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G.W.F.Hegel                                                                                                                hegeleliforp03Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse

α. Anschauung

§ 446

Der Geist, der als Seele natürlich bestimmt, als Bewußtsein im Verhältnis zu dieser Bestimmtheit als zu einem äußeren Objekte ist, als Intelligenz aber
1. sich selbst so bestimmt findet, ist sein dumpfes Weben in sich, worin er sich stoffartig ist und den ganzen Stoff seines Wissens hat. Um der Unmittelbarkeit willen, in welcher er so zunächst ist, ist er darin schlechthin nur als ein einzelner und gemein-subjektiver und erscheint so als fühlender.

Wenn schon früher (§ 399 ff.) das Gefühl als eine Existenzweise der Seele vorkam, so hat das Finden oder die Unmittelbarkeit daselbst wesentlich die Bestimmung des natürlichen Seins oder der Leiblichkeit, hier aber nur abstrakt der Unmittelbarkeit überhaupt.

Zusatz.
Wir haben schon zweimal vom Gefühl zu sprechen gehabt, jedoch jedesmal in einer verschiedenen Beziehung. Zuerst hatten wir dasselbe bei der Seele, und zwar näher da zu betrachten, wo dieselbe, aus ihrem in sich verschlossenen Naturleben erwachend die Inhaltsbestimmungen ihrer schlafenden Natur in sich selber findet und eben dadurch empfindend ist, durch Aufhebung der Beschränktheit der Empfindung, aber zum Gefühl ihres Selbstes, ihrer Totalität gelangt und endlich, sich als Ich erfassend, zum Bewußtsein erwacht. - Auf dem Standpunkte des Bewußtseins wurde zum zweiten Male vom Gefühl gesprochen.
Da waren aber die Gefühlsbestimmungen der von der Seele abgetrennte, in der Gestalt eines selbständigen Objektes erscheinende Stoff des Bewußtseins.
- Jetzt endlich drittens hat das Gefühl die Bedeutung, diejenige Form zu sein, welche der die Einheit und Wahrheit der Seele und des Bewußtseins bildende Geist als solcher zunächst sich gibt. In diesem ist der Inhalt des Gefühls von der zweifachen Einseitigkeit befreit, welche derselbe einerseits auf dem Standpunkt der Seele und andererseits auf dem des Bewußtseins hatte. Denn nun hat jener Inhalt die Bestimmung, an sich ebensowohl objektiv wie subjektiv zu sein, und die Tätigkeit des Geistes richtet sich jetzt nur darauf, ihn als Einheit des Subjektiven und des Objektiven zu setzen.

§ 447

Die Form des Gefühls ist, daß es zwar eine bestimmte Affektion, aber diese Bestimmtheit einfach ist. Darum hat ein Gefühl, wenn sein Inhalt doch der gediegenste und wahrste ist, die Form zufälliger Partikularität, außerdem daß der Inhalt ebensowohl der dürftigste und unwahrste sein kann.

Daß der Geist in seinem Gefühle den Stoff seiner Vorstellungen hat, ist eine sehr allgemeine Voraussetzung, aber gewöhnlicher in dem entgegengesetzten Sinne von dem, den dieser Satz hier hat. Gegen die Einfachheit des Gefühls pflegt vielmehr das Urteil überhaupt, die Unterscheidung des Bewußtseins in ein Subjekt und Objekt, als das Ursprüngliche vorausgesetzt zu werden; so wird dann die Bestimmtheit der Empfindung von einem selbständigen äußerlichen oder innerlichen Gegenstande abgeleitet.
Hier in der Wahrheit des Geistes ist dieser seinem Idealismus entgegengesetzte Standpunkt des Bewußtseins untergegangen und der Stoff des Gefühls vielmehr bereits als dem Geiste immanent gesetzt.
In betreff des Inhalts ist es gewöhnliches Vorurteil, daß im Gefühl mehr sei als im Denken; insbesondere wird dies in Ansehung der moralischen und religiösen Gefühle statuiert.
Der Stoff, der sich der Geist als fühlend ist, hat sich auch hier als das an und für sich Bestimmtsein der Vernunft ergeben; es tritt darum aller vernünftige und näher auch aller geistige Inhalt in das Gefühl ein.
Aber die Form der selbstischen Einzelheit, die der Geist im Gefühle hat, ist die unterste und schlechteste, in der er nicht als Freies, als unendliche Allgemeinheit, - sein Gehalt und Inhalt vielmehr als ein Zufälliges, Subjektives, Partikuläres ist.
Gebildete, wahrhafte Empfindung ist die Empfindung eines gebildeten Geistes, der sich das Bewußtsein von bestimmten Unterschieden, wesentlichen Verhältnissen, wahrhaften Bestimmungen usf. erworben und bei dem dieser berichtigte Stoff es ist, der in sein Gefühl tritt, d. i. diese Form erhält. Das Gefühl ist die unmittelbare, gleichsam präsenteste Form, in der sich das Subjekt zu einem gegebenen Inhalt verhält; es reagiert zuerst mit seinem besonderen Selbstgefühle dagegen, welches wohl gediegener und umfassender sein kann als ein einseitiger Verstandesgesichtspunkt, aber ebensosehr auch beschränkt und schlecht; auf allen Fall ist es die Form des Partikulären und Subjektiven.
Wenn ein Mensch sich über etwas nicht auf die Natur und den Begriff der Sache oder wenigstens auf Gründe, die Verstandesallgemeinheit, sondern auf sein Gefühl beruft, so ist nichts anderes zu tun, als ihn stehenzulassen, weil er sich dadurch der Gemeinschaft der Vernünftigkeit verweigert, sich in seine isolierte Subjektivität, die Partikularität, einschließt.

Zusatz.
In der Empfindung ist die ganze Vernunft, - der gesamte Stoff des Geistes vorhanden.
Alle unsere Vorstellungen, Gedanken und Begriffe von der äußeren Natur, vom Rechtlichen, vom Sittlichen und vom Inhalt der Religion entwickeln sich aus unserer empfindenden Intelligenz; wie dieselben auch umgekehrt, nachdem sie ihre völlige Auslegung erhalten haben, in die einfache Form der Empfindung konzentriert werden.
Mit Recht hat deshalb ein Alter gesagt, daß die Menschen aus ihren Empfindungen und Leidenschaften sich ihre Götter gebildet haben. Jene Entwicklung des Geistes aus der Empfindung heraus pflegt aber so verstanden zu werden, als ob die Intelligenz ursprünglich durchaus leer sei und daher allen Inhalt als einen ihr gänzlich fremden von außen empfange.
Dies ist ein Irrtum.
Denn dasjenige, was die Intelligenz von außen aufzunehmen scheint, ist in Wahrheit nichts anderes als das Vernünftige, folglich mit dem Geiste identisch und ihm immanent.
Die Tätigkeit des Geistes hat daher keinen anderen Zweck als den, durch Aufhebung des scheinbaren Sich-selber-äußerlich-Seins des an sich vernünftigen Objektes auch den Schein zu widerlegen, als ob der Gegenstand ein dem Geiste äußerlicher sei. 

§ 448

2. In der Diremtion dieses unmittelbaren Findens ist das eine Moment die abstrakte identische Richtung des Geistes im Gefühle wie in allen anderen seiner weiteren Bestimmungen, die Aufmerksamkeit, ohne welche nichts für ihn ist; die tätige Erinnerung, das Moment des Seinigen, aber als die noch formelle Selbstbestimmung der Intelligenz. Das andere Moment ist, daß sie gegen diese ihre Innerlichkeit die Gefühlsbestimmtheit als ein Seiendes, aber als ein Negatives, als das abstrakte Anderssein seiner selbst setzt. Die Intelligenz bestimmt hiermit den Inhalt der Empfindung als außer sich Seiendes, wirft ihn in Raum und Zeit hinaus, welches die Formen sind, worin sie anschauend ist. Nach dem Bewußtsein ist der Stoff nur Gegenstand desselben, relatives Anderes; von dem Geiste aber erhält er die vernünftige Bestimmung, das Andere seiner selbst zu sein (vgl. § 247, 254)

Zusatz.
Die in der Empfindung und im Gefühl vorhandene unmittelbare, also unentwickelte Einheit des Geistes mit dem Objekt ist noch geistlos. Die Intelligenz hebt daher die Einfachheit der Empfindung auf, bestimmt das Empfundene als ein gegen sie Negatives, trennt dasselbe somit von sich ab und setzt es in seiner Abgetrenntheit zugleich doch als das Ihrige.
Erst durch diese doppelte Tätigkeit des Aufhebens und des Wiederherstellens der Einheit zwischen mir und dem Anderen komme ich dahin, den Inhalt der Empfindung zu erfassen.
Dies geschieht zunächst in der Aufmerksamkeit. Ohne dieselbe ist daher kein Auffassen des Objektes möglich; erst durch sie wird der Geist in der Sache gegenwärtig, erhält derselbe zwar noch nicht Erkenntnis - denn dazu gehört eine weitere Entwicklung des Geistes -, aber doch Kenntnis von der Sache.
Die Aufmerksamkeit macht daher den Anfang der Bildung aus.
Näher muß aber das Aufmerken so gefaßt werden, daß dasselbe ein Sicherfüllen mit einem Inhalte ist, welcher die Bestimmung hat, sowohl objektiv wie subjektiv zu sein oder, mit anderen Worten,
nicht nur für mich zu sein, sondern auch selbständiges Sein zu haben.
Bei der Aufmerksamkeit findet also notwendig eine Trennung und eine Einheit des Subjektiven und des Objektiven statt, - ein Sich-in-sich-Reflektieren des freien Geistes und zugleich eine identische Richtung desselben auf den Gegenstand.
Darin liegt schon, daß die Aufmerksamkeit etwas von meiner Willkür Abhängendes ist,
- daß ich also nur dann aufmerksam bin, wenn ich es sein will.
Hieraus folgt aber nicht, daß die Aufmerksamkeit etwas Leichtes sei.
Sie erfordert vielmehr eine Anstrengung, da der Mensch, wenn er den einen Gegenstand erfassen will,
von allem anderen, von allen den tausend in seinem Kopfe sich bewegenden Dingen, von seinen sonstigen Interessen, sogar von seiner eigenen Person abstrahieren und, mit Unterdrückung seiner die Sache nicht zu Worte kommen lassenden, sondern vorschnell darüber aburteilenden Eitelkeit, starr sich in die Sache vertiefen, dieselbe, ohne mit seinen Reflexionen darein zu fahren, in sich walten lassen oder sich auf sie fixieren muß.
Die Aufmerksamkeit enthält also die Negation des eigenen Sichgeltendmachens und das Sichhingeben
an die Sache - zwei Momente, die zur Tüchtigkeit des Geistes ebenso notwendig sind, wie dieselben für die sogenannte vornehme Bildung als unnötig betrachtet zu werden pflegen, da zu dieser gerade das Fertigsein mit allem, das Hinaussein über alles, gehören soll.
Dies Hinaussein führt gewissermaßen zum Zustand der Wildheit zurück.
Der Wilde ist fast auf nichts aufmerksam; er läßt alles an sich vorübergehen, ohne sich darauf zu fixieren. Erst durch die Bildung des Geistes bekommt die Aufmerksamkeit Stärke und Erfüllung.
Der Botaniker zum Beispiel bemerkt an einer Pflanze in derselben Zeit unvergleichlich viel mehr als ein in der Botanik unwissender Mensch.
Dasselbe gilt natürlicherweise in bezug auf alle übrigen Gegenstände des Wissens.
Ein Mensch von großem Sinne und von großer Bildung hat sogleich eine vollständige Anschauung des Vorliegenden; bei ihm trägt die Empfindung durchgängig den Charakter der Erinnerung.
Wie wir im Obigen gesehen haben, findet in der Aufmerksamkeit eine Trennung und eine Einheit des Subjektiven und des Objektiven statt. Insofern jedoch die Aufmerksamkeit zunächst beim Gefühl
hervortritt, ist in ihr die Einheit des Subjektiven und des Objektiven das Überwiegende, der Unterschied dieser beiden Seiten daher noch etwas Unbestimmtes. Die Intelligenz schreitet aber notwendig dazu fort, diesen Unterschied zu entwickeln, das Objekt auf bestimmte Weise vom Subjekt zu unterscheiden.
Die erste Form, in welcher sie dies tut, ist die Anschauung. In dieser überwiegt ebensosehr der Unterschied des Subjektiven und des Objektiven wie in der formellen Aufmerksamkeit die Einheit dieser entgegengesetzten Bestimmungen.
Die in der Anschauung erfolgende Objektivierung des Empfundenen haben wir hier nun näher zu erörtern.
In dieser Beziehung sind sowohl die inneren wie die äußeren Empfindungen zu besprechen. 
Was die ersteren betrifft, so gilt es besonders von ihnen, daß in der Empfindung der Mensch der Gewalt seiner Affektionen unterwürfig ist, - daß er sich aber dieser Gewalt entzieht, wenn er seine Empfindungen sich zur Anschauung zu bringen vermag. So wissen wir zum Beispiel, daß, wenn jemand imstande ist, die ihn überwältigenden Gefühle der Freude oder des Schmerzes etwa in einem Gedichte sich anschaulich zu machen, er das, was seinen Geist beengte, von sich abtrennt und sich dadurch Erleichterung oder völlige Freiheit verschafft. Denn wiewohl er durch Betrachtung der vielen Seiten seiner Empfindungen die Gewalt derselben zu vermehren scheint, so vermindert er doch diese Gewalt in der Tat dadurch, daß er seine Empfindungen zu etwas ihm Gegenüberstehendem, zu etwas ihm Äußerlichwerdendem macht. Daher hat namentlich Goethe, besonders durch seinen Werther, sich selbst erleichtert, während er die Leser dieses Romans der Macht der Empfindung unterwarf. Der Gebildete fühlt - da er das Empfundene nach allen sich dabei darbietenden Gesichtspunkten betrachtet - tiefer als der Ungebildete, ist diesem aber zugleich in der Herrschaft über das Gefühl überlegen, weil er sich vorzugsweise in dem über die Beschränktheit der Empfindung erhabenen Elemente des vernünftigen Denkens bewegt.
Die inneren Empfindungen sind also, wie eben angedeutet, je nach dem Grade der Stärke des reflektierenden und des vernünftigen Denkens mehr oder weniger abtrennlich von uns.
Bei den äußerlichen Empfindungen dagegen ist die Verschiedenheit ihrer Abtrennlichkeit von dem Umstande abhängig, ob sie sich auf das Objekt als auf ein bestehendes oder als auf ein verschwindendes beziehen. Nach dieser Bestimmung ordnen sich die fünf Sinne dergestalt, daß auf der einen Seite der Geruch und der Geschmack, auf der anderen dagegen das Gesicht und das Gefühl, in der Mitte aber das Gehör zu stehen kommt. Der Geruch hat es mit der Verflüchtigung oder Verduftung, der Geschmack mit der Verzehrung des Objektes zu tun. Diesen beiden Sinnen bietet sich also das Objekt in seiner ganzen Unselbständigkeit, nur in seinem materiellen Verschwinden dar.
Hier fällt daher die Anschauung in die Zeit und wird die Versetzung des Empfundenen aus dem Subjekt in das Objekt weniger leicht als bei dem sich vornehmlich auf das Widerstandleistende des Gegenstandes beziehenden Sinne des Gefühls, so wie bei dem eigentlichen Sinne der Anschauung, beim Gesicht,
das mit dem Objekte als einem überwiegend Selbständigen, ideell und materiell Bestehenden sich beschäftigt, zu ihm nur eine ideelle Beziehung hat, nur dessen ideelle Seite, die Farbe, vermittels des Lichtes empfindet, die materielle Seite aber am Objekt unberührt läßt.
Für das Gehör endlich ist der Gegenstand ein materiell bestehender, jedoch ideell verschwindender;
im Tone vernimmt das Ohr das Erzittern, d. h. die nur ideelle, nicht reale Negation der Selbständigkeit des Objektes. Daher zeigt sich beim Gehör die Abtrennlichkeit der Empfindung zwar geringer als beim Gesicht, aber größer als beim Geschmack und beim Geruch. Wir müssen den Ton hören, weil derselbe vom Gegenstande sich ablösend auf uns eindringt, und wir weisen ihn ohne große Schwierigkeit an dieses oder jenes Objekt, weil dasselbe bei seinem Erzittern sich selbständig erhält.
Die Tätigkeit der Anschauung bringt sonach zunächst überhaupt ein Wegrücken der Empfindung von uns, eine Umgestaltung des Empfundenen in ein außer uns vorhandenes Objekt hervor.
Durch diese Veränderung wird der Inhalt der Empfindung nicht verändert; derselbe ist vielmehr hier im Geiste und dem äußeren Gegenstande nach ein und derselbe, so daß also der Geist hier noch keinen ihm eigentümlichen Inhalt hat, den er mit dem Inhalte der Anschauung vergleichen könnte.
Was somit durch die Anschauung zustandekommt, ist bloß die Umwandlung der Form der Innerlichkeit in die Form der Äußerlichkeit. Dies bildet die erste, selbst noch formelle Weise, wie die Intelligenz bestimmend wird.
- Über die Bedeutung jener Äußerlichkeit muß aber zweierlei bemerkt werden:
erstens, daß das Empfundene, indem es zu einem der Innerlichkeit des Geistes äußerlichem Objekte wird, die Form eines Sich-selber-Äußerlichen erhält, da das Geistige oder Vernünftige die eigene Natur der Gegenstände ausmacht.
Fürs zweite haben wir zu bemerken, daß, da jene Umgestaltung des Empfundenen vom Geiste als solchem ausgeht, das Empfundene dadurch eine geistige, d. h. eine abstrakte Äußerlichkeit und durch dieselbe diejenige Allgemeinheit bekommt, welche dem Äußerlichen unmittelbar zuteil werden kann, nämlich eine noch ganz formelle, inhaltslose Allgemeinheit.
Die Form des Begriffs fällt aber in dieser abstrakten Äußerlichkeit selber auseinander.
Die letztere hat daher die doppelte Form des Raumes und der Zeit. (Vgl. § 254 -259)
Die Empfindungen werden also durch die Anschauung räumlich und zeitlich gesetzt.
Das Räumliche stellt sich als die Form des gleichgültigen Nebeneinanderseins und ruhigen Bestehens dar, das Zeitliche dagegen als die Form der Unruhe, des in sich selbst Negativen, des Nacheinanderseins, des Entstehens und Verschwindens, so daß das Zeitliche ist, indem es nicht ist, und nicht ist, indem es ist. Beide Formen der abstrakten Äußerlichkeit sind aber darin miteinander identisch, daß sowohl die eine wie die andere in sich schlechthin diskret und zugleich schlechthin kontinuierlich ist.
Ihre die absolute Diskretion in sich schließende Kontinuität besteht eben in der vom Geiste kommenden abstrakten, noch zu keiner wirklichen Vereinzelung entwickelten Allgemeinheit des Äußerlichen.
Wenn wir aber gesagt haben, daß das Empfundene vom anschauenden Geiste die Form des Räumlichen und Zeitlichen erhalte, so darf dieser Satz nicht so verstanden werden, als ob Raum und Zeit nur subjektive Formen seien. Zu solchen hat Kant den Raum und die Zeit machen wollen.
Die Dinge sind jedoch in Wahrheit selber räumlich und zeitlich; jene doppelte Form des Außereinander wird ihnen nicht einseitigerweise von unserer Anschauung angetan, sondern ist ihnen von dem an sich seienden unendlichen Geiste, von der schöpferischen ewigen Idee schon ursprünglich angeschaffen.
Indem daher unser anschauender Geist den Bestimmungen der Empfindung die Ehre erweist, ihnen die abstrakte Form des Raumes und der Zeit zu geben und sie dadurch ebensosehr zu eigentlichen Gegenständen zu machen wie dieselben sich zu assimilieren, so geschieht dabei durchaus nicht dasjenige, was nach der Meinung des subjektiven Idealismus dabei geschieht, daß wir nämlich nur die subjektive Weise unseres Bestimmens und nicht dem Objekte selber eigene Bestimmungen erhielten.
- Übrigens aber muß denen, welche der Frage nach der Realität des Raumes und der Zeit eine ganz absonderliche Wichtigkeit beizulegen die Borniertheit haben, geantwortet werden, daß Raum und Zeit höchst dürftige und oberflächliche Bestimmungen sind, daß daher die Dinge an diesen Formen sehr wenig haben, also auch durch deren Verlust, wäre dieser anders möglich, sehr wenig verlören.
Das erkennende Denken hält sich bei jenen Formen nicht auf; es erfaßt die Dinge in ihrem den Raum und die Zeit als ein Aufgehobenes in sich enthaltenden Begriffe. Wie in der äußeren Natur Raum und Zeit durch die ihnen immanente Dialektik des Begriffs sich selber zur Materie (§ 261) als ihrer Wahrheit aufheben,
so ist die freie Intelligenz die für sich seiende Dialektik jener Formen des unmittelbaren Außereinander.

§ 449

3. Die Intelligenz als diese konkrete Einheit der beiden Momente, und zwar unmittelbar in diesem äußerlich-seienden Stoffe in sich erinnert und in ihrer Erinnerung-in-sich in das Außersichsein versenkt zu sein, ist Anschauung.

Zusatz.
Die Anschauung darf weder mit der erst später zu betrachtenden eigentlichen Vorstellung noch mit dem bereits erörterten bloß phänomenologischen Bewußtsein verwechselt werden.
Was zuvörderst das Verhältnis der Anschauung zur Vorstellung betrifft, so hat die erstere mit der letzteren nur dies gemein, daß in beiden Geistesformen das Objekt sowohl von mir abgetrennt wie zugleich das Meinige ist. Daß aber das Objekt den Charakter des Meinigen hat, dies ist in der Anschauung nur an sich vorhanden und wird erst in der Vorstellung gesetzt. In der Anschauung überwiegt die Gegenständlichkeit des Inhalts. Erst wenn ich die Reflexion mache, daß ich es bin, der die Anschauung hat, erst dann trete ich auf den Standpunkt der Vorstellung.
In bezug aber auf das Verhältnis der Anschauung zum Bewußtsein haben wir folgendes zu bemerken. Im weitesten Sinne des Wortes könnte man allerdings schon dem in § 418 betrachteten unmittelbaren oder sinnlichen Bewußtsein den Namen der Anschauung geben. Soll aber dieser Name, wie er es denn vernünftigerweise muß, in seiner eigentlichen Bedeutung genommen werden, so hat man zwischen jenem Bewußtsein und der Anschauung den wesentlichen Unterschied zu machen, daß das erstere in unvermittelter, ganz abstrakter Gewißheit seiner selbst auf die unmittelbare, in mannigfache Seiten auseinanderfallende Einzelheit des Objektes sich bezieht, die Anschauung dagegen ein von der Gewißheit der Vernunft erfülltes Bewußtsein ist, dessen Gegenstand die Bestimmung hat, ein Vernünftiges, folglich nicht ein in verschiedene Seiten auseinandergerissenes Einzelnes, sondern eine Totalität, eine zusammengehaltene Fülle von Bestimmungen zu sein. In diesem Sinne sprach Schelling früher von intellektueller Anschauung. Geistlose Anschauung ist bloß sinnliches, dem Gegenstande äußerlich bleibendes Bewußtsein. Geistvolle, wahrhafte Anschauung dagegen erfaßt die gediegene Substanz des Gegenstandes.
Ein talentvoller Geschichtsschreiber z. B. hat das Ganze der von ihm zu schildernden Zustände und Begebenheiten in lebendiger Anschauung vor sich; wer dagegen kein Talent zur Darstellung der Geschichte besitzt, der bleibt bei Einzelheiten stehen und übersieht darüber das Substantielle.
Mit Recht hat man daher in allen Zweigen des Wissens, namentlich auch in der Philosophie, darauf gedrungen, daß aus der Anschauung der Sache gesprochen werde. Dazu gehört, daß der Mensch mit Geist, mit Herz und Gemüt, kurz in seiner Ganzheit sich zur Sache verhält, im Mittelpunkt derselben steht und sie gewähren läßt. Nur wenn die Anschauung der Substanz des Gegenstandes dem Denken fest zugrunde liegt, kann man, ohne daß man aus dem Wahren heraustritt, zur Betrachtung des in jener Substanz wurzelnden, in der Abtrennung von derselben aber zu leerem Stroh werdenden Besonderen fortschreiten. Fehlt hingegen die gediegene Anschauung des Gegenstandes von Hause aus oder verschwindet dieselbe wieder, dann verliert sich das reflektierende Denken in die Betrachtung der mannigfachen, an dem Objekte vorkommenden vereinzelten Bestimmungen und Verhältnisse, - dann reißt der trennende Verstand den Gegenstand, auch wenn dieser das Lebendige, eine Pflanze oder ein Tier ist, durch seine einseitigen, endlichen Kategorien von Ursache und Wirkung, von äußerem Zweck und Mittel usw. auseinander und kommt auf diese Weise, trotz seiner vielen Gescheitheiten, nicht dazu, die konkrete Natur des Gegenstandes zu begreifen, das alle Einzelheiten zusammenhaltende geistige Band zu erkennen.
Daß aber aus der bloßen Anschauung herausgetreten werden muß, davon liegt die Notwendigkeit darin, daß die Intelligenz ihrem Begriffe nach Erkennen, die Anschauung dagegen noch nicht erkennendes Wissen ist, weil sie als solche nicht zur immanenten Entwicklung der Substanz des Gegenstandes gelangt, sondern sich vielmehr auf das Erfassen der noch mit dem Beiwesen des Äußerlichen und Zufälligen umgebenen, unentfalteten Substanz beschränkt. Die Anschauung ist daher nur der Beginn des Erkennens.
Auf diese ihre Stellung bezieht sich der Ausspruch des Aristoteles, daß alle Erkenntnis von der Verwunderung anfange.4)
Denn da die subjektive Vernunft als Anschauung die Gewißheit, aber auch nur die unbestimmte Gewißheit hat, in dem zunächst mit der Form der Unvernunft behafteten Objekte sich selber wiederzufinden, so flößt ihr die Sache Verwunderung und Ehrfurcht ein. Das philosophische Denken aber muß sich über den Standpunkt der Verwunderung erheben.
Es ist ein völliger Irrtum, zu meinen, daß man die Sache schon wahrhaft erkenne, wenn man von ihr eine unmittelbare Anschauung habe. Die vollendete Erkenntnis gehört nur dem reinen Denken der begreifenden Vernunft an, und nur derjenige, welcher sich zu diesem Denken erhoben hat, besitzt eine vollkommen bestimmte wahrhafte Anschauung; bei ihm bildet die Anschauung bloß die gediegene Form, in welche seine vollständig entwickelte Erkenntnis sich wieder zusammendrängt. In der unmittelbaren Anschauung habe ich zwar die ganze Sache vor mir; aber erst in der zur Form der einfachen Anschauung zurückehrenden, allseitig entfalteten Erkenntnis steht die Sache als eine in sich gegliederte, systematische Totalität vor meinem Geiste. Überhaupt hat erst der gebildete Mensch eine von der Masse des Zufälligen befreite, mit einer Fülle des Vernünftigen ausgerüstete Anschauung. Ein sinnvoller gebildeter Mensch kann, wenn er auch nicht philosophiert, das Wesentliche, den Mittelpunkt der Sache in einfacher Bestimmtheit erfassen. Dazu ist jedoch immer Nachdenken notwendig. Man bildet sich oft ein, der Dichter, wie der Künstler überhaupt, müsse bloß anschauend verfahren. Dies ist durchaus nicht der Fall. Ein echter Dichter muß vielmehr vor und während der Ausführung seines Werkes nachsinnen und nachdenken; nur auf diesem Wege kann er hoffen, daß er das Herz oder die Seele der Sache aus allen sie verhüllenden Äußerlichkeiten herausheben und eben dadurch seine Anschauung organisch, entwickeln werde.

§ 450

Auf und gegen dies eigene Außersichsein richtet die Intelligenz ebenso wesentlich ihre Aufmerksamkeit und ist das Erwachen zu sich selbst in dieser ihrer Unmittelbarkeit, ihre Erinnerung-in-sich in derselben; so ist die Anschauung dies Konkrete des Stoffs und ihrer selbst, das Ihrige, so daß sie diese Unmittelbarkeit und das Finden des Inhalts nicht mehr nötig hat.

Zusatz.
Auf dem Standpunkte der bloßen Anschauung sind wir außer uns, in der Räumlichkeit und Zeitlichkeit, diesen beiden Formen des Außereinander. Die Intelligenz ist hier in den äußerlichen Stoff versenkt, eins mit ihm, und hat keinen anderen Inhalt als den des angeschauten Objektes.
Daher können wir in der Anschauung höchst unfrei werden.
Wie schon im Zusatz zu § 448 bemerkt wurde, ist aber die Intelligenz die für sich seiende Dialektik jenes unmittelbaren Außereinander. Demnach setzt der Geist die Anschauung als die seinige, durchdringt sie, macht sie zu etwas Innerlichem, erinnert sich in ihr, wird sich in ihr gegenwärtig - und somit frei.
Durch dies Insichgehen erhebt sich die Intelligenz auf die Stufe der Vorstellung.
Der vorstellende Geist hat die Anschauung; dieselbe ist in ihm aufgehoben, nicht verschwunden, nicht ein nur Vergangenes. Wenn von einer zur Vorstellung aufgehobenen Anschauung die Rede ist, sagt daher auch die Sprache durchaus richtig: ich habe dies gesehen. Damit wird keine bloße Vergangenheit, vielmehr zugleich die Gegenwärtigkeit ausgedrückt; die Vergangenheit ist hierbei eine bloß relative, - sie findet nur statt im Vergleich der unmittelbaren Anschauung mit dem, was wir jetzt in der Vorstellung haben.
Das beim Perfektum gebrauchte Wort "haben" hat aber ganz eigentlich die Bedeutung der Gegenwärtigkeit: was ich gesehen habe, ist etwas, das ich nicht bloß hatte, sondern noch habe, - also etwas in mir Gegenwärtiges. Man kann in diesem Gebrauch des Wortes "haben" ein allgemeines Zeichen der Innerlichkeit des modernen Geistes sehen, der nicht bloß darauf reflektiert, daß das Vergangene nach seiner Unmittelbarkeit vergangen, sondern auch darauf, daß dasselbe im Geiste noch erhalten ist.

 

4) Metaphysik I, 2, 982 b

 

 

C. Psychologie. Der Geist 

      a. Der theoretische Geist 

      Anschauung 

      Die Vorstellung 

       1. Die Erinnerung 

        2. Die Einbildungskraft 

        3. Das Gedächtnis 

       Das Denken 

     b. Der praktische Geist 

       Das praktische Gefühl 

       Die Triebe und die Willkür 

      Die Glückseligkeit 

     c. Der freie Geist 

 

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  "Die Afrikaner behaupten, ihre Götter seien stumpfnasig und schwarz,die Thraker meinen, sie seien blauäugig und blond."  "Die Menschen nehmen an, die Götter seien geboren, sie trügen Kleider, hätten Stimme und Körper - wie sie selbst."

Xenophanes von Kolophon
* um 570 v. Chr. in Kolophon;
† um 470 v. Chr.

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