b. Das Selbstbewußtsein
§ 424
Die Wahrheit des Bewußtseins ist das Selbstbewußtsein und dieses der Grund von jenem, so daß in der Existenz alles Bewußtsein eines anderen Gegenstandes Selbstbewußtsein ist; ich weiß von dem Gegenstande als dem meinigen (er ist meine Vorstellung), ich weiß daher darin von mir. - Der Ausdruck vom Selbstbewußtsein ist Ich = Ich; - abstrakte Freiheit, reine Idealität. - So ist es ohne Realität, denn es selbst, das Gegenstand seiner ist, ist nicht ein solcher, da kein Unterschied desselben und seiner vorhanden ist.
Zusatz. In dem Ausdruck Ich = Ich ist das Prinzip der absoluten Vernunft und Freiheit ausgesprochen. Die Freiheit und die Vernunft besteht darin, daß ich mich zu der Form des Ich = Ich erhebe, daß ich alles als das Meinige, als Ich erkenne, daß ich jedes Objekt als ein Glied in dem Systeme desjenigen fasse, was ich selbst bin, - kurz darin, daß ich in einem und demselben Bewußtsein Ich und die Welt habe, in der Welt mich selber wiederfinde und umgekehrt in meinem Bewußtsein das habe, was ist, was Objektivität hat. Diese das Prinzip des Geistes ausmachende Einheit des Ich und des Objekts ist jedoch nur erst auf abstrakte Weise im unmittelbaren Selbstbewußtsein vorhanden und wird nur von uns, den Betrachtenden, noch nicht vom Selbstbewußtsein selber erkannt. Das unmittelbare Selbstbewußtsein hat noch nicht das Ich = Ich, sondern nur das Ich zum Gegenstande, ist deshalb nur für uns, nicht für sich selber frei, - weiß noch nicht von seiner Freiheit und hat nur die Grundlage derselben in sich, aber noch nicht die wahrhaft wirkliche Freiheit.
§ 425
Das abstrakte Selbstbewußtsein ist die erste Negation des Bewußtseins, daher auch behaftet mit einem äußerlichen Objekt, formell mit der Negation seiner; es ist somit zugleich die vorhergehende Stufe, Bewußtsein, und ist der Widerspruch seiner als Selbstbewußtseins und seiner als Bewußtseins. Indem letzteres und die Negation überhaupt im Ich = Ich an sich schon aufgehoben ist, so ist es als diese Gewißheit seiner selbst gegen das Objekt der Trieb, das zu setzen, was es an sich ist, - d. i. dem abstrakten Wissen von sich Inhalt und Objektivität zu geben und umgekehrt sich von seiner Sinnlichkeit zu befreien, die gegebene Objektivität aufzuheben und mit sich identisch zu setzen; beides ist ein und dasselbe; - die Identifizierung seines Bewußtseins und Selbstbewußtseins.
Zusatz. Der Mangel des abstrakten Selbstbewußtseins liegt darin, daß dasselbe und das Bewußtsein noch Zweierlei gegeneinander sind, daß beide sich noch nicht gegenseitig ausgeglichen haben. Im Bewußtsein sehen wir den ungeheuren Unterschied des Ich, dieses ganz Einfachen, auf der einen Seite und der unendlichen Mannigfaltigkeit der Welt auf der anderen Seite. Dieser hier noch nicht zur wahrhaften Vermittlung kommende Gegensatz des Ich und der Welt macht die Endlichkeit des Bewußtseins aus. Das Selbstbewußtsein dagegen hat seine Endlichkeit in seiner noch ganz abstrakten Identität mit sich selber. Im Ich = Ich des unmittelbaren Selbstbewußtseins ist nur ein sein sollender, noch kein gesetzter, noch kein wirklicher Unterschied vorhanden. Dieser Zwiespalt zwischen dem Selbstbewußtsein und dem Bewußtsein bildet einen inneren Widerspruch des Selbstbewußtseins mit sich selbst, weil das letztere zugleich die ihm zunächst vorangegangene Stufe, Bewußtsein, folglich das Gegenteil seiner selber ist. Da nämlich das abstrakte Selbstbewußtsein nur die erste, somit noch bedingte Negation der Unmittelbarkeit des Bewußtseins und nicht schon die absolute Negativität, d. h. die Negation jener Negation, die unendliche Affirmation ist, so hat es selber noch die Form eines Seienden, eines Unmittelbaren, eines trotz oder vielmehr gerade wegen seiner unterschiedslosen Innerlichkeit noch von der Äußerlichkeit Erfüllten; es enthält daher die Negation nicht bloß in sich, sondern auch außer sich, als ein äußerliches Objekt, als ein Nicht-Ich, und ist eben dadurch Bewußtsein. Der hier geschilderte Widerspruch muß gelöst werden, und dies geschieht auf die Weise, daß das Selbstbewußtsein, welches sich als Bewußtsein, als Ich, zum Gegenstande hat, die einfache Idealität des Ich zum realen Unterschiede fortentwickelt, somit seine einseitige Subjektivität aufhebend sich Objektivität gibt, - ein Prozeß, der identisch ist mit dem umgekehrten, durch welchen zugleich das Objekt vom Ich subjektiv gesetzt, in die Innerlichkeit des Selbstes versenkt und so die im Bewußtsein vorhandene Abhängigkeit des Ich von einer äußerlichen Realität vernichtet wird. So gelangt das Selbstbewußtsein dahin, nicht neben sich das Bewußtsein zu haben, nicht äußerlich mit diesem verbunden zu sein, sondern dasselbe wahrhaft zu durchdringen und als ein aufgelöstes in sich selber zu enthalten. Um dies Ziel zu erreichen, hat das Selbstbewußtsein drei Entwicklungsstufen zu durchlaufen. α) Die erste dieser Stufen stellt uns das unmittelbare, einfach mit sich identische und zugleich, im Widerspruch hiermit, auf ein äußerliches Objekt bezogene, einzelne Selbstbewußtsein dar. So bestimmt ist das Selbstbewußtsein die Gewißheit seiner als des Seienden, gegen welches der Gegenstand die Bestimmung eines nur scheinbar Selbständigen, in der Tat aber Nichtigen hat; - das begehrende Selbstbewußtsein. β) Auf der zweiten Stufe bekommt das objektive Ich die Bestimmung eines anderen Ich und entsteht somit das Verhältnis eines Selbstbewußtseins zu einem anderen Selbstbewußtsein, zwischen diesen beiden aber der Prozeß des Anerkennens. Hier ist das Selbstbewußtsein nicht mehr bloß einzelnes Selbstbewußtsein, sondern in ihm beginnt schon eine Vereinigung von Einzelheit und Allgemeinheit. γ) Indem dann ferner das Anderssein der einander gegenüberstehenden Selbste sich aufhebt und diese in ihrer Selbständigkeit doch miteinander identisch werden, tritt die dritte jener Stufen hervor, - das allgemeine Selbstbewußtsein.
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