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G.W.F.Hegel                                                                                                                hegeleliforp03Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse

 

γ. Die Glückseligkeit                                                                                                    Der freie Geist   >>>

§ 479

In dieser durch das reflektierende Denken hervorgebrachten Vorstellung einer allgemeinen Befriedigung sind die Triebe nach ihrer Besonderheit als negativ gesetzt und sollen teils einer dem andern zum Behufe jenes Zwecks, teils direkt demselben ganz oder zum Teil aufgeopfert werden. Ihre Begrenzung durch einander ist einerseits eine Vermischung von qualitativer und quantitativer Bestimmung; andererseits, da die Glückseligkeit den affirmativen Inhalt allein in den Trieben hat, liegt in ihnen die Entscheidung, und es ist das subjektive Gefühl und Belieben, was den Ausschlag geben muß, worein es die Glückseligkeit setze.

§ 480

Die Glückseligkeit ist die nur vorgestellte, abstrakte Allgemeinheit des Inhalts, welche nur sein soll.
Die Wahrheit aber der besonderen Bestimmtheit, welche ebensosehr ist als aufgehoben ist, und der abstrakten Einzelheit, der Willkür, welche sich in der Glückseligkeit ebensosehr einen Zweck gibt als nicht gibt, ist die allgemeine Bestimmtheit des Willens an ihm selbst,
d. i. sein Selbstbestimmen selbst, die Freiheit.
Die Willkür ist auf diese Weise der Wille nur als die reine Subjektivität, welche dadurch rein und konkret zugleich ist, daß sie zu ihrem Inhalt und Zweck nur jene unendliche Bestimmtheit, die Freiheit selbst, hat.
In dieser Wahrheit seiner Selbstbestimmung, worin Begriff und Gegenstand identisch ist, ist der Wille wirklich freier Wille.

 

 

c. Der freie Geist

§ 481

Der wirkliche freie Wille ist die Einheit des theoretischen und praktischen Geistes; freier Wille, der für sich als freier Wille ist, indem der Formalismus, die Zufälligkeit und Beschränktheit des bisherigen praktischen Inhalts sich aufgehoben hat. Durch das Aufheben der Vermittlung, die darin enthalten war, ist er die durch sich gesetzte unmittelbare Einzelheit, welche aber ebenso zur allgemeinen Bestimmung, der Freiheit selbst, gereinigt ist. Diese allgemeine Bestimmung hat der Wille als seinen Gegenstand und Zweck, indem  er sich denkt, diesen seinen Begriff weiß, Wille als freie Intelligenz ist.

§ 482

Der Geist, der sich als frei weiß und sich als diesen seinen Gegenstand will, d. i. sein Wesen zur Bestimmung und zum Zwecke hat, ist zunächst überhaupt der vernünftige Wille oder an sich, die Idee, darum nur der Begriff des absoluten Geistes. Als abstrakte Idee ist sie wieder nur im unmittelbaren Willen existierend, ist die Seite des Daseins der Vernunft, der einzelne Wille als Wissen jener seiner Bestimmung, die seinen Inhalt und Zweck ausmacht und deren nur formelle Tätigkeit er ist.
Die Idee erscheint so nur im Willen, der ein endlicher, aber die Tätigkeit ist, sie zu entwickeln und ihren sich entfaltenden Inhalt als Dasein, welches als Dasein der Idee Wirklichkeit ist, zu setzen,
- objektiver Geist.

Über keine Idee weiß man es so allgemein, daß sie unbestimmt, vieldeutig und der größten Mißverständnisse fähig und ihnen deswegen wirklich unterworfen ist als die Idee der Freiheit,
und keine ist mit so wenigem Bewußtsein geläufig.
Indem der freie Geist der wirkliche Geist ist, so sind die Mißverständnisse über denselben so sehr von den ungeheuersten praktischen Folgen, als nichts anderes, wenn die Individuen und Völker den abstrakten Begriff der für sich seienden Freiheit einmal in ihre Vorstellung gefaßt haben, diese unbezwingliche Stärke hat, eben weil sie das eigene Wesen des Geistes, und zwar als seine Wirklichkeit selbst ist.
Ganze Weltteile, Afrika und der Orient, haben diese Idee nie gehabt und haben sie noch nicht; die Griechen und Römer, Platon und Aristoteles, auch die Stoiker haben sie nicht gehabt; sie wußten im Gegenteil nur, daß der Mensch durch Geburt (als atheniensischer, spartanischer usf. Bürger) oder Charakterstärke, Bildung, durch Philosophie (der Weise ist auch als Sklave und in Ketten frei) wirklich frei sei.
Diese Idee ist durch das Christentum in die Welt gekommen, nach welchem das Individuum als solches einen unendlichen Wert hat, indem es Gegenstand und Zweck der Liebe Gottes, dazu bestimmt ist,
zu Gott als Geist sein absolutes Verhältnis, diesen Geist in sich wohnen zu haben,
d. i. daß der Mensch an sich zur höchsten Freiheit bestimmt ist.
Wenn in der Religion als solcher der Mensch das Verhältnis zum absoluten Geiste als sein Wesen weiß,
so hat er weiterhin den göttlichen Geist auch als in die Sphäre der weltlichen Existenz tretend gegenwärtig, als die Substanz des Staats, der Familie usf.
Diese Verhältnisse werden durch jenen Geist ebenso ausgebildet und ihm angemessen konstituiert,
als dem Einzelnen durch solche Existenz die Gesinnung der Sittlichkeit inwohnend wird
und er dann in dieser Sphäre der besonderen Existenz, des gegenwärtigen Empfindens und Wollens wirklich frei ist.
Wenn das Wissen von der Idee, d. i. von dem Wissen der Menschen, daß ihr Wesen, Zweck und Gegenstand die Freiheit ist, spekulativ ist, so ist diese Idee selbst als solche die Wirklichkeit der Menschen, nicht die sie darum haben, sondern [die] sie sind.
Das Christentum hat es in seinen Anhängern zu ihrer Wirklichkeit gemacht, z. B. nicht Sklave zu sein;
wenn sie zu Sklaven gemacht, wenn die Entscheidung über ihr Eigentum in das Belieben, nicht in Gesetze und Gerichte gelegt würde, so fänden sie die Substanz ihres Daseins verletzt.
Es ist dies Wollen der Freiheit nicht mehr ein Trieb, der seine Befriedigung fordert, sondern der Charakter, - das zum trieblosen Sein gewordene geistige Bewußtsein.
- Aber diese Freiheit, die den Inhalt und Zweck der Freiheit hat, ist selbst zunächst nur Begriff, Prinzip des Geistes und Herzens und sich zur Gegenständlichkeit zu entwickeln bestimmt, zur rechtlichen, sittlichen und religiösen wie wissenschaftlichen Wirklichkeit. 

 

 

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