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 G.W.F.Hegel                                                                                                                hegeleliforp03Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse   (1830)

α. Die fühlende Seele in ihrer Unmittelbarkeit

§ 405

1. Die fühlende Individualität zunächst ist zwar ein monadisches Individuum, aber als unmittelbar noch nicht als es selbst, nicht in sich reflektiertes Subjekt und darum passiv. Somit ist dessen selbstische Individualität ein von ihm verschiedenes Subjekt, das auch als anderes Individuum sein kann, von dessen Selbstischkeit es als eine Substanz, welche nur unselbständiges Prädikat ist, durchzittert und auf eine durchgängig widerstandslose Weise bestimmt wird; dies Subjekt kann so dessen Genius genannt werden.

Es ist dies in unmittelbarer Existenz das Verhältnis des Kindes im Mutterleibe, ein Verhältnis, das weder bloß leiblich noch bloß geistig, sondern psychisch ist, - ein Verhältnis der Seele.
Es sind zwei Individuen, und doch in noch ungetrennter Seeleneinheit; das eine ist noch kein Selbst, noch nicht undurchdringlich, sondern ein Widerstandloses; das andere ist dessen Subjekt, das einzelne Selbst beider.
- Die Mutter ist der Genius des Kindes, denn unter Genius pflegt man die selbstische Totalität des Geistes zu verstehen, insofern sie für sich existiere und die subjektive Substantialität eines Anderen, das nur äußerlich als Individuum gesetzt ist, ausmache; letzteres hat nur ein formelles Fürsichsein.
Das Substantielle des Genius ist die ganze Totalität des Daseins, Lebens, Charakters, nicht als bloße Möglichkeit oder Fähigkeit oder Ansich, sondern als Wirksamkeit und Betätigung, als konkrete Subjektivität.
Bleibt man bei dem Räumlichen und Materiellen stehen, nach welchem das Kind als Embryo in seinen besonderen Häuten usf. existiert und sein Zusammenhang mit der Mutter durch den Nabelstrang, Mutterkuchen usf. vermittelt ist, so kommt nur die äußerliche anatomische und physiologische Existenz in sinnlichen und reflektierenden Betracht; für das Wesentliche, das psychische Verhältnis, hat jenes sinnliche und materielle Außereinander und Vermitteltsein keine Wahrheit. Es sind bei diesem Zusammenhange nicht bloß die in Verwunderung setzenden Mitteilungen und Bestimmungen, welche sich im Kinde durch heftige Gemütsbewegungen, Verletzungen usf. der Mutter fixieren, vor Augen zu haben, sondern das ganze psychische Urteil der Substanz, in welches die weibliche Natur, wie im Vegetativen die Monokotyledonen, in sich entzweibrechen kann und worin das Kind so Krankheits- als die weiteren Anlagen der Gestalt, Sinnesart, Charakters, Talents, Idiosynkrasien usf. nicht mitgeteilt bekommen, sondern ursprünglich in sich empfangen hat.
Von diesem magischen Verhältnis kommen anderwärts im Kreise des bewußten, besonnenen Lebens sporadische Beispiele und Spuren, etwa zwischen Freunden, insbesondere nervenschwachen Freundinnen (ein Verhältnis, das sich zu den magnetischen Erscheinungen ausbilden kann), Eheleuten, Familiengliedern vor.
Die Gefühlstotalität hat zu ihrem Selbst eine von ihr verschiedene Subjektivität, welche in der angeführten Form unmittelbarer Existenz dieses Gefühllebens auch ein anderes Individuum gegen dasselbe ist.
Aber die Gefühlstotalität ist bestimmt, ihr Fürsichsein aus ihr selbst in einer und derselben Individualität zur Subjektivität zu erheben; diese ist das ihr dann inwohnende besonnene, verständige, vernünftige Bewußtsein. Für dieses ist jenes Gefühlsleben das nur ansichseiende substantielle Material, dessen vernünftiger, selbstbewußter, bestimmender Genius die besonnene Subjektivität geworden ist.
Jener Kern des Gefühlsseins aber enthält nicht nur das für sich bewußtlose Naturell, Temperament usf., sondern erhält auch (in der Gewohnheit, s. nachher) alle weiteren Bande und wesentlichen Verhältnisse, Schicksale, Grundsätze - überhaupt alles, was zum Charakter gehört und an dessen Erarbeitung die selbstbewußte Tätigkeit ihren wichtigsten Anteil gehabt hat - in seine[r] einhüllende[n] Einfachheit; das Gefühlssein ist so in sich vollkommen bestimmte Seele. Die Totalität des Individuums in dieser gedrungenen Weise ist unterschieden von der existierenden Entfaltung seines Bewußtseins, seiner Weltvorstellung, entwickelten Interessen, Neigungen usf. Gegen dieses vermittelte Außereinander ist jene intensive Form der Individualität der Genius genannt worden, der die letzte Bestimmung im Scheine von Vermittlungen, Absichten, Gründen, in welchen das entwickelte Bewußtsein sich ergeht, gibt.
Diese konzentrierte Individualität bringt sich auch zur Erscheinung in der Weise, welche das Herz oder Gemüt genannt wird.
Man sagt von einem Menschen, er habe kein Gemüt, insofern er mit besonnenem Bewußtsein nach seinen bestimmten Zwecken - seien sie substantielle, große Zwecke oder kleinliche und unrechte Interessen - betrachtet und handelt; ein gemütlicher Mensch heißt mehr, wer seine wenn auch beschränkte Gefühlsindividualität walten läßt und in deren Partikularitäten sich mit dieser ganzen Individualität befindet und von denselben völlig ausgefüllt ist. - Man kann aber von solcher Gemütlichkeit sagen, daß sie weniger der Genius selbst als das Indulgere genio ist.

Zusatz.
Was wir im Zusatz zu § 402 als die im Durchträumen und Ahnen ihrer individuellen Welt befangene Seele bezeichnet haben, das ist in der Überschrift zu obenstehendem Paragraphen "die fühlende Seele in ihrer Unmittelbarkeit" genannt worden. Diese Entwicklungsform der menschlichen Seele wollen wir hier noch bestimmter darstellen, als es in der obigen Anmerkung geschehen ist. Bereits in der Anmerkung zu § 404 wurde gesagt, daß die Stufe des Träumens und Ahnens zugleich eine Form bildet, zu welcher, als zu einem Krankheitszustande, der schon zu Bewußtsein und Verstand entwickelte Geist wieder herabsinken kann. Beide Weisen des Geistes - das gesunde, verständige Bewußtsein einerseits, das Träumen und Ahnen andererseits - können nun auf der hier in Rede stehenden ersten Entwicklungsstufe der fühlenden Seele als mehr oder weniger sich durcheinanderziehend existieren da das Eigentümliche dieser Stufe eben darin besteht, daß hier das dumpfe, subjektive oder ahnende Bewußtsein noch nicht, wie auf der zweiten Stufe der fühlenden Seele, auf dem Standpunkt der Verrücktheit, in direkten Gegensatz gegen das freie, objektive oder verständige Bewußtsein gesetzt ist, sondern vielmehr zu demselben nur das Verhältnis eines Verschiedenen, also eines mit dem verständigen Bewußtsein Vermischbaren hat.
Der Geist existiert somit auf dieser Stufe noch nicht als der Widerspruch in sich selber; die in der Verrücktheit miteinander in Widerspruch geratenden beiden Seiten stehen hier noch in unbefangener Beziehung zueinander. Dieser Standpunkt kann das magische Verhältnis der fühlenden Seele genannt werden, denn mit diesem Ausdruck bezeichnet man ein der Vermittlung entbehrendes Verhältnis des Inneren zu einem Äußeren oder Anderen überhaupt. Eine magische Gewalt ist diejenige, deren Wirkung nicht nach dem Zusammenhange, den Bedingungen und Vermittlungen der objektiven Verhältnisse bestimmt ist; eine solche vermittlungslos wirkende Gewalt ist aber "die fühlende Seele in ihrer Unmittelbarkeit".
Zum Verständnis dieser Entwicklungsstufe der Seele wird es nicht überflüssig sein, hier den Begriff der Magie näher zu erläutern. Die absolute Magie wäre die Magie des Geistes als solchen.
Auch dieser übt an den Gegenständen eine magische Infektion aus, wirkt magisch auf einen anderen Geist. Aber in diesem Verhältnis ist die Unmittelbarkeit nur ein Moment; die durch das Denken und die Anschauung wie durch die Sprache und die Gebärde erfolgende Vermittlung bildet darin das andere Moment. Das Kind wird allerdings auf eine überwiegend unmittelbare Weise von dem Geiste der Erwachsenen infiziert, von welchen es sich umgeben sieht; zugleich ist jedoch dies Verhältnis durch Bewußtsein und durch die beginnende Selbständigkeit des Kindes vermittelt.
Unter den Erwachsenen übt ein überlegener Geist eine magische Gewalt über den schwächeren aus; so zum Beispiel Lear über Kent, der sich zu dem unglücklichen Könige unwiderstehlich hingezogen fühlt, weil dieser ihm in seinem Gesicht etwas zu haben scheint, das er, wie er sich ausdrückt, "gern Herr nennen möchte".
So antwortete auch eine Königin von Frankreich, als sie an ihrem Gemahl Zauberei verübt zu haben angeklagt wurde, sie habe gegen denselben keine andere magische Gewalt gebraucht als diejenige, welche dem stärkeren Geiste über den schwächeren von Natur verliehen sei.
Wie in den angeführten Fällen die Magie in einer unmittelbaren Einwirkung des Geistes auf einen anderen Geist besteht, so hat überhaupt bei der Magie oder Zauberei, selbst wenn diese sich auf bloß natürliche Gegenstände, wie Sonne und Mond, bezog, immer die Vorstellung vorgeschwebt, daß die Zauberei wesentlich durch die unmittelbar wirkende Gewalt des Geistes geschehe, und zwar nicht durch die Macht des göttlichen, sondern durch die des teuflischen Geistes, so daß in eben demselben Maße, wie jemand Zauberkraft besitze, er dem Teufel untertänig sei.
Die vermittlungsloseste Magie ist nun näher diejenige, welche der individuelle Geist über seine eigene Leiblichkeit ausübt, indem er dieselbe zum unterwürfigen, widerstandslosen Vollstrecker seines Willens macht. Aber auch gegen die Tiere übt der Mensch eine höchst vermittlungslose magische Gewalt aus,
da jene den Blick des Menschen nicht zu ertragen vermögen.
Außer den soeben angeführten wirklich stattfindenden magischen Betätigungsweisen des Geistes hat man dagegen fälschlich dem Menschengeschlecht einen primitiven magischen Zustand zugeschrieben, in welchem der Geist des Menschen ohne entwickeltes Bewußtsein, ganz unmittelbar die Gesetze der äußeren Natur und sein eigenes wahrhaftes Wesen sowie die Natur Gottes auf eine viel vollkommenere Weise als jetzt erkannt habe.
Diese ganze Vorstellung ist ebensosehr der Bibel wie der Vernunft zuwider; denn im Mythus vom Sündenfall spricht die Bibel ausdrücklich aus, daß das Erkennen des Wahren erst durch das Zerreißen jener ursprünglichen paradiesischen Einheit des Menschen mit der Natur diesem zuteil geworden sei. Was von großen astronomischen und sonstigen Kenntnissen der primitiven Menschen gefabelt wird, das schwindet bei näherer Betrachtung zu einem Nichts zusammen.
Von den Mysterien läßt sich allerdings sagen, daß sie Trümmer einer früheren Erkenntnis enthalten; Spuren der instinktartig wirkenden Vernunft finden sich in den frühesten und rohesten Zeiten.
Aber solche der Form des Gedankens ermangelnde instinktartige Produktionen der menschlichen Vernunft dürfen nicht für Beweise einer primitiven wissenschaftlichen Erkenntnis gelten, sie sind vielmehr notwendigerweise etwas durchaus Unwissenschaftliches, bloß der Empfindung und der Anschauung Angehöriges, da die Wissenschaft nicht das Erste, sondern nur das Letzte sein kann.
Soviel über das Wesen des Magischen überhaupt. Was aber näher die Weise betrifft, wie dasselbe in der Sphäre der Anthropologie erscheint, so haben wir hier zweierlei Formen des magischen Verhältnisses der Seele zu unterscheiden.
Die erste dieser Formen kann als die formelle Subjektivität des Lebens bezeichnet werden. Formell ist diese Subjektivität, weil sie sich dasjenige, was dem objektiven Bewußtsein angehört, so wenig anmaßt, daß sie vielmehr selber ein Moment des objektiven Lebens ausmacht. Aus diesem Grunde ist sie ebensowenig wie zum Beispiel das Zähnebekommen etwas Nichtseinsollendes, etwas Krankhaftes sondern vielmehr etwas auch dem gesunden Menschen notwendig Zukommendes. In der formellen Natur, in der unterschiedslosen Einfachheit dieser Subjektivität liegt aber zugleich, daß, abgesehen von dem hierbei noch gänzlich ausgeschlossenen, erst in der Verrücktheit herrschenden direkten Gegensatze des subjektiven Bewußtseins gegen das objektive Bewußtsein hierbei auch nicht einmal von einem Verhältnisse zweier selbständiger Persönlichkeiten zueinander die Rede sein kann; ein solches Verhältnis wird sich uns erst bei der zweiten Form des magischen Zustandes der Seele darbieten.
Die zunächst zu besprechende erste Form dieses Zustandes enthält ihrerseits dreierlei Zustände,
αα) das natürliche Träumen,
ββ) das Leben des Kindes im Mutterleibe und
γγ) das Verhalten unseres bewußten Lebens zu unserem geheimen inneren Leben, zu unserer bestimmten geistigen Natur oder zu demjenigen, was man den Genius des Menschen genannt hat.
αα) Das Träumen. Schon bei dem im § 398 abgehandelten Erwachen der individuellen Seele, und zwar näher bei Festsetzung des bestimmten Unterschieds zwischen Schlafen und Wachen, haben wir vorweggreifend vom natürlichen Träumen sprechen müssen, weil dasselbe ein Moment des Schlafes ist und von einer oberflächlichen Ansicht als Beweis der Einerleiheit des Schlafens und des Wachens angesehen werden kann, gegen welche Oberflächlichkeit der wesentliche Unterschied dieser beiden Zustände auch in bezug auf das Träumen festgehalten werden mußte. Die eigentliche Stelle für die Betrachtung der letztgenannten Seelentätigkeit findet sich aber erst bei dem im § 405 gemachten Beginn der Entwicklung der in dem Durchträumen und Ahnen ihres konkreten Naturlebens befangenen Seele.
Indem wir nun hier auf dasjenige verweisen, was schon in der Anmerkung und im Zusatz zu § 398 über die durchaus subjektive, der verständigen Objektivität entbehrende Natur der Träume gesagt worden ist, haben wir nur noch hinzuzufügen, daß im Zustande des Träumens die menschliche Seele nicht bloß von vereinzelten Affektionen erfüllt wird, sondern mehr, als in den Zerstreuungen der wachen Seele gewöhnlich der Fall ist, zu einem tiefen, mächtigen Gefühle ihrer ganzen individuellen Natur, des gesamten Umkreises ihrer Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gelangt und daß dieses Empfundenwerden der individuellen Totalität der Seele eben der Grund ist, weshalb das Träumen bei Betrachtung der sich selbst fühlenden Seele zur Sprache kommen muß.
ββ) Das Kind im Mutterleibe. Während im Träumen das zum Gefühl seiner selbst gelangende Individuum in einfacher unmittelbarer Beziehung auf sich befangen ist und dieses sein Fürsichsein durchaus die Form der Subjektivität hat, zeigt uns dagegen das Kind im Mutterleibe eine Seele, die noch nicht im Kinde, sondern nur erst in der Mutter wirklich für sich ist, sich noch nicht für sich tragen kann, vielmehr nur von der Seele der Mutter getragen wird, so daß hier, statt jener im Träumen vorhandenen einfachen Beziehung der Seele auf sich, eine ebenso einfache, unmittelbare Beziehung auf ein anderes Individuum existiert, in welchem die in ihr selber noch selbstlose Seele des Fötus ihr Selbst findet. Dies Verhältnis hat für den die Einheit des Unterschiedenen zu begreifen unfähigen Verstand etwas Wunderbares, denn hier sehen wir ein unmittelbares Ineinanderleben, eine ungetrennte Seeleneinheit zweier Individuen, von welchen das eine ein wirkliches, für sich selbst seiendes Selbst ist, während das andere wenigstens ein formelles Fürsichsein hat und sich dem wirklichen Fürsichsein immer mehr annähert.
Für die philosophische Betrachtung enthält diese ungetrennte Seeleneinheit aber um so weniger etwas Unbegreifliches, als das Selbst des Kindes dem Selbst der Mutter noch gar keinen Widerstand entgegenzusetzen vermag, sondern dem unmittelbaren Einwirken der Seele der Mutter völlig geöffnet ist. Diese Einwirkung offenbart sich in denjenigen Erscheinungen, welche man Muttermale nennt. Manches, was man dahin gerechnet hat, kann allerdings eine bloß organische Ursache haben. Rücksichtlich vieler physiologischer Erscheinungen darf aber nicht gezweifelt werden, daß dieselben durch die Empfindung der Mutter gesetzt sind, daß ihnen also eine psychische Ursache zugrunde liegt. So wird zum Beispiel berichtet, daß Kinder mit beschädigtem Arm zur Welt gekommen sind, weil die Mutter sich entweder wirklich den Arm gebrochen oder wenigstens denselben so stark gestoßen hatte, daß sie ihn gebrochen zu haben fürchtete, oder endlich weil sie durch den Anblick des Armbruchs eines anderen erschreckt worden war. Ähnliche Beispiele sind zu bekannt, als daß deren viele hier angeführt zu werden brauchten.
Eine solche Verleiblichung der inneren Affektionen der Mutter wird einerseits durch die widerstandslose Schwäche des Fötus, andererseits dadurch erklärbar, daß in der durch die Schwangerschaft geschwächten, nicht mehr ein vollkommen selbständiges Leben für sich habenden, sondern ihr Leben auf das Kind verbreitenden Mutter die Empfindungen einen diese selbst überwältigenden ungewöhnlichen Grad der Lebhaftigkeit und Stärke erhalten. Dieser Macht der Empfindung der Mutter ist selbst der Säugling noch sehr unterworfen; unangenehme Gemütsbewegungen der Mutter verderben bekanntlich die Milch derselben und wirken somit nachteilig auf das von ihr gesäugte Kind. In dem Verhältnis der Eltern zu ihren erwachsenen Kindern dagegen hat sich zwar etwas Magisches insofern gezeigt, als Kinder und Eltern, die lange getrennt waren und einander nicht kannten, unbewußt eine gegenseitige Anziehung fühlten; man kann jedoch nicht sagen, daß dies Gefühl etwas Allgemeines und Notwendiges sei, denn es gibt Beispiele, daß Väter ihre Söhne und Söhne ihre Väter in der Schlacht unter Umständen getötet haben, wo sie diese Tötung zu vermeiden imstande gewesen wären, wenn sie von ihrem gegenseitigen natürlichen Zusammenhange etwas geahnt hätten.
γγ) Das Verhältnis des Individuums zu seinem Genius. Die dritte Weise, wie die menschliche Seele zum Gefühl ihrer Totalität kommt, ist das Verhältnis des Individuums zu seinem Genius. Unter dem Genius haben wir die in allen Lagen und Verhältnissen des Menschen über dessen Tun und Schicksal entscheidende Besonderheit desselben zu verstehen. Ich bin nämlich ein Zwiefaches in mir, - einerseits das, als was ich mich nach meinem äußerlichen Leben und nach meinen allgemeinen Vorstellungen weiß, und andererseits das, was ich in meinem auf besondere Weise bestimmten Inneren bin. Diese Besonderheit meines Inneren macht mein Verhängnis aus, denn sie ist das Orakel, von dessen Ausspruch alle Entschließungen des Individuums abhängen; sie bildet das Objektive, welches sich von dem Inneren des Charakters heraus geltend macht.
Daß die Umstände und Verhältnisse, in denen das Individuum sich befindet, dem Schicksal desselben gerade diese und keine andere Richtung geben, dies liegt nicht bloß in ihnen, in ihrer Eigentümlichkeit, noch auch bloß in der allgemeinen Natur des Individuums, sondern zugleich in dessen Besonderheit.
Zu den nämlichen Umständen verhält dies bestimmte Individuum sich anders als hundert andere Individuen; auf den einen können gewisse Umstände magisch wirken, während ein anderer durch dieselben nicht aus seinem gewöhnlichen Geleise herausgerissen wird. Die Umstände vermischen sich also auf eine zufällige, besondere Weise mit dem Inneren der Individuen, so daß diese teils durch die Umstände und durch das Allgemeingültige, teils durch ihre eigene besondere innere Bestimmung zu demjenigen werden, was aus ihnen wird. Allerdings bringt die Besonderheit des Individuums für dessen Tun und Lassen auch Gründe, also allgemeingültige Bestimmungen herbei; aber sie tut dies, da sie sich dabei wesentlich als fühlend verhält, immer nur auf eine besondere Art. Selbst das wache, verständige, in allgemeinen Bestimmungen sich bewegende Bewußtsein wird folglich von seinem Genius auf eine so übermächtige Weise bestimmt, daß dabei das Individuum in einem Verhältnis der Unselbständigkeit erscheint, welches mit der Abhängigkeit des Fötus von der Seele der Mutter oder mit der passiven Art verglichen werden kann, wie im Träumen die Seele zur Vorstellung ihrer individuellen Welt gelangt. Das Verhältnis des Individuums zu seinem Genius unterscheidet sich aber andererseits von den beiden vorher betrachteten Verhältnissen der fühlenden Seele dadurch, daß es deren Einheit ist, - daß es das im natürlichen Träumen enthaltene Moment der einfachen Einheit der Seele mit sich selber und das im Verhältnis des Fötus zur Mutter vorhandene Moment der Doppelheit des Seelenlebens in eins zusammenfaßt, da der Genius einerseits, wie die Seele der Mutter gegen den Fötus, ein selbstisches Anderes gegen das Individuum ist und andererseits mit dem Individuum eine ebenso untrennbare Einheit bildet wie die Seele mit der Welt ihrer Träume.

§ 406

2. Das Gefühlsleben als Form, Zustand des selbstbewußten, gebildeten, besonnenen Menschen ist eine Krankheit, in der das Individuum sich unvermittelt zu dem konkreten Inhalte seiner selbst verhält und sein besonnenes Bewußtsein seiner und des verständigen Weltzusammenhangs als einen davon unterschiedenen Zustand hat, - magnetischer Somnambulismus und mit ihm verwandte Zustände.

In dieser enzyklopädischen Darstellung kann nicht geleistet werden, was für den Erweis der gegebenen Bestimmung des merkwürdigen, durch den animalischen Magnetismus vornehmlich hervorgerufenen Zustands zu leisten wäre, daß nämlich die Erfahrungen entsprechend seien. Hierfür müßten zuvörderst die in sich so mannigfaltigen und voneinander so sehr verschiedenen Erscheinungen unter ihre allgemeinen Gesichtspunkte gebracht werden. Wenn das Faktische vor allem der Bewährung bedürftig scheinen könnte, so würde eine solche doch wieder für diejenigen überflüssig sein, um derentwillen es einer solchen bedürfte, weil diese sich die Betrachtung dadurch höchst leicht machen, daß sie die Erzählungen, so unendlich zahlreich und so sehr dieselben durch die Bildung, Charakter usf. der Zeugen beglaubigt sind, kurzweg für Täuschung und Betrug ausgeben und in ihrem apriorischen Verstande so fest sind, daß nicht nur gegen denselben alle Beglaubigung nichts vermag, sondern daß sie auch schon das geleugnet haben, was sie mit Augen gesehen. Um auf diesem Felde selbst das, was man mit seinen Augen sieht, zu glauben, und noch mehr, um es zu begreifen, dazu ist die Grundbedingung, nicht in den Verstandeskategorien befangen zu sein.
- Die Hauptmomente, auf welche es ankommt, mögen hier angegeben werden.
αα) Zum konkreten Sein eines Individuums gehört die Gesamtheit seiner Grundinteressen, der wesentlichen und partikulären, empirischen Verhältnisse, in denen es zu anderen Menschen und zur Welt überhaupt steht. Diese Totalität macht seine Wirklichkeit so aus, daß sie ihm immanent und vorhin sein Genius genannt worden ist. Dieser ist nicht der wollende und denkende freie Geist; die Gefühlsform, in deren Versinken das Individuum hier betrachtet wird, ist vielmehr das Aufgeben seiner Existenz als bei sich selbst seiender Geistigkeit. Die nächste Folgerung aus der aufgezeigten Bestimmung in Beziehung auf den Inhalt ist, daß im Somnambulismus nur der Kreis der individuell bestimmten Welt, partikulären Interessen und beschränkten Verhältnisse ins Bewußtsein tritt. Wissenschaftliche Erkenntnisse oder philosophische Begriffe und allgemeine Wahrheiten erfordern einen anderen Boden, das zum freien Bewußtsein aus der Dumpfheit des fühlenden Lebens entwickelte Denken; es ist töricht, Offenbarungen über Ideen vom somnambulen Zustand zu erwarten.
ββ) Der Mensch von gesundem Sinne und Verstand weiß von dieser seiner Wirklichkeit, welche die konkrete Erfüllung seiner Individualität ausmacht, auf selbstbewußte, verständige Weise; er weiß sie wach in der Form des Zusammenhangs seiner mit den Bestimmungen derselben als einer von ihm unterschiedenen äußeren Welt, und er weiß von dieser als einer ebenso verständig in sich zusammenhängenden Mannigfaltigkeit. In seinen subjektiven Vorstellungen, Plänen hat er ebenso diesen verständigen Zusammenhang seiner Welt und die Vermittlung seiner Vorstellungen und Zwecke mit den in sich durchgängig vermittelten objektiven Existenzen vor Augen (vgl. § 398 Anm.).
- Dabei hat diese Welt, die außer ihm ist, ihre Fäden so in ihm, daß, was er für sich wirklich ist, aus denselben besteht; so daß er auch in sich so abstürbe, wie diese Äußerlichkeiten verschwinden, wenn er nicht ausdrücklicher in sich durch Religion, subjektive Vernunft und Charakter selbständig und davon unabhängig ist. In diesem Falle ist er der Form des Zustandes, von dem hier die Rede, weniger fähig.
- Für die Erscheinung jener Identität kann an die Wirkung erinnert werden, die der Tod von geliebten Verwandten, Freunden usf. auf Hinterbliebene haben kann, daß mit dem einen der andere stirbt oder abstirbt (so konnte auch Cato nach dem Untergange der römischen Republik nicht mehr leben, seine innere Wirklichkeit war nicht weiter noch höher als sie), - Heimweh u. dgl.
γγ) Indem aber die Erfüllung des Bewußtseins, die Außenwelt desselben und sein Verhältnis zu ihr, eingehüllt und die Seele somit in Schlaf (im magnetischen Schlafe, Katalepsie, anderen Krankheiten,
z. B. der weiblichen Entwicklung, Nähe des Todes usf.) versenkt wird, so bleibt jene immanente Wirklichkeit des Individuums dieselbe substantielle Totalität als ein Gefühlsleben, das in sich sehend, wissend ist.
Weil es das entwickelte, erwachsene, gebildete Bewußtsein ist, das in jenen Zustand des Fühlens herabgesetzt ist, behält es mit seinem Inhalte zwar das Formelle seines Fürsichseins, ein formelles Anschauen und Wissen, das aber nicht bis zum Urteil des Bewußtseins fortgeht, wodurch sein Inhalt als äußere Objektivität für dasselbe ist, wenn es gesund und wach ist.
So ist das Individuum die seine Wirklichkeit in sich wissende Monade, das Selbstanschauen des Genius.
In diesem Wissen ist daher das Charakteristische, daß derselbe Inhalt, der als verständige Wirklichkeit objektiv für das gesunde Bewußtsein ist um den zu wissen es als besonnenes der verständigen Vermittlung in ihrer ganzen realen Ausbreitung bedarf, in dieser Immanenz unmittelbar von ihm gewußt, geschaut werden kann. Dies Anschauen ist insofern ein Hellsehen, als es Wissen in der ungetrennten Substantialität des Genius ist und sich im Wesen des Zusammenhangs befindet, daher nicht an die Reihen der vermittelnden, einander äußerlichen Bedingungen gebunden ist, welche das besonnene Bewußtsein zu durchlaufen hat und in Ansehung deren es nach seiner eigenen äußerlichen Einzelheit beschränkt ist. Dies Hellsehen ist aber, weil in seiner Trübheit der Inhalt nicht als verständiger Zusammenhang ausgelegt ist, aller eigenen Zufälligkeit des Fühlens, Einbildens usf. preisgegeben, außerdem daß in sein Schauen fremde Vorstellungen
(s. nachher) eintreten. Es ist darum nicht auszumachen, ob dessen, was die Hellsehenden richtig schauen, mehr ist, oder dessen, in dem sie sich täuschen. - Abgeschmackt aber ist es, das Schauen dieses Zustandes für eine Erhebung des Geistes und für einen wahrhafteren, in sich allgemeiner Erkenntnisse fähigen Zustand zu halten.*)
δδ) Eine wesentliche Bestimmung in diesem Gefühlsleben, dem die Persönlichkeit des Verstandes und Willens mangelt, ist diese, daß es ein Zustand der Passivität ist, ebenso wie der des Kindes im Mutterleibe. Das kranke Subjekt kommt daher und steht nach diesem Zustande unter der Macht eines anderen, des Magnetiseurs, so daß in diesem psychischen Zusammenhange beider das selbstlose, nicht als persönlich wirkliche Individuum zu seinem subjektiven Bewußtsein das Bewußtsein jenes besonnenen Individuums hat, daß dies andere dessen gegenwärtige subjektive Seele, dessen Genius ist, der es auch mit Inhalt erfüllen kann. Daß das somnambule Individuum Geschmäcke Gerüche, die in dem, mit welchem es in Rapport ist, vorhanden sind, in sich selbst empfindet, daß es von dessen sonstigen gegenwärtigen Anschauungen und inneren Vorstellungen, aber als von den seinigen, weiß, zeigt diese substantielle Identität, in welcher die Seele, als die auch als konkrete wahrhaft immateriell ist, mit einer anderen zu sein fähig ist.
In dieser substantiellen Identität ist die Subjektivität des Bewußtseins nur eine, und die Individualität des Kranken zwar ein Fürsichsein, aber ein leeres, sich nicht präsentes, wirkliches; dies formelle Selbst hat daher seine Erfüllungen an den Empfindungen, Vorstellungen des anderen, sieht, riecht, schmeckt, liest, hört auch im anderen. Zu bemerken ist in dieser Beziehung noch, daß der Somnambule auf diese Weise in ein Verhältnis zu zwei Genien und zweifachem Inhalt zu stehen kommt, zu seinem eigenen und zu dem des Magnetiseurs.
Welche Empfindungen oder Gesichte dieses formelle Vernehmen nun aus seinem eigenen Innern oder aus dem Vorstellen dessen, mit dem es in Rapport steht, erhält, anschaut und zum Wissen bringt, ist unbestimmt. Diese Unsicherheit kann die Quelle von vielen Täuschungen sein, begründet unter anderem auch die notwendige Verschiedenheit, die unter den Ansichten der Somnambulen aus verschiedenen Ländern und unter dem Rapport zu verschieden gebildeten Personen, über Krankheitszustände und deren Heilungsweisen, Arzneimittel, auch wissenschaftliche und geistige Kategorien usf. zum Vorschein gekommen ist.
εε) Wie in dieser fühlenden Substantialität der Gegensatz zum äußerlich Objektiven nicht vorhanden ist, so ist innerhalb seiner selbst das Subjekt in dieser Einigkeit, in welcher die Partikularitäten des Fühlens verschwunden sind, so daß, indem die Tätigkeit der Sinnesorgane eingeschlafen ist, dann das Gemeingefühl sich zu den besonderen Funktionen bestimmt und mit den Fingern - insbesondere der Herzgrube, Magen - gesehen, gehört usf. wird.
Begreifen heißt für die verständige Reflexion, die Reihe der Vermittlungen zwischen einer Erscheinung und anderem Dasein, mit welchem sie zusammenhängt, erkennen, den sogenannten natürlichen Gang, d. h. nach Verstandesgesetzen und Verhältnissen (z. B. der Kausalität, des Grundes usf.) einsehen.
Das Gefühlsleben, auch wenn es noch das nur formelle Wissen, wie in den erwähnten Krankheitszuständen, beibehält, ist gerade diese Form der Unmittelbarkeit, in welcher die Unterschiede vom Subjektiven und Objektiven, verständiger Persönlichkeit gegen eine äußerliche Welt und jene Verhältnisse der Endlichkeit zwischen denselben nicht vorhanden sind. Das Begreifen dieses verhältnislosen und doch vollkommen erfüllten Zusammenhangs macht sich selbst unmöglich durch die Voraussetzung selbständiger Persönlichkeiten gegeneinander und gegen den Inhalt als eine objektive Welt und durch die Voraussetzung der Absolutheit des räumlichen und materiellen Auseinanderseins überhaupt.

Zusatz.
Im Zusatz zu § 405 haben wir gesagt, daß zweierlei Formen des magischen Verhältnisses der fühlenden Seele zu unterscheiden seien und daß die erste dieser Formen die formelle Subjektivität des Lebens genannt werden könne. Die Betrachtung dieser ersten Form ist in dem eben erwähnten Zusatz zum Schluß gekommen. Jetzt haben wir daher die zweite Form jenes magischen Verhältnisses zu betrachten, nämlich die reale Subjektivität der fühlenden Seele.
Real nennen wir diese Subjektivität, weil hier, statt der im Träumen sowie im Zustande des Fötus und im Verhältnis des Individuums zu seinem Genius herrschenden ungetrennten substantiellen Seeleneinheit, ein wirklich zwiefaches, seine beiden Seiten zu eigentümlichem Dasein entlassendes Seelenleben hervortritt.
Die erste dieser beiden Seiten ist das unvermittelte Verhältnis der fühlenden Seele zu deren individueller Welt und substantieller Wirklichkeit; die zweite Seite dagegen ist die vermittelte Beziehung der Seele zu ihrer in objektivem Zusammenhange stehenden Welt. Daß diese beiden Seiten auseinandertreten, zu gegenseitiger Selbständigkeit gelangen, - dies muß als Krankheit bezeichnet werden, da dies Außereinandertreten, im Gegensatze gegen die im Zusatz zu § 405 betrachteten Weisen der formellen Subjektivität, kein Moment des objektiven Lebens selbst ausmacht.
Gleichwie die leibliche Krankheit in dem Festwerden eines Organes oder Systems gegen die allgemeine Harmonie des individuellen Lebens besteht und solche Hemmung und Trennung mitunter so weit fortschreitet, daß die besondere Tätigkeit eines Systems sich zu einem die übrige Tätigkeit des Organismus in sich konzentrierenden Mittelpunkt, zu einem wuchernden Gewächse macht, so erfolgt auch im Seelenleben Krankheit, wenn das bloß Seelenhafte des Organismus, von der Gewalt des geistigen Bewußtseins unabhängig werdend, sich die Funktion des letzteren anmaßt und der Geist, indem er die Herrschaft über das zu ihm gehörige Seelenhafte verliert, seiner selbst nicht mächtig bleibt, sondern selber zur Form des Seelenhaften herabsinkt und damit das dem gesunden Geiste wesentliche objektive, d. h. durch Aufhebung des äußerlich Gesetzten vermittelte Verhältnis zur wirklichen Welt aufgibt.
Daß das Seelenhafte gegen den Geist selbständig wird und sogar dessen Funktion an sich reißt, davon liegt die Möglichkeit darin, daß dasselbe vom Geiste ebenso unterschieden wie an sich mit ihm identisch ist. Indem das Seelenhafte sich vom Geiste trennt, sich für sich setzt, gibt dasselbe sich den Schein, das zu sein, was der Geist in Wahrheit ist, - nämlich die in der Form der Allgemeinheit für sich selbst seiende Seele.
Die durch jene Trennung entstehende Seelenkrankheit ist aber mit leiblicher Krankheit nicht bloß zu vergleichen, sondern mehr oder weniger mit derselben verknüpft, weil bei dem Sichlosreißen des Seelenhaften vom Geiste die dem letzteren sowohl als dem ersteren zur empirischen Existenz notwendige Leiblichkeit sich an diese zwei außereinandertretenden Seiten verteilt, sonach selber zu etwas in sich Getrenntem, also Krankhaftem wird.
Die Krankheitszustände, in welchen solche Trennung des Seelenhaften vom geistigen Bewußtsein hervortritt, sind nun sehr mannigfaltiger Art; fast jede Krankheit kann bis zu dem Punkte jener Trennung fortgehen.
Hier in der philosophischen Betrachtung unseres Gegenstandes haben wir aber nicht jene unbestimmte Mannigfaltigkeit von Krankheitsformen zu verfolgen, sondern nur das sich in ihnen auf verschiedene Weise gestaltende Allgemeine nach seinen Hauptformen festzusetzen. Zu den Krankheiten, in welchen dies Allgemeine zur Erscheinung kommen kann, gehört das Schlafwandeln, die Katalepsie, die Entwicklungsperiode der weiblichen Jugend, der Zustand der Schwangerschaft, auch der Veitstanz, ebenso der Augenblick des herannahenden Todes, wenn derselbe die in Rede stehende Spaltung des Lebens in das schwächer werdende gesunde, vermittelte Bewußtsein und in das immer mehr zur Alleinherrschaft kommende seelenhafte Wissen herbeiführt; namentlich aber muß hier derjenige Zustand, welchen man den animalischen Magnetismus genannt hat, untersucht werden, sowohl insofern derselbe sich von selber in einem Individuum entwickelt, als insofern er in diesem durch ein anderes Individuum auf besondere Weise hervorgebracht wird. Auch durch geistige Ursachen, besonders durch religiöse und politische Exaltation, kann der fragliche Zustand der Trennung des Seelenlebens herbeigeführt werden.
So zeigte sich zum Beispiel im Sevennerkriege das frei hervortretende Seelenhafte als eine bei Kindern, Mädchen und zumal bei Greisen in hohem Grade vorhandene Sehergabe.
Das merkwürdigste Beispiel solcher Exaltation ist aber die berühmte Jeanne d'Arc, in welcher einerseits die patriotische Begeisterung einer ganz reinen, einfachen Seele, andererseits eine Art von magnetischem Zustande sichtbar wird.
Nach diesen vorläufigen Bemerkungen wollen wir hier die einzelnen Hauptformen betrachten, in denen ein Außereinandertreten des Seelenhaften und des objektiven Bewußtseins sich zeigt.
Wir haben hierbei kaum nötig, an dasjenige zu erinnern, was schon früher über den Unterschied jener beiden Weisen des Verhaltens des Menschen zu seiner Welt gesagt worden ist, - daß nämlich das objektive Bewußtsein die Welt als eine ihm äußerliche, unendlich mannigfache, aber in allen ihren Punkten notwendig zusammenhängende, nichts Unvermitteltes in sich enthaltende Objektivität weiß und sich zu derselben auf eine ihr entsprechende d. h. ebenso mannigfache, bestimmte, vermittelte und notwendige Weise verhält, daher zu einer bestimmten Form der äußerlichen Objektivität nur durch ein bestimmtes Sinnesorgan in Beziehung zu treten, zum Beispiel nur mit den Augen zu sehen vermag, wohingegen das Fühlen oder die subjektive Weise des Wissens die dem objektiven Wissen unentbehrlichen Vermittlungen und Bedingungen ganz oder wenigstens zum Teil entbehren und unmittelbar, zum Beispiel ohne die Hilfe der Augen und ohne die Vermittlung des Lichtes, das Sehbare wahrnehmen kann.
αaαa) Dies unmittelbare Wissen kommt zuvörderst in den sogenannten Metall- und Wasserfühlern zur Erscheinung. Darunter versteht man Menschen, die in ganz wachem Zustande, ohne die Vermittlung des Gesichtssinnes, unter dem Erdboden befindliches Metall oder Wasser bemerken.
Das nicht seltene Vorkommen solcher Menschen unterliegt keinem Zweifel. Amoretti4) hat, nach seiner Versicherung, an mehr als vierhundert, zum Teil ganz gesunden Individuen diese Eigentümlichkeit des Fühlens entdeckt.
Außer dem Metall und Wasser wird von manchen Menschen auch Salz auf ganz vermittlungslose Weise empfunden, indem das letztere, wenn es in großer Menge vorhanden ist, in ihnen Übelbefinden und Beängstigung erregt. Beim Aufsuchen verborgener Gewässer und Metalle sowie des Salzes wenden Individuen gedachter Art auch die Wünschelrute an. Dies ist eine die Gestalt einer Gabel habende Haselgerte, welche an der Gabel mit beiden Händen gehalten wird und sich mit ihrer Spitze nach den eben erwähnten Gegenständen hinunterbiegt. Es versteht sich dabei von selbst, daß diese Bewegung des Holzes nicht in diesem selber irgendwie ihren Grund hat, sondern allein durch die Empfindung des Menschen bestimmt wird, gleichwie auch bei dem sogenannten Pendulieren - obgleich dabei, im Fall der Anwendung mehrerer Metalle, zwischen diesen eine gewisse Wechselwirkung stattfinden kann - die Empfindung des Menschen immer das hauptsächlich Bestimmende ist; denn hält man zum Beispiel einen goldenen Ring über einem Glas Wasser und schlägt der Ring an den Rand des Glases so oft an, als die Uhr Stunden zeigt, so rührt dies einzig daher, daß, wenn zum Beispiel der elfte Schlag kommt und ich weiß, daß es elf Uhr ist, dies mein Wissen hinreicht, den Pendel festzuhalten.
- Das mit der Wünschelrute bewaffnete Fühlen soll sich aber mitunter auch weiter als auf das Entdecken toter Naturdinge erstreckt und namentlich zur Auffindung von Dieben und Mördern gedient haben. So viel Charlatanerie in den über diesen Punkt vorhandenen Erzählungen immerhin sein mag, so scheinen einige hierbei erwähnte Fälle doch Glauben zu verdienen, besonders zum Beispiel der Fall, wo ein im siebzehnten Jahrhundert lebender, des Mordes verdächtiger französischer Bauer, in den Keller, in welchem der Mord verübt worden war, geführt und daselbst in Angstschweiß geratend, von den Mördern ein Gefühl bekam, kraft dessen er die von denselben auf ihrer Flucht eingeschlagenen Wege und besuchten Aufenthaltsorte auffand, im südlichen Frankreich einen der Mörder in einem Gefängnis entdeckte und den zweiten bis nach der spanischen Grenze verfolgte, wo er umzukehren gezwungen wurde. Solch Individuum hat eine so scharfe Empfindung wie ein die Spur seines Herren meilenweit verfolgender Hund.
ββ) Die zweite hier zu betrachtende Erscheinung des unmittelbaren oder fühlenden Wissens hat mit der eben besprochenen ersten dies gemein, daß in beiden ein Gegenstand ohne die Vermittlung des spezifischen Sinnes, auf welchen derselbe sich vornehmlich bezieht, empfunden wird. Zugleich unterscheidet sich aber diese zweite Erscheinung von der ersten dadurch, daß bei ihr nicht ein so ganz vermittlungsloses Verhalten wie bei jener ersten stattfindet, sondern der betreffende spezifische Sinn entweder durch den vorzugsweise in der Herzgrube tätigen Gemeinsinn oder durch den Tastsinn ersetzt wird. Solches Fühlen zeigt sich sowohl in der Katalepsie überhaupt - einem Zustande der Lähmung der Organe - als namentlich beim Schlafwandeln, einer Art von kataleptischem Zustande,
in welchem das Träumen sich nicht bloß durch Sprechen, sondern auch durch Herumgehen äußert und sonstige Handlungen entstehen läßt, denen ein vielfach richtiges Gefühl von den Verhältnissen der umgebenden Gegenstände zugrunde liegt. Was das Eintreten dieses Zustandes betrifft, so kann derselbe bei einer bestimmten Disposition dazu durch rein äußerliche Dinge, zum Beispiel durch gewisse des Abends gegessene Speisen hervorgebracht werden. Ebenso bleibt die Seele nach dem Eintritt dieses Zustandes von den Außendingen abhängig, so hat zum Beispiel in der Nähe der Schlafwandler ertönende Musik dieselben dazu veranlaßt, ganze Romane im Schlaf zu sprechen. Rücksichtlich der Tätigkeit der Sinne in diesem Zustande ist aber zu bemerken, daß die eigentlichen Schlafwandler wohl hören und fühlen, daß dagegen ihr Auge, gleichviel ob es geschlossen oder offen sei, starr ist, daß somit derjenige Sinn, für welchen vornehmlich die Gegenstände in die zum wahrhaften Verhältnis des Bewußtseins nötige Entfernung von mir treten, in diesem Zustande der nicht vorhandenen Trennung des Subjektiven und Objektiven tätig zu sein aufhört. Wie schon bemerkt, wird im Schlafwandeln das erlöschende Gesicht durch den Gefühlssinn vertreten - eine Vertretung, die bei den eigentlichen Blinden nur in geringerem Umfange erfolgt, übrigens in beiden Fällen nicht so verstanden werden darf, als ob durch Abstumpfung des einen Sinnes dem anderen Sinne auf rein physischem Wege eine Verschärfung zuteil würde, da diese vielmehr bloß dadurch entsteht, daß die Seele sich mit ungeteilter Kraft in den Gefühlssinn hineinwirft. Dieser leitet die Schlafwandler jedoch ganz und gar nicht immer richtig; die zusammengesetzten Handlungen derselben sind etwas Zufälliges. Solche Personen schreiben im Schlafwandeln wohl mitunter Briefe; oft werden sie jedoch durch ihr Gefühl betrogen, indem sie zum Beispiel auf einem Pferde zu sitzen glauben, während sie in der Tat auf einem Dache sind. Außer der wunderbaren Verschärfung des Gefühlssinnes kommt aber, wie gleichfalls schon bemerkt, in den kataleptischen Zuständen auch der Gemeinsinn vorzüglich in der Herzgrube zu einer dermaßen erhöhten Tätigkeit, daß er die Stelle des Gesichts, des Gehörs oder auch des Geschmacks vertritt. So behandelte ein französischer Arzt in Lyon zu der Zeit, wo der tierische Magnetismus noch nicht bekannt war, eine kranke Person, welche nur an der Herzgrube hörte und las und die in einem Buche lesen konnte, welches in einem anderen Zimmer jemand hielt, der mit dem an der Herzgrube der kranken Person stehenden Individuum auf Veranstaltung des Arztes durch eine Kette dazwischen befindlicher Personen in Verbindung gesetzt war.
Solches Fernsehen ist übrigens von denjenigen, in welchen es entstand, auf verschiedene Weise beschrieben worden. Häufig sagen dieselben, daß sie die Gegenstände innerlich sehen, oder sie behaupten, es scheine ihnen, als ob Strahlen von den Gegenständen ausgingen. Was aber die oben erwähnte Vertretung des Geschmacks durch den Gemeinsinn anbelangt, so hat man Beispiele, daß Personen die Speisen geschmeckt haben, die man ihnen auf den Magen legte.
γγ) Die dritte Erscheinung des unmittelbaren Wissens ist die, daß ohne die Mitwirkung irgendeines spezifischen Sinnes und ohne das an einem einzelnen Teile des Leibes erfolgende Tätigwerden des Gemeinsinnes aus einer unbestimmten Empfindung ein Ahnen oder Schauen, eine Vision von etwas nicht sinnlich Nahem, sondern im Raume oder in der Zeit Fernem, von etwas Zukünftigem oder Vergangenem entsteht. Obgleich es nun oft schwierig ist, die bloß subjektiven, auf nicht vorhandene Gegenstände bezüglichen Visionen von denjenigen Visionen zu unterscheiden, die etwas Wirkliches zu ihrem Inhalt haben, so ist dieser Unterschied hier doch festzuhalten.
Die erstere Art der Visionen kommt zwar auch im Somnambulismus, vornehmlich aber in einem überwiegend physischen Krankheitszustande, zum Beispiel in der Fieberhitze, selbst bei wachem Bewußtsein vor.
Ein Beispiel solcher subjektiven Vision ist Fr. Nicolai5) , der im wachen Zustande auf der Straße andere Häuser als die wirklich daselbst vorhandenen mit vollkommner Deutlichkeit sah und dennoch wußte, daß dies nur Täuschung war. Der vorherrschend physische Grund dieser poetischen Illusion jenes sonst stockprosaischen Individuums offenbarte sich dadurch, daß dieselbe durch das Ansetzen von Blutegeln an den Mastdarm beseitigt wurde.
In unserer anthropologischen Betrachtung haben wir aber vorzugsweise die zweite Art der Visionen, diejenigen, welche sich auf wirklich vorhandene Gegenstände beziehen, ins Auge zu fassen.
Um das Wunderbare der hierher gehörigen Erscheinungen zu begreifen, kommt es darauf an, in betreff der Seele folgende Gesichtspunkte festzuhalten.
Die Seele ist das Allesdurchdringende, nicht bloß in einem besonderen Individuum Existierende; denn wie wir bereits früher gesagt haben, muß dieselbe als die Wahrheit, als die Idealität alles Materiellen, als das ganz Allgemeine gefaßt werden, in welchem alle Unterschiede nur als ideelle sind und welches nicht einseitig dem Anderen gegenübersteht, sondern über das Andere übergreift. Zugleich aber ist die Seele individuelle, besonders bestimmte Seele, sie hat daher mannigfache Bestimmungen oder Besonderungen in sich; dieselben erscheinen zum Beispiel als Triebe und Neigungen. Diese Bestimmungen sind, obgleich voneinander unterschieden, dennoch für sich nur etwas Allgemeines.
In mir, als bestimmtem Individuum, erhalten dieselben erst einen bestimmten Inhalt. So wird zum Beispiel die Liebe zu den Eltern, Verwandten, Freunden usw. in mir individualisiert; denn ich kann nicht Freund usw. überhaupt sein, sondern bin notwendigerweise mit diesen Freunden dieser an diesem Ort, in dieser Zeit und in dieser Lage lebende Freund. Alle die in mir individualisierten und von mir durchlebten allgemeinen Seelenbestimmungen machen meine Wirklichkeit aus, sind daher nicht meinem Belieben überlassen, sondern bilden vielmehr die Mächte meines Lebens und gehören zu meinem wirklichen Sein ebensogut, wie mein Kopf oder meine Brust zu meinem lebendigen Dasein gehört.
Ich bin dieser ganze Kreis von Bestimmungen: dieselben sind mit meiner Individualität verwachsen; jeder einzelne Punkt in diesem Kreise, zum Beispiel der Umstand, daß ich jetzt hier sitze, zeigt sich der Willkür meines Vorstellens dadurch entnommen, daß er in die Totalität meines Selbstgefühls als Glied einer Kette von Bestimmungen gestellt ist oder, mit anderen Worten, von dem Gefühl der Totalität meiner Wirklichkeit umfaßt wird. Von dieser meiner Wirklichkeit, von dieser meiner Welt weiß ich aber, insofern ich nur erst fühlende Seele, noch nicht waches, freies Selbstbewußtsein bin, auf ganz unmittelbare, auf ganz abstrakt positive Weise, da ich, wie schon bemerkt, auf diesem Standpunkt die Welt noch nicht von mir abgetrennt, noch nicht als ein Äußerliches gesetzt habe, mein Wissen von derselben somit noch nicht durch den Gegensatz des Subjektiven und Objektiven und durch Aufhebung dieses Gegensatzes vermittelt ist.
Den Inhalt dieses schauenden Wissens müssen wir nun näher bestimmen.
(1) Zuerst gibt es Zustände, wo die Seele von einem Inhalte weiß, den sie längst vergessen hat und den sie im Wachen sich nicht mehr ins Bewußtsein zu bringen vermag.
Diese Erscheinung kommt in mancherlei Krankheiten vor. Die auffallendste Erscheinung dieser Art ist die, daß Menschen in Krankheiten eine Sprache reden, mit welcher sie sich zwar in früher Jugend beschäftigt haben, die sie aber im wachen Zustande zu sprechen nicht mehr fähig sind.
Auch geschieht es, daß gemeine Leute, die sonst nur plattdeutsch mit Leichtigkeit zu sprechen gewohnt sind, im magnetischen Zustande ohne Mühe hochdeutsch sprechen. Nicht weniger unzweifelhaft ist der Fall, daß Menschen in solchem Zustande den niemals von ihnen auswendig gelernten, aus ihrem wachen Bewußtsein entschwundenen Inhalt einer vor geraumer Zeit von ihnen durch gemachten Lektüre mit vollkommener Fertigkeit hersagen. So rezitierte zum Beispiel jemand aus Youngs Nachtgedanken eine lange Stelle, von welcher er wachend nichts mehr wußte.
Ein besonders merkwürdiges Beispiel ist auch ein Knabe, der, in frühster Jugend durch Fallen am Gehirn verletzt und deshalb operiert, nach und nach das Gedächtnis so sehr verlor, daß er nach einer Stunde nicht mehr wußte, was er getan hatte, und der, in magnetischen Zustand versetzt, das Gedächtnis vollkommen wieder erhielt, dergestalt, daß er die Ursache seiner Krankheit und die bei der erlittenen Operation gebrauchten Instrumente sowie die dabei tätig gewesenen Personen angeben konnte.
(2) Noch wunderbarer als das eben betrachtete Wissen von einem schon in das Innere der Seele niedergelegten Inhalt kann das vermittlungslose Wissen von Begebenheiten erscheinen, die dem fühlenden Subjekt noch äußerlich sind. Denn rücksichtlich dieses zweiten Inhalts der schauenden Seele wissen wir, daß die Existenz des Äußerlichen an Raum und Zeit gebunden und unser gewöhnliches Bewußtsein durch diese beiden Formen des Außereinander vermittelt ist.
Was zuerst das räumlich uns Ferne betrifft, so können wir von demselben, insofern wir waches Bewußtsein sind, nur unter der Bedingung wissen, daß wir die Entfernung auf eine vermittelte Weise aufheben.
Diese Bedingung ist aber für die schauende Seele nicht vorhanden. Der Raum gehört nicht der Seele, sondern der äußerlichen Natur an, und indem dies Äußerliche von der Seele erfaßt wird, hört dasselbe auf, räumlich zu sein, da es, durch die Idealität der Seele verwandelt, weder sich selber noch uns äußerlich bleibt. Wenn daher das freie, verständige Bewußtsein zur Form der bloß fühlenden Seele herabsinkt, so ist das Subjekt nicht mehr an den Raum gebunden. Beispiele dieser Unabhängigkeit der Seele vom Raume sind in großer Menge vorgekommen. Wir müssen hierbei zwei Fälle unterscheiden. Entweder sind die Begebenheiten dem schauenden Subjekte absolut äußerlich und werden ohne alle Vermittlung von ihm gewußt, - oder sie haben im Gegenteil für dasselbe schon die Form eines Innerlichen, also eines ihm Nichtfremden, eines Vermittelten dadurch zu erhalten angefangen, daß sie auf ganz objektive Art von einem anderen Subjekte gewußt werden, zwischen welchem und dem schauenden Individuum eine so vollständige Seeleneinheit besteht, daß dasjenige, was in dem objektiven Bewußtsein des ersteren ist, auch in die Seele des letzteren eindringt. Die durch das Bewußtsein eines anderen Subjekts vermittelte Form des Schauens haben wir erst später, bei dem eigentlichen magnetischen Zustande, zu betrachten. Hier dagegen müssen wir uns mit dem ersterwähnten Fall des durchaus vermittlungslosen Wissens von räumlich fernen äußerlichen Begebenheiten beschäftigen.
Beispiele von dieser Weise des Schauens kommen in älteren Zeiten, in Zeiten eines mehr seelenhaften Lebens, viel häufiger vor als in der neueren Zeit, wo die Selbständigkeit des verständigen Bewußtseins sich weit mehr entwickelt hat. Die nicht frischweg des Irrtums oder der Lüge zu zeihenden alten Chroniken erzählen manchen hierher gehörigen Fall. Bei dem Ahnen des im Raum Entfernten kann übrigens bald ein dunkleres, bald ein helleres Bewußtsein stattfinden.
Dieser Wechsel in der Klarheit des Schauens zeigte sich zum Beispiel an einem Mädchen, die, ohne daß sie im wachen Zustande etwas davon wußte, einen Bruder in Spanien hatte und die in ihrem Hellsehen, anfangs nur undeutlich, dann aber deutlich, diesen Bruder in einem Spitale sah, darauf denselben tot und geöffnet, nachher jedoch wieder lebendig zu erblicken glaubte und, wie sich später ergab, darin richtig gesehen hatte, daß ihr Bruder wirklich zur Zeit jenes Schauens in einem Spital in Valladolid gewesen war, während sie sich dagegen darin, daß sie denselben tot zu sehen meinte, geirrt hatte, da nicht dieser Bruder, sondern eine andere Person neben demselben zu jener Zeit gestorben war. - In Spanien und Italien, wo das Naturleben des Menschen allgemeiner ist als bei uns, sind solche Gesichte wie das eben erwähnte namentlich bei Frauen und Freunden in bezug auf entfernte Freunde und Gatten, etwas nicht Seltenes.
Ebenso wie über die Bedingung des Raumes erhebt sich aber die schauende Seele zweitens über die Bedingung der Zeit.
Schon oben haben wir gesehen, daß die Seele im Zustande des Schauens etwas durch die verflossene Zeit aus ihrem wachen Bewußtsein völlig Entferntes sich wieder gegenwärtig machen kann.
Interessanter ist jedoch für die Vorstellung die Frage, ob der Mensch auch das durch die zukünftige Zeit von ihm Getrennte klar zu wissen vermöge. Auf diese Frage haben wir folgendes zu erwidern.
Zuvörderst können wir sagen, daß, wie das vorstellende Bewußtsein sich irrt, wenn dasselbe das vorher besprochene Schauen einer durch ihre räumliche Entfernung dem leiblichen Auge gänzlich entrückten Einzelheit für etwas Besseres als das Wissen von Vernunftwahrheiten hält, so die Vorstellung in gleichem Irrtum befangen ist, indem sie meint, ein vollkommen sicheres und verständig bestimmtes Wissen des Zukünftigen würde etwas sehr Hohes sein und man habe sich für das Entbehren eines solchen Wissens nach Trostgründen umzusehen. Umgekehrt muß vielmehr gesagt werden daß es zum Verzweifeln langweilig sein würde, seine Schicksale mit völliger Bestimmtheit vorher zu wissen und dieselben dann der Reihe nach samt und sonders durchzuleben. Ein Vorauswissen dieser Art gehört aber zu den Unmöglichkeiten; denn dasjenige, was nur erst ein Zukünftiges, also ein bloß Ansichseiendes ist, das kann gar nicht Gegenstand des wahrnehmenden, verständigen Bewußtseins werden, da nur das Existierende, das zur Einzelheit eines sinnlich Gegenwärtigen Gelangte wahrgenommen wird.
Allerdings vermag der menschliche Geist sich über das ausschließlich mit der sinnlich gegenwärtigen Einzelheit beschäftigte Wissen zu erheben; die absolute Erhebung darüber findet aber nur in dem begreifenden Erkennen des Ewigen statt; denn das Ewige wird nicht, wie das sinnlich Einzelne, von dem Wechsel des Entstehens und Vergehens ergriffen, ist daher weder ein Vergangenes noch ein Zukünftiges, sondern das über die Zeit erhabene, alle Unterschiede derselben als aufgehobene in sich enthaltende absolut Gegenwärtige. Im magnetischen Zustande dagegen kann bloß eine bedingte Erhebung über das Wissen des unmittelbar Gegenwärtigen erfolgen; das in diesem Zustande sich offenbarende Vorauswissen bezieht sich immer nur auf den einzelnen Kreis der Existenz des Hellsehenden, besonders auf dessen individuelle Krankheitsdisposition, und hat, was die Form betrifft, nicht den notwendigen Zusammenhang und die bestimmte Gewißheit des objektiven, verständigen Bewußtseins.
Der Hellsehende ist in einem konzentrierten Zustande und schaut dies sein eingehülltes, prägnantes Leben auf konzentrierte Weise an. In der Bestimmtheit dieses Konzentrierten sind auch die Bestimmungen des Raumes und der Zeit als eingehüllte enthalten.
Für sich selber jedoch werden diese Formen des Außereinander von der in ihre Innerlichkeit versunkenen Seele des Hellsehenden nicht erfaßt; dies geschieht nur von seiten des seine Wirklichkeit sich als eine äußerliche Welt gegenüberstellenden objektiven Bewußtseins. Da aber der Hellsehende zugleich ein Vorstellendes ist, so muß er jene in sein konzentriertes Leben eingehüllten Bestimmungen auch herausheben oder, was dasselbe ist, seinen Zustand in die Formen des Raumes und der Zeit hinaussetzen, denselben überhaupt nach der Weise des wachen Bewußtseins auslegen.
Hieraus erhellt, in welchem Sinne das ahnende Schauen eine Vermittlung der Zeit in sich hat, während dasselbe andererseits dieser Vermittlung nicht bedarf und eben deswegen fähig ist, in die Zukunft vorzudringen. Das Quantum der in dem angeschauten Zustande liegenden zukünftigen Zeit ist aber nicht etwas für sich Festes, sondern eine Art und Weise der Qualität des geahnten Inhalts, - etwas zu dieser Qualität ebenso Gehöriges, wie zum Beispiel die Zeit von drei oder vier Tagen zur Bestimmtheit der Natur des Fiebers gehört. Das Herausheben jenes Zeitquantums besteht daher in einem entwickelnden Eingehen in das Intensive des Geschauten. Bei dieser Entwicklung ist nun unendliche Täuschung möglich. Niemals wird die Zeit von den Hellsehenden genau angegeben, meistenteils werden vielmehr die auf die Zukunft sich beziehenden Aussagen solcher Menschen zuschanden, zumal wenn diese Schauungen zu ihrem Inhalt Ereignisse haben, die vom freien Willen anderer Personen abhängen. Daß die Hellsehenden in dem fraglichen Punkt sich so oft täuschen, ist ganz natürlich; denn sie schauen ein Zukünftiges nur nach ihrer ganz unbestimmten, unter diesen Umständen so, unter anderen Umständen anders bestimmten zufälligen Empfindung an und legen dann den geschauten Inhalt auf ebenso unbestimmte und zufällige Weise aus. Andererseits kann allerdings jedoch das Vorkommen sich wirklich bestätigender, hierher gehöriger, höchst wunderbarer Ahnungen und Visionen durchaus nicht geleugnet werden. So sind Personen durch die Ahnung des nachher wirklich erfolgenden Einsturzes eines Hauses oder einer Decke aufgeweckt und zum Verlassen des Zimmers oder des Hauses getrieben worden.
So sollen zuweilen auch Schiffer von dem nicht täuschenden Vorgefühl eines Sturmes befallen werden, von welchem das verständige Bewußtsein noch gar kein Anzeichen bemerkt. Auch wird behauptet, daß viele Menschen die Stunde ihres Todes vorhergesagt haben. Vorzüglich in den schottischen Hochlanden, in Holland und in Westfalen finden sich häufige Beispiele von Ahnungen des Zukünftigen.
Besonders bei den schottischen Gebirgsbewohnern ist das Vermögen des sogenannten zweiten Gesichts (second sight) noch jetzt nichts Seltenes. Mit diesem Vermögen begabte Personen sehen sich doppelt, erblicken sich in Verhältnissen und Zuständen, in denen sie erst später sein werden.
Zur Erklärung dieses wunderbaren Phänomens kann folgendes gesagt werden.
Wie man bemerkt hat, ist das second sight in Schottland früher viel häufiger gewesen als jetzt.
Für das Entstehen desselben scheint sonach ein eigentümlicher Standpunkt der geistigen Entwicklung notwendig zu sein, und zwar ein vom Zustande der Roheit wie von dem Zustande großer Bildung gleichmäßig entfernter Standpunkt, auf welchem die Menschen keine allgemeinen Zwecke verfolgen, sondern sich nur für ihre individuellen Verhältnisse interessieren, ihre zufälligen, besonderen Zwecke ohne gründliche Einsicht in die Natur der zu behandelnden Verhältnisse in träger Nachahmung des Althergebrachten ausführen, - somit, um die Erkenntnis des Allgemeinen und Notwendigen unbekümmert, sich nur mit Einzelnem und Zufälligem beschäftigen. Gerade durch diese Versunkenheit des Geistes in das Einzelne und Zufällige scheinen die Menschen zum Schauen einer noch in der Zukunft verborgenen einzelnen Begebenheit, besonders wenn diese ihnen nicht gleichgültig ist, oft befähigt zu werden.
- Es versteht sich indes bei dieser wie bei ähnlichen Erscheinungen von selber, daß die Philosophie nicht darauf ausgehen kann, alle einzelnen, häufig nicht gehörig beglaubigten, im Gegenteil äußerst zweifelhaften Umstände erklären zu wollen; wir müssen uns vielmehr in der philosophischen Betrachtung, wie wir im Obigen getan haben, auf die Hervorhebung der bei den fraglichen Erscheinungen festzuhaltenden Hauptgesichtspunkte beschränken.
(3) Während nun bei dem unter (1) betrachteten Schauen die in ihre Innerlichkeit verschlossene Seele nur einen ihr schon angehörigen Inhalt sich wieder gegenwärtig macht und während dagegen bei dem unter (2) besprochenen Stoffe die Seele in das Schauen eines einzelnen äußerlichen Umstandes versenkt ist, kehrt dieselbe drittens in dem schauenden Wissen von ihrem eigenen Inneren, von ihrem Seelen- und Körperzustande aus jener Beziehung auf ein Äußerliches zu sich selber zurück.
Diese Seite des Schauens hat einen sehr weiten Umfang und kann zugleich zu einer bedeutenden Klarheit und Bestimmtheit gelangen. Etwas vollkommen Bestimmtes und Richtiges werden jedoch die Hellsehenden über ihren körperlichen Zustand nur dann anzugeben vermögen, wenn dieselben medizinisch gebildet sind, somit in ihrem wachen Bewußtsein eine genaue Kenntnis der Natur des menschlichen Organismus besitzen. Von den nicht medizinisch gebildeten Hellsehenden dagegen darf man keine anatomisch und physiologisch völlig richtigen Angaben erwarten; solchen Personen wird es im Gegenteil äußerst schwer, die konzentrierte Anschauung, die sie von ihrem Körperzustand haben, in die Form des verständigen Denkens zu übersetzen, und sie können das von ihnen Geschaute doch immer nur in die Form ihres, d. h. eines mehr oder weniger unklaren und unwissenden wachen Bewußtseins erheben. - So wie aber bei den verschiedenen hellsehenden Individuen das unmittelbare Wissen von ihrem Körperzustand ein sehr verschiedenes ist, so herrscht auch in dem schauenden Erkennen ihres geistigen Inneren sowohl in bezug auf die Form als in betreff des Inhalts eine große Verschiedenheit. Edlen Naturen wird im Hellsehen - da dies ein Zustand des Hervortretens der Substantialität der Seele ist - eine Fülle edlen Empfindens, ihr wahres Selbst, der bessere Geist des Menschen aufgeschlossen und erscheint ihnen oft als besonderer Schutzgeist. Niedrige Menschen hingegen offenbaren in jenem Zustande ihre Niedrigkeit und überlassen sich derselben ohne Rückhalt. Individuen von mittlerem Werte endlich bestehen während des Hellsehens häufig einen sittlichen Kampf mit sich selber, da in diesem neuen Leben, in diesem ungestörten inneren Schauen, das Bedeutendere und Edlere der Charaktere hervortritt und sich gegen das Fehlerhafte derselben vernichtend kehrt.
δδ) Dem schauenden Wissen von dem eigenen geistigen und körperlichen Zustande reiht sich als eine vierte Erscheinung das hellsehende Erkennen eines fremden Seelen- und Körperzustandes an.
Dieser Fall ereignet sich besonders im magnetischen Somnambulismus, wenn durch den Rapport, in welchen das in diesem Zustande befindliche Subjekt mit einem anderen Subjekte gesetzt worden ist, die beiderseitigen Lebenssphären derselben gleichsam zu einer einzigen geworden sind.
εε) Erreicht endlich dieser Rapport den höchsten Grad der Innigkeit und Stärke, so kommt fünftens die Erscheinung vor, daß das schauende Subjekt nicht bloß von, sondern in einem anderen Subjekte weiß, schaut und fühlt, ohne direkte Aufmerksamkeit auf das andere Individuum alle Begegnisse desselben unmittelbar mitempfindet, die Empfindungen der fremden Individualität als seine eigenen in sich hat.
Von dieser Erscheinung finden sich die auffallendsten Beispiele. So behandelte ein französischer Arzt zwei sich gegenseitig sehr liebende Frauen, die in bedeutender Entfernung die beiderseitigen Krankheitszustände ineinander empfanden. Hierher kann auch der Fall gerechnet werden, wo ein Soldat die Angst seiner von Räubern gebundenen Mutter trotz einer ziemlichen Entfernung von ihr in solcher Stärke unmittelbar mitempfand, daß er ohne weiteres zu ihr zu eilen sich unwiderstehlich gedrungen fühlte.
Die im Obigen besprochenen fünf Erscheinungen sind die Hauptmomente des schauenden Wissens. Dieselben haben sämtlich die Bestimmung miteinander gemein, daß sie sich immer auf die individuelle Welt der fühlenden Seele beziehen. Diese Beziehung begründet jedoch unter ihnen keinen so untrennbaren Zusammenhang, daß sie immer alle in einem und demselben Subjekte hervortreten müßten. Zweitens ist jenen Erscheinungen auch dies gemeinsam, daß dieselben sowohl infolge physischer Krankheit als auch, bei sonst gesunden Personen, vermöge einer gewissen besonderen Disposition entstehen können.
In beiden Fällen sind jene Erscheinungen unmittelbare Naturzustände; nur als solche haben wir sie bisher betrachtet. Sie können aber auch absichtlich hervorgerufen werden. Wenn dies geschieht, bilden sie den eigentlichen animalischen Magnetismus, mit welchem wir uns jetzt zu beschäftigen haben.
Was zunächst den Namen "animalischer Magnetismus" betrifft, so ist derselbe ursprünglich daher entstanden, daß Mesmer6) damit angefangen hat, mit Magneten den magnetischen Zustand zu erwecken. Nachher hat man jenen Namen beibehalten, weil auch im tierischen Magnetismus eine unmittelbare gegenseitige Beziehung zweier Existenzen, wie im unorganischen Magnetismus, stattfindet.
Außerdem ist der fragliche Zustand hier und da Mesmerismus, Solarismus, Tellurismus genannt worden. Unter diesen drei Benennungen hat jedoch die ersterwähnte für sich nichts Bezeichnendes, und die beiden letzteren beziehen sich auf eine durchaus andere Sphäre als auf die des tierischen Magnetismus; die geistige Natur, welche bei diesem in Anspruch genommen wird, enthält noch ganz anderes in sich als bloß solarische und tellurische Momente, - als diese ganz abstrakten Bestimmungen, die wir bereits § 392 an der noch nicht zum individuellen Subjekt entwickelten natürlichen Seele betrachtet haben.
Erst durch den eigentlichen animalischen Magnetismus ist das allgemeine Interesse auf die magnetischen Zustände gerichtet worden, da man durch denselben die Macht erhalten hat, alle möglichen Formen dieser Zustände herauszubilden und zu entwickeln. Die auf diesem Wege absichtlich hervorgebrachten Erscheinungen sind jedoch nicht verschieden von den schon besprochenen, auch ohne Konkurrenz des eigentlichen animalischen Magnetismus erfolgenden Zuständen; durch ihn wird nur gesetzt, was sonst als unmittelbarer Naturzustand vorhanden ist.
αα) Um nun zuvörderst die Möglichkeit einer absichtlichen Hervorbringung des magnetischen Zustandes zu begreifen, brauchen wir uns nur an dasjenige zu erinnern, was wir als den Grundbegriff dieses ganzen Standpunkts der Seele angegeben haben.
Der magnetische Zustand ist eine Krankheit; denn wenn überhaupt das Wesen der Krankheit in die Trennung eines besonderen Systems des Organismus von dem allgemeinen physiologischen Leben gesetzt werden muß und wenn eben dadurch, daß sich ein besonderes System jenem allgemeinen Leben entfremdet, der animalische Organismus sich in seiner Endlichkeit, Ohnmacht und Abhängigkeit von einer fremden Gewalt darstellt, so bestimmt sich jener allgemeine Begriff der Krankheit in bezug auf den magnetischen Zustand näher auf die Weise, daß in dieser eigentümlichen Krankheit zwischen meinem seelenhaften und meinem wachen Sein, zwischen meiner fühlenden Naturlebendigkeit und meinem vermittelten, verständigen Bewußtsein ein Bruch entsteht, der, da jeder Mensch die ebengenannten beiden Seiten in sich schließt, auch in dem gesündesten Menschen allerdings der Möglichkeit nach enthalten ist, aber nicht in allen Individuen, sondern nur in denjenigen, welche dazu eine besondere Anlage haben, zur Existenz kommt und erst, insofern er aus seiner Möglichkeit in die Wirklichkeit tritt, zu etwas Krankhaftem wird. Wenn sich aber mein seelenhaftes Leben von meinem verständigen Bewußtsein trennt und dessen Geschäft übernimmt, büße ich meine im verständigen Bewußtsein wurzelnde Freiheit ein, verliere ich die Fähigkeit, mich einer fremden Gewalt zu verschließen, werde dieser vielmehr unterwürfig. Wie nun der von selber entstehende magnetische Zustand in die Abhängigkeit von einer fremden Gewalt ausschlägt, so kann auch umgekehrt von einer äußerlichen Gewalt der Anfang gemacht und - indem dieselbe mich bei der an sich in mir vorhandenen Trennung meines fühlenden Lebens und meines denkenden Bewußtseins erfaßt - dieser Bruch in mir zur Existenz gebracht, somit der magnetische Zustand künstlich bewirkt werden.
Jedoch können, wie bereits angedeutet, nur diejenigen Individuen, in welchen eine besondere Disposition zu diesem Zustande schon vorhanden ist, leicht und dauernd Epopten werden, wogegen Menschen, die nur durch besondere Krankheit in jenen Zustand kommen, nie vollkommene Epopten sind.
Die fremde Gewalt aber, welche den magnetischen Somnambulismus in einem Subjekte erzeugt, ist hauptsächlich ein anderes Subjekt; indes sind auch Arzneimittel, vorzüglich Bilsenkraut, auch Wasser oder Metall imstande, jene Gewalt auszuüben. Das zum magnetischen Somnambulismus disponierte Subjekt vermag daher sich in denselben zu versetzen, indem es sich in Abhängigkeit von solchem Unorganischen oder Vegetabilischem begibt.7) -
Unter den Mitteln zur Hervorbringung des magnetischen Zustandes ist besonders auch das Baquet zu erwähnen. Dasselbe besteht in einem Gefäße mit eisernen Stangen, welche von den zu magnetisierenden Personen berührt werden, und bildet das Mittelglied zwischen dem Magnetiseur und jenen Personen. Während überhaupt Metalle zur Erhöhung des magnetischen Zustandes dienen, bringt umgekehrt Glas und Seide eine isolierende Wirkung hervor. Übrigens wirkt die Kraft des Magnetiseurs nicht nur auf Menschen, sondern auch auf Tiere, zum Beispiel auf Hunde, Katzen und Affen; denn es ist ganz allgemein das seelenhafte, und zwar nur das seelenhafte Leben, welches in den magnetischen Zustand versetzt werden kann, gleichviel ob dasselbe einem Geiste angehöre oder nicht.
ββ) Was zweitens die Art und Weise des Magnetisierens betrifft, so ist dieselbe verschieden. Gewöhnlich wirkt der Magnetiseur durch Berührung. Wie im Galvanismus die Metalle durch unmittelbaren Kontakt aufeinander wirken, so auch der Magnetiseur auf die zu magnetisierende Person. Das in sich geschlossene, seinen Willen an sich zu halten fähige magnetisierende Subjekt kann jedoch mit Erfolg nur unter der Bedingung operieren, daß dasselbe den entschiedenen Willen hat, seine Kraft dem in den magnetischen Zustand zu bringenden Subjekt mitzuteilen, die dabei gegeneinanderstehenden zwei animalischen Sphären durch den Akt des Magnetisierens gleichsam in eine zu setzen.
Die nähere Weise, wie der Magnetiseur operiert, ist vornehmlich ein Bestreichen, das indes kein wirkliches Berühren zu sein braucht, sondern so geschehen kann, daß dabei die Hand des Magnetiseurs von dem Körper der magnetischen Person etwa einen Zoll entfernt bleibt. Die Hand wird vom Kopfe nach der Magengrube und von da nach den Extremitäten hin bewegt, wobei das Zurückstreichen sorgfältig zu vermeiden ist, weil durch dasselbe sehr leicht Krampf entsteht. Zuweilen kann jene Handbewegung in viel größerer Entfernung als in der angegebenen, nämlich in der Entfernung von einigen Schritten, mit Erfolg gemacht werden, besonders wenn der Rapport schon eingeleitet ist; in welchem Falle die Kraft des Magnetiseurs in nächster Nähe oft zu groß sein und deshalb nachteilige Wirkungen hervorbringen würde.
Ob der Magnetiseur in einer bestimmten Entfernung noch wirksam ist, das fühlt derselbe durch eine gewisse Wärme in seiner Hand. Nicht in allen Fällen ist aber das in größerer oder geringerer Nähe erfolgende Bestreichen nötig; vielmehr kann durch bloßes Auflegen der Hand, namentlich auf den Kopf, auf den Magen oder die Herzgrube, der magnetische Rapport eingeleitet werden; oft bedarf es dazu nur eines Handdrucks (weshalb man denn auch mit Recht jene wunderbaren Heilungen, die in den verschiedensten Zeiten von Priestern und von anderen Individuen durch Handauflegung zuwege gebracht sein sollen, auf den animalischen Magnetismus bezogen hat). Mitunter ist auch ein einziger Blick und die Aufforderung des Magnetiseurs zum magnetischen Schlaf hinreichend, diesen zu bewirken. Ja, der bloße Glaube und Wille soll diese Wirkung zuweilen in großer Entfernung gehabt haben. Hauptsächlich kommt es bei diesem magischen Verhältnis darauf an, daß ein Subjekt auf ein ihm an Freiheit und Selbständigkeit des Willens nachstehendes Individuum wirke. Sehr kräftige Organisationen üben daher über schwache Naturen die größte, oft eine so unwiderstehliche Gewalt aus, daß die letzteren, sie mögen wollen oder nicht, durch die ersteren zum magnetischen Schlaf gebracht werden können. Aus dem eben angegebenen Grunde sind starke Männer zum Magnetisieren weiblicher Personen besonders geeignet.
γγ) Der dritte hier zu besprechende Punkt betrifft die durch das Magnetisieren hervorgebrachten Wirkungen. Rücksichtlich dieser ist man, nach den vielfachen hierüber gemachten Erfahrungen, jetzt so vollständig im reinen, daß das Vorkommen wesentlich neuer Erscheinungen dabei nicht mehr zu erwarten steht. Will man die Erscheinungen des tierischen Magnetismus in ihrer Naivität betrachten, so muß man sich vornehmlich an die älteren Magnetiseure halten. Unter den Franzosen haben sich Männer von edelster Gesinnung und größter Bildung mit dem tierischen Magnetismus beschäftigt und denselben mit reinem Sinn betrachtet. Vorzüglich verdient unter diesen Männern der General-Lieutenant Puységure8) genannt zu werden. Wenn die Deutschen sich häufig über die mangelhaften Theorien der Franzosen lustig machen, so kann man wenigstens in bezug auf den animalischen Magnetismus behaupten, daß die bei Betrachtung desselben von den Franzosen gebrauchte naive Metaphysik viel Erfreulicheres ist als das nicht seltene Geträume und das ebenso schiefe wie lahme Theoretisieren deutscher Gelehrter.
Eine brauchbare äußerliche Klassifikation der Erscheinungen des tierischen Magnetismus hat Kluge9) gegeben.
Von van Ghert10) , einem zuverlässigen und zugleich gedankenreichen, in der neuesten Philosophie gebildeten Manne, sind die magnetischen Kuren in Form eines Tagebuchs beschrieben worden. Auch Karl Schelling11) ein Bruder des Philosophen, hat einen Teil seiner magnetischen Erfahrungen bekanntgemacht. - Soviel über die auf den tierischen Magnetismus bezügliche Literatur und über den Umfang unserer Kenntnis desselben.
Nach diesen Vorläufigkeiten wenden wir uns jetzt zu einer kurzen Betrachtung der magnetischen Erscheinungen selber. Die nächste allgemeine Wirkung des Magnetisierens ist das Versinken der magnetischen Person in den Zustand ihres eingehüllten, unterschiedslosen Naturlebens, d. h. in den Schlaf. Das Eintreten desselben bezeichnet den Beginn des magnetischen Zustandes.
Jedoch ist der Schlaf hierbei nicht durchaus notwendig; auch ohne ihn können magnetische Kuren ausgeführt werden. Was hier notwendig stattfinden muß, das ist nur das Selbständigwerden der empfindenden Seele, die Trennung derselben von dem vermittelten, verständigen Bewußtsein.
Das zweite, was wir hier zu betrachten haben, betrifft die physiologische Seite oder Basis des magnetischen Zustandes.
Hierüber muß gesagt werden, daß in jenem Zustande die Tätigkeit der nach außen gerichteten Organe an die inneren Organe übergeht, daß die im Zustande des wachen und verständigen Bewußtseins vom Gehirn ausgeübte Tätigkeit während des magnetischen Somnambulismus dem Reproduktionssystem anheimfällt, weil in diesem Zustande das Bewußtsein zur einfachen, in sich ununterschiedenen Natürlichkeit des Seelenlebens heruntergesetzt wird, - dieser einfachen Natürlichkeit, diesem eingehüllten Leben aber die nach außen gehende Sensibilität widerspricht; wogegen das nach innen gekehrte, in den einfachsten animalischen Organisationen vorherrschende und die Animalität überhaupt bildende Reproduktionssystem von jenem eingehüllten Seelenleben durchaus untrennbar ist. Aus diesem Grunde fällt also während des magnetischen Somnambulismus die Wirksamkeit der Seele in das Gehirn des reproduktiven Systems, nämlich in die Ganglien, diese vielfach verknoteten Unterleibsnerven.
Daß dem so sei, hat van Helmont12) empfunden, nachdem er sich mit Salbe von Bilsenkraut eingerieben und Saft von diesem Kraute eingenommen hatte. Seiner Beschreibung nach war ihm zumute, als gehe sein denkendes Bewußtsein aus dem Kopfe in den Unterleib, namentlich in den Magen, und es schien ihm, als ob sein Denken bei dieser Versetzung an Schärfe gewinne und mit einem besonders angenehmen Gefühl verbunden sei.
Diese Konzentration des Seelenlebens im Unterleibe betrachtet ein berühmter französischer Magnetiseur als abhängig von dem Umstande, daß während des magnetischen Somnambulismus das Blut in der Gegend der Herzgrube sehr flüssig bleibe, auch wenn dasselbe in den übrigen Teilen äußerst verdickt sei.
- Die im magnetischen Zustande erfolgende ungewöhnliche Erregung des Reproduktionssystems zeigt sich aber nicht nur in der geistigen Form des Schauens, sondern auch in der sinnlicheren Gestalt des mit größerer oder geringerer Lebhaftigkeit, besonders bei weiblichen Personen, erwachenden Geschlechtstriebes.
Nach dieser vornehmlich physiologischen Betrachtung des animalischen Magnetismus haben wir näher zu bestimmen, wie dieser Zustand rücksichtlich der Seele beschaffen ist. Wie in den früher betrachteten, von selber eintretenden magnetischen Zuständen, so auch in dem absichtlich hervorgebrachten animalischen Magnetismus schaut die in ihre Innerlichkeit versunkene Seele ihre individuelle Welt nicht außer sich, sondern in sich selber an. Dies Versinken der Seele in ihre Innerlichkeit kann, wie schon bemerkt, sozusagen auf halbem Wege stehenbleiben; dann tritt kein Schlaf ein.
Das Weitere ist aber, daß das Leben nach außen durch den Schlaf gänzlich abgebrochen wird. Auch bei diesem Abbrechen kann der Verlauf der magnetischen Erscheinungen stillstehen.
Ebenso möglich ist jedoch der Übergang des magnetischen Schlafes zum Hellsehen.
Die meisten magnetischen Personen werden in diesem Schauen sich befinden, ohne sich desselben zu erinnern. Ob Hellsehen vorhanden ist, hat sich oft nur durch Zufall gezeigt; hauptsächlich kommt dasselbe zum Vorschein, wenn die magnetische Person vom Magnetiseur angeredet wird; ohne seine Anrede würde diese vielleicht immer nur geschlafen haben. Obgleich nun die Antworten der Hellsehenden wie aus einer anderen Welt zu kommen scheinen, so können diese Individuen doch von dem wissen, was sie als objektives Bewußtsein sind.
Oft sprechen sie indes von ihrem verständigen Bewußtsein auch wie von einer anderen Person. Wenn das Hellsehen sich bestimmter entwickelt, geben die magnetischen Personen Erklärungen über ihren leiblichen Zustand und über ihr geistiges Innere. Ihre Empfindungen sind aber so unklar wie die Vorstellungen, welche der von dem Unterschied des Hellen und Dunklen nichts wissende Blinde von den Außendingen hat, das im Hellsehen Geschaute wird oft erst nach einigen Tagen klarer, ist jedoch nie so deutlich, daß dasselbe nicht erst der Auslegung bedürfte, die den magnetischen Personen aber zuweilen gänzlich mißglückt, oft wenigstens so symbolisch und so bizarr ausfällt, daß dieselbe ihrerseits wieder eine Auslegung durch das verständige Bewußtsein des Magnetiseurs nötig macht, dergestalt, daß das Endresultat des magnetischen Schauens meistenteils aus einer mannigfachen Mischung von Falschem und Richtigem besteht.
Doch läßt sich andererseits nicht leugnen, daß die Hellsehenden zuweilen die Natur und den Verlauf ihrer Krankheit sehr bestimmt angeben, daß sie gewöhnlich sehr genau wissen, wann ihre Paroxysmen eintreten werden, wann und wie lange sie des magnetischen Schlafs bedürfen, wie lange ihre Kur dauern wird, und daß dieselben endlich mitunter einen dem verständigen Bewußtsein vielleicht noch unbekannten Zusammenhang zwischen einem Heilmittel und dem durch dieses zu beseitigenden Übel entdecken, somit eine dem Arzt sonst schwierige Heilung leicht machen. In dieser Beziehung kann man die Hellsehenden mit den Tieren vergleichen, da diese durch ihren Instinkt über die ihnen heilsamen Dinge belehrt werden.
Was aber den weiteren Inhalt des absichtlich erregten Hellsehens anbelangt, so brauchen wir kaum zu bemerken, daß in diesem, wie im natürlichen Hellsehen, die Seele mit der Magengrube zu lesen und zu hören vermag. Nur zweierlei wollen wir hierbei noch hervorheben; nämlich erstens, daß dasjenige, was außer dem Zusammenhang des substantiellen Lebens der magnetischen Person liegt, durch den somnambulen Zustand nicht berührt wird, - daß sich daher das Hellsehen zum Beispiel nicht auf das Ahnen der mit einem Gewinn herauskommenden Lotteriezahlen erstreckt und überhaupt nicht zu eigensüchtigen Zwecken benutzt werden kann. Anders als mit solchen zufälligen Dingen verhält es sich dagegen mit großen Weltbegebenheiten.
So wird zum Beispiel erzählt, eine Somnambule habe am Vorabend der Schlacht bei Belle-Alliance [Waterloo] in großer Exaltation ausgerufen: "Morgen wird derjenige, welcher uns so viel geschadet hat, entweder durch Blitz oder durch das Schwert untergehen."
- Der zweite hier noch zu erwähnende Punkt ist der, daß, da die Seele im Hellsehen ein von ihrem verständigen Bewußtsein abgeschnittenes Leben führt, die Hellsehenden beim Erwachen zunächst von dem, was sie im magnetischen Somnambulismus geschaut haben, nichts mehr wissen, daß sie jedoch auf einem Umwege davon ein Wissen bekommen können, indem sie nämlich von dem Geschauten träumen und sich dann im Wachen der Träume erinnern.
Auch läßt sich durch Vorsatz zum Teil eine Erinnerung an das Geschaute bewirken, und zwar näher auf die Weise, daß der Arzt den Kranken während ihres wachen Zustandes aufgibt, sich das Behalten des im magnetischen Zustande von ihnen Empfundenen fest vorzunehmen.
δδ) Was viertens den engen Zusammenhang und die Abhängigkeit der magnetischen Person von dem Magnetiseur betrifft, so ist außer dem in der Anmerkung zu § 406 unter δδ) in betreff der leiblichen Seite jenes Zusammenhangs Gesagten, hier noch anzuführen, daß die hellsehende Person zunächst bloß den Magnetiseur, andere Individuen aber nur dann, wenn diese mit jenem in Rapport stehen, zu hören vermag, zuweilen jedoch das Gehör wie das Gesicht gänzlich verliert und daß ferner bei diesem ausschließlichen Lebenszusammenhange der magnetischen Person mit dem Magnetiseur der ersteren das Berührtwerden von einer dritten Person höchst gefährlich werden, Konvulsionen und Katalepsie erzeugen kann.
- Rücksichtlich des zwischen dem Magnetiseur und den magnetischen Personen bestehenden geistigen Zusammenhangs aber können wir noch erwähnen, daß die Hellsehenden oft durch das zu dem ihrigen werdende Wissen des Magnetiseurs die Fähigkeit erhalten, etwas zu erkennen, das nicht unmittelbar von ihnen selber innerlich geschaut wird, - daß sie demnach ohne eigene direkte Empfindung zum Beispiel, was die Uhr ist, anzugeben vermögen, wofern der Magnetiseur über diesen Punkt Gewißheit hat.
Die Kenntnis der fraglichen innigen Gemeinsamkeit bewahrt uns vor der Torheit des Erstaunens über die von den Hellsehenden mitunter ausgekramte Weisheit; sehr häufig gehört diese Weisheit eigentlich nicht den magnetischen Personen, sondern dem mit ihnen in Rapport sich befindenden Individuum an.
- Außer dieser Gemeinsamkeit des Wissens kann, besonders bei längerer Fortsetzung des Hellsehens, die magnetische Person zu dem Magnetiseur auch in sonstige geistige Beziehungen kommen, in Beziehungen, bei welchen es sich um Manier, Leidenschaft und Charakter handelt.
Vorzüglich kann die Eitelkeit der Hellsehenden leicht erregt werden, wenn man den Fehler begeht, sie glauben zu machen, daß man ihren Reden große Wichtigkeit beilege. Dann werden die Somnambulen von der Sucht befallen, über alles und jedes zu sprechen, auch wenn sie davon gar keine entsprechenden Anschauungen haben. In diesem Fall hat das Hellsehen durchaus keinen Nutzen, vielmehr wird dasselbe dann zu etwas Bedenklichem. Daher ist unter den Magnetiseuren vielfach die Frage besprochen worden, ob man das Hellsehen, wenn es von selber entstanden ist, ausbilden und erhalten, entgegengesetzten Falls absichtlich herbeiführen, oder ob man im Gegenteil dasselbe zu verhindern streben muß.
Wie schon erwähnt, kommt das Hellsehen durch mehrfaches Gefragtwerden der magnetischen Person zum Vorschein und zur Entwicklung. Wird nun nach den verschiedensten Gegenständen gefragt, so kann die magnetische Person sich leicht zerstreuen, die Richtung auf sich selber mehr oder weniger verlieren, somit zur Bezeichnung ihrer Krankheit sowie zur Angabe der dagegen zu gebrauchenden Mittel minder fähig werden, eben dadurch aber die Heilung bedeutend verzögern. Deshalb muß der Magnetiseur bei seinen Fragen das Erregen der Eitelkeit und der Zerstreuung der magnetischen Person mit der größten Vorsicht vermeiden. Vornehmlich aber darf der Magnetiseur sich nicht seinerseits in ein Verhältnis der Abhängigkeit von der magnetischen Person geraten lassen. Dieser Übelstand kam früher, wo die Magnetiseure ihre eigene Kraft mehr anstrengten, häufiger vor als seit der Zeit, wo dieselben das Baquet zu Hilfe nehmen.
Bei dem Gebrauch dieses Instruments ist der Magnetiseur weniger in den Zustand der magnetischen Person verwickelt. Doch auch so kommt noch sehr viel auf den Grad der Stärke des Gemüts, des Charakters und des Körpers der Magnetiseure an. Gehen diese, was besonders bei Nichtärzten der Fall ist, in die Launen der magnetischen Person ein, besitzen sie nicht den Mut des Widersprechens und des Entgegenhandelns gegen dieselbe und erhält auf diese Weise die magnetische Person das Gefühl eines starken ihrerseitigen Einwirkens auf den Magnetiseur, so überläßt sie sich, wie ein verzogenes Kind, allen ihren Launen, bekommt die sonderbarsten Einfälle, hält den Magnetiseur bewußtlos zum besten und hemmt dadurch ihre Heilung. - Die magnetische Person kann jedoch nicht bloß in diesem schlechten Sinne zu einer gewissen Unabhängigkeit kommen, sondern sie behält, wenn sie sonst einen sittlichen Charakter besitzt, auch im magnetischen Zustande eine Festigkeit des sittlichen Gefühls, an welcher die etwaigen unreinen Absichten des Magnetiseurs scheitern. So erklärte zum Beispiel eine Magnetisierte, daß sie der Aufforderung des Magnetiseurs, sich vor ihm zu entkleiden, nicht zu gehorchen brauche.
εε) Der fünfte und letzte Punkt, den wir beim animalischen Magnetismus zu berühren haben, betrifft den eigentlichen Zweck der magnetischen Behandlung, - die Heilung.
Ohne Zweifel müssen viele in älterer Zeit geschehene Heilungen, die man als Wunder betrachtete, für nichts anderes angesehen werden als für Wirkungen des animalischen Magnetismus. Wir haben aber nicht nötig, uns auf solche in das Dunkel ferner Vergangenheit eingehüllte Wundergeschichten zu berufen, denn in neuerer Zeit sind von den glaubwürdigsten Männern durch die magnetische Behandlung so zahlreiche Heilungen vollbracht worden, daß, wer unbefangen darüber urteilt, an der Tatsache der Heilkraft des animalischen Magnetismus nicht mehr zweifeln kann. Es handelt sich daher jetzt nur noch darum, die Art und Weise, wie der Magnetismus die Heilung vollbringt, aufzuzeigen. Zu diesem Ende können wir daran erinnern, daß schon die gewöhnliche medizinische Kur in dem Beseitigen der die Krankheit ausmachenden Hemmung der Identität des animalischen Lebens, in dem Wiederherstellen des In-sich-flüssig-Seins des Organismus besteht.
Dies Ziel wird nun bei der magnetischen Behandlung dadurch erreicht, daß entweder Schlaf und Hellsehen oder nur überhaupt ein Versinken des individuellen Lebens in sich selber, ein Zurückkehren desselben zu seiner einfachen Allgemeinheit hervorgebracht wird. Wie der natürliche Schlaf eine Stärkung des gesunden Lebens bewirkt, weil er den ganzen Menschen aus der schwächenden Zersplitterung der gegen die Außenwelt gerichteten Tätigkeit in die substantielle Totalität und Harmonie des Lebens zurücknimmt, so ist auch der schlafhafte magnetische Zustand, weil durch denselben der in sich entzweite Organismus zur Einheit mit sich gelangt, die Basis der wiederherzustellenden Gesundheit.
Doch darf von der anderen Seite hierbei nicht außer acht gelassen werden, wie jene im magnetischen Zustande vorhandene Konzentration des empfindenden Lebens ihrerseits selber zu etwas so Einseitigem werden kann, daß sie sich gegen das übrige organische Leben und gegen das sonstige Bewußtsein krankhaft befestigt. In dieser Möglichkeit liegt das Bedenkliche einer absichtlichen Hervorrufung jener Konzentration. Wird die Verdoppelung der Persönlichkeit zu sehr gesteigert, so handelt man auf eine dem Zwecke der Heilung widersprechende Art, da man eine Trennung hervorbringt, die größer ist als diejenige, welche man durch die magnetische Kur beseitigen will. Bei so unvorsichtiger Behandlung ist die Gefahr vorhanden, daß schwere Krisen, fürchterliche Krämpfe eintreten und daß der diese Erscheinungen erzeugende Gegensatz nicht bloß körperlich bleibt, sondern auch auf vielfache Weise ein Gegensatz im somnambulen Bewußtsein selber wird. Geht man dagegen so vorsichtig zu Werke, daß man die im magnetischen Zustande stattfindende Konzentration des empfindenden Lebens nicht übertreibt, so hat man an derselben, wie schon bemerkt, die Grundlage der Wiederherstellung der Gesundheit und ist imstande, die Heilung dadurch zu vollenden, daß man den noch in der Trennung stehenden, aber gegen sein konzentriertes Leben machtlosen übrigen Organismus in diese seine substantielle Einheit, in diese seine einfache Harmonie mit sich selber nach und nach zurückführt und denselben dadurch befähigt, seiner inneren Einheit unbeschadet sich wieder in die Trennung und den Gegensatz einzulassen.

 *) Platon hat das Verhältnis der Prophezeiung überhaupt zum Wissen des besonnenen Bewußtseins besser erkannt als viele Moderne, welche an den Platonischen Vorstellungen vom Enthusiasmus leicht eine Autorität für ihren Glauben an die Hoheit der Offenbarungen des somnambulen Schauens zu haben meinten. Platon sagt im Timaios (Steph. 71 f.), damit auch der unvernünftige Teil der Seele einigermaßen der Wahrheit teilhaftig werde, habe Gott die Leber geschaffen und ihr die Manteia, das Vermögen, Gesichte zu haben, gegeben.
Daß Gott der menschlichen Unvernunft dies Weissagen gegeben, davon, fügt er hinzu, ist dies ein hinreichender Beweis, daß kein besonnener Mensch eines wahrhaften Gesichtes teilhaftig wird, sondern es sei, daß im Schlafe der Verstand gefesselt oder durch Krankheit oder einen Enthusiasmus außer sich gebracht ist. "Richtig ist schon vor alters gesagt worden: zu tun und zu kennen das Seinige und sich selbst, steht nur den Besonnenen zu." Platon bemerkt sehr richtig sowohl das Leibliche solches Schauens und Wissens als die Möglichkeit der Wahrheit der Gesichte, aber das Untergeordnete derselben unter das vernünftige Bewußtsein.

 

 

4) Carlo Amoretti, 1741-1816, italienischer Gelehrter

5) Christoph Friedrich Nicolai, 1733-1811, Schriftsteller

6) Franz Anton Mesmer, 1734-1815, Arzt; begründete die Lehre von der Heilkraft des "animalischen Magnetismus".

7) *Davon haben schon die Schamanen der Mongolen Kenntnis; sie bringen sich, wenn sie weissagen wollen, durch gewisse Getränke in magnetischen Zustand. Dasselbe geschieht zu dem nämlichen Zweck noch jetzt bei den Indern. Etwas Ähnliches hat wahrscheinlich auch bei dem Orakel zu Delphi stattgefunden, wo die Priesterin, über eine Höhle auf einen Dreifuß gesetzt, in eine oft milde, zuweilen aber auch heftige Ekstase geriet und in diesem Zustande mehr oder weniger artikulierte Töne ausstieß, welche von den in der Anschauung der substantiellen Lebensverhältnisse des griechischen Volkes lebenden Priestern ausgelegt wurden.

8) Armand Marie Jacques Puységure, 1751-1825, Anhänger Mesmers

9) Karl Alexander Ferdinand Kluge, 1782-1844; Versuch einer Darstellung des animalischen Magnetismus als Heilmittel, 1811

10) Pierre Gabriel van Ghert, 1782-1852, holländischer Staatsmann, Freund Hegels

11) Karl Eberhard von Schelling, 1783-1854, Obermedizinalrat

12) Jan Baptist van Helmont, 1577-1644, Arzt und Naturwissenschaftler in der Nachfolge des Paracelsus
 


mesmer4

Ein Behandlungsraum Mesmers in Paris
(um 1780).
 In der Mitte das Baquet (Holzzuber).

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Der Kultus in der Religion der Zauberei

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