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B. Phänomenologie des Geistes. Das Bewußtsein
§ 413
Das Bewußtsein macht die Stufe der Reflexion oder des Verhältnisses des Geistes, seiner als Erscheinung, aus. Ich ist die unendliche Beziehung des Geistes auf sich, aber als subjektive, als Gewißheit seiner selbst; die unmittelbare Identität der natürlichen Seele ist zu dieser reinen ideellen Identität mit sich erhoben, der Inhalt von jener ist für diese für sich seiende Reflexion Gegenstand. Die reine abstrakte Freiheit für sich entläßt ihre Bestimmtheit, das Naturleben der Seele, als ebenso frei, als selbständiges Objekt, aus sich, und von diesem als ihm äußeren ist es, daß Ich zunächst weiß, und ist so Bewußtsein. Ich als diese absolute Negativität ist an sich die Identität in dem Anderssein; Ich ist es selbst und greift über das Objekt als ein an sich aufgehobenes über, ist eine Seite des Verhältnisses und das ganze Verhältnis; - das Licht, das sich und noch anderes manifestiert.
Zusatz. Wie im Zusatz zum vorhergehenden Paragraphen bemerkt wurde, muß das Ich als das individuell bestimmte, in seiner Bestimmtheit, in seinem Unterschiede, sich nur auf sich selber beziehende Allgemeine gefaßt werden. Hierin liegt bereits, daß das Ich unmittelbar negative Beziehung auf sich selbst, folglich das unvermittelte Gegenteil seiner von aller Bestimmtheit abstrahierten Allgemeinheit, also die ebenso abstrakte, einfache Einzelheit ist. Nicht bloß wir, die Betrachtenden, unterscheiden so das Ich in seine entgegengesetzten Momente, sondern kraft seiner in sich allgemeinen, somit von sich selbst unterschiedenen Einzelheit ist das Ich selber dies Sich-von-sich-Unterscheiden, denn als sich auf sich beziehend schließt seine ausschließende Einzelheit sich von sich selber, also von der Einzelheit, aus und setzt sich dadurch als das mit ihr unmittelbar zusammengeschlossene Gegenteil ihrer selbst als Allgemeinheit. Die dem Ich wesentliche Bestimmung der abstrakt allgemeinen Einzelheit macht aber dessen Sein aus. Ich und mein Sein sind daher untrennbar miteinander verbunden; der Unterschied meines Seins von mir ist ein Unterschied, der keiner ist. Einerseits muß zwar das Sein als das absolut Unmittelbare, Unbestimmte, Ununterschiedene von dem sich selbst unterscheidenden und durch Aufhebung des Unterschiedes sich mit sich vermittelnden Denken, vom Ich unterschieden werden, andererseits ist jedoch das Sein mit dem Denken identisch, weil dieses aus aller Vermittlung zur Unmittelbarkeit, aus aller seiner Selbstunterscheidung zur ungetrübten Einheit mit sich zurückkehrt. Das Ich ist daher Sein oder hat dasselbe als Moment in sich. Indem ich dies Sein als ein gegen mich Anderes und zugleich mit mir Identisches setze, bin ich Wissen und habe die absolute Gewißheit meines Seins. Diese Gewißheit darf nicht, wie von seiten der bloßen Vorstellung geschieht, als eine Art von Eigenschaft des Ich, als eine Bestimmung an der Natur desselben betrachtet werden, sondern ist als die Natur selber des Ich zu fassen; denn dieses kann nicht existieren, ohne sich von sich zu unterscheiden und in dem von ihm Unterschiedenen bei sich selber zu sein, das heißt eben ohne von sich zu wissen, ohne die Gewißheit seiner selbst zu haben und zu sein. Die Gewißheit verhält sich deshalb zum Ich wie die Freiheit zum Willen. Wie jene die Natur des Ich ausmacht, so diese die Natur des Willens. Zunächst ist jedoch die Gewißheit nur mit der subjektiven Freiheit, mit der Willkür zu vergleichen; erst die objektive Gewißheit, die Wahrheit, entspricht der echten Freiheit des Willens. Das seiner selbst gewisse Ich ist sonach zu Anfang noch das ganz einfach Subjektive, das ganz abstrakt Freie, die vollkommen unbestimmte Idealität oder Negativität aller Beschränktheit. Sich von sich selber abstoßend, kommt daher das Ich zuerst nur zu einem formell, nicht wirklich von ihm Unterschiedenen. Wie in der Logik gezeigt wird, muß aber der an sich seiende Unterschied auch gesetzt, zu einem wirklichen Unterschiede entwickelt werden. Diese Entwicklung erfolgt in betreff des Ich auf die Weise, daß dasselbe - nicht in das Anthropologische, in die bewußtlose Einheit des Geistigen und Natürlichen zurückfallend, sondern seiner selbst gewiß bleibend und in seiner Freiheit sich erhaltend - sein Anderes zu einer der Totalität des Ich gleichen Totalität sich entfalten und eben dadurch aus einem der Seele angehörenden Leiblichen zu etwas ihr selbständig Gegenübertretendem, zu einem Gegenstande im eigentlichen Sinne dieses Wortes werden läßt. Weil das Ich nur erst das ganz abstrakt Subjektive, das bloß formelle, inhaltslose Sich-von-sich-Unterscheiden ist, so findet sich der wirkliche Unterschied, der bestimmte Inhalt außerhalb des Ich, gehört allein den Gegenständen an. Da aber an sich das Ich den Unterschied schon in sich selber hat oder, mit anderen Worten, da an sich die Einheit seiner und seines Anderen ist, so ist es auf den in dem Gegenstande existierenden Unterschied notwendig bezogen und aus diesem seinem Anderen unmittelbar in sich reflektiert. Das Ich greift also über das wirklich von ihm Unterschiedene über, ist in diesem seinem Anderen bei sich selber und bleibt, in aller Anschauung, seiner selbst gewiß. Nur indem ich dahin komme, mich als Ich zu erfassen, wird das Andere mir gegenständlich, tritt mir gegenüber und wird zugleich in mir ideell gesetzt, somit zur Einheit mit mir zurückgeführt. Deshalb ist im obigen Paragraphen das Ich mit dem Licht verglichen worden. Wie das Licht die Manifestation seiner selbst und seines Anderen, des Dunklen, ist und sich nur dadurch offenbaren kann, daß es jenes Andere offenbart, so ist auch das Ich nur insofern sich selber offenbar, als ihm sein Anderes in der Gestalt eines von ihm Unabhängigen offenbar wird. Aus dieser allgemeinen Auseinandersetzung der Natur des Ich erhellt schon zur Genüge, daß dasselbe, weil es mit den äußeren Gegenständen in Kampf sich begibt, etwas Höheres ist als die in sozusagen kindhafter Einheit mit der Welt befangene, ohnmächtige natürliche Seele, in welche, eben wegen ihrer Ohnmacht, die früher von uns betrachteten geistigen Krankheitszustände fallen.
§ 414
Die Identität des Geistes mit sich, wie sie zunächst als Ich gesetzt ist, ist nur seine abstrakte, formelle Idealität. Als Seele in der Form substantieller Allgemeinheit ist er nun die subjektive Reflexion-in-sich, auf diese Substantialität als auf das Negative seiner, ihm Jenseitiges und Dunkles bezogen. Das Bewußtsein ist daher, wie das Verhältnis überhaupt, der Widerspruch der Selbständigkeit beider Seiten und ihrer Identität, in welcher sie aufgehoben sind. Der Geist ist als Ich Wesen; aber indem die Realität in der Sphäre des Wesens als unmittelbar seiend und zugleich als ideell gesetzt ist, ist er als das Bewußtsein nur das Erscheinen des Geistes.
Zusatz. Die Negativität, welche das ganz abstrakte Ich oder das bloße Bewußtsein an seinem Anderen ausübt, ist eine noch durchaus unbestimmte, oberflächliche, nicht absolute. Daher entsteht auf diesem Standpunkt der Widerspruch, daß der Gegenstand einerseits in mir ist und andererseits außer mir ein ebenso selbständiges Bestehen hat wie das Dunkle außer dem Licht. Dem Bewußtsein erscheint der Gegenstand nicht als ein durch das Ich gesetzter, sondern als ein unmittelbarer, seiender, gegebener; denn dasselbe weiß noch nicht, daß der Gegenstand an sich mit dem Geiste identisch und nur durch eine Selbstteilung des Geistes zu scheinbar vollkommener Unabhängigkeit entlassen ist. Daß dem so ist, wissen nur wir, die wir zur Idee des Geistes vorgedrungen sind und somit über die abstrakte, formelle Identität des Ich uns erhoben haben.
§ 415
Da Ich für sich nur als formelle Identität ist, so ist die dialektische Bewegung des Begriffs, die Fortbestimmung des Bewußtseins, ihm nicht als seine Tätigkeit, sondern sie ist an sich und für dasselbe Veränderung des Objekts. Das Bewußtsein erscheint daher verschieden bestimmt nach der Verschiedenheit des gegebenen Gegenstandes und seine Fortbildung als eine Veränderung der Bestimmungen seines Objekts. Ich, das Subjekt des Bewußtseins, ist Denken; die logische Fortbestimmung des Objekts ist das in Subjekt und Objekt Identische, ihr absoluter Zusammenhang, dasjenige, wonach das Objekt das Seinige des Subjekts ist.
Die Kantische Philosophie kann am bestimmtesten so betrachtet werden, daß sie den Geist als Bewußtsein aufgefaßt hat und ganz nur Bestimmungen der Phänomenologie, nicht der Philosophie desselben enthält. Sie betrachtet Ich als Beziehung auf ein Jenseitsliegendes, das in seiner abstrakten Bestimmung das Ding-an-sich heißt; und nur nach dieser Endlichkeit faßt sie sowohl die Intelligenz als den Willen. Wenn sie im Begriffe der reflektierenden Urteilskraft zwar auf die Idee des Geistes, die Subjekt-Objektivität, einen anschauenden Verstand usf. wie auch auf die Idee der Natur kommt, so wird diese Idee selbst wieder zu einer Erscheinung, nämlich einer subjektiven Maxime herabgesetzt (s. § 58, Einl.). Es ist daher für einen richtigen Sinn dieser Philosophie anzusehen, daß sie von Reinhold als eine Theorie des Bewußtseins, unter dem Namen Vorstellungsvermögen, aufgefaßt worden ist.7) Die Fichtesche Philosophie hat denselben Standpunkt, und Nicht-Ich ist nur als Gegenstand des Ich, nur im Bewußtsein bestimmt; es bleibt als unendlicher Anstoß, d. i. als Ding-an-sich. Beide Philosophien zeigen daher, daß sie nicht zum Begriffe und nicht zum Geiste, wie er an und für sich ist, sondern nur, wie er in Beziehung auf ein Anderes ist, gekommen sind. In Beziehung auf den Spinozismus ist dagegen zu bemerken, daß der Geist in dem Urteile, wodurch er sich als Ich, als freie Subjektivität gegen die Bestimmtheit konstituiert, aus der Substanz, und die Philosophie, indem ihr dies Urteil absolute Bestimmung des Geistes ist, aus dem Spinozismus heraustritt.
Zusatz 1. Obgleich die Fortbestimmung des Bewußtseins aus dessen eigenem Innern hervorgeht und auch eine negative Richtung gegen das Objekt hat, dieses also vom Bewußtsein verändert wird, so erscheint diese Veränderung dem Bewußtsein doch als eine ohne seine subjektive Tätigkeit zustandekommende und gelten ihm die Bestimmungen, die es in den Gegenstand setzt, als nur diesem angehörige, als seiende.
Zusatz 2. Bei Fichte herrscht immer die Not, wie das Ich mit dem Nicht-Ich fertig werden soll. Es kommt hier zu keiner wahrhaften Einheit dieser beiden Seiten, diese Einheit bleibt immer nur eine sein sollende, weil von Hause aus die falsche Voraussetzung gemacht ist, daß Ich und Nicht-Ich in ihrer Getrenntheit, in ihrer Endlichkeit etwas Absolutes seien.
§ 416
Das Ziel des Geistes als Bewußtsein ist, diese seine Erscheinung mit seinem Wesen identisch zu machen, die Gewißheit seiner selbst zur Wahrheit zu erheben. Die Existenz, die er im Bewußtsein hat, hat darin ihre Endlichkeit, daß sie die formelle Beziehung auf sich, nur Gewißheit ist. Weil das Objekt nur abstrakt als das Seinige bestimmt oder er in demselben nur in sich als abstraktes Ich reflektiert ist, so hat diese Existenz noch einen Inhalt, der nicht als der seinige ist.
Zusatz. Die bloße Vorstellung unterscheidet nicht zwischen Gewißheit und Wahrheit. Was ihr gewiß ist, was sie für ein mit dem Objekt übereinstimmendes Subjektives hält, das nennt sie wahr, so geringfügig und schlecht auch der Inhalt dieses Subjektiven sein mag. Die Philosophie dagegen muß den Begriff der Wahrheit wesentlich von der bloßen Gewißheit unterscheiden, denn die Gewißheit, welche auf dem Standpunkt des bloßen Bewußtseins der Geist von sich selber hat, ist noch etwas Unwahres, Sich-selber-Widersprechendes, da der Geist hier, neben der abstrakten Gewißheit, bei sich selber zu sein, die geradezu entgegengesetzte Gewißheit hat, sich zu einem wesentlich gegen ihn Anderen zu verhalten. Dieser Widerspruch muß aufgehoben werden; in ihm selber liegt der Trieb, sich aufzulösen. Die subjektive Gewißheit darf an dem Objekt keine Schranke behalten, sie muß wahrhafte Objektivität bekommen; und umgekehrt muß der Gegenstand seinerseits nicht bloß auf abstrakte Weise, sondern nach allen Seiten seiner konkreten Natur zu dem meinigen werden. Dies Ziel wird von der an sich selber glaubenden Vernunft schon geahnt, aber erst vom Wissen der Vernunft, vom begreifenden Erkennen erreicht.
§ 417
Die Stufen dieser Erhebung der Gewißheit zur Wahrheit sind, daß er a. Bewußtsein überhaupt ist, welches einen Gegenstand als solchen hat, b. Selbstbewußtsein, für welches Ich der Gegenstand ist, c. Einheit des Bewußtseins und Selbstbewußtseins, daß der Geist den Inhalt des Gegenstandes als sich selbst und sich selbst als an und für sich bestimmt anschaut; - Vernunft, der Begriff des Geistes.
Zusatz. Die im obigen Paragraphen angegebenen drei Stufen der Erhebung des Bewußtseins zur Vernunft sind durch die sowohl im Subjekt wie im Objekt tätige Macht des Begriffs bestimmt und können deshalb als ebenso viele Urteile betrachtet werden. Hiervon weiß aber, wie schon früher bemerkt, das abstrakte Ich, das bloße Bewußtsein, noch nichts. Indem daher das dem Bewußtsein zunächst als selbständig geltende Nicht-Ich durch die an diesem sich betätigende Macht des Begriffes aufgehoben, dem Objekt statt der Form der Unmittelbarkeit, Äußerlichkeit und Einzelheit die Form eines Allgemeinen, eines Innerlichen gegeben wird und das Bewußtsein dies Erinnerte in sich aufnimmt, so erscheint dem Ich sein eben dadurch zustandekommendes eigenes Innerlichwerden als eine Innerlichmachung des Objekts. Erst wenn das Objekt zum Ich verinnerlicht ist und das Bewußtsein sich auf diese Weise zum Selbstbewußtsein entwickelt hat, weiß der Geist die Macht seiner eigenen Innerlichkeit als eine in dem Objekt gegenwärtige und wirksame. Was also in der Sphäre des bloßen Bewußtseins nur für uns, die Betrachtenden, ist, das wird in der Sphäre des Selbstbewußtseins für den Geist selbst. Das Selbstbewußtsein hat das Bewußtsein zu seinem Gegenstande, stellt sich somit demselben gegenüber. Zugleich ist aber das Bewußtsein auch als ein Moment im Selbstbewußtsein selber erhalten. Das Selbstbewußtsein geht daher notwendig dazu fort, durch Abstoßung seiner von sich selbst sich ein anderes Selbstbewußtsein gegenüberzustellen und in demselben sich ein Objekt zu geben, welches mit ihm identisch und doch zugleich selbständig ist. Dies Objekt ist zunächst ein unmittelbares, einzelnes Ich. Wird dasselbe aber von der ihm so noch anhaftenden Form der einseitigen Subjektivität befreit und als eine von der Subjektivität des Begriffs durchdrungene Realität, folglich als Idee gefaßt, so schreitet das Selbstbewußtsein aus seinem Gegensatze gegen das Bewußtsein zur vermittelten Einheit mit demselben fort und wird dadurch zum konkreten Fürsichsein des Ich, zu der in der objektiven Welt sich selbst erkennenden, absolut freien Vernunft. Es bedarf hierbei kaum der Bemerkung, daß die in unserer Betrachtung als das Dritte und Letzte erscheinende Vernunft nicht ein bloß Letztes, ein aus etwas ihr Fremdem hervorgehendes Resultat, sondern vielmehr das dem Bewußtsein und dem Selbstbewußtsein Zugrundeliegende, also das Erste ist und sich durch Aufhebung dieser beiden einseitigen Formen als deren ursprüngliche Einheit und Wahrheit erweist.
7) Karl Leonhard Reinhold, Versuch einer neuen Theorie des menschlichen Vorstellungsvermögens, Prag und Jena 1789
fühlende Seele
sinnliches Bewußtsein
Wahrnehmen
Verstand
Selbstbewußtsein
Begierde
Anerkennen
Das allgemeine Selbstbewußtsein
Vernunft
Psychologie
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