sie weder in der Philosophie noch in der Religion zur Erkenntnis der absoluten Unendlichkeit des Geistes gelangt; das Verhältnis des menschlichen Geistes zum Göttlichen ist daher bei den Griechen noch kein absolut freies.
Erst das Christentum hat durch die Lehre von der Menschwerdung Gottes und von der Gegenwart des Heiligen Geistes in der gläubigen Gemeine dem menschlichen Bewußtsein eine vollkommen freie Beziehung zum Unendlichen gegeben und dadurch die begreifende Erkenntnis des Geistes in seiner absoluten Unendlichkeit möglich gemacht.
Nur eine solche Erkenntnis verdient fortan den Namen einer philosophischen Betrachtung.
Die Selbsterkenntnis in dem gewöhnlichen trivialen Sinn einer Erforschung der eigenen Schwächen und Fehler des Individuums hat nur für den Einzelnen - nicht für die Philosophie - Interesse und Wichtigkeit,
selbst aber in bezug auf den Einzelnen um so geringeren Wert,
je weniger sie sich auf die Erkenntnis der allgemeinen intellektuellen und moralischen Natur des Menschen einläßt und je mehr sie, von den Pflichten, dem wahrhaften Inhalt des Willens absehend, in ein selbstgefälliges Sichherumwenden des Individuums in seinen ihm teuren Absonderlichkeiten ausartet.
- Dasselbe gilt von der gleichfalls auf die Eigentümlichkeiten einzelner Geister gerichteten sogenannten Menschenkenntnis.
Für das Leben ist diese Kenntnis allerdings nützlich und nötig,
besonders in schlechten politischen Zuständen, wo nicht das Recht und die Sittlichkeit, sondern der Eigensinn, die Laune und Willkür der Individuen herrschen,
- im Felde der Intrigen, wo die Charaktere nicht auf die Natur der Sache sich stützen, vielmehr durch die pfiffig benutzte Eigentümlichkeit anderer sich halten und durch dieselben ihre zufälligen Zwecke erreichen wollen.
Für die Philosophie aber bleibt diese Menschenkenntnis in eben dem Grade gleichgültig, wie dieselbe sich nicht von der Betrachtung zufälliger Einzelheiten zur Auffassung großer menschlicher Charaktere zu erheben vermag, durch welche die wahrhafte Natur des Menschen in unverkümmerter Reinheit zur Anschauung gebracht wird.
- Sogar nachteilig für die Wissenschaft wird jene Menschenkenntnis aber dann, wenn sie - wie in der sogenannten pragmatischen Behandlung der Geschichte geschehen -,  den substantiellen Charakter weltgeschichtlicher Individuen verkennend und nicht einsehend, daß Großes nur durch große Charaktere vollbracht werden kann, aus der zufälligen Eigentümlichkeit jener Heroen, aus deren vermeintlichen kleinen Absichten, Neigungen und Leidenschaften die größten Ereignisse der Geschichte abzuleiten den geistreich sein sollenden Versuch macht; ein Verfahren, bei welchem die von der göttlichen Vorsehung beherrschte Geschichte zu einem Spiele gehaltloser Tätigkeit und zufälliger Begebenheiten herabsinkt.

§ 378

Der Pneumatologie oder sogenannten rationellen Psychologie als abstrakter Verstandesmetaphysik ist bereits in der Einleitung [1. Teil, § 34] Erwähnung geschehen.
Die empirische Psychologie hat den konkreten Geist zu ihrem Gegenstande und wurde, seitdem nach dem Wiederaufleben der Wissenschaften die Beobachtung und Erfahrung zur vornehmlichen Grundlage der Erkenntnis des Konkreten geworden, auf dieselbe Weise getrieben, so daß teils jenes Metaphysische außerhalb dieser empirischen Wissenschaft gehalten wurde und zu keiner konkreten Bestimmung und Gehalt in sich kam, teils die empirische Wissenschaft sich an die gewöhnliche Verstandesmetaphysik von Kräften, verschiedenen Tätigkeiten usf. hielt und die spekulative Betrachtung daraus verbannte.
- Die Bücher des Aristoteles über die Seele mit seinen Abhandlungen über besondere Seiten und Zustände derselben sind deswegen noch immer das vorzüglichste oder einzige Werk von spekulativem Interesse über diesen Gegenstand.
Der wesentliche Zweck einer Philosophie des Geistes kann nur der sein, den Begriff in die Erkenntnis des Geistes wieder einzuführen, damit auch den Sinn jener Aristotelischen Bücher wieder aufzuschließen.

Zusatz.
Ebenso wie die im vorigen § besprochene, auf die unwesentlichen, einzelnen empirischen Erscheinungen des Geistes gerichtete Betrachtungsweise ist auch die im geraden Gegenteil nur mit abstrakt allgemeinen Bestimmungen, mit dem vermeintlich erscheinungslosen Wesen, dem Ansich des Geistes sich beschäftigende sogenannte rationelle Psychologie oder Pneumatologie von der echt spekulativen Philosophie ausgeschlossen, da diese die Gegenstände  weder aus der Vorstellung als gegebene aufnehmen, noch dieselben durch bloße Verstandeskategorien bestimmen darf, wie jene Psychologie tat, indem sie die Frage aufwarf, ob der Geist oder die Seele einfach, immateriell, Substanz sei. Bei diesen Fragen wurde der Geist als ein Ding betrachtet, denn jene Kategorien wurden dabei, nach der allgemeinen Weise des Verstandes, als ruhende,
feste angesehen; so sind sie unfähig, die Natur des Geistes auszudrücken.
Der Geist ist nicht ein Ruhendes, sondern vielmehr das absolut Unruhige, die reine Tätigkeit, das Negieren oder die Idealität aller festen Verstandesbestimmungen, - nicht abstrakt einfach,
sondern in seiner Einfachheit zugleich ein Sich-von-sich-selbst-Unterscheiden,
- nicht ein vor seinem Erscheinen schon fertiges, mit sich selber hinter dem Berge der Erscheinungen haltendes Wesen, sondern nur durch die bestimmten Formen seines notwendigen Sichoffenbarens in Wahrheit wirklich,
- und nicht (wie jene Psychologie meinte) ein nur in äußerlicher Beziehung zum Körper stehendes Seelending, sondern mit dem Körper durch die Einheit des Begriffs innerlich verbunden.
In der Mitte zwischen der auf die zufällige Einzelheit des Geistes gerichteten Beobachtung und der sich nur mit dem erscheinungslosen Wesen desselben befassenden Pneumatologie steht die auf das Beobachten und Beschreiben der besonderen Geistesvermögen ausgehende empirische Psychologie.
Aber auch diese bringt es nicht zur wahrhaften Vereinigung des Einzelnen und Allgemeinen, zur Erkenntnis der konkret allgemeinen Natur oder des Begriffs des Geistes und hat daher gleichfalls keinen Anspruch auf den Namen echt spekulativer Philosophie.
Wie den Geist überhaupt, so nimmt die empirische Psychologie auch die besonderen Vermögen,
in welche sie denselben zerlegt, als gegebene aus der Vorstellung auf, ohne durch Ableitung dieser Besonderheiten aus dem Begriff des Geistes den Beweis der Notwendigkeit zu liefern,
daß im Geiste gerade diese und keine anderen Vermögen sind.
- Mit diesem Mangel der Form hängt notwendig die Entgeistigung des Inhalts zusammen.
Wenn in den bereits geschilderten beiden Betrachtungsweisen einerseits das Einzelne, andererseits das Allgemeine als etwas für sich Festes genommen wurde, so gelten der empirischen Psychologie auch die Besonderungen, in welche ihr der Geist zerfällt, als in ihrer Beschränktheit starre, so daß der Geist zu einem bloßen Aggregat von selbständigen Kräften wird,
deren jede mit der anderen nur in Wechselwirkung, somit in äußerlicher Beziehung steht.
Denn obgleich diese Psychologie auch die Forderung eines zwischen den verschiedenen Geisteskräften hervorzubringenden harmonischen Zusammenhangs macht - ein bei diesem Gegenstande häufig vorkommendes, aber ebenso unbestimmtes Schlagwort, wie sonst die Vollkommenheit war -, so ist damit nur eine sein sollende, nicht die ursprüngliche Einheit des Geistes ausgesprochen,
 noch weniger aber die Besonderung, zu welcher der Begriff des Geistes, seine an sich seiende Einheit, fortgeht, als eine notwendige und vernünftige erkannt; jener harmonische Zusammenhang bleibt daher eine sich in nichtssagenden Redensarten breitmachende leere Vorstellung, welche gegen die als selbständig vorausgesetzten Geisteskräfte zu keiner Macht gelangt.

§ 379

Das Selbstgefühl von der lebendigen Einheit des Geistes setzt sich von selbst gegen die Zersplitterung desselben in die verschiedenen, gegeneinander selbständig vorgestellten Vermögen, Kräfte oder,
was auf dasselbe hinauskommt, ebenso vorgestellten Tätigkeiten.
Noch mehr aber führen die Gegensätze, die sich sogleich darbieten, von der Freiheit des Geistes und von dem Determiniertwerden desselben,
ferner von der freien Wirksamkeit der Seele im Unterschiede von der ihr äußerlichen Leiblichkeit, und wieder der innige Zusammenhang beider, auf das Bedürfnis, hier zu begreifen.
Insbesondere haben die Erscheinungen des animalischen Magnetismus*) in neueren Zeiten auch in der Erfahrung die substantielle Einheit der Seele und die Macht ihrer Idealität zur Anschauung gebracht, wodurch alle die festen Verstandesunterschiede in Verwirrung gesetzt  und eine spekulative Betrachtung für die Auflösung der Widersprüche unmittelbar als notwendig gezeigt wird.

Zusatz.
Alle jene in den beiden vorhergehenden Paragraphen geschilderten endlichen Auffassungen des Geistes sind teils durch die ungeheure Umgestaltung, welche die Philosophie überhaupt in neuerer Zeit erfahren hat, teils, von der empirischen Seite selbst her, durch die das endliche Denken vor den Kopf stoßenden Erscheinungen des animalischen Magnetismus verdrängt worden.
Was das erstere betrifft, so hat sich die Philosophie über die seit Wolff allgemein gewordene endliche Betrachtungsweise des nur reflektierenden Denkens
- auch über das Fichtesche Stehenbleiben bei den sogenannten Tatsachen des Bewußtseins
- zur Auffassung des Geistes als der sich selbst wissenden wirklichen Idee, zum Begriff des sich auf notwendige Weise in sich selbst unterscheidenden  und aus seinen Unterschieden zur Einheit mit sich zurückehrenden lebendigen Geistes erhoben, damit aber nicht bloß die in jenen endlichen Auffassungen des Geistes herrschenden Abstraktionen des nur Einzelnen, nur Besonderen und nur Allgemeinen überwunden und zu Momenten des Begriffs, der ihre Wahrheit ist, herabgesetzt,
sondern auch statt des äußerlichen Beschreibens vorgefundenen Stoffes die strenge Form des sich selbst mit Notwendigkeit entwickelnden Inhalts als die allein wissenschaftliche Methode geltend gemacht.
Wenn in den empirischen Wissenschaften der Stoff als ein durch die Erfahrung gegebener von außen aufgenommen und nach einer bereits feststehenden allgemeinen Regel geordnet und in äußerlichen Zusammenhang gebracht wird, so hat dagegen das spekulative Denken jeden seiner Gegenstände und die Entwicklung derselben in ihrer absoluten Notwendigkeit aufzuzeigen.
Dies geschieht, indem jeder besondere Begriff aus dem sich selbst hervorbringenden und verwirklichenden allgemeinen Begriff oder der logischen Idee abgeleitet wird.
Die Philosophie muß daher den Geist als eine notwendige Entwicklung der ewigen Idee begreifen und dasjenige, was die besonderen Teile der Wissenschaft vom Geiste ausmacht, rein aus dem Begriffe desselben sich entfalten lassen.
Wie bei dem Lebendigen überhaupt auf ideelle Weise alles schon im Keime enthalten ist und von diesem selbst, nicht von einer fremden Macht hervorgebracht wird, so müssen auch alle besonderen Formen des lebendigen Geistes aus seinem Begriffe als ihrem Keime sich hervortreiben.
Unser vom Begriff bewegtes Denken bleibt dabei dem ebenfalls vom Begriff bewegten Gegenstande durchaus immanent; wir sehen der eigenen Entwicklung des Gegenstandes gleichsam nur zu, verändern dieselbe nicht durch Einmischung unserer subjektiven Vorstellungen und Einfälle.
Der Begriff bedarf zu seiner Verwirklichung keines äußeren Antriebs; seine eigene, den Widerspruch der Einfachheit und des Unterschieds in sich schließende und deswegen unruhige Natur treibt ihn,
sich zu verwirklichen, den in ihm selbst nur auf ideelle Weise, d. h. in der widersprechenden Form der Unterschiedslosigkeit vorhandenen Unterschied zu einem wirklichen zu entfalten und sich durch diese Aufhebung seiner Einfachheit als eines Mangels, einer Einseitigkeit, wirklich zu dem Ganzen zu machen,
von welchem er zunächst nur die Möglichkeit enthält.
Nicht minder aber als im Beginn und Fortgang seiner Entwicklung ist der Begriff im Abschließen derselben von unserer Willkür unabhängig.
Bei bloß räsonierender Betrachtungsweise erscheint der Abschluß allerdings mehr oder weniger willkürlich; in der philosophischen Wissenschaft dagegen setzt der Begriff selber seinem Sichentwickeln dadurch eine Grenze, daß er sich eine ihm völlig entsprechende Wirklichkeit gibt.
Schon am Lebendigen sehen wir diese Selbstbegrenzung des Begriffs.
Der Keim der Pflanze
- dieser sinnlich vorhandene Begriff - schließt seine Entfaltung mit einer ihm gleichen Wirklichkeit,
mit Hervorbringung des Samens.
Dasselbe gilt vom Geiste; auch seine Entwicklung hat ihr Ziel erreicht, wenn der Begriff desselben sich vollkommen verwirklicht hat oder, was dasselbe ist, wenn der Geist zum vollkommenen Bewußtsein seines Begriffs gelangt ist.
Dies Sich-in-Eins-Zusammenziehen des Anfangs mit dem Ende,
- dies in seiner Verwirklichung Zu-sich-selber-Kommen des Begriffs erscheint aber am Geiste in einer noch vollendeteren Gestalt als am bloß Lebendigen; denn während bei diesem der hervorgebrachte Samen nicht derselbe ist mit dem, von welchem er hervorgebracht worden,
ist in dem sich selbst erkennenden Geiste das Hervorgebrachte eins und dasselbe mit dem Hervorbringenden.
Nur wenn wir den Geist in dem geschilderten Prozeß der Selbstverwirklichung seines Begriffs betrachten, erkennen wir ihn in seiner Wahrheit (denn Wahrheit heißt eben Übereinstimmung des Begriffs mit seiner Wirklichkeit).
In seiner Unmittelbarkeit ist der Geist noch nicht wahr, hat seinen Begriff noch nicht sich gegenständlich gemacht, das in ihm auf unmittelbare Weise Vorhandene noch nicht zu einem von ihm Gesetzten umgestaltet, seine Wirklichkeit noch nicht zu einer seinem Begriff gemäßen umgebildet.
Die ganze Entwicklung des Geistes ist nichts anderes als sein Sichselbsterheben zu seiner Wahrheit,
und die sogenannten Seelenkräfte haben keinen anderen Sinn als den, die Stufen dieser Erhebung zu sein.
Durch diese Selbstunterscheidung, durch dies Sichumgestalten und durch die Zurückführung seiner Unterschiede zur Einheit seines Begriffs ist der Geist, wie ein Wahres, so ein Lebendiges Organisches, Systematisches, und nur durch das Erkennen dieser seiner Natur ist die Wissenschaft vom Geiste gleichfalls wahr lebendig, organisch, systematisch,
- Prädikate, die weder der rationellen noch der empirischen Psychologie erteilt werden können,
da jene den Geist zu einem von seiner Verwirklichung abgeschiedenen, toten Wesen macht,
diese aber den lebendigen Geist dadurch abtötet, daß sie denselben in eine vom Begriff nicht hervorgebrachte und zusammengehaltene Mannigfaltigkeit selbständiger Kräfte auseinanderreißt.
Wie schon bemerkt, hat der tierische Magnetismus dazu beigetragen, die unwahre, endliche,
bloß verständige Auffassung des Geistes zu verdrängen.
Diese Wirkung hat jener wunderbare Zustand besonders in bezug auf die Betrachtung der Naturseite des Geistes gehabt.
Wenn die sonstigen Zustände und natürlichen Bestimmungen des Geistes sowie die bewußten Tätigkeiten  desselben wenigstens äußerlich vom Verstande aufgefaßt werden können und dieser den in ihm selbst wie in den endlichen Dingen herrschenden äußeren Zusammenhang von Ursache und Wirkung
- den sogenannten natürlichen Gang der Dinge - zu fassen vermag,
so zeigt sich der Verstand dagegen unfähig, an die Erscheinungen des tierischen Magnetismus auch nur zu glauben, weil in denselben das nach der Meinung des Verstandes durchaus feste Gebundensein des Geistes an Ort und Zeit sowie an den verständigen Zusammenhang von Ursache und Wirkung seinen Sinn verliert und innerhalb des sinnlichen Daseins selbst die dem Verstande ein unglaubliches Wunder bleibende Erhabenheit des Geistes über das Außereinander und über dessen äußerliche Zusammenhänge zum Vorschein kommt.
Obgleich es nun sehr töricht wäre, in den Erscheinungen des tierischen Magnetismus eine Erhebung des Geistes sogar über seine begreifende Vernunft zu sehen und von diesem Zustande über das Ewige höhere Aufschlüsse als die von der Philosophie erteilten zu erwarten
- obgleich der magnetische Zustand vielmehr für eine Krankheit und für ein Herabsinken des Geistes selbst unter das gewöhnliche Bewußtsein insofern erklärt werden muß, als der Geist in jenem Zustande sein in bestimmten Unterscheidungen sich bewegendes, der Natur sich gegenüberstellendes Denken aufgibt
 -, so ist doch andererseits das in den Erscheinungen jenes Magnetismus sichtbare Sichlosmachen des Geistes von den Schranken des Raums und der Zeit und von allen endlichen Zusammenhängen etwas,
was mit der Philosophie eine Verwandtschaft hat und das, da es mit aller Brutalität einer ausgemachten Tatsache dem Skeptizismus des Verstandes Trotz bietet, das Fortschreiten von der gewöhnlichen Psychologie zum begreifenden Erkennen der spekulativen Philosophie notwendig macht, für welche allein der tierische Magnetismus kein unbegreifliches Wunder ist.

§ 380

Die konkrete Natur des Geistes bringt für die Betrachtung die eigentümliche Schwierigkeit mit sich,
daß die besonderen Stufen und Bestimmungen der Entwicklung seines Begriffs nicht zugleich als besondere Existenzen zurück- und seinen tieferen Gestaltungen gegenüber bleiben,
wie dies in der äußeren Natur der Fall ist, wo die Materie und Bewegung ihre freie Existenz als Sonnensystem hat, die Bestimmungen der Sinne auch rückwärts als Eigenschaften der Körper und noch freier als Elemente existieren usf.
Die Bestimmungen und Stufen des Geistes dagegen sind wesentlich nur als Momente, Zustände, Bestimmungen an den höheren Entwicklungsstufen.
Es geschieht dadurch, daß an einer niedrigeren, abstrakteren Bestimmung das Höhere sich schon empirisch vorhanden zeigt, wie z. B. in der Empfindung alles höhere Geistige als Inhalt oder Bestimmtheit. Oberflächlicherweise kann daher in der Empfindung, welche nur eine abstrakte Form ist, jener Inhalt,
das Religiöse, Sittliche usf., wesentlich seine Stelle und sogar Wurzel zu haben und seine Bestimmungen als besondere Arten der Empfindung zu betrachten notwendig scheinen.
Aber zugleich wird es, indem niedrigere Stufen betrachtet werden, nötig, um sie nach ihrer empirischen Existenz bemerklich zu machen, an höhere zu erinnern, an welchen sie nur als Formen vorhanden sind,
und auf diese Weise einen Inhalt zu antizipieren, der erst später in der Entwicklung sich darbietet
(z. B. beim natürlichen Erwachen das Bewußtsein, bei der Verrücktheit den Verstand usf.).

 

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*) >Franz Anton Mesmer, 1734-1815, Arzt; begründete die Lehre von der Heilkraft des "animalischen Magnetismus".

 *Davon haben schon die Schamanen der Mongolen Kenntnis; sie bringen sich, wenn sie weissagen wollen, durch gewisse Getränke in magnetischen Zustand. Dasselbe geschieht zu dem nämlichen Zweck noch jetzt bei den Indern.
   
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