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δ. Der Tod des Individuums aus sich selbst
§ 375
Die Allgemeinheit, nach welcher das Tier als einzelnes eine endliche Existenz ist, zeigt sich an ihm als die abstrakte Macht in dem Ausgang des selbst abstrakten, innerhalb seiner vorgehenden Prozesses (§ 356). Seine Unangemessenheit zur Allgemeinheit ist seine ursprüngliche Krankheit und angeborene Keim des Todes. Das Aufheben dieser Unangemessenheit ist selbst das Vollstrecken dieses Schicksals. Das Individuum hebt sie auf, indem es der Allgemeinheit seine Einzelheit einbildet, aber hiermit, insofern sie abstrakt und unmittelbar ist, nur eine abstrakte Objektivität erreicht, worin seine Tätigkeit sich abgestumpft, verknöchert und das Leben zur prozeßlosen Gewohnheit geworden ist, so daß es sich so aus sich selbst tötet.
Zusatz. Der Organismus kann von der Krankheit genesen; aber weil er von Haus aus krank ist, so liegt darin die Notwendigkeit des Todes, d. h. dieser Auflösung, daß die Reihe der Prozesse zum leeren, nicht in sich zurückkehrenden Prozesse wird. Im Geschlechtsgegensatze sterben unmittelbar nur die ausgesonderten Geschlechtsglieder, - die Pflanzenteile; sie sterben hier durch ihre Einseitigkeit, nicht als Ganze; als Ganze sterben sie durch den Gegensatz der Männlichkeit und Weiblichkeit, den jedes an ihm selbst hat. Wie bei der Pflanze die Staubgefäße (stamina) zum passiven Fruchthoden aufschwellen, die passive Seite des Pistills zum Gebärenden, so ist nun jedes Individuum selbst die Einheit beider Geschlechter. Dieses aber ist sein Tod; denn es ist nur Individualität, und diese ist seine wesentliche Bestimmtheit. Nur die Gattung ist in einer Einheit die Einheit vollständiger Ganzer. Wie also zuerst der Gegensatz von Männlichkeit und Weiblichkeit unüberwunden in den Organismus fiel, so jetzt bestimmter der Gegensatz der abstrakten Formen des Ganzen, die im Fieber auftreten und mit dem Ganzen erfüllt sind. Die Individualität kann ihr Selbst nicht so verteilen, weil es nicht ein Allgemeines ist. In dieser allgemeinen Unangemessenheit liegt die Trennbarkeit der Seele und des Leibes, während der Geist ewig, unsterblich ist; denn weil er, als die Wahrheit, selbst sein Gegenstand ist, so ist er von seiner Realität untrennbar, - das Allgemeine, das sich selbst als Allgemeines darstellt. In der Natur dagegen kommt die Allgemeinheit nur auf diese negative Weise zur Erscheinung, daß die Subjektivität darin aufgehoben ist. Die Form, in welcher jene Scheidung sich vollbringt, ist eben die Vollendung des Einzelnen, das sich zum Allgemeinen macht, diese Allgemeinheit aber nicht ertragen kann. Das Tier erhält sich im Leben zwar gegen seine unorganische Natur und seine Gattung, aber diese behält, als das Allgemeine, zuletzt die Oberhand. Das Lebendige als Einzelnes stirbt an der Gewohnheit des Lebens, indem es sich in seinen Körper, seine Realität hineinlebt. Die Lebendigkeit macht sich für sich zum Allgemeinen, indem die Tätigkeiten allgemeine werden, und in dieser Allgemeinheit stirbt eben die Lebendigkeit, die des Gegensatzes bedarf, da sie Prozeß ist, nun aber das Andere, was sie zu überwinden hätte, ihr kein Anderes mehr ist. Wie im Geistigen alte Menschen sich immer mehr in sich und in ihre Gattung einhausen, ihre allgemeinen Vorstellungen ihnen immer geläufiger werden, das Besondere immer mehr verschwindet, damit aber auch die Spannung, das Interesse (das Zwischensein) fortfällt und sie in dieser prozeßlosen Gewohnheit befriedigt sind, ebenso ist es im Physischen. Die Gegensatzlosigkeit, zu der der Organismus fortgeht, ist die Ruhe des Toten, und diese Ruhe des Todes überwindet die Unangemessenheit der Krankheit, welche darum der erste Ursprung des Todes war.
§ 376
Aber diese erreichte Identität mit dem Allgemeinen ist das Aufheben des formellen Gegensatzes, der unmittelbaren Einzelheit und der Allgemeinheit der Individualität, und dies nur die eine, und zwar die abstrakte Seite, der Tod des Natürlichen. Die Subjektivität ist aber in der Idee des Lebens der Begriff, sie ist so an sich das absolute Insichsein der Wirklichkeit und die konkrete Allgemeinheit; durch das aufgezeigte Aufheben der Unmittelbarkeit ihrer Realität ist sie mit sich selbst zusammengegangen; das letzte Außersichsein der Natur ist aufgehoben, und der in ihr nur an sich seiende Begriff ist damit für sich geworden. - Die Natur ist damit in ihre Wahrheit übergegangen, in die Subjektivität des Begriffs, deren Objektivität selbst die aufgehobene Unmittelbarkeit der Einzelheit, die konkrete Allgemeinheit ist, so daß der Begriff gesetzt ist, welcher die ihm entsprechende Realität, den Begriff zu seinem Dasein hat, - der Geist.
Zusatz. Über diesem Tode der Natur, aus dieser toten Hülle geht eine schönere Natur, geht der Geist hervor. Das Lebendige endet mit dieser Trennung und diesem abstrakten Zusammengehen in sich. Aber eins widerspricht dem andern; α) was zusammengegangen, ist darum identisch, - Begriff oder Gattung und Realität, oder Subjekt und Objekt nicht mehr getrennt; β) und was sich abstößt und getrennt hat, ist eben darum nicht abstrakt identisch. Die Wahrheit ist ihre Einheit als Unterschiedener, so daß in diesem Zusammengehen und in dieser Trennung eben damit nur der formelle Gegensatz sich aufgehoben hat wegen der an sich seienden Identität und ebenso wegen der Trennung nur die formelle Identität sich negiert hat. Konkreter ausgedrückt heißt dies: der Begriff des Lebens, die Gattung, das Leben in seiner Allgemeinheit stößt seine in sich total gewordene Realität von sich ab, aber ist an sich identisch mit derselben, ist Idee, erhält sich absolut, ist das Göttliche, Ewige, bleibt also in derselben, und es ist nur aufgehoben worden die Form, die natürliche Unangemessenheit, die nur noch abstrakte Äußerlichkeit der Zeit und des Raumes. Das Lebendige ist zwar die höchste Weise der Existenz des Begriffs in der Natur, aber auch hier ist der Begriff nur an sich, weil die Idee in der Natur nur als Einzelnes existiert. In der Ortsbewegung hat das Tier sich zwar vollends von der Schwere entbunden, in der Empfindung fühlt es sich, in der Stimme hört es sich; im Gattungsprozeß existiert die Gattung, aber auch nur als Einzelnes. Da diese Existenz nun der Allgemeinheit der Idee immer noch unangemessen ist, so muß die Idee diesen Kreis durchbrechen und sich durch Zerbrechen dieser Unangemessenheit Luft machen. Statt daß also das Dritte im Gattungsprozeß wieder zur Einzelheit herabfällt, ist die andere Seite, der Tod, das Aufheben des Einzelnen und damit das Hervorgehen der Gattung, des Geistes; denn die Negation des Natürlichen, d. h. der unmittelbaren Einzelheit, ist dies, daß das Allgemeine, die Gattung gesetzt wird und zwar in Form der Gattung. An der Individualität ist diese Bewegung beider der Verlauf, der sich aufhebt und dessen Resultat das Bewußtsein ist, die Einheit, die an und für sich selbst Einheit beider ist als Selbst, nicht nur als Gattung im inneren Begriff des Einzelnen. Die Idee existiert hiermit in dem selbständigen Subjekte, für welches, als Organ des Begriffs, alles ideell und flüssig ist; d. h. es denkt, macht alles Räumliche und Zeitliche zu dem Seinigen, hat so in ihm die Allgemeinheit, d. h. sich selbst. Indem so jetzt das Allgemeine für das Allgemeine ist, ist der Begriff für sich; dies kommt erst im Geiste zum Vorschein, worin der Begriff sich gegenständlich macht, damit aber die Existenz des Begriffs als Begriffs gesetzt ist. Das Denken, als dies für sich selbst seiende Allgemeine, ist das Unsterbliche, das Sterbliche ist, daß die Idee, das Allgemeine sich nicht angemessen ist. Dies ist der Übergang des Natürlichen in den Geist; im Lebendigen hat die Natur sich vollendet und ihren Frieden geschlossen, indem sie in ein Höheres umschlägt. Der Geist ist so aus der Natur hervorgegangen. Das Ziel der Natur ist, sich selbst zu töten und ihre Rinde des Unmittelbaren, Sinnlichen zu durchbrechen, sich als Phönix zu verbrennen, um aus dieser Äußerlichkeit verjüngt als Geist hervorzutreten. Die Natur ist sich ein Anderes geworden, um sich als Idee wieder zu erkennen und sich mit sich zu versöhnen. Aber es ist einseitig, den Geist so als Werden aus dem Ansich nur zum Fürsichsein kommen zu lassen. Die Natur ist zwar das Unmittelbare, - aber ebenso, als das dem Geiste Andere, nur ein Relatives und damit, als das Negative, nur ein Gesetztes. Es ist die Macht des freien Geistes, der diese Negativität aufhebt; er ist ebenso vor als nach der Natur, nicht bloß die metaphysische Idee derselben. Als der Zweck der Natur ist er eben darum vor ihr, sie ist aus ihm hervorgegangen, jedoch nicht empirisch, sondern so, daß er in ihr, die er sich voraussetzt, immer schon enthalten ist. Aber seine unendliche Freiheit läßt sie frei und stellt das Tun der Idee gegen sie als eine innere Notwendigkeit an ihr vor, wie ein freier Mensch der Welt sicher ist, daß sein Tun ihre Tätigkeit ist. Der Geist also, zunächst selbst aus dem Unmittelbaren herkommend, dann aber abstrakt sich erfassend, will sich selbst befreien, als die Natur aus sich herausbildend; dies Tun des Geistes ist die Philosophie. Hiermit haben wir unsere Naturbetrachtung bis an ihre Grenze geführt. Der Geist, der sich erfaßt hat, will sich auch in der Natur erkennen, den Verlust seiner wieder aufheben. Diese Versöhnung des Geistes mit der Natur und der Wirklichkeit ist allein seine wahrhafte Befreiung, worin er seine besondere Denk- und Anschauungsweise abtut. Diese Befreiung von der Natur und ihrer Notwendigkeit ist der Begriff der Naturphilosophie. Die Gestalten der Natur sind nur Gestalten des Begriffs, jedoch im Elemente der Äußerlichkeit, deren Formen zwar, als die Stufen der Natur, im Begriffe gegründet sind; aber auch wo dieser sich in der Empfindung sammelt, ist er immer noch nicht das Beisichsein des Begriffes als Begriffes. Die Schwierigkeit der Naturphilosophie liegt eben darin, einmal, daß das Materielle so widerspenstig gegen die Einheit des Begriffes ist, und dann, daß ein Detail den Geist in Anspruch nimmt, das sich immer mehr häuft. Aber dessenungeachtet muß die Vernunft das Zutrauen zu sich selbst haben, daß in der Natur der Begriff zum Begriffe spricht und die wahrhafte Gestalt des Begriffes, die unter dem Außereinander der unendlich vielen Gestalten verborgen liegt, sich ihr zeigen wird. - Übersehen wir kurz das Feld, das wir durchmessen haben, so war die Idee zuerst in der Schwere frei zu einem Leibe entlassen, dessen Glieder die freien Himmelskörper sind; dann bildete sich die Äußerlichkeit zu Eigenschaften und Qualitäten herein, die, einer individuellen Einheit angehörend, im chemischen Prozeß eine immanente und physikalische Bewegung hatten; in der Lebendigkeit endlich ist die Schwere zu Gliedern entlassen, in denen die subjektive Einheit bleibt. Der Zweck dieser Vorlesungen ist, ein Bild der Natur zu geben, um diesen Proteus zu bezwingen, in dieser Äußerlichkeit nur den Spiegel unserer selbst zu finden, in der Natur einen freien Reflex des Geistes zu sehen, - Gott zu erkennen, nicht in der Betrachtung des Geistes, sondern in diesem seinem unmittelbaren Dasein.
Assimilation
Gattungsprozeß
Gattung und Art
Geschlechtsverhältnis
Krankheit des Individuums
Die Philosophie des Geistes
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