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 G.W.F.Hegel                                                                                                                hegeleliforp03Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse

 

γ. Die Krankheit des Individuums

§ 371

In den zwei betrachteten Verhältnissen geht der Prozeß der Selbstvermittlung der Gattung mit sich durch ihre Diremtion in Individuen und das Aufheben ihres Unterschiedes vor. Aber indem sie ferner (§ 357) die Gestalt äußerer Allgemeinheit, der unorganischen Natur gegen das Individuum annimmt, bringt sie auf abstrakte negative Weise sich an ihm zur Existenz. Der einzelne Organismus kann in jenem Verhältnisse der Äußerlichkeit seines Daseins seiner Gattung ebensowohl auch nicht entsprechend sein, als in ihr sich in sich zurückkehrend erhalten (§ 366).
- Er befindet sich im Zustande der Krankheit, insofern eines seiner Systeme oder Organe, im Konflikt mit der unorganischen Potenz erregt, sich für sich festsetzt und in seiner besonderen Tätigkeit gegen die Tätigkeit des Ganzen beharrt, dessen Flüssigkeit und durch alle Momente hindurchgehender Prozeß hiermit gehemmt ist. 

Zusatz.
Während die Einteilung der Tierwelt der sich partikularisierende Typus des Tiers ist, so ist jetzt in der Krankheit auch der einzelne Organismus einer Partikularisation fähig, welche seinem Begriffe, d. h. seiner totalen Partikularität, nicht angemessen ist. Auch hier ist also der Mangel des einzelnen Subjekts gegen die Gattung noch nicht gehoben, aber das Individuum ist an ihm selbst gegen sich selbst die Gattung; es ist sich allein die Gattung und hat sie innerhalb seiner selbst. Das ist der Zwiespalt, dem das Tier jetzt unterworfen ist und mit dem es schließt.
Die Gesundheit ist die Proportion des organischen Selbsts zu seinem Dasein, daß alle Organe in dem Allgemeinen flüssig sind; sie besteht im gleichmäßigen Verhältnisse des Organischen zum Unorganischen, so daß nicht ein Unorganisches für den Organismus ist, welches er nicht überwinden kann.
Die Krankheit liegt nicht darin, daß ein Reiz zu groß oder zu klein für die Reizempfänglichkeit des Organismus ist, sondern ihr Begriff ist eine Disproportion seines Seins und seines Selbsts - keine Disproportion zwischen Faktoren, die innerhalb seiner auseinandertreten. Denn Faktoren sind abstrakte Momente und können nicht auseinandertreten. Wenn von Erhöhung der Erregung und Verminderung der Erregbarkeit gesprochen wird - so daß um so größer das eine, um so geringer das andere, und wie das eine steige, das andere falle -, so muß dieser Gegensatz der Größe sogleich verdächtig sein. Auch ist sich nicht mit der Disposition herumzustreiten, als ob man an sich krank sein könne, ohne wirklich angesteckt zu sein, ohne Übelsein; denn der Organismus macht diese Reflexion selbst, daß, was an sich, auch wirklich ist.
Die Krankheit entsteht, wenn der Organismus als seiender sich trennt von inneren - nicht Faktoren, sondern - ganz realen Seiten. Die Ursache der Krankheit liegt teils im Organismus selbst, wie Alter, Sterben, angeborener Fehler, teils ist der seiende Organismus äußerer Einflüsse fähig, so daß eine Seite vermehrt wird, der die Kraft der inneren nicht angemessen ist. Der Organismus ist dann in den entgegengesetzten Formen des Seins und des Selbsts, und das Selbst ist eben dieses, für welches das Negative seiner selbst ist. Der Stein kann nicht krank werden, weil er im Negativen seiner selbst untergeht, chemisch aufgelöst wird, seine Form nicht bleibt, er nicht das Negative seiner selbst ist, das über sein Gegenteil übergreift, wie im Übelsein und im Selbstgefühl. Auch die Begierde, das Gefühl des Mangels, ist sich selbst das Negative, bezieht sich auf sich als Negatives, - ist es selbst und ist sich als Mangelndes; nur daß bei der Begierde dieser Mangel ein Äußeres ist oder das Selbst nicht gegen seine Gestalt als solche gerichtet ist; in der Krankheit aber ist das negative Ding die Gestalt selbst. 
Die Krankheit ist also eine Disproportion zwischen Reizen und Wirkungsvermögen.
Weil der Organismus ein einzelner ist, so kann er an einer äußerlichen Seite festgehalten werden, nach einer besonderen Seite sein Maß überschreiten. Heraklit sagt: "Das Übermaß des Warmen ist Fieber, das Übermaß des Kalten Lähmung, das Übermaß der Luft Erstickung."1) Der Organismus kann über seine Möglichkeit gereizt werden, weil er, ebensosehr ganze Einheit der Möglichkeit und Wirklichkeit (der Substanz und des Selbsts), ganz unter der einen und der anderen Form ist. Der Geschlechtsgegensatz trennt Wirksamkeit und Reize und verteilt sie an zwei organische Individuen. Das organische Individuum ist aber selbst beides, und dies ist die Möglichkeit seines Todes an ihm selbst, daß es selbst unter diesen Formen auseinandertritt. Die Möglichkeit der Krankheit liegt also darin, daß das Individuum dieses beides ist. Im Geschlechtsverhältnisse hat es seine wesentliche Bestimmtheit nach außen aufgegeben, insofern sie im Verhältnisse ist; jetzt hat es dieselbe an sich selbst, sich gleichsam mit sich selbst begattend.
Die Einung ist in der Gattung nicht vollbracht, weil die Lebendigkeit an eine Einzelheit gebunden ist, wie denn auch bei vielen Tieren die Begattung letzter Punkt der Existenz ist. Überleben aber auch andere die Begattung, so daß das Tier die unorganische Natur und seine Gattung überwindet, so bleibt diese doch ebenso auch Herr über dasselbe. In diese Umkehrung fällt die Krankheit hinein. Während in der Gesundheit alle Funktionen des Lebens in dieser Idealität gehalten sind, so ist in der Krankheit z. B. das Blut erhitzt, entzündet, und dann ist es für sich tätig. Ebenso kann die Gallentätigkeit wuchernd werden und z. B. Gallensteine erzeugen. Ist der Magen überladen, so ist die Tätigkeit des Verdauens für sich isoliert, macht sich zum Mittelpunkt, ist nicht mehr Moment des Ganzen, sondern überwiegend. Diese Isolierung kann so weit gehen, daß in den Gedärmen Tiere entstehen; alle Tiere haben zu gewissen Zeiten Würmer im Herzen, in der Lunge, im Gehirn (s. § 361 Zus.). Überhaupt ist das Tier schwächer als der Mensch, der das stärkste Tier ist; es ist aber eine unwahre Hypothese, daß Bandwürmer im Menschen vom Verschlucken der Eier solcher Tiere entstehen. Die Wiederherstellung der Gesundheit kann nur darin bestehen, daß diese Partikularisation aufgehoben wird.
Ein Herr Dr. Göde in der Isis (Bd. VII, 1819, S. 1127) hat hiergegen ein Geschwätze erhoben, das tief philosophisch sogar "die Einheit der Idee, das Wesen, das Erfassen des Lebens und der Krankheit im Wesen retten" soll. Es ist eine große Prätention, so gegen ein Auffassen der bloßen Erscheinung und Äußerlichkeit, mit der gewöhnlichen Anmaßung und Parrhesie der Wahrheit, kämpfen zu wollen:
"Diese Bestimmung der Krankheit ist verfehlt, vom Fieber nur seine äußere Erscheinung, nur sein Symptom aufgefaßt." Er fährt S. 1134 fort: "Was im Leben eins und verschmolzen ist und innerlich verborgen, das tritt in der Erscheinung als Besonderheit hervor, d. h. auf eigentümliche Weise das Wesen des einen Organismus und seiner Idee ausbildend und darstellend. So erscheint das innere Wesen des Lebens äußerlich als Charakter desselben. Wo alles ist, aus einer Idee, aus einem Wesen lebt, da ist alle Entgegensetzung nur scheinbar und äußerlich, für die Erscheinung und Reflexion, nicht innerlich für das Leben und die Idee." Eben das Lebendige ist vielmehr selbst die Reflexion, das Unterscheiden. Die Naturphilosophen meinen nur eine äußerliche Reflexion; das Leben ist aber dies, zu erscheinen. Sie kommen nicht zum Leben, weil sie nicht zu seiner Erscheinung gelangen, sondern bei der toten Schwere stehenbleiben. Herr Göde scheint besonders zu meinen, daß das kranke Gebilde nicht mit dem Organismus in Konflikt komme, sondern zuerst mit seinem eigenen Wesen: "Die gesamte Tätigkeit des Ganzen ist erst Folge und Reflex von der Hemmung der freien Bewegung im Einzelnen." Hiermit meint er, was recht Spekulatives gesagt zu haben. Was ist denn aber das Wesen? Eben die Lebendigkeit. Und was ist die wirkliche Lebendigkeit? Eben der ganze Organismus. Das Organ in Konflikt mit seinem Wesen, mit sich, heißt also, in Konflikt mit der Totalität, welche in ihm als Lebendigkeit überhaupt, als Allgemeines ist. Aber die Realität dieses Allgemeinen ist der Organismus selbst. Das sind die rechten Philosophen, die meinen, am Wesen haben sie das Wahre, und wenn sie immer Wesen sagen, so sei dies das Innere und Rechte! Ich habe gar keinen Respekt vor ihrem Wesen-Sagen, denn es ist eben nur eine abstrakte Reflexion. Das Wesen aber explizieren, ist, es als Dasein erscheinend machen.
Die Arten, wie durch Fehlen der Idealität der Tätigkeiten die Subjektivität gestört werden kann, sind verschieden. Einerseits Luft und Feuchtigkeit, andererseits der Magen und Hautprozeß sind die wesentlichen Gründe, wovon die Krankheit herkommt. Näher können die Arten der Krankheit auf folgende reduziert werden.
1. Die Schädlichkeit, die eine Art der Störung ist, ist zunächst eine allgemeine Bestimmtheit, die in der unorganischen Natur überhaupt liegt. Ein solches Schädliches ist eine einfache Bestimmtheit, welche zwar als von außen kommend und dem Organismus angetan betrachtet werden muß; ebenso kann sie aber auch zugleich sogut in ihm selbst als im äußeren Umkreis der Natur gesetzt erscheinen. Denn solche Krankheiten, die Epidemien oder Seuchen sind, sind nicht als ein Besonderes zu fassen, sondern als Ganzes der Bestimmtheit der äußeren Natur, zu der der Organismus eben auch gehört; man kann sie eine Infektion des Organismus nennen. Zu solchen schädlichen Bestimmungen gehören verschiedene Umstände, die elementarischer, klimatischer Natur sind und deshalb auch ihren Sitz - nämlich den ersten Anfang - in der elementarischen Bestimmtheit des Organismus haben; sie sind also zuerst in der dumpfen Weise allgemeiner Grundlagen des Organismus vorhanden, die noch nicht ein entwickeltes, ausgebildetes System sind, vornehmlich in der Haut, in der Lymphe und in den Knochen. Solche Krankheiten sind nicht nur klimatisch, sondern auch geschichtlich, indem sie gewissen Perioden der Geschichte angehören und dann wieder verschwinden. Sie können auch dadurch entstehen, daß ein an ein Klima gewöhnter Organismus in ein anderes versetzt wird. Die historischen Untersuchungen haben nicht auf gründliche Resultate geführt, z. B. über die Syphilis oder Lustseuche. Ein Zusammenkommen des europäischen und amerikanischen Organismus war beim Entstehen vorhanden, es ist aber nicht erwiesen, ob die Krankheit herübergekommen ist, sondern dies ist mehr nur eine Vorstellung. Die Franzosen nennen sie mal de Naples, weil, als sie Neapel eroberten, die Krankheit entstand, ohne daß man wußte, woher sie kam. Bei Herodot kommt vor, daß eine Nation vom Kaspischen Meere nach Medien ging und dort eine Krankheit bekam; es war die bloße Veränderung des Wohnsitzes, welche die Krankheit hervorbrachte. Ebenso ist bei uns Vieh von der Ukraine nach Süddeutschland gekommen, und obgleich alles gesund war, entstand nur durch die Veränderung des Aufenthalts eine Pestseuche. Viele Nervenkrankheiten kamen daher, daß deutsche Organismen mit russischen Ausdünstungen zusammenkamen; so entstand ein schrecklicher Typhus durch tausend russische Gefangene, die sonst gesund waren. Das gelbe Fieber ist in Amerika und einigen Seeplätzen, in Spanien z. B., einheimisch und geht nicht weiter, denn die Einwohner sichern sich davor, indem sie einige Meilen ins Land gehen. Es sind dies Dispositionen der elementarischen Natur, an denen der menschliche Organismus teilnimmt, ohne daß man sagen kann, er werde angesteckt, da die Veränderung auch in ihm ist; dann ist freilich aber auch Ansteckung vorhanden. Es ist daher ein leerer Streit, ob die Krankheiten für sich entstehen oder durch Ansteckung. Beides ist vorhanden; ist sie für sich entstanden, so entsteht sie auch durch Ansteckung, nachdem sie ins lymphatische System gedrungen ist.
2. Eine andere allgemeine Art der Krankheit ist die, welche durch besondere äußere Schädlichkeiten hervorgebracht wird, mit denen sich der Organismus einläßt, so daß ein besonderes System desselben darin verwickelt wird - z. B. die Haut oder der Magen -, welches dann besonders beschäftigt ist und sich dadurch für sich isoliert. Hier sind nun zwei Weisen der Krankheiten zu unterscheiden, die akuten und die chronischen, von denen die Medizin die ersten am besten zu behandeln weiß.
αα) Ist ein System des Organismus krank, so ist die Hauptsache für die Heilung, daß der ganze Organismus krank werden kann, weil dann auch die ganze Tätigkeit des Organismus für sich noch frei zu werden vermag, die Heilung der Krankheit damit aber auch leichter ist; und das ist die akute Krankheit. Der Organismus ist hier nach außen abgeschlossen, hat keinen Appetit, keine Muskelbewegung, und insofern er lebt, zehrt er aus sich selbst. Weil die akuten Krankheiten nun eben auf diese Weise im Ganzen liegen, nicht außerhalb desselben in einem Systeme, sondern in den sogenannten Säften, so kann sich der Organismus von ihnen befreien.
ββ) Kann die Krankheit aber nicht so zur Krankheit des Ganzen werden, so sehe ich sie für chronisch an,
z. B. eine Leberverhärtung oder eine Lungenschwindsucht usw. Bei dergleichen Krankheiten ist ein sehr guter Appetit und Verdauung vorhanden; auch der Geschlechtstrieb bleibt in seiner Kraft.
Weil hier ein System sich für sich zum Mittelpunkt der Tätigkeit gemacht hat und der Organismus nicht mehr über diese besondere Tätigkeit erhoben werden kann, so bleibt die Krankheit in einem Organe fest, indem der Organismus auch nicht mehr als Ganzes für sich zu sich kommen kann. Die Heilung ist damit aber schwer, und zwar um so mehr, je mehr dies Organ oder System schon angegriffen und alteriert ist.
3. Eine dritte Art der Krankheiten ist die, welche vom allgemeinen Subjekte ausgeht, besonders bei Menschen. Das sind Krankheiten der Seele, die aus Schreck, Kummer usw. entspringen und woraus auch der Tod erfolgen kann.

§ 372

Die eigentümliche Erscheinung der Krankheit ist daher, daß die Identität des ganzen organischen Prozesses sich als sukzessiver Verlauf der Lebensbewegung durch seine unterschiedenen Momente, die Sensibilität, Irritabilität und Reproduktion, d. i. als Fieber darstellt, welches aber als Verlauf der Totalität gegen die vereinzelte Tätigkeit ebensosehr der Versuch und Beginn der Heilung ist. 

Zusatz.
War nun der Begriff der Krankheit dies, daß der Organismus an sich selbst so auseinandertritt, so haben wir sie jetzt in ihrem näheren Verlaufe zu betrachten.
1. Das erste Stadium der Krankheit, daß sie an sich vorhanden sei, ohne Übelsein.
2. Das zweite Stadium ist, daß die Krankheit für das Selbst wird; d. h. gegen das Selbst als Allgemeines setzt sich eine Bestimmtheit in ihm fest, die sich selbst zum fixen Selbst macht, oder das Selbst des Organismus wird ein fixes Dasein, ein bestimmter Teil des Ganzen.
Hatten die Systeme des Organismus also bisher ein selbstloses Bestehen, so ist jetzt der wirkliche Anfang der Krankheit, daß, indem der Organismus über sein Wirkungsvermögen gereizt ist, nun von irgendeiner Seite der Teil, das einzelne System, Bestehen gegen das Selbst gewinnt. Die Krankheit kann im Ganzen anfangen, Unverdaulichkeit überhaupt sein (denn aufs Verdauen kommt es doch an), oder an einer einzelnen Seite, die sich befestigt, wie der Gallen- oder Lungenprozeß. Die seiende Bestimmtheit ist eine einzelne, die sich, statt des Selbsts, des Ganzen bemächtigt. So unmittelbar als isoliert ist die Krankheit, wie die Ärzte sagen, noch in den ersten Wegen; es ist noch ganz nur der erste Konflikt, das Wuchern des einzelnen Systems. Aber sofern die Bestimmtheit Mittelpunkt, Selbst des Ganzen geworden, statt des freien Selbsts ein bestimmtes Selbst herrscht, ist die eigentliche Krankheit gesetzt. Solange dagegen die Krankheit noch einem besonderen System eigen und auf die Entwicklung desselben beschränkt ist, indem nur ein Organ erregt oder deprimiert ist, so ist die Krankheit leichter zu heben.
Das System ist nur aus seiner Beschäftigung mit dem Unorganischen herauszureißen und zu mäßigen;
so helfen dort auch äußerliche Mittel. Überhaupt kann sich das Mittel in diesem Falle auf diese besondere Erregung beschränken; hierher gehören z. B. Vomitive, Abführungen, Aderlässe und dergleichen.
3. Aber die Krankheit geht auch ins allgemeine Leben des Organismus über; denn indem ein besonderes Organ leidet, wird vielmehr der allgemeine Organismus infiziert. Der ganze Organismus ist also dabei beteiligt und seine Tätigkeit gestört, indem ein Rad in ihm sich zum Mittelpunkte macht. Zugleich wendet sich nun aber auch die ganze Lebendigkeit dagegen, so daß die isolierte Tätigkeit nicht ein Auswuchs bleiben, sondern Moment des Ganzen werden soll. Denn isoliert sich z. B. das Verdauen, so gehört dazu auch Blutumlauf, Muskelkraft usw.; in der Gelbsucht sondert der ganze Körper Galle ab, ist durch und durch Leber usf. Das dritte Stadium der Krankheit ist so die Koktion, daß das Angegriffensein eines Systems zur Sache des ganzen Organismus wird; hier ist sie nicht mehr im Einzelnen dem Ganzen äußerlich, sondern das ganze Leben ist darin konzentriert. Auch hier ist die Heilung der Krankheit, wie wir oben bei den akuten Krankheiten sahen, immer noch leichter, als wenn, wie bei den chronischen Krankheiten, z. B. die Lunge nicht mehr fähig ist, zur Krankheit des Ganzen zu werden. - Indem so der ganze Organismus mit einer Besonderheit affiziert ist, so fängt ein gedoppeltes Leben an, gesetzt zu werden. Dem ruhigen allgemeinen Selbst gegenüber wird das Ganze als unterscheidende Bewegung. Der Organismus setzt sich als Ganzes gegen die Bestimmtheit; hier tut der Arzt nichts, wie denn überhaupt die ganze Arzneikunde nur Unterstützung der Kräfte der Natur ist. Sondern indem die einzelne krankhafte Affektion sich in das Ganze verwandelt, so ist diese Krankheit des Ganzen selbst zugleich Heilung; denn es ist das Ganze, das in Bewegung gerät und sich in den Kreis der Notwendigkeit auseinanderschlägt. Die eigentliche Konstitution der Krankheit ist also, daß der organische Prozeß sich nun in dieser befestigten Gestalt verläuft, in diesem Bestehen, d. h. daß die harmonischen Prozesse des Organismus jetzt eine Aufeinanderfolge bilden, und zwar die allgemeinen Systeme, auseinandergerissen, nicht mehr unmittelbar eins sind, sondern diese Einheit durch das Übergehen des einen in das andere darstellen. Die Gesundheit, die zugleich im Organismus, aber gehemmt ist, kann auf keine andere Weise sein als durch Sukzession der Tätigkeiten. Der ganze Prozeß, die Gesundheit, ist nicht an sich, der Art oder dem Systeme nach abnorm, sondern nur durch diese Sukzession. Diese Bewegung ist nun das Fieber. Dies ist dann die eigentliche reine Krankheit oder der kranke individuelle Organismus, der sich von seiner bestimmten Krankheit befreit, wie der gesunde von seinen bestimmten Prozessen. Wie das Fieber also das reine Leben des kranken Organismus ist, so erkennt man eigentlich auch erst, wenn es vorhanden ist, eine förmliche Krankheit. Zugleich als diese Sukzession der Funktionen ist das Fieber die Fluidisation derselben, so daß durch diese Bewegung zugleich die Krankheit aufgehoben, verdaut wird; es ist ein gegen seine unorganische Natur gekehrter Verlauf in sich, eine Verdauung von Arzneimitteln. Wenn das Fieber also auch einerseits krankhaft und Krankheit, so ist es doch andererseits die Art, wie der Organismus sich selbst kuriert. Dies gilt indessen nur von einem tüchtigen, kräftigen Fieber, das den ganzen Organismus durch und durch ergreift; ein schleichendes, zehrendes Fieber, wo es zu keinem rechten Fieber kommt, ist dagegen in chronischen Krankheiten ein sehr gefährliches Zeichen. Chronische Übel sind also durchs Fieber nicht überwindliche Bestimmtheiten, im schleichenden Fieber hat dieser Verlauf nämlich nicht die Übermacht, sondern alle einzelnen Prozesse des verdauenden Organismus erzeugen sich nur ungebunden, und jeder operiert für sich. Hier ist das Fieber also nur der oberflächliche Verlauf, der diese Teile nicht unterkriegt. Bei hitzigen, heftigen Fiebern fällt die Hauptmacht ins Gefäßsystem, bei asthenischem Fieber ins Nervensystem. Beim eigentlichen Fieber fällt nun der ganze Organismus erstlich in das Nervensystem, in den allgemeinen Organismus, dann in den inneren, endlich in die Gestalt.
αα) Das Fieber ist zuerst Frost, Schwere im Kopfe, Kopfweh, Ziehen im Rückgrate, Hautkrampf und Schauder. In dieser Tätigkeit des Nervensystems sind die Muskeln freigelassen, die damit in ihrer eigenen Irritabilität ein ungebändigtes Zittern sind und Kraftlosigkeit haben. Es tritt Schwere der Knochen, Müdigkeit der Glieder, Rückgehen des Bluts aus der Haut ein, Gefühl der Kälte. Das einfache, ganz in sich reflektierte Bestehen des Organismus isoliert sich, hat das Ganze in seiner Gewalt. Der Organismus löst in sich selbst alle seine Teile in der Einfachheit des Nervs auf und fühlt sich in die einfache Substanz zurückgehen.
ββ) Aber eben dies ist vielmehr zweitens, als Auflösung des Ganzen, die negative Kraft; durch diesen Begriff geht dieser nervige Organismus in den hitzigen Blutorganismus über, - das Phantasieren.
Eben jenes Zurückziehen ist die Verwandlung in Hitze, Negativität, wo das Blut jetzt das Herrschende ist.
γγ) Diese Auflösung geht endlich drittens in das Gestalten, ins Produkt über. Der Organismus fällt in die Lymphe herab in der Reproduktion; das ist der Schweiß, das flüssige Bestehen. Dies Produkt hat die Bedeutung, daß darin das Isolieren, das Einzelne, die Bestimmtheit aufhört, indem der Organismus sich als Ganzes hervorgebracht, überhaupt sich verdaut hat; er ist gekochte Krankheitsmaterie, wie die älteren Ärzte sich ausdrückten - ein sehr guter Begriff. Der Schweiß ist die kritische Ausscheidung; der Organismus kommt darin zu einer Exkretion seiner selbst, wodurch er seine Abnormität aus sich herausbringt, seine krankhafte Tätigkeit exzerniert. Die Krise ist der über sich Meister gewordene Organismus, der sich reproduziert und diese Kraft durch das Exzernieren bewirkt. Es ist freilich nicht der Krankheitsstoff, der ausgeschieden wird, so daß, wenn diese Materie nicht im Körper gewesen wäre oder mit Löffeln hätte herausgeschöpft werden können, er gesund gewesen wäre. Sondern die Krise ist, wie die Verdauung überhaupt, zugleich ein Ausscheiden. Das Produkt ist aber gedoppelt. Die kritischen Ausscheidungen sind daher sehr verschieden von Ausscheidungen der Kraftlosigkeit, die keine Ausscheidungen eigentlich sind, sondern Auflösungen des Organismus und also gerade die entgegengesetzte Bedeutung haben. 
Das Gesundwerden, was im Fieber liegt, ist, daß es die Totalität des Organismus ist, welche tätig ist.
Damit erhebt sich der Organismus über sein Versenktsein in eine Partikularität; er ist als ganzer Organismus lebendig. Die partikulare Tätigkeit läßt er unter sich liegen und exzerniert dann auch dieselbe. Er, so zustandekommend, ist als Allgemeines geworden, nicht als dieser kranke. Die Bestimmtheit verwandelt sich zuerst in Bewegung, Notwendigkeit, ganzen Verlauf und dieser in ganzes Produkt und dadurch ebenso in ganzes Selbst, da das Produkt einfache Negativität ist.

§ 373

Das Heilmittel erregt den Organismus dazu, die besondere Erregung, in der die formelle Tätigkeit des Ganzen fixiert ist, aufzuheben und die Flüssigkeit des besonderen Organs oder Systems in das Ganze herzustellen. Dies bewirkt das Mittel dadurch, daß es ein Reiz, aber ein schwer zu Assimilierendes und zu Überwindendes ist und daß damit dem Organismus ein Äußerliches dargeboten wird, gegen welches er seine Kraft aufzubieten genötigt ist. Gegen ein Äußerliches sich richtend, tritt er aus der mit ihm identisch gewordenen Beschränktheit, in welcher er befangen war und gegen welche er nicht reagieren kann, insofern es ihm nicht als Objekt ist.

Der Hauptgesichtspunkt, unter welchem die Arzneimittel betrachtet werden müssen, ist, daß sie ein Unverdauliches sind. Aber die Bestimmung von Unverdaulichkeit ist relativ, jedoch nicht in dem unbestimmten Sinne, daß dasjenige nur leicht verdaulich heißt, was schwächere Konstitutionen vertragen können; dergleichen ist für die kräftigere Individualität vielmehr unverdaulich. Die immanente Relativität des Begriffes, welche im Leben ihre Wirklichkeit hat, ist qualitativer Natur und besteht - in quantitativer Rücksicht ausgedrückt, insofern sie hier gilt - in einer um so höheren Homogeneität, je selbständiger in sich die Entgegengesetzten sind. Für die niedrigeren, zu keiner Differenz in sich gekommenen animalischen Gebilde ist nur das individualitätslose Neutrale, das Wasser (wie für die Pflanze) das Verdauliche; für Kinder ist das Verdauliche teils die ganz homogene animalische Lymphe, die Muttermilch, ein schon Verdautes oder vielmehr nur in Animalität unmittelbar und überhaupt Umgewandeltes und in ihm selbst weiter nicht Differenziertes, - teils von differenten Substanzen solche, die noch am wenigsten zur Individualität gereift sind. Substanzen dieser Art sind hingegen unverdaulich für die erstarkten Naturen. Diesen sind dagegen tierische Substanzen als das Individualisierte oder die vom Lichte zu einem kräftigeren Selbst gezeitigten und deswegen geistig genannten vegetabilischen Säfte ein Verdaulicheres als z. B. die noch in der neutralen Farbe - und dem eigentümlichen Chemismus näher - stehenden vegetabilischen Produktionen. Durch ihre intensivere Selbstigkeit machen jene Substanzen einen um so stärkeren Gegensatz; aber eben dadurch sind sie homogenere Reize.
- Die Arzneimittel sind insofern negative Reize, Gifte; ein Erregendes und zugleich Unverdauliches wird dem in der Krankheit sich entfremdeten Organismus als ein ihm äußerliches Fremdes dargeboten, gegen welches er sich zusammennehmen und in Prozeß treten muß, durch den er zum Selbstgefühl und zu seiner Subjektivität wieder gelange. - So ein leerer Formalismus der Brownianismus2) war, wenn er das ganze System der Medizin sein sollte und wenn die Bestimmung der Krankheiten auf Sthenie und Asthenie und etwa noch auf direkte und indirekte Asthenie, und die Wirksamkeit der Mittel auf Stärken und Schwächen, und wenn diese Unterschiede ferner auf Kohlen- und Stickstoff mit Sauer- und Wasserstoff oder magnetisches, elektrisches und chemisches Moment und dergleichen ihn naturphilosophisch machen sollende Formeln reduziert wurden, so hat er doch wohl mit dazu beigetragen, die Ansicht des bloß Partikularen und Spezifischen sowohl der Krankheiten als der Mittel zu erweitern und in beiden vielmehr das Allgemeine als das Wesentliche zu erkennen. Durch seinen Gegensatz gegen die vorherige, im ganzen mehr asthenisierende Methode hat sich auch gezeigt, daß der Organismus gegen die entgegengesetzteste Behandlungsart nicht auf eine so entgegengesetzte, sondern häufig auf eine wenigstens in den Endresultaten gleiche und daher allgemeine Weise reagiert und daß seine einfache Identität mit sich als die substantielle und wahrhaft wirksame Tätigkeit gegen eine partikuläre Befangenheit einzelner seiner Systeme in spezifischen Reizen sich beweist. - So allgemein und daher im Vergleich mit den so mannigfachen Krankheitserscheinungen ungenügend die im § und in der Anm. vorgetragenen Bestimmungen sind, so sehr ist es nur die feste Grundlage des Begriffs, welche sowohl durch das Besondere hindurchzuführen als vollends das, was der in die Äußerlichkeiten des Spezifischen versenkten Gewohnheit als extravagant und bizarr sowohl in Krankheitserscheinungen als in Heilweisen vorkommt, verständlich zu machen vermag.

Zusatz.
Die Heilung ist so vorzustellen, wie wir die Verdauung betrachtet haben. Der Organismus will nicht ein Äußerliches bezwingen, sondern die Heilung ist, daß der Organismus seine Verwicklung mit einem Partikularen, die er unter seiner Würde ansehen muß, verläßt und zu sich selbst kommt. Das kann auf verschiedene Weise geschehen.
1. Die eine Weise ist, daß dem Organismus die in ihm mächtige Bestimmtheit als eine unorganische, als eine selbstlose Sache angeboten wird, mit der er sich einläßt; so dargeboten als eine der Gesundheit entgegenstehende Bestimmtheit ist sie ihm die Arznei. Der Instinkt des Tieres fühlt die Bestimmtheit in ihm gesetzt; der Selbsterhaltungstrieb, eben der ganze sich auf sich beziehende Organismus, hat das bestimmte Gefühl seines Mangels. Er geht also darauf, diese Bestimmtheit aufzuzehren, er sucht sie als zu verzehrende, als unorganische Natur auf; so ist sie in minder mächtiger Form für ihn vorhanden, in einfacher seiender. Besonders in der homöopathischen Theorie gibt man ein Mittel, das fähig ist, dieselbe Krankheit im gesunden Körper hervorzubringen. Durch dieses Gift, überhaupt etwas dem Organismus Widriges, was in ihn gebracht wird, geschieht es, daß diese Besonderheit, in der er gesetzt ist, für ihn etwas Äußerliches wird, während als Krankheit die Besonderheit noch eine Eigenschaft des Organismus selbst ist. Indem also die Arznei zwar dieselbe Besonderheit ist, aber mit dem Unterschiede, daß sie den Organismus jetzt mit seiner Bestimmtheit als einem Äußerlichen in Konflikt bringt, so wird die gesunde Kraft jetzt als eine nach außen tätige erregt und gezwungen, sich aufzuraffen, aus ihrem Versenktsein in sich herauszutreten und nicht bloß sich in sich zu konzentrieren, sondern jenes Äußerliche zu verdauen. Denn jede Krankheit (besonders aber die akute) ist eine Hypochondrie des Organismus, worin er die Außenwelt verschmäht, die ihn anekelt, weil er, auf sich beschränkt, das Negative seiner selbst an ihm selbst hat. Indem aber die Arznei ihn nun reizt, sie zu verdauen, so ist er dadurch wieder vielmehr in die allgemeine Tätigkeit der Assimilation versetzt, was eben dadurch erreicht wird, daß dem Organismus ein noch viel stärkeres Unverdauliches, als seine Krankheit ist, geboten wird, zu dessen Überwindung er sich zusammennehmen muß. Hiermit wird dann der Organismus in sich entzweit, denn indem die zuerst immanente Befangenheit jetzt zu einer äußerlichen wird, so ist der Organismus dadurch in sich selbst zu einem doppelten gemacht, als Lebenskraft und kranker Organismus. Man kann dies eine magische Wirkung der Arznei nennen, wie im tierischen Magnetismus der Organismus unter die Gewalt eines anderen Menschen gebracht wird; denn durch das Arzneimittel ist der Organismus im ganzen unter diese spezifische Bestimmung gesetzt, er erliegt also unter der Gewalt eines Zauberers. Ist aber auch der Organismus vermöge seines krankhaften Zustandes unter der Gewalt eines anderen, so hat er doch zugleich, wie beim tierischen Magnetismus, auch eine Welt jenseits, frei von seinem krankhaften Zustande, durch welche die Lebenskraft wieder zu sich kommen kann. Das ist, daß der Organismus in sich schlafen kann; denn im Schlaf bleibt der Organismus bei sich. Indem also der Organismus sich so in sich selbst entzweit hat, so ist er nach der Kraft seiner Lebendigkeit für sich gesetzt, und kommt er hierzu, so hat er damit seine allgemeine Lebendigkeit überhaupt gerettet und seine Befangenheit in diese Besonderheit abgestreift, die keine Gediegenheit mehr gegen sein inneres Leben hat, das sich durch diese Abscheidung wiederhergestellt hat, wie im Magnetismus das innere Leben gegen die Befangenheit lebendig ist. Gerade dies Hinausreißen erlaubt und bewerkstelligt also zugleich die verdauende Rückkehr des Organismus in sich, und das Genesen ist eben, daß er in dieser Zurückgezogenheit in sich sich verdaut.
Zu sagen, welches nun die rechten Mittel seien, ist schwer. Über diesen Zusammenhang einer Krankheit mit ihrem Mittel hat die Materia medica noch kein einziges vernünftiges Wort vorgebracht, sondern die Erfahrung soll hier allein entscheiden. Da ist die Erfahrung über Hühnerkot so gut als jede andere über die verschiedenen offizinellen Pflanzen; denn damit die Arznei zum Ekel werde, nahm man sonst Menschenurin, Hühnerkot, Pfauenkot. Für jede besondere Krankheit ist nicht so ein spezifisches Mittel.
Es käme darauf an, den Zusammenhang zu finden, d. h. die Form, wie im Organismus eine Bestimmtheit ist und wie sie in der vegetabilischen Natur oder überhaupt als totes äußerlich Erregendes ist. China[rinde], Blätter, Grünes scheinen so erfrischend zu sein gegen das Blut. Zu großer Irritabilität scheint als Gegenteil auflösendes Salz, Salpeter angeboten werden zu müssen. Da der Organismus in der Krankheit noch lebendig, nur gehindert ist, so können auch leicht verdauliche Speisen zur Unterhaltung dieser Lebendigkeit, also oft selbst zur Kur hinlänglich sein. Wenn die Krankheit nicht in einem bestimmten Systeme, sondern in der Verdauung überhaupt liegt, so kann sich Erbrechen von selbst einstellen, wie denn vornehmlich die Kinder sehr leicht brechen. Gegen unorganische Mittel, wie z. B. Quecksilber, steigert sich eine partielle Tätigkeit ungeheuer; die Wirkung ist einerseits spezifisch, aber ebenso allgemeine Erregung des Organismus. Das Verhältnis der Krankheit zur Arznei ist überhaupt ein magisches. - Den angebotenen Reiz, das Gift, kann man, wie Brown, einen positiven Reiz nennen.
2. Das Mittel kann aber auch mehr die Weise eines negativen Reizes haben, wie z. B. Salzsäure. Es hat dann den Zweck, die Tätigkeit des Organismus zu deprimieren, so daß, indem ihm alle Tätigkeit genommen wird, auch die, welche er als krankhafter hat, fortfällt. Einmal soll also der Organismus seine Tätigkeit anspannen, indem er sich nach außen richten muß, das andere Mal wird die Tätigkeit des Konflikts geschwächt, z. B. durch Aderlassen oder Eis bei Entzündungen oder Paralysieren der Verdauung durch Salze; dadurch wird der innerlichen Lebendigkeit Raum gegeben hervorzutreten, indem kein äußerliches Objekt mehr da ist. So ist als schwächende Methode die Hungerkur aufgekommen, und insofern die Homöopathie hauptsächlich auf Diät sieht, gehört sie auch hierher. Die einfachste Nahrung, wie das Kind sie im Mutterleibe bekommt, soll machen, daß der Organismus aus sich zehrt und so das Abnorme überwindet. Oberhaupt haben die Arzneimittel eine allgemeine Richtung genommen. In vielen Fällen ist nur eine allgemeine Erschütterung nötig, und Ärzte selbst haben eingestanden, daß ein Mittel so gut wirke als sein Gegenteil. Beide Methoden, die schwächende und die stärkende, haben also, obgleich entgegengesetzt, sich auf diese Weise wirksam bewiesen; und was man seit Brown mit Opium, Naphtha und Branntwein kurierte, hat man früher mit Brechmitteln und Laxieren kuriert. 
3. Eine dritte Weise der Heilung, der dritten Art der Krankheiten (s. § 371 Zus. S. 525) entsprechend, ist die, welche auch auf das Allgemeine des Organismus wirkt. Dahin gehört der Magnetismus. Indem der Organismus, als in sich allgemein, über sich erhoben und zu sich selbst gebracht werden soll, so kann dies äußerlich an ihn kommen. Indem also das Selbst als Einfaches außer dem kranken Organismus fällt, so sind es die Fingerspitzen des Magnetiseurs, die dieser allenthalben durch den Organismus herumführt, welche denselben auf diese Weise fluidisieren. Nur die Kranken sind des Magnetismus fähig, so äußerlich in den Schlaf gebracht zu werden, der eben die Sammlung des Organismus zu seiner Einfachheit ist, wodurch er zum Gefühl der Allgemeinheit in sich gebracht wird. Ebenso kann aber, statt daß der Magnetiseur diesen Schlaf hervorbringt, auch ein gesunder Schlaf bei einer Krankheit dieses Umschlagen hervorbringen, d. h. der Organismus sich rein von selbst in seine Substantialität sammeln.

§ 374

In der Krankheit ist das Tier mit einer unorganischen Potenz verwickelt und in einem seiner besonderen Systeme oder Organe gegen die Einheit seiner Lebendigkeit festgehalten. Sein Organismus ist als Dasein von einer quantitativen Stärke, und zwar seine Entzweiung zu überwinden, aber ebensowohl ihr zu unterliegen und darin eine Weise seines Todes zu haben fähig. Überhaupt hebt die Überwindung und das Vorübergehen einzelner Unangemessenheit die allgemeine Unangemessenheit nicht auf, welche das Individuum darin hat, daß seine Idee die unmittelbare ist, als Tier innerhalb der Natur steht und dessen Subjektivität nur an sich der Begriff, aber nicht für sich selbst ist. Die innere Allgemeinheit bleibt daher gegen die natürliche Einzelheit des Lebendigen die negative Macht, von welcher es Gewalt leidet und untergeht, weil sein Dasein als solches nicht selbst diese Allgemeinheit in sich hat, somit nicht deren entsprechende Realität ist.

Zusatz.
Der Organismus, der vom Selbst verlassen ist, stirbt aus sich an sich selbst. Eigentliche Krankheit aber, insofern sie nicht Absterben ist, ist der äußerliche, existierende Verlauf dieser Bewegung vom Einzelnen zum Allgemeinen. Die Notwendigkeit des Todes besteht nicht in einzelnen Ursachen, wie überhaupt nichts im Organischen; denn daß das Äußere Ursache sei, liegt selbst im Organismus.
Gegen Einzelnes gibt es immer Hilfe; es ist schwach und kann nicht der Grund sein. Dieser ist die Notwendigkeit des Übergangs der Individualität in die Allgemeinheit; denn das Lebendige ist als lebendig die Einseitigkeit des Daseins als Selbsts, die Gattung aber die Bewegung, die sich aus dem Aufheben des einzelnen seienden Selbsts wird und in dasselbe zurückfällt, - ein Prozeß, worin das seiende Einzelne zugrunde geht. Der Tod aus Alter überhaupt ist Kraftlosigkeit, ein allgemeiner einfacher Zustand des Abnehmens. Die äußeren Erscheinungen desselben sind Zunahme der Verknöcherung und die Nachlassung der Straffheit der Muskeln und Sehnen, schlechte Verdauung, schwache Sensation, Rückgang aus dem individuellen zum bloß vegetativen Leben. "Nimmt die Festigkeit des Herzens im Alter auf einen gewissen Grad zu, so nimmt die Reizbarkeit ab und hört zuletzt ganz auf."3) Auch bemerkt man ein "Schwinden an Masse im höheren Alter".4) Dieses bloß quantitative Verhalten aber als qualitatives, als bestimmter Prozeß, war die eigentliche Krankheit, - nicht Schwäche oder übergroße Stärke, was eine vollkommene Oberflächlichkeit ist.

 

1) *Heraklit, 144 b

2) vgl. John Brown, Elementa medicinae, 1780

3) *Johann Heinrich Ferdinand von Autenrieth, Handbuch der [empirischen menschlichen] Physiologie [Tübingen 1801/02], Teil I, § 517

4) *Johann Heinrich Ferdinand von Autenrieth, Handbuch der [empirischen menschlichen] Physiologie [Tübingen 1801/02], Teil II, § 767

 

“Die Krankheit unserer Zeit ist es,
welche zu der Verzweiflung
gekommen ist,
dass unser Erkennen
nur ein subjektives
und dass dieses Subjektive
das Letzte sei.” 
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