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 G.W.F.Hegel                                                                                                                hegeleliforp03Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse   (1830)

γ. Die Gewohnheit

§ 409

Das Selbstgefühl, in die Besonderheit der Gefühle (einfacher Empfindungen, wie der Begierden, Triebe, Leidenschaften und deren Befriedigungen) versenkt, ist ununterschieden von ihnen.
Aber das Selbst ist an sich einfache Beziehung der Idealität auf sich, formelle Allgemeinheit, und diese ist die Wahrheit dieses Besonderen; als diese Allgemeinheit ist das Selbst in diesem Gefühlsleben zu setzen; so ist es die von der Besonderheit sich unterscheidende für sich seiende Allgemeinheit.
Diese ist nicht die gehaltvolle Wahrheit der bestimmten Empfindungen, Begierden usf., denn der Inhalt derselben kommt hier noch nicht in Betracht.
Die Besonderheit ist in dieser Bestimmung ebenso formell und nur das besondere Sein oder die Unmittelbarkeit der Seele gegen ihr selbst formelles, abstraktes Fürsichsein.
Dies besondere Sein der Seele ist das Moment ihrer Leiblichkeit, mit welcher sie hier bricht, sich davon als deren einfaches Sein unterscheidet und als ideelle, subjektive Substantialität dieser Leiblichkeit ist, wie sie in ihrem an sich seienden Begriff (§ 389) nur die Substanz derselben als solche war.

Dieses abstrakte Fürsichsein der Seele in ihrer Leiblichkeit ist noch nicht Ich, nicht die Existenz des für das Allgemeine seienden Allgemeinen. Es ist die auf ihre reine Idealität zurückgesetzte Leiblichkeit, welche so der Seele als solcher zukommt; das ist: wie Raum und Zeit als das abstrakte Außereinander, also als leerer Raum und leere Zeit nur subjektive Formen, reines Anschauen sind, so ist jenes reine Sein, das, indem in ihm die Besonderheit der Leiblichkeit, d. i. die unmittelbare Leiblichkeit als solche aufgehoben worden, Fürsichsein ist, das ganz reine bewußtlose Anschauen, aber die Grundlage des Bewußtseins, zu welchem es in sich geht, indem es die Leiblichkeit, deren subjektive Substanz es und welche für dasselbe noch als Schranke ist, in sich aufgehoben hat und so als Subjekt für sich gesetzt ist.

§ 410

Daß die Seele sich so zum abstrakten allgemeinen Sein macht und das Besondere der Gefühle (auch des Bewußtseins) zu einer nur seienden Bestimmung an ihr reduziert, ist die Gewohnheit.
Die Seele hat den Inhalt auf diese Weise in Besitz und enthält ihn so an ihr, daß sie in solchen Bestimmungen nicht als empfindend ist, nicht von ihnen sich unterscheidend im Verhältnisse zu ihnen steht noch in sie versenkt ist, sondern sie empfindungs- und bewußtlos an ihr hat und in ihnen sich bewegt. Sie ist insofern frei von ihnen, als sie sich in ihnen nicht interessiert und beschäftigt; indem sie in diesen Formen als ihrem Besitze existiert, ist sie zugleich für die weitere Tätigkeit und Beschäftigung - der Empfindung sowie des Bewußtseins des Geistes überhaupt - offen.
Dieses Sicheinbilden des Besonderen oder Leiblichen der Gefühlsbestimmungen in das Sein der Seele erscheint als eine Wiederholung derselben und die Erzeugung der Gewohnheit als eine Übung.
Denn dies Sein als abstrakte Allgemeinheit in Beziehung auf das Natürlich-Besondere, das in diese Form gesetzt wird, ist die Reflexions-Allgemeinheit (§ 175), - ein und dasselbe als Äußerlich-Vieles des Empfindens auf seine Einheit reduziert, diese abstrakte Einheit als gesetzt.

Die Gewohnheit ist wie das Gedächtnis ein schwerer Punkt in der Organisation des Geistes; die Gewohnheit ist der Mechanismus des Selbstgefühls wie das Gedächtnis der Mechanismus der Intelligenz. Die natürlichen Qualitäten und Veränderungen des Alters, des Schlafens und Wachens sind unmittelbar natürlich; die Gewohnheit ist die zu einem Natürlichseienden, Mechanischen gemachte Bestimmtheit des Gefühls, auch der Intelligenz, des Willens usf., insofern sie zum Selbstgefühl gehören.
Die Gewohnheit ist mit Recht eine zweite Natur genannt worden, - Natur, denn sie ist ein unmittelbares Sein der Seele, - eine zweite, denn sie ist eine von der Seele gesetzte Unmittelbarkeit, eine Ein- und Durchbildung der Leiblichkeit, die den Gefühlsbestimmungen als solchen und den Vorstellungs- Willensbestimmtheiten als verleiblichten (§ 401) zukommt.
Der Mensch ist in der Gewohnheit in der Weise von Naturexistenz und darum in ihr unfrei, aber insofern frei, als die Naturbestimmtheit der Empfindung durch die Gewohnheit zu seinem bloßen Sein herabgesetzt, er nicht mehr in Differenz und damit nicht mehr in Interesse, Beschäftigung und in Abhängigkeit gegen dieselbe ist. Die Unfreiheit in der Gewohnheit ist teils nur formell, als nur in das Sein der Seele gehörig; teils nur relativ, insofern sie eigentlich nur bei üblen Gewohnheiten stattfindet oder insofern einer Gewohnheit überhaupt ein anderer Zweck entgegengesetzt ist; die Gewohnheit des Rechten überhaupt, des Sittlichen, hat den Inhalt der Freiheit. Die wesentliche Bestimmung ist die Befreiung, die der Mensch von den Empfindungen, indem er von ihnen affiziert ist, durch die Gewohnheit gewinnt. Es können die unterschiedenen Formen derselben so bestimmt werden:
1. Die unmittelbare Empfindung als negiert, als gleichgültig gesetzt. Die Abhärtung gegen äußerliche Empfindungen (Frost, Hitze, Müdigkeit der Glieder usf., Wohlgeschmack usf.) sowie die Abhärtung des Gemüts gegen Unglück ist eine Stärke, daß, indem der Frost usf., das Unglück von dem Menschen allerdings empfunden wird, solche Affektion zu einer Äußerlichkeit und Unmittelbarkeit herabgesetzt ist; das allgemeine Sein der Seele erhält sich als abstrakt für sich darin, und das Selbstgefühl als solches, Bewußtsein, Reflexion, sonstiger Zweck und Tätigkeit, ist nicht mehr damit verwickelt.
2. Gleichgültigkeit gegen die Befriedigung; die Begierden, Triebe werden durch die Gewohnheit ihrer Befriedigung abgestumpft; dies ist die vernünftige Befreiung von denselben; die mönchische Entsagung und Gewaltsamkeit befreit nicht von ihnen, noch ist sie dem Inhalte nach vernünftig; - es versteht sich dabei, daß die Triebe nach ihrer Natur als endliche Bestimmtheiten gehalten und sie wie ihre Befriedigung als Momente in der Vernünftigkeit des Willens untergeordnet sind. -
3. In der Gewohnheit als Geschicklichkeit soll nicht nur das abstrakte Sein der Seele für sich festgehalten werden, sondern als ein subjektiver Zweck in der Leiblichkeit geltend gemacht, diese ihm unterworfen und ganz durchgängig werden. Gegen solche innerliche Bestimmung der subjektiven Seele ist die Leiblichkeit als unmittelbares äußerliches Sein und Schranke bestimmt; - der bestimmtere Bruch der Seele als einfachen Fürsichseins in sich selbst gegen ihre erste Natürlichkeit und Unmittelbarkeit; die Seele ist damit nicht mehr in unmittelbarer Idealität, sondern muß als äußerlich erst dazu herabgesetzt werden. Die Verleiblichung der bestimmten Empfindungen ist ferner selbst eine bestimmte (§ 401) und die unmittelbare Leiblichkeit eine besondere Möglichkeit (eine besondere Seite ihrer Unterschiedenheit an ihr, ein besonderes Organ ihres organischen Systems) für einen bestimmten Zweck. Das Einbilden solchen Zwecks darein ist dies, daß die an sich seiende Idealität des Materiellen überhaupt und der bestimmten Leiblichkeit als Idealität gesetzt worden, damit die Seele nach der Bestimmtheit ihres Vorstellens und Wollens als Substanz in ihrer Leiblichkeit existiere. Auf solche Weise ist dann in der Geschicklichkeit die Leiblichkeit durchgängig und zum Instrumente gemacht, daß, wie die Vorstellung (z. B. eine Reihe von Noten) in mir ist, auch widerstandslos und flüssig der Körper sie richtig geäußert hat.
Die Form der Gewohnheit umfaßt alle Arten und Stufen der Tätigkeit des Geistes; die äußerlichste, die räumliche Bestimmung des Individuums, daß es aufrecht steht, ist durch seinen Willen zur Gewohnheit gemacht, eine unmittelbare, bewußtlose Stellung, die immer Sache seines fortdauernden Willens bleibt; der Mensch steht nur, weil und sofern er will, und nur so lange, als er es bewußtlos will.
Ebenso Sehen und so fort ist die konkrete Gewohnheit, welche unmittelbar die vielen Bestimmungen der Empfindung, des Bewußtseins, der Anschauung, des Verstandes usf. in einem einfachen Akt vereint.
Das ganz freie, in dem reinen Elemente seiner selbst tätige Denken bedarf ebenfalls der Gewohnheit und Geläufigkeit, dieser Form der Unmittelbarkeit, wodurch es ungehindertes, durchgedrungenes Eigentum meines einzelnen Selbsts ist. Erst durch diese Gewohnheit existiere Ich als denkendes für mich. Selbst diese Unmittelbarkeit des denkenden Beisichseins enthält Leiblichkeit (Ungewohntheit und lange Fortsetzung des Denkens macht Kopfweh); die Gewohnheit vermindert diese Empfindung, indem sie die natürliche Bestimmung zu einer Unmittelbarkeit der Seele macht.
- Die entwickelte und im Geistigen als solchem betätigte Gewohnheit aber ist die Erinnerung und das Gedächtnis und weiter unten zu betrachten.
Von der Gewohnheit pflegt herabsetzend gesprochen und sie als ein Unlebendiges, Zufälliges und Partikuläres genommen zu werden. Ganz zufälliger Inhalt ist allerdings der Form der Gewohnheit, wie jeder andere, fähig, und es ist die Gewohnheit des Lebens, welche den Tod herbeiführt oder, wenn ganz abstrakt, der Tod selbst ist. Aber zugleich ist sie der Existenz aller Geistigkeit im individuellen Subjekte das Wesentlichste, damit das Subjekt als konkrete Unmittelbarkeit, als seelische Idealität sei, damit der Inhalt, religiöser, moralischer usf., ihm als diesem Selbst, ihm als dieser Seele angehöre, weder in ihm bloß an sich (als Anlage), noch als vorübergehende Empfindung oder Vorstellung, noch als abstrakte, von Tun und Wirklichkeit abgeschiedene Innerlichkeit, sondern in seinem Sein sei.
- In wissenschaftlichen Betrachtungen der Seele und des Geistes pflegt die Gewohnheit entweder als etwas Verächtliches übergangen zu werden oder vielmehr auch, weil sie zu den schwersten Bestimmungen gehört.

Zusatz.
Wir sind an die Vorstellung der Gewohnheit gewöhnt; dennoch ist die Bestimmung des Begriffs derselben schwierig. Aus diesem Grunde wollen wir hier noch einige Erläuterungen jenes Begriffes geben.
Zuvörderst muß die Notwendigkeit des dialektischen Fortgangs von der (§ 408 betrachteten) Verrücktheit zu der (in den §§ 409 u. 410 abgehandelten) Gewohnheit gezeigt werden.
Zu dem Ende erinnern wir daran, daß im Wahnsinn die Seele das Bestreben hat, sich aus dem zwischen ihrem objektiven Bewußtsein und ihrer fixen Vorstellung vorhandenen Widerspruch zur vollkommenen inneren Harmonie des Geistes wiederherzustellen. Diese Wiederherstellung kann ebensowohl mißlingen wie erfolgen. Für die einzelne Seele erscheint somit das Gelangen zum freien, in sich harmonischen Selbstgefühl als etwas Zufälliges. An sich aber ist das absolute Freiwerden des Selbstgefühls, das ungestörte Beisichsein der Seele in aller Besonderheit ihres Inhalts, etwas durchaus Notwendiges, denn an sich ist die Seele die absolute Idealität, das Übergreifende über alle ihre Bestimmtheiten, und in ihrem Begriffe liegt es, daß sie sich durch Aufhebung der in ihr festgewordenen Besonderheiten als die unbeschränkte Macht über dieselben erweist, - daß sie das noch Unmittelbare, Seiende in ihr zu einer bloßen Eigenschaft, zu einem bloßen Momente herabsetzt, um durch diese absolute Negation als freie Individualität für sich selber zu werden. Nun haben wir zwar schon in dem Verhältnis der menschlichen Seele zu ihrem Genius ein Fürsichsein des Selbsts zu betrachten gehabt. Dort hatte jedoch dies Fürsichsein noch die Form der Äußerlichkeit, der Trennung in zwei Individualitäten, in ein beherrschendes und ein beherrschtes Selbst, und zwischen diesen beiden Seiten fand noch kein entschiedener Gegensatz, kein Widerspruch statt, so daß der Genius, diese bestimmte Innerlichkeit, ungehindert sich in dem menschlichen Individuum zur Erscheinung brachte.
Auf der Stufe dagegen, bis zu welcher wir jetzt die Entwicklung des subjektiven Geistes fortgeführt haben, kommen wir zu einem Fürsichsein der Seele, das vom Begriff derselben durch Überwindung des in der Verrücktheit vorhandenen inneren Widerspruchs des Geistes, durch Aufhebung der gänzlichen Zerrissenheit des Selbsts zustandegebracht ist. Dies Beisichselbersein nennen wir die Gewohnheit.
In dieser hat die nicht mehr an eine nur subjektive besondere Vorstellung gebannte und durch dieselbe aus dem Mittelpunkt ihrer konkreten Wirksamkeit herausgerückte Seele den an sie gekommenen unmittelbaren und vereinzelten Inhalt in ihre Idealität so vollständig aufgenommen und sich in ihn so völlig eingewohnt, daß sie sich in ihm mit Freiheit bewegt. Während nämlich bei der bloßen Empfindung mich zufällig bald dieses, bald jenes affiziert und bei derselben - wie auch bei anderen geistigen Tätigkeiten, solange diese dem Subjekt noch etwas Ungewohntes sind - die Seele in ihren Inhalt versenkt ist, sich in ihm verliert, nicht ihr konkretes Selbst empfindet, verhält sich dagegen in der Gewohnheit der Mensch nicht zu einer zufälligen einzelnen Empfindung, Vorstellung, Begierde usf., sondern zu sich selber, zu einer seine Individualität ausmachenden, durch ihn selber gesetzten und ihm eigen gewordenen allgemeinen Weise des Tuns und erscheint eben deshalb als frei.
Das Allgemeine, auf welches sich die Seele in der Gewohnheit bezieht, ist jedoch - im Unterschiede von dem erst für das reine Denken vorhandenen, sich selbst bestimmenden, konkret Allgemeinen - nur die aus der Wiederholung vieler Einzelheiten durch Reflexion hervorgebrachte abstrakte Allgemeinheit. Nur zu dieser Form des Allgemeinen kann die mit dem Unmittelbaren, also dem Einzelnen, sich beschäftigende natürliche Seele gelangen. Das auf die einander äußerlichen Einzelheiten bezogene Allgemeine ist aber das Notwendige. Obgleich daher der Mensch durch die Gewohnheit einerseits frei wird, so macht ihn dieselbe doch andererseits zu ihrem Sklaven und ist eine zwar nicht unmittelbare, erste, von der Einzelheit der Empfindungen beherrschte, vielmehr von der Seele gesetzte, zweite Natur, - aber doch immer eine Natur, ein die Gestalt eines Unmittelbaren annehmendes Gesetztes, eine selber noch mit der Form des Seins behaftete Idealität des Seienden, folglich etwas dem freien Geiste Nichtentsprechendes, etwas bloß Anthropologisches.
Indem die Seele auf die oben angegebene Art durch Überwindung ihrer Zerrissenheit, ihres inneren Widerspruches zur sich auf sich beziehenden Idealität geworden ist, hat sie vorher unmittelbar mit ihr identische Leiblichkeit von sich abgeschieden und übt zugleich an dem so zur Unmittelbarkeit entlassenen Leiblichen die Kraft ihrer Idealität aus. Auf diesem Standpunkt haben wir daher nicht die unbestimmte Abtrennung eines Inneren überhaupt von einer vorgefundenen Welt, sondern das Unterworfenwerden jener Leiblichkeit unter die Herrschaft der Seele zu betrachten. Diese Bemächtigung der Leiblichkeit bildet die Bedingung des Freiwerdens der Seele, ihres Gelangens zum objektiven Bewußtsein. Allerdings ist die individuelle Seele an sich schon körperlich abgeschlossen; als lebendig habe ich einen organischen Körper, und dieser ist mir nicht ein Fremdes; er gehört vielmehr zu meiner Idee, ist das unmittelbare, äußerliche Dasein meines Begriffs, macht mein einzelnes Naturleben aus. Man muß daher, beiläufig gesagt, für vollkommen leer die Vorstellung derer erklären, welche meinen, eigentlich sollte der Mensch keinen organischen Leib haben, weil er durch denselben zur Sorge für die Befriedigung seiner physischen Bedürfnisse genötigt, somit von seinem rein geistigen Leben abgezogen und zur wahren Freiheit unfähig werde. Von dieser hohlen Ansicht bleibt schon der unbefangene religiöse Mensch fern, indem er die Befriedigung seiner leiblichen Bedürfnisse für würdig hält, Gegenstand seiner an Gott, den ewigen Geist, gerichteten Bitte zu werden. Die Philosophie aber hat zu erkennen, wie der Geist nur dadurch für sich selber ist, daß er sich das Materielle - teils als seine eigene Leiblichkeit, teils als eine Außenwelt überhaupt - entgegensetzt und dies so Unterschiedene zu der durch den Gegensatz und durch Aufhebung desselben vermittelten Einheit mit sich zurückführt. Zwischen dem Geiste und dessen eigenem Leibe findet natürlicherweise eine noch innigere Verbindung statt als zwischen der sonstigen Außenwelt und dem Geiste. Eben wegen dieses notwendigen Zusammenhangs meines Leibes mit meiner Seele ist die von der letzteren gegen den ersteren unmittelbar ausgeübte Tätigkeit keine endliche, keine bloß negative.
Zunächst habe ich mich daher in dieser unmittelbaren Harmonie meiner Seele und meines Leibes zu behaupten, brauche ihn zwar nicht, wie z. B. die Athleten und Seiltänzer tun, zum Selbstzweck zu machen, muß aber meinem Leibe sein Recht widerfahren lassen, muß ihn schonen, gesund und stark erhalten, darf ihn also nicht verächtlich und feindlich behandeln. Gerade durch Nichtachtung oder gar Mißhandlung meines Körpers würde ich mich zu ihm in das Verhältnis der Abhängigkeit und der äußeren Notwendigkeit des Zusammenhangs bringen, denn auf diese Weise machte ich ihn zu etwas - trotz seiner Identität mit mir - gegen mich Negativem, folglich Feindseligem, und zwänge ihn, sich gegen mich zu empören, an meinem Geiste Rache zu nehmen. Verhalte ich mich dagegen den Gesetzen meines leiblichen Organismus gemäß, so ist meine Seele in ihrem Körper frei.
Dennoch kann die Seele bei dieser unmittelbaren Einheit mit ihrem Leibe nicht stehenbleiben.
Die Form der Unmittelbarkeit jener Harmonie widerspricht dem Begriff der Seele, - ihrer Bestimmung, sich auf sich selber beziehende Idealität zu sein. Um diesem ihrem Begriffe entsprechend zu werden, muß die Seele, was sie auf unserem Standpunkt noch nicht getan hat, ihre Identität mit ihrem Leibe zu einer durch den Geist gesetzten oder vermittelten machen, ihren Leib in Besitz nehmen, ihn zum gefügigen und geschickten Werkzeug ihrer Tätigkeit bilden, ihn so umgestalten, daß sie in ihm sich auf sich selber bezieht, daß er zu einem mit ihrer Substanz, der Freiheit, in Einklang gebrachten Akzidens wird.
Der Leib ist die Mitte, durch welche ich mit der Außenwelt überhaupt zusammenkomme.
Will ich daher meine Zwecke verwirklichen, so muß ich meinen Körper fähig machen, dies Subjektive in die äußere Objektivität überzuführen. Dazu ist mein Leib nicht von Natur geschickt; unmittelbar tut derselbe vielmehr nur das dem animalischen Leben Gemäße. Die bloß organischen Verrichtungen sind aber noch nicht auf Veranlassung meines Geistes vollbrachte Verrichtungen. Zu diesem Dienst muß mein Leib erst gebildet werden. Während bei den Tieren der Leib, ihrem Instinkte gehorchend, alles durch die Idee des Tieres Nötigwerdende unmittelbar vollbringt, hat dagegen der Mensch sich durch seine eigene Tätigkeit zum Herren seines Leibes erst zu machen. Anfangs durchdringt die menschliche Seele ihren Körper nur auf ganz unbestimmt allgemeine Weise. Damit diese Durchdringung eine bestimmte werde, dazu ist Bildung erforderlich. Zunächst zeigt sich hierbei der Körper gegen die Seele ungefügig, hat keine Sicherheit der Bewegungen, gibt ihnen eine für den auszuführenden bestimmten Zweck bald zu große, bald zu geringe Stärke. Das richtige Maß dieser Kraft kann nur dadurch erreicht werden, daß der Mensch auf alle die mannigfaltigen Umstände des Äußerlichen, in welchem er seine Zwecke verwirklichen will, eine besondere Reflexion richtet und nach jenen Umständen alle einzelnen Bewegungen seines Körpers abmißt. Daher vermag selbst das entschiedene Talent nur, insofern es technisch gebildet ist, sofort immer das Richtige zu treffen.
Wenn die im Dienste des Geistes zu vollbringenden Tätigkeiten des Leibes oftmals wiederholt werden, erhalten sie einen immer höheren Grad der Angemessenheit, weil die Seele mit allen dabei zu beachtenden Umständen eine immer größere Vertrautheit erlangt, in ihren Äußerungen somit immer heimischer wird, folglich zu einer stets wachsenden Fähigkeit der unmittelbaren Verleiblichung ihrer innerlichen Bestimmungen gelangt und sonach den Leib immer mehr zu ihrem Eigentum, zu ihrem brauchbaren Werkzeuge umschafft, so daß dadurch ein magisches Verhältnis ein unmittelbares Einwirken des Geistes auf den Leib entsteht.
Indem aber die einzelnen Tätigkeiten des Menschen durch wiederholte Übung den Charakter der Gewohnheit, die Form eines in die Erinnerung, in die Allgemeinheit des geistigen Inneren Aufgenommenen erhalten, bringt die Seele in ihre Äußerungen eine auch anderen zu überliefernde allgemeine Weise des Tuns, eine Regel. Dies Allgemeine ist ein dermaßen zur Einfachheit in sich Zusammengefaßtes, daß ich mir in demselben der besonderen Unterschiede meiner einzelnen Tätigkeiten nicht mehr bewußt bin. Daß dem so sei, sehen wir zum Beispiel am Schreiben.
Wenn wir schreiben lernen, müssen wir dabei unsere Aufmerksamkeit auf alles Einzelne, auf eine ungeheure Menge von Vermittlungen richten. Ist uns dagegen die Tätigkeit des Schreibens zur Gewohnheit geworden, dann hat unser Selbst sich aller betrefflichen Einzelheiten so vollständig bemeistert, sie so sehr mit seiner Allgemeinheit angesteckt, daß dieselben uns als Einzelheiten nicht mehr gegenwärtig sind und wir nur deren Allgemeines im Auge behalten. So sehen wir folglich, daß in der Gewohnheit unser Bewußtsein zu gleicher Zeit in der Sache gegenwärtig, für dieselbe interessiert und umgekehrt doch von ihr abwesend, gegen sie gleichgültig ist, - daß unser Selbst ebensosehr die Sache sich aneignet wie im Gegenteil sich aus ihr zurückzieht, daß die Seele einerseits ganz in ihre Äußerungen eindringt und andererseits dieselben verläßt, ihnen somit die Gestalt eines Mechanischen, einer bloßen Naturwirkung gibt.

 

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Die fühlende Seele in ihrer Unmittelbarkeit

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