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Vorlesungen über die Philosophie der Religion

                                                                                             Die jüdische Religion

3. Der Kultus

Gott hat wesentlich ein Verhältnis zum Selbstbewußtsein, da der Boden, auf dem sein Zweck erscheint,
der endliche Geist ist. Wir haben nun zu betrachten die religiöse Gesinnung in diesem Selbstbewußtsein.
Die Vermittlung, insofern sie Gesinnung ist, ist das Setzen der Identität, die an sich gesetzt ist,
und so ist sie vermittelnde Bewegung.
Die Gesinnung stellt die innersten Momente des Selbstbewußtseins vor.

a) Das Selbstbewußtsein verhält sich zu dem Einen,
- so ist es zunächst Anschauen, reines Denken des reinen Wesens als der reinen Macht und des absoluten Seins, neben welchem nichts anderes in gleicher Würde ist. Dieses reine Denken nun als Reflexion in sich, als Selbstbewußtsein ist Selbstbewußtsein in der Bestimmung des unendlichen Fürsichseins oder der Freiheit, - aber der Freiheit ohne allen konkreten Inhalt. Dieses Selbstbewußtsein ist also noch unterschieden vom wirklichen Bewußtsein; von allen konkreten Bestimmungen des geistigen und natürlichen Lebens, von dem erfüllten Bewußtsein, den Trieben, Neigungen, dem Reichtum der geistigen Verhältnisse - von alledem ist noch nichts in das Bewußtsein der Freiheit aufgenommen.
Die Realität des Lebens fällt noch außer dem Bewußtsein der Freiheit, und diese ist noch nicht vernünftig,
ist noch abstrakt, und es ist noch kein erfülltes, göttliches Bewußtsein vorhanden.

Indem nun aber das Selbstbewußtsein nur ist als Bewußtsein, als Gegenstand aber für die Einfachheit des Denkens noch kein entsprechender Gegenstand vorhanden und die Bestimmtheit des Bewußtseins noch nicht aufgenommen ist, so ist Ich sich Gegenstand nur in seinem abstrakten Einssein mit sich, als unmittelbare Einzelheit. Das Selbstbewußtsein ist somit ohne Ausbreitung und Ausdehnung, ohne alle konkrete Bestimmung; Gott als unendliche Macht ist in sich auch unbestimmt, und es ist kein Drittes, kein Dasein, in dem sie sich zusammenfänden. Es ist insofern unvermittelte Beziehung, und die Gegensätze - die Beziehung auf den Einen im reinen Denken und Anschauen, und abstrakte Rückkehr in sich, das Fürsichsein - sind unmittelbar vereinigt. Da nun das Selbstbewußtsein im Unterschiede von seinem Gegenstande, der der reine Gedanke ist und nur im Gedanken gefaßt werden kann, leeres, formelles Selbstbewußtsein, nackt und ohne Bestimmung in sich selbst ist, da ferner alle reelle, erfüllte Bestimmung nur der Macht angehört, so verkehrt sich in diesem absoluten Gegensatze die reine Freiheit des Selbstbewußtseins in absolute Unfreiheit, oder das Selbstbewußtsein ist das des Knechts zum Herrn. Die Furcht des Herrn ist die Grundbestimmung des Verhältnisses.

Furcht überhaupt habe ich durch die Vorstellung einer Macht über mir, welche mich in meinem Gelten - erscheine dasselbe innerlich oder äußerlich als Besitz -negiert. Furchtlos bin ich, wenn ich im Besitz unverletzlicher Selbständigkeit einerseits die Gewalt nicht achte und mich als Macht dagegen weiß, so daß sie nichts über mich vermöge; andererseits bin ich aber auch furchtlos, wenn ich das Interesse, das sie zu vernichten imstande ist, nicht achte und auf diese Weise, auch verletzt, unverletzlich dastehe.
Die Furcht nun gewöhnlich hat ein übles Vorurteil gegen sich, als wolle, wer sich fürchtet, sich nicht als Macht darstellen und vermöge es nicht. Aber die Furcht ist hier nicht Furcht vor Endlichem und vor endlicher Gewalt (das Endliche ist zufällige Macht, die auch ohne Furcht an mich kommen und verletzen kann), sondern die Furcht ist hier Furcht des Unsichtbaren, Absoluten, das Gegenteil des Bewußtseins meiner, das Bewußtsein des gegen mich, als Endlichen, unendlichen Selbstes.
Durch das Bewußtsein dieses Absoluten als der einzigen, der schlechthin negativen Macht verschwindet jede eigene Kraft; alles, was zur irdischen Natur gehört, geht schlechthin zugrunde.
Diese Furcht ist als diese absolute Negativität seiner selbst die Erhebung in den reinen Gedanken der absoluten Macht des Einen. Und diese Furcht des Herrn ist der Weisheit Anfang, welcher darin besteht,
das Besondere, Endliche für sich nicht als ein Selbständiges gelten zu lassen.
Was gilt, kann nur gelten als Moment der Organisation des Einen, und der Eine ist die Aufhebung alles Endlichen. Diese weise Furcht ist das wesentliche eine Moment der Freiheit und besteht in der Befreiung von allem Besonderen, in dem Losreißen von allem zufälligen Interesse, überhaupt darin, daß der Mensch die Negativität von allem Besonderen fühlt. Sie ist daher nicht besondere Furcht vor Besonderem, sondern gerade das Setzen dieser besonderen Furcht als eines Nichtigen, das Sichlossagen von der Furcht.
So ist die Furcht nicht Gefühl der Abhängigkeit, sondern das Abstreifen jeder Abhängigkeit, das reine Sichergehen im absoluten Selbst, gegen welches und in welches das eigene Selbst verdunstet und verschwebt.

Aber so ist das Subjekt nur im unendlichen Einen.
Die absolute Negativität aber ist Beziehung auf sich selbst, Affirmation; durch die absolute Furcht ist daher das Selbst, in seinem Sichaufgeben, im absolut Positiven. Die Furcht kehrt sich auf diese Weise um in absolute Zuversicht, unendlichen Glauben. Auf anderen Stufen kann die Zuversicht die Form haben, daß das Individuum auf sich beruht. Dies ist die stoische Freiheit in Ketten.
Hier aber hat die Freiheit noch nicht diese Form der Subjektivität, sondern das Selbstbewußtsein hat sich hier in den Einen zu versenken; dieser aber als das Andere vorgestellt ist wieder das Prinzip der Abstoßung, in welcher das Selbstbewußtsein seine Selbstgewißheit wiedergewinnt.
Dieser Prozeß ist auch in folgender Form zu fassen. Die Knechtschaft ist nämlich Selbstbewußtsein, Reflexion in sich und Freiheit, die aber ohne allgemeine Ausdehnung und Vernünftigkeit ist und zu ihrer Bestimmtheit, zu ihrem Inhalte das unmittelbare, sinnliche Selbstbewußtsein hat.
Ich als Dieser, in der unmittelbaren Einzelheit, ist daher Zweck und Inhalt. In der Beziehung auf den Herrn hat der Knecht sein absolutes, wesentliches Selbstbewußtsein, gegen ihn vernichtet er alles an sich; aber ebenso wird er absolut für sich wiederhergestellt, und seine Einzelheit, weil sie als die konkrete Seite in jene Anschauung aufgenommen ist, wird durch dieses Verhältnis absolut berechtigt. Die Furcht, in der der Knecht sich als Nichts betrachtet, gibt ihm die Wiederherstellung seiner Berechtigung. Weil nun das knechtische Bewußtsein hartnäckig auf seiner Einzelheit beruht, weil seine Einzelheit unmittelbar in die Einheit aufgenommen ist, so ist es ausschließend, und Gott ist
b) der ausschließende Herr und Gott des jüdischen Volkes.
Es kann uns nicht wundernehmen, daß eine orientalische Nation die Religion auf sich beschränkt und daß diese ganz an ihre Nationalität geknüpft erscheint, denn wir sehen dies bei den Morgenländern überhaupt. Erst die Griechen und die Römer haben fremde Gottesdienste aufgenommen, und bei den letzteren dringen alle Religionen ein und gelten nicht als Nationelles; aber bei den Morgenländern ist die Religion durchaus an die Nationalität geknüpft.
Die Chinesen, die Perser haben ihre Staatsreligion, die nur für sie ist; bei den Indern weist die Geburt sogar jedem Individuum seinen Rang und sein Verhältnis zu Brahman an: daher machen diese keineswegs die Forderung an andere, sich zu ihrer Religion zu bekennen.
Bei den Indern hat solche Forderung durchaus keinen Sinn: nach ihren Vorstellungen gehören alle Völker der Erde zu ihrer Religion; die fremden Völker werden sämtlich zu einer besonderen Kaste gezählt. Dennoch fällt mit Recht diese Ausschließung bei dem jüdischen Volke mehr auf, denn solches Gebundensein an die Nationalität widerspricht durchaus der Vorstellung, daß Gott nur im allgemeinen Gedanken gefaßt werde und nicht in einer partikularen Bestimmung.
Bei den Persern ist Gott das Gute; das ist auch eine allgemeine Bestimmung, aber sie ist selbst noch in der Unmittelbarkeit; deswegen ist Gott identisch mit dem Lichte, und das ist eine Partikularität.
Der jüdische Gott ist nur für den Gedanken; das macht einen Kontrast gegen die Beschränkung auf die Nation. Es erhebt sich zwar auch das Bewußtsein im jüdischen Volke zur Allgemeinheit, wie das an mehreren Stellen ausgesprochen ist.
Psalm 117: "Lobet den Herrn, alle Heiden; preiset ihn, alle Völker! Denn seine Gnade und Wahrheit waltet über uns in Ewigkeit."
Die Ehre Gottes soll bei allen Völkern offenbar werden; besonders bei den späteren Propheten tritt diese Allgemeinheit als eine höhere Forderung auf. Jesaja läßt sogar Gott sprechen:
 'Von den Heiden, welche Verehrer Jehovas werden, will ich Priester und Leviten machen'*) ; und es gehört dahin auch: Wer Gott fürchtet und Recht tut in allem Volke, der ist ihm angenehm.
Alles dies ist aber später; nach der herrschenden Grundidee ist das jüdische Volk das auserwählte, die Allgemeinheit ist so auf die Partikularität reduziert.
Sahen wir aber bereits oben in der Entwicklung des göttlichen Zweckes, wie die Beschränktheit desselben in der Beschränktheit begründet ist, die in der Bestimmung Gottes noch liegt, so hat sich uns nun diese Beschränktheit aus der Natur des knechtischen Selbstbewußtseins erklärt, und wir sehen nun auch, wie diese Partikularität auch von der subjektiven Seite herkommt. Ihnen, diesen Dienern, ist dies Verehren und Anerkennen des Jehova eigen, und es ist ihr Bewußtsein, daß es ihnen eigen ist.
Das hängt auch mit der Geschichte des Volks zusammen: der jüdische Gott ist der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, der Gott, der die Juden aus Ägypten führte, und es ist nicht die geringste Reflexion vorhanden, daß Gott auch anderes getan, auch bei anderen Völkern affirmativ gehandelt habe. Es tritt also hier von der subjektiven Seite, von der Seite des Kultus her die Partikularität ein, und allerdings kann man sagen: Gott ist der Gott derer, die ihn verehren; denn Gott ist dies, im subjektiven Geiste gewußt zu werden und sich selbst darin zu wissen.
Dies Moment gehört wesentlich zur Idee Gottes. Das Wissen, Anerkennen gehört wesentlich zu dieser Bestimmung. Es erscheint dies oft auf eine für uns schiefe Weise, wenn nämlich von Gott gesagt wird,
er sei mächtiger und stärker als die anderen Götter, gleich als ob noch Götter neben ihm wären: es sind diese den Juden aber die falschen Götter.

Es ist dieses Volk, das ihn verehrt, und so ist er der Gott dieses Volkes, und zwar der Herr desselben.
Er ist es, der als Schöpfer Himmels und der Erden gewußt wird;
er hat allem Ziel und Maß gesetzt, ihm seine eigentümliche Natur erteilt, - so hat er auch dem Menschen sein Maß, Ziel und Recht gegeben.
Das ist die Bestimmung, daß er als Herr seinem Volke Gesetze gibt,
Gesetze in ihrem ganzen Umfange, sowohl die allgemeinen Gesetze, die zehn Gebote
- welche allgemeine, sittliche, rechtliche Grundbestimmungen der Gesetzgebung und Moralität sind und die nicht als Vernunftgesetze gelten, sondern als vorgeschrieben von dem Herrn - als auch alle übrigen Staatsgesetze und Einrichtungen.
Moses wird Gesetzgeber der Juden genannt, aber er ist den Juden nicht gewesen, was den Griechen Solon und Lykurg (diese gaben als Menschen ihre Gesetze); er hat nur die Gesetze Jehovas bekanntgemacht; Jehova selbst hat sie, nach der Erzählung, in den Stein gegraben.
Allen noch so geringfügigen Verordnungen, die Einrichtung der Stiftshütte, die Gebräuche beim Opfer und alles sonstige Zeremoniell betreffend, ist in der Bibel die Formel beigesetzt: Jehova spricht.
Alles Gesetz ist vom Herrn gegeben, es ist somit durchaus positives Gebot.
Es ist darin eine formelle, absolute Autorität. Das Besondere der politischen Verfassung ist überhaupt nicht aus dem allgemeinen Zweck entwickelt, auch ist es nicht dem Menschen zur Bestimmung überlassen - denn die Einheit läßt nicht die menschliche Willkür, die menschliche Vernunft neben sich bestehen, und eine politische Änderung ist jedesmal ein Abfall von Gott genannt -, sondern das Besondere als ein von Gott Gegebenes ist als ewig festgesetzt. Und hier stehen die ewigen Gesetze des Rechts, der Moralität in gleichem Rang, in gleicher positiver Form mit den geringfügigsten Verordnungen.
Das bildet einen starken Kontrast mit dem Begriff, den wir von Gott haben.
- Der Kultus nun ist der Dienst Gottes; der Gute, Gerechte ist es, der diesen Dienst leistet, indem er sowohl die sittlichen Gebote als auch die Zeremonialgesetze hält und beobachtet. Das ist der Dienst des Herrn.

Unter der Bedingung der Furcht und des Dienstes ist nun das Volk Gottes ein durch Bund und Vertrag angenommenes. Nämlich die selbstbewußte Gemeinde ist nicht mehr eine ursprüngliche und unmittelbare Einheit mit dem Wesen, wie dies in der Naturreligion der Fall ist.
Die äußerliche Gestalt des Wesens in der Naturreligion ist nur Naturvorstellung, eine Rinde, welche die beiden Seiten des religiösen Verhältnisses nicht wahrhaft scheidet, also nur eine unwesentliche Trennung, nur ein oberflächlicher Unterschied.
Der gegenwärtige Standpunkt dagegen geht von der absoluten Reflexion-in-sich als abstraktem Fürsichsein aus; es tritt daher hier die Vermittlung des Verhältnisses zwischen dem Selbstbewußtsein und seinem absoluten Wesen ein. Das Selbstbewußtsein ist aber nicht der Mensch als Mensch im Sinne der Allgemeinheit. Das religiöse Verhältnis ist eine Besonderheit, die man nach der Seite des Menschen zufällig nennen kann, denn alles Endliche ist der absoluten Macht äußerlich und enthält in ihm keine positive Bestimmung. Diese Besonderheit des religiösen Verhältnisses ist aber nicht eine Besonderheit neben anderen, sondern ein ausgeschiedener, unendlicher Vorzug.
Um dieser Bestimmungen willen stellt sich das Verhältnis so, daß jenes Volk unter der Bedingung des Grundgefühles seiner Abhängigkeit, d. h. seiner Knechtschaft angenommen ist. Dieses Verhältnis zwischen der unendlichen Macht und dem Fürsichseienden ist daher nicht ein solches, das an sich ursprünglich oder nur durch die Liebe Gottes zu den Menschen gesetzt ist; sondern auf äußerliche Weise, im Vertrage ist diese Einheit gestiftet.
Und zwar ist diese Annahme des Volkes ein für allemal geschehen, und sie nimmt die Stelle dessen ein, was in der offenbaren Religion in der vollendeten Form die Erlösung und Versöhnung ist.

Mit der Vorstellung Gottes als des Herrn hängt es zusammen, daß sich das jüdische Volk dem Dienste desselben ganz hingegeben hat; daraus erklärt sich auch diese bewunderungswürdige Festigkeit, die nicht Fanatismus des Bekehrens war wie der Mohammedanismus, der schon von der Nationalität gereinigt ist und nur Gläubige anerkennt, sondern Fanatismus der Hartnäckigkeit; sie beruht allein auf der Abstraktion des einen Herrn. Ein Schwanken tritt im Geiste nur dann ein, wenn verschiedene Interessen und Gesichtspunkte nebeneinander zu stehen kommen; man kann in solchem Kampfe das eine oder das andere ergreifen; in dieser Konzentration aber des einen Herrn ist der Geist vollkommen festgehalten.
Es folgt daraus, daß gegen dieses feste Band keine Freiheit vorhanden ist; der Gedanke ist schlechthin gebunden an diese Einheit, die die absolute Autorität ist. Damit hängt weiter noch vieles zusammen.
Auch bei den Griechen haben gewisse Institutionen als göttlich gegolten, aber von Menschen waren sie eingesetzt worden; die Juden aber haben nicht so den Unterschied des Göttlichen und Menschlichen gemacht.
Wegen des Mangels der Freiheit haben sie auch nicht an die Unsterblichkeit geglaubt; wenn man vielleicht davon auch einige wenige Spuren nachweisen wollte, so bleiben doch solche Stellen immer sehr beim Allgemeinen stehen und haben nicht den geringsten Einfluß auf religiöse und moralische Gesichtspunkte.
Die Unsterblichkeit der Seele ist noch nicht anerkannt; es ist daher kein höherer Zweck als der Dienst des Jehova, und für sich hat der Mensch den Zweck, sich und seiner Familie das Leben so lange als möglich zu erhalten. Zeitlicher Besitz nämlich erfolgt für den Dienst, nicht Ewiges, nicht ewige Seligkeit.
Die Anschauung und das Bewußtsein von der Einheit der Seele mit dem Absoluten oder von der Aufnahme der Seele in den Schoß des Absoluten ist noch nicht erwacht.
Der Mensch hat noch keinen inneren Raum, keine innere Ausdehnung oder eine Seele von dem Umfange, die in sich befriedigt sein wollte, sondern die Erfüllung und Realität derselben ist das Zeitliche. Nach dem Gesetz erhielt jede Familie ein Grundstück, das nicht veräußert werden dürfe; so sollte für die Familie gesorgt sein. Der Zweck des Lebens war somit hauptsächlich die Erhaltung desselben.

Diese Bestimmung hat die Familie und das dazu gehörige Land, woraus sie ihre Subsistenz hat.
Der Besitz eines Landes ist das, was dies Selbstbewußtsein von seinem Gott erhält. Jene Zuversicht ist eben damit der absolut beschränkte Inhalt der einzelnen Familienexistenz. Eben weil der Mensch in der absoluten Negativität des Sichaufgebens im schlechthin Positiven und somit wieder in der Unmittelbarkeit ist, schlägt die Zuversicht als das aufgegebene endliche Interesse in das Aufgeben des Aufgebens und so in das realisierte endliche Individuum, dessen Glück und Besitz um.
Dieser Besitz und dies Volk ist identisch, untrennbar. Gottes Volk besitzt Kanaan. Gott hat einen Bund mit Abraham gemacht, dessen eine Seite dieser Besitz ist, die affirmative Seite in dieser Sphäre empirischer Besonderheit. Beides ist untrennbar, der besondere Besitz und die Zuversicht, die Frömmigkeit.
Der Besitz erhält damit eine unendliche absolute Berechtigung, eine göttliche Berechtigung, die aber zugleich nicht die Gestalt eines juridischen Rechts hat, nicht die eines Eigentums; dies vom Besitz unterschiedene ist hier nicht anzuwenden. Das Eigentum hat die Persönlichkeit, diese Freiheit des einzelnen Individuums zu seiner Quelle. Der Mensch ist wesentlich Eigentümer, insofern er Person ist; aber die empirische Seite des Besitzes ist dabei ganz frei, dem Zufalle preisgegeben. Was ich besitze, ist zufällig, gleichgültig; wenn ich als Eigentümer anerkannt bin, bin ich freie Subjektivität, - der Besitz ist gleichgültig. Hier hingegen ist dieser Besitz als solcher identisch mit der Zuversicht, und es ist dieser Besitz, der so die absolute Berechtigung hat. Es tritt nicht die Bestimmung des Eigentums, auch nicht Willkür darin ein. Gott, die absolute Idee, dann Eigentum und Besitz sind drei verschiedene Stufen. Hier fällt die bindende Mitte, das Eigentum, weg, und es ist unmittelbar der Besitz aufgenommen in den göttlichen Willen; dieser empirische einzelne Besitz ist es, der als solcher und als so Berechtigtes gelten soll und der freien Bestimmung des Einzelnen - der ihn nicht verkaufen, sondern nur für einige Zeit, immer bis zum Jubeljahr, verpfänden kann - entzogen ist.

Die andere Seite, nämlich das negative Verhältnis, ist der affirmativen Seite entsprechend.
Die Anerkennung der Macht muß ebenso als die negative Seite auch empirisch äußerlich nach Eigentum bestimmt sein. Das besondere Handeln, reale Benehmen muß ebenso seine negative Seite haben wie die Anerkennung des Herrn; es muß ein Dienst sein, nicht bloß Furcht, sondern ein Aufgeben im Besonderen. Dies ist die andere Seite des Bundes, der einerseits die Wirkung des Besitzes hat, andererseits aber auch den Dienst verlangt, daß, wie dies Land gebunden ist an dies Volk, so es selbst gebunden ist unter den Dienst des Gesetzes. Diese Gesetze sind nun einerseits Familiengesetze, beziehen sich auf die Familienverhältnisse, haben einen Inhalt von Sittlichem, aber die Hauptsache ist andererseits, daß das, was sittlich in sich ist, als ein rein Positives gesetzt, beobachtet werde, und daran ist denn natürlich eine Menge äußerlicher, zufälliger Bestimmungen angeknüpft, die schlechthin gehalten werden sollen.
Der Vernunftlosigkeit des Besitzes entspricht die Vernunftlosigkeit des Dienens; es ist so ein abstrakter Gehorsam, der keine Innerlichkeit in Ansehung der Bestimmtheit in sich zu haben braucht, da es eine abstrakte Berechtigung ist. Weil Gott absolute Macht ist, so sind die Handlungen an sich unbestimmt und deswegen ganz äußerlich, willkürlich bestimmt. Das Halten der Gebote des Dienstes, der Gehorsam gegen Gott ist die Bedingung der Erhaltung des Zustandes des Volks, - dies ist die andere Seite des Bundes.
Die Abweichung von den Gesetzen durch die Willkür der Individuen oder des ganzen Volkes ist möglich; das ist aber nur eine Abweichung von den Geboten und vom Zeremoniendienst, nicht eine Abweichung vom Ursprünglichen, denn dieses gilt als solches, wie es sein soll. Demnach ist auch die Strafe, die an den Ungehorsam geknüpft ist, nicht die absolute Strafe, sondern nur ein äußeres Unglück, nämlich der Verlust des Besitzes oder die Schmälerung, die Verkürzung desselben. Die Strafen, welche angedroht sind, sind sinnlich-äußerlicher Natur und auf den ungestörten Besitz des Landes sich beziehend. Ebenso wie der Gehorsam nicht geistig-sittlicher Art ist, sondern nur der bestimmte, blinde Gehorsam von nicht sittlich freien Menschen, so sind auch die Strafen äußerlich bestimmte. Die Gesetze, Gebote sollen nur wie von Knechten befolgt, ausgerichtet werden.

Merkwürdig ist es, diese Strafen zu betrachten, die in fürchterlichen Flüchen angedroht werden, wie denn dies Volk eine ordentliche Meisterschaft im Fluchen erlangt hat; diese Flüche treffen aber nur das Äußerliche, nicht das Innere, Sittliche.
Im 3. Buch Mosis im 26. Kapitel heißt es: "So ihr meine Satzungen verachtet und nicht tut alle meine Gebote und meinen Bund werdet brechen, so will ich euch heimsuchen mit Schrecken, Darre und Fieber, daß euch die Angesichter verfallen und der Leib verschmachte. Ihr sollt umsonst euren Samen säen, und eure Feinde sollen ihn essen; ... und die euch hassen, sollen über euch herrschen, und ihr sollt fliehen, da euch niemand jagt. So ihr aber über das noch nicht gehorchet, so will ich's noch siebenmal mehr machen. euch zu strafen um eure Sünden; ... und will euren Himmel wie Eisen und eure Erde wie Erz machen.
Und eure Mühe und Arbeit soll verloren sein, daß euer Land sein Gewächs nicht gebe und die Bäume ihre Früchte nicht bringen. Und wo ihr mir entgegen wandelt und mich nicht hören wollt, so will ich's noch siebenmal mehr machen, auf euch zu schlagen um eurer Sünden willen. Und will wilde Tiere unter euch senden, die sollen eure Kinder fressen und euer Vieh zerreißen und eurer weniger machen, und eure Straßen sollen wüste werden. Werdet ihr euch aber damit noch nicht von mir züchtigen lassen und mir entgegen wandeln, so will ich euch noch siebenmal mehr schlagen; und will ein Racheschwert über euch bringen, das meinen Bund rächen soll. Und ob ihr euch in eure Städte versammelt, will ich doch die Pestilenz unter euch senden und will euch in eurer Feinde Hände geben. Dann will ich euch den Vorrat des Brots verderben, daß zehn Weiber sollen euer Brot in einem Ofen backen, und euer Brot soll man mit Gewicht auswägen, und wenn ihr esset, sollt ihr nicht satt werden. Werdet ihr aber dadurch mir noch nicht gehorchen und mir entgegen wandeln, so will ich auch euch im Grimm entgegen wandeln und will euch siebenmal mehr strafen, daß ihr sollt eurer Söhne und Töchter Fleisch fressen.
Und will eure Höhen vertilgen und eure Bilder ausrotten und will eure Leichname auf eure Götzen werfen, und meine Seele wird an euch Ekel haben. Und will eure Städte wüst machen und eure Heiligtümer einreißen und will euren süßen Geruch nicht riechen. Also will ich das Land wüst machen, daß eure Feinde, so darin wohnen, sich davor entsetzen werden. Euch aber will ich unter die Heiden streuen und das Schwert ausziehen hinter euch her."

Wir haben schon gesehen, daß bei den Juden das Böse in den subjektiven Geist fällt, und der Herr ist nicht im Kampf mit dem Bösen, aber er straft das Böse; es erscheint somit dasselbe als ein äußerlicher Zufall, wie es in der Vorstellung des Sündenfalls von außen herkommt, indem der Mensch von der Schlange verführt wird.

Gott straft das Böse, als welches nicht sein soll; es soll nur das Gute, das der Herr gebietet, sein.
Es ist da noch keine Freiheit vorhanden, auch nicht die Freiheit zu untersuchen was göttliches und ewiges Gesetz sei. Die Bestimmungen des Guten, die allerdings auch Bestimmungen der Vernunft sind, gelten als Festsetzungen des Herrn, und der Herr straft die Übertretung derselben: das ist der Zorn Gottes.
In diesem Verhältnis des Herrn ist nur ein Sollen: was er gebietet, das soll sein, ist Gesetz.
Dem Herrn fällt die strafende Gerechtigkeit anheim; in das Subjekt als Endliches fällt der Kampf des Guten und des Bösen. Es ist so in ihm der Widerspruch vorhanden, und es tritt damit die Zerknirschung, der Schmerz ein, daß das Gute nur Sollen ist.

c) Des Kultus dritte Seite ist die Versöhnung; sie kann eigentlich nur besondere Fehler einzelner Individuen betreffen und geschieht durch Opfer.

Das Opfer hat hier nicht nur den einfachen Sinn, seines Endlichen symbolisch sich abzutun, sich in der Einheit zu erhalten, sondern näher den Sinn der Anerkennung des Herrn, der Bezeugung der Furcht gegen ihn, und dann die weitere Bedeutung, daß dadurch das übrige abgekauft und ausgelöst wird.
Der Mensch kann die Natur nicht als ein solches betrachten, dessen er sich nach seiner Willkür bedienen kann; er kann also hier nicht unmittelbar zugreifen, sondern er muß, was er haben will, durch Vermittlung von einem Fremden empfangen. Alles ist des Herrn und muß ihm abgekauft werden, - so wird der Zehnte entrichtet, die Erstgeburt ausgelöst.

Eigentümlich ist nun, wie die Sühne der Sünde geschieht, nämlich unter der Vorstellung, daß die verdiente Strafe, die verdiente Manifestation der Nichtigkeit dessen, der sich in Sündigkeit erhoben hat, daß dies übertragen werden könne auf den Teil, der aufgeopfert wird. Dies ist das Opfer.
Das Individuum manifestiert die Nichtigkeit seines Geltens. Dadurch kommt die Anschauung herein,
daß die verdiente Manifestation der Nichtigkeit des Sünders auf das Opfer übertragen wird, indem Gott das Opfer anerkennt und somit das Selbst wieder positiv oder in ihm seiend setzt.

Diese Äußerlichkeit des Opfers kommt daher, weil die Entsündigung als Strafe nicht als Reinigung
als solche, sondern als Verletzung des bösen Willens unter der Bedeutung des Schadens gedacht wird.
Damit hängt es auch zusammen, daß besonders das Blut geopfert, an den Altar gesprengt wird.
Denn soll die Lebendigkeit als das Höchste des Besitzes aufgegeben werden, so muß wirklich Lebendiges hingegeben werden, und das Blut, in dem das Leben des Tieres sei, wird dem Herrn zurückgegeben. Bei den Indern wurde noch das ganze Tier verehrt; hier ist nun diese Verehrung zurückgenommen, aber das Blut ist noch als ein Unantastbares, Göttliches geachtet, respektiert und darf vom Menschen nicht verzehrt werden. Der Mensch hat noch nicht das Gefühl seiner konkreten Freiheit, vor welcher das bloße Leben als Leben etwas Untergeordnetes ist.

*) vgl. Jes. 66, 21

 

 

Hegel: Religion der Erhabenheit

Die allgemeine Bestimmung des Begriffs

Das Gute, die absolute Macht, ist Subjekt.

Die Form der Welt

Zweck Gottes mit der Welt

Der Begriff des Einen

G.W.F. Hegel

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( Georg W. F. Hegel,   Vorlesungen über Philosophie der Religion - Der Kultus [der Juden] )

 

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