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III. Die Religion der Zweckmäßigkeit oder des Verstandes
1. Begriff dieser Stufe
In der Religion der Schönheit herrschte die leere Notwendigkeit, in der Religion der Erhabenheit die Einheit als abstrakte Subjektivität. In die letztere Religion fällt außer der Einheit der unendlich beschränkte, reale Zweck; in die erstere aber fällt außer der Notwendigkeit die sittliche Substantialität, das Rechte, das gegenwärtige Wirkliche im empirischen Selbstbewußtsein. Im Schoße der Notwendigkeit ruhen die vielen besonderen Mächte und nehmen an ihrer Wesenheit teil: als Individuen vorgestellt, sind sie geistige, konkrete Subjekte, besondere Volksgeister, lebendige Geister, wie Athene für Athen, Bacchus für Theben, auch Familiengötter, die aber zugleich mitteilbar sind, weil sie ihrer Natur nach allgemeine Mächte sind. Es sind damit auch die Gegenstände solcher Götter besondere Städte, Staaten, überhaupt besondere Zwecke in Menge. Diese Besonderheit nun als reduziert unter Eines ist die nähere Bestimmtheit. Die nächste Forderung des Gedankens ist nämlich die Vereinigung jener Allgemeinheit und dieser Besonderheit der Zwecke, so daß die abstrakte Notwendigkeit mit der Besonderheit, mit dem Zweck in ihr selbst erfüllt werde.
In der Religion der Erhabenheit war der Zweck in seiner Realität ein vereinzelter und, als diese Familie, ausschließend. Das Höhere ist also nun, daß dieser Zweck zum Umfange der Macht erweitert und diese selbst somit entwickelt werde. Die ausführlich entwickelte Besonderheit als eine göttliche Aristokratie und damit die als Zweck in die Bestimmung des Göttlichen aufgenommenen und darin erhaltenen realen Volksgeister, diese Besonderheit muß auch zugleich in die Einheit gesetzt werden. Das kann aber nicht die wahrhaft geistige Einheit sein wie in der Religion der Erhabenheit. Die früheren Bestimmungen werden vielmehr nur in eine relative Totalität zurückgenommen, in eine Totalität, worin beide vorangehenden Religionen zwar ihre Einseitigkeit verlieren, aber jedes der beiden Prinzipien zugleich auch in sein Gegenteil verdorben wird. Die Religion der Schönheit verliert die konkrete Individualität ihrer Götter sowie ihren selbständigen sittlichen Inhalt: die Götter werden nur zu Mitteln herabgesetzt. Und die Religion der Erhabenheit verliert ihre Richtung auf das Eine, Ewige, Überirdische. Aber ihre Vereinigung bringt doch den Fortschritt zustande, daß der einzelne und die besonderen Zwecke zu einem allgemeinen Zwecke erweitert werden. Dieser Zweck soll realisiert werden, und Gott ist die Macht, ihn zu realisieren.
Zweckmäßiges Tun ist Eigentümlichkeit nicht nur des Geistes, sondern des Lebens überhaupt, - es ist das Tun der Idee, denn es ist ein solches Hervorbringen, welches nicht mehr ein Übergehen in Anderes ist, es sei nun bestimmt als Anderes oder an sich wie in der Notwendigkeit dasselbe, aber in der Gestalt und füreinander ein Anderes. Im Zwecke ist ein Inhalt als Erster unabhängig von der Form des Übergehens, von der Veränderung, so daß er sich in ihr erhält. Der Trieb dieser Blumennatur, der unter dem Einfluß der mannigfachsten Bedingungen sich äußern mag, ist das Hervorbringen nur seiner eigenen Entwicklung und nur die einfache Form des Überganges von Subjektivität in Objektivität: die im Keim präformierte Gestalt ist es, die sich im Resultate offenbart.
Das zweckmäßige Tun liegt der geistigen Gestalt, die wir zuletzt betrachtet haben, sehr nahe; aber jene Gestalt ist nur erst die oberflächliche Weise, in der eine Natur und geistige Bestimmtheit erscheint, ohne daß diese Bestimmtheit selbst als solche in der Weise des Zweckes, der Idee wäre. Die abstrakte Bestimmung und Grundlage der vorigen Religion war nämlich die Notwendigkeit und außer ihr die Fülle der geistigen und physischen Natur, die darum in bestimmte Zeit und Qualität sich zerstreut und, während die Einheit für sich inhaltslos ist, sich in sich einwurzelt und nur von der geistigen Gestalt und Idealität jene Heiterkeit erhält, die sie zugleich über ihre Bestimmtheit erhebt und dagegen gleichgültig macht. Die Notwendigkeit ist nur an sich Freiheit, noch nicht Weisheit, ohne Zweck, und in ihr befreien wir uns nur insofern, als wir den Inhalt aufgeben. Das, was notwendig ist, ist allerdings ein Inhalt, irgendein Begebnis, Zustand und Erfolg usf., aber sein Inhalt als solcher ist eine Zufälligkeit; er kann so oder anders sein, oder die Notwendigkeit ist eben dies Formale, nur dies am Inhalte, daß er ist, aber nicht was er ist. Sie ist nur das Festhalten dieses Abstrakten.
Die Notwendigkeit vertieft sich aber in den Begriff. Er, die Freiheit, ist die Wahrheit der Notwendigkeit. Begreifen heißt, etwas als Moment eines Zusammenhanges fassen, der als Zusammenhang ein Unterscheiden und so ein bestimmter und erfüllter ist. Der Zusammenhang nach Ursache und Wirkung ist selbst noch Zusammenhang der Notwendigkeit, d. h. noch formell, - es fehlt dies, daß ein Inhalt gesetzt ist als für sich bestimmt, traversant ce changement de cause en effet sans changer, der den Wechsel von Ursache und Wirkung ohne Veränderung durchläuft. Dann nämlich ist das äußerliche Verhältnis und die Gestaltung verschiedener Wirklichkeit zum Mittel herabgesetzt. Zum Zwecke bedarf es eines Mittels, d. h. eines äußerlichen Wirkens, das aber die Bestimmung hat, der Bewegung des Zweckes, der in seiner Bewegung sich erhält und sein Übergehen aufhebt, unterworfen zu sein. In Ursache und Wirkung ist an sich derselbe Inhalt, aber er erscheint als selbständige Wirkliche, die aufeinander einwirken. Der Zweck aber ist dieser Inhalt, der gegen den erscheinenden Unterschied der Gestaltung und Wirklichkeit als Identität mit sich gesetzt ist. Daher kommt im zweckmäßigen Tun nichts heraus, was nicht schon vorher ist.
Eben darin liegt im Zwecke der Unterschied des Zweckes von der Realität. Der Zweck erhält sich, vermittelt sich nur mit sich selbst, geht nur mit sich zusammen, bringt die Einheit seiner als des subjektiven mit der Realität hervor - aber durch Mittel. Er ist die Macht über sie, die Macht, die zugleich einen ersten an und für sich bestimmten Inhalt hat, der ein Erstes ist und das Letzte bleibt; so ist er die Notwendigkeit, welche den äußerlichen, besonderen Inhalt in sich genommen hat und ihn festhält gegen die Realität, welche negative Bestimmung hat und zum Mittel herabgesetzt ist.
Im Leben nun ist diese Einheit des die Realität immer bewältigenden und sich von ihrer Gewalt befreienden, sich gegen sie erhaltenden Inhalts vorhanden; aber der Inhalt ist nicht frei für sich im Elemente des Gedankens, in der Weise seiner Identität herausgehoben, er ist nicht geistig. In den geistig gebildeten Idealen ist dieselbe Einheit, aber als frei zugleich vorgestellt, vorhanden, und als die Schönheit steht sie höher als das Lebendige. Die Qualität dieser Einheit ist insofern auch als Zweck, und ihre Produktion ist zweckmäßiges Tun. Aber ihre Qualitäten sind nicht vorgestellt in der Weise der Zwecke; z. B. Apollo, Pallas haben nicht den Zweck, Wissenschaft und Poesie hervorzubringen und zu verbreiten; Ceres, der mystische Bacchus haben nicht den Zweck, Gesetze hervorzubringen, zu lehren, - und sie beschützen diesen Inhalt, er ist ihre Sorge; aber dabei ist diese Trennung von Zweck gegen die Realität nicht vorhanden. Diese göttlichen Naturen sind diese Mächte und Tätigkeiten selbst, die Muse ist selbst dies Dichten, Athene selbst das athenische Leben, und Glück und Wohlsein der Stadt ist nicht ihr Zweck, sondern diese Mächte walten in ihrer Realität so immanent, wie die Gesetze in den Planeten wirken.
Sowenig ferner die Götter auf der Stufe der Schönheit Mittel sind, sowenig sind sie gegeneinander, sie verschweben vielmehr selbst in der Notwendigkeit. Spreizen sie sich auch einmal auf, so unterwerfen sie sich doch und lassen sich wieder zurechtbringen. Während daher in der Notwendigkeit eine Bestimmung von der andern abhängig ist und die Bestimmtheit untergeht, so ist der Zweck als Identität unterschiedener Wirklicher gesetzt, die an und für sich bestimmte Einheit, die sich gegen andere Bestimmtheit in ihrer Bestimmtheit erhält.
Der Begriff nun, insofern er frei für sich gesetzt ist, hat so zunächst die Realität sich gegenüber, und diese ist gegen ihn als Negatives bestimmt. In dem absoluten Begriff, der reinen Idee, zerschmilzt dann diese Realität, dies Feindliche zur Einheit, zur Befreundung mit dem Begriff selbst, nimmt es seine Eigentümlichkeit zurück und wird es davon, nur Mittel zu sein, selbst befreit. Dies ist nämlich die wahrhafte Zweckmäßigkeit, in welcher die Einheit des Begriffs, Gottes, des göttlichen Subjekts und dessen, in dem sich der Begriff realisiert, der Objektivität und der Realisation gesetzt wird und die Natur Gottes selbst es ist, die sich in der Objektivität ausführt und so in der Seite der Realität mit sich identisch ist.
Aber zunächst ist der Zweck selbst noch unmittelbar, formell; seine erste Bestimmung ist, daß das so in sich Bestimmte gegen die Realität für sich sei und sich in ihr als einer widerstreitenden realisiere. So ist er zunächst endlicher Zweck; dies Verhältnis ist Verstandesverhältnis und die Religion, die solche Grundlage hat, Verstandesreligion.
Etwas solchem Zweck und der Art solcher Religion sehr Nahes und Ähnliches haben wir bereits in der Religion des Einen gesehen. Auch diese ist Verstandesreligion, insofern dieser Eine als Zweck sich gegen alle Realität erhält, und die jüdische Religion ist deshalb die Religion des hartnäckigsten, totesten Verstandes. Dieser Zweck, als Verherrlichung des Namens Gottes, ist formell, nicht an und für sich bestimmt, nur abstrakte Manifestation. Ein bestimmterer Zweck ist wohl das Volk Gottes, die Einzelheit dieses Volkes; aber dieser Zweck ist ein solcher, der völlig unbegreiflich und nur Zweck ist, wie es der Knecht dem Herrn ist, und nicht Inhalt Gottes selbst, nicht sein Zweck, nicht göttliche Bestimmtheit.
Wenn wir sagen: Gott ist die nach Zwecken, und zwar nach Zwecken der Weisheit wirkende Macht, so hat dies einen anderen Sinn als den, in welchem diese Bestimmung auf der Begriffsentwicklung, auf welcher wir stehen, zunächst zu nehmen ist. Nämlich in unserem Sinne sind jene Zwecke zwar gleichfalls auch beschränkte, endliche Zwecke, aber es sind wesentlich Zwecke der Weisheit überhaupt und Zwecke einer Weisheit, d. h. Zwecke des an und für sich Guten, Zwecke, die auf einen höchsten Endzweck bezogen sind. Hiermit sind jene Zwecke schlechthin einem Endzwecke unterworfen. Die beschränkten Zwecke und die Weisheit in ihnen sind untergeordneter Natur. Hier aber ist die Beschränktheit der Zwecke die Grundbestimmung, welche noch keine höhere über sich hat.
Die Religion ist hiermit durchaus keine Religion der Einheit, sondern der Vielheit; es ist weder eine Macht, noch eine Weisheit, eine Idee, welche die Grundbestimmung göttlicher Natur ausmacht.
Es sind also bestimmte Zwecke, welche den Inhalt dieser Gestalten ausmachen, und diese Zwecke sind nicht in der Natur zu suchen; sondern unter den vielen Existenzen und Verhältnissen sind die menschlichen allerdings die wesentlichen. Das Menschliche hat das Denken in sich, und jedem in sich noch so unbedeutenden Endzweck des Menschen - sich zu nähren usf. - hat er das Recht, natürliche Dinge und Tierleben ohne weiteres aufzuopfern, soviel er will. Ebenso sind die Zwecke nicht in den Göttern selbst objektiv und an und für sich zu suchen. Sondern es sind menschliche Zwecke, menschliche Not oder glückliche Begebenheiten und Zustände, die dieser Religion, insofern sie eine bestimmte ist, ihren Ursprung gegeben haben.
In der vorhergehenden Religion war das Allgemeine, über dem Besonderen Schwebende die Notwendigkeit. Auf dieser Stufe kann das nicht der Fall sein, denn in der Notwendigkeit heben sich die endlichen Zwecke auf; hier aber sind sie im Gegenteil das Bestimmende und Bestehende. Das Allgemeine ist vielmehr auf dieser Stufe das Zustimmen zu den besonderen Zwecken, und zwar das Zustimmen überhaupt, denn das Allgemeine kann hier nur unbestimmt bleiben, weil die Zwecke als einzelne bestehen und ihre Allgemeinheit nur die abstrakte ist, - so ist sie das Glück.
Dies Glück ist aber nicht in der Art von der Notwendigkeit unterschieden, daß es der Zufall wäre; so wäre es die Notwendigkeit selbst, in welcher eben die endlichen Zwecke nur zufällige sind, - auch ist es nicht Vorsehung und zweckmäßige Regierung der endlichen Dinge überhaupt, sondern es ist das Glück von einem bestimmten Inhalt. Aber bestimmter Inhalt heißt zugleich nicht jeder überhaupt beliebige, sondern er muß, obgleich endlich und gegenwärtig, von allgemeiner Natur sein und in und für sich selbst eine höhere Berechtigung haben. Und so ist dieser Zweck der Staat.
Der Staat, als dieser Zweck, ist aber auch nur erst der abstrakte Staat, die Vereinung der Menschen unter ein Band, aber so, daß diese Vereinung noch nicht in sich vernünftige Organisation ist, und er ist dieses noch nicht, weil Gott noch nicht die vernünftige Organisation in ihm selbst ist. Die Zweckmäßigkeit ist die äußerliche; als innerliche gefaßt, wäre sie die eigene Natur Gottes. Weil Gott noch nicht diese konkrete Idee, noch nicht in sich wahrhafte Erfüllung seiner durch sich selbst ist, so ist dieser Zweck, der Staat, noch nicht die vernünftige Totalität in sich und verdient darum auch den Namen Staat nicht, sondern er ist nur Herrschaft, die Vereinung der Individuen, Völker in ein Band, unter eine Macht, und indem wir hier den Unterschied haben von Zweck und Realisierung, so ist dieser Zweck zunächst vorhanden als nur subjektiv, nicht als ausgeführter, und die Realisierung ist Erwerbung der Herrschaft, Realisierung eines Zwecks, der apriorisch ist, der erst über die Völker kommt und erst sich vollbringt.
Wie diese Bestimmung der äußerlichen Zweckmäßigkeit von der sittlichen Substantialität des griechischen Lebens und von der Identität der göttlichen Mächte und ihres äußerlichen Daseins unterschieden ist, ebenso muß auch diese Herrschaft, Universalmonarchie, dieser Zweck unterschieden werden von dem der mohammedanischen Religion. Auch in dieser ist Herrschaft über die Welt der Zweck, aber das, was herrschen soll, ist der Eine des Gedankens von der israelitischen Religion her. Oder wenn in der christlichen Religion gesagt wird, daß Gott will, daß alle Menschen zum Bewußtsein der Wahrheit kommen sollen, so ist der Zweck geistiger Natur; jedes Individuum ist darin als denkend, geistig, frei und gegenwärtig in dem Zweck, er hat an ihm einen Mittelpunkt, ist kein äußerlicher Zweck, und das Subjekt nimmt so den ganzen Umfang des Zwecks in sich selbst auf. Hier ist er dagegen noch empirisch, äußerlich umfassend, Herrschaft der Welt. Der Zweck, der darin ist, ist dem Individuum ein äußerer und wird es immer mehr, je mehr er sich realisiert, so daß das Individuum nur diesem Zweck unterworfen ist, diene.
Es ist zunächst an sich darin enthalten die Vereinigung der allgemeinen Macht und der allgemeinen Einzelheit, aber es ist sozusagen nur eine rohe, geistlose Vereinigung; die Macht ist nicht Weisheit, ihre Realität ist nicht an und für sich göttlicher Zweck. Es ist nicht der Eine, mit sich selbst Erfüllte; es ist nicht im Reiche des Gedankens, daß diese Erfüllung gesetzt ist. Es ist weltliche Macht, die Weltlichkeit nur als Herrschaft; die Macht ist darin unvernünftig an ihr selbst. Gegen die Macht zerfällt darum das Besondere, weil es nicht auf vernünftige Weise darin aufgenommen ist; es ist Selbstsüchtigkeit des Individuums und Befriedigung in ungöttlicher Weise, in besonderen Interessen. Die Herrschaft ist außer der Vernunft und steht kalt, selbstsüchtig auf einer Seite und auf der anderen ebenso das Individuum.
Dies ist der allgemeine Begriff dieser Religion; es ist darin die Forderung des Höchsten an sich gesetzt, Vereinigung des reinen Insichseienden und der besonderen Zwecke, aber diese Vereinigung ist diese ungöttliche, rohe.
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