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c. Der Zweck Gottes mit der Welt
Erste Bestimmung. Die Zweckbestimmung ist hier als die wesentliche, daß Gott weise ist, zunächst weise in der Natur überhaupt. Die Natur ist sein Geschöpf, und er gibt darin seine Macht zu erkennen, aber nicht nur seine Macht, sondern auch seine Weisheit. Diese gibt sich kund in ihren Produkten durch zweckmäßige Einrichtung. Dieser Zweck ist mehr ein Unbestimmtes, Oberflächliches, mehr äußerliche Zweckmäßigkeit: 'Du gibst dem Vieh sein Futter.'1) Der wahrhafte Zweck und die wahrhafte Realisation des Zwecks fällt nicht in die Natur als solche, sondern wesentlich in das Bewußtsein. Er manifestiert sich in der Natur, aber seine wesentliche Erscheinung ist, im Bewußtsein zu erscheinen, seinem Widerschein, so daß es im Selbstbewußtsein widerscheint, daß dies sein Zweck sei, gewußt zu werden vom Bewußtsein, und daß er dem Bewußtsein Zweck sei.
Die Erhabenheit ist nur erst die Vorstellung der Macht, noch nicht die eines Zweckes. Der Zweck ist nicht nur das Eine; sondern der Zweck Gottes überhaupt kann nur er selbst sein, daß sein Begriff ihm gegenständlich werde, er sich selbst in der Realisation habe. Dies ist der allgemeine Zweck überhaupt. Wenn wir nun hier in Rücksicht auf die Welt, die Natur, diese als den Zweck Gottes betrachten wollen, so ist nur seine Macht darin manifestiert; nur sie wird ihm darin gegenständlich, und die Weisheit ist noch ganz abstrakt. Wenn wir von einem Zweck sprechen, so muß er nicht bloß Macht sein, muß Bestimmtheit überhaupt haben. Der Boden, wo er vorhanden sein kann, ist der Geist überhaupt; indem nun Gott im Geist als Bewußtsein, in dem ihm gegenübergesetzten Geist, hier also im endlichen Geist als solchem Zweck ist, so ist darin seine Vorstellung, seine Anerkenntnis der Zweck. Gott hat gegenüber hier den endlichen Geist; das Anderssein ist noch nicht gesetzt als absolut zurückgekehrt in sich selbst. Der endliche Geist ist wesentlich Bewußtsein; Gott muß also Gegenstand des Bewußtseins als des Wesens sein. Dies ist, daß er anerkannt, gepriesen werde. Die Ehre Gottes ist zunächst sein Zweck. Der Reflex Gottes im Selbstbewußtsein überhaupt ist noch nicht erkannt; Gott wird nur anerkannt. Sollte er auch wirklich erkannt werden, so gehörte dazu, daß er als Geist Unterschiede in sich gesetzt hätte; hier hat er noch die gesehenen abstrakten Bestimmungen.
So ist es hier eine wesentliche Bestimmung, daß die Religion als solche der Zweck ist, nämlich daß Gott gewußt werde im Selbstbewußtsein, darin Gegenstand ist, affirmative Beziehung auf dasselbe hat. Er ist Gott als unendliche Macht und Subjektivität in sich; das zweite ist, daß er erscheint, und zwar wesentlich in einem anderen Geiste, der als endlich ihm gegenüber ist, und so ist das Anerkennen und Preisen Gottes die Bestimmung, die hier eintritt, die Ehre Gottes, die allgemeine Ehre: nicht bloß das jüdische Volk, sondern die ganze Erde, alle Völker, Heiden sollen den Herrn loben. Dieser Zweck, vom Bewußtsein anerkannt, gewußt, verehrt zu werden, kann zunächst der theoretische Zweck genannt werden; der bestimmtere ist der praktische, der eigentlich reale Zweck, der sich in der Welt, aber immer in der geistigen, realisiert.
Zweite Bestimmung. Dieser wesentliche Zweck ist der sittliche Zweck, die Sittlichkeit, daß der Mensch in dem, was er tut, das Gesetzliche, Rechte vor Augen habe; dies Gesetzliche, Rechte ist das Göttliche, und insofern es ein Weltliches, im endlichen Bewußtsein ist, ist es ein Gesetztes von Gott. Gott ist das Allgemeine; der Mensch, der sich und seinen Willen nach diesem Allgemeinen bestimmt, ist der freie, damit der allgemeine Wille, nicht seine besondere Sittlichkeit; Rechttun ist hier Grundbestimmung, der Wandel vor Gott, das Freisein von selbstsüchtigen Zwecken, die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt. Dieses Rechte tut der Mensch in Beziehung auf Gott, zur Ehre Gottes; dieses Rechte hat im Willen, im Innern seinen Sitz, und diesem Wollen in Rücksicht auf Gott gegenüber steht die Natürlichkeit des Daseins, des Menschen, des Handelnden.
Wie wir in der Natur dieses Gebrochensein sahen, daß Gott für sich ist und die Natur ein Seiendes, aber Beherrschtes, so ist auch im Menschengeiste eben dieser Unterschied: das Rechttun als solches, ferner das natürliche Dasein des Menschen. Dieses ist aber ebenso ein durch das geistige Verhältnis des Willens Bestimmtes, als die Natur überhaupt ein Gesetztes ist vom absoluten Geist.
Das natürliche Dasein des Menschen, seine äußerliche, weltliche Existenz ist in Beziehung gesetzt auf das Innere. Wenn dieser Wille ein wesentlicher Wille, das Tun Rechttun ist, soll auch die äußerliche Existenz des Menschen diesem Innerlichen, Rechten entsprechen; es soll dem Menschen gut gehen nur nach seinen Werken, und er soll sich nicht nur sittlich überhaupt benehmen, die Gesetze seines Vaterlandes beobachten, sich dem Vaterland aufopfern - es mag ihm dabei gehen, wie es wolle -, sondern es tritt die bestimmte Forderung ein, daß es dem, der Recht tut, auch wohlergehe.
Es ist hier ein Verhältnis, daß die reelle Existenz, das äußerliche Dasein angemessen, unterworfen und bestimmt sei nach dem Innerlichen, Rechten. Dies Verhältnis tritt hier ein infolge und aufgrund des Grundverhältnisses von Gott zur natürlichen, endlichen Welt. Es ist hier ein Zweck, dieser soll vollführt sein, - eine Unterscheidung, die zugleich in Harmonie sein soll, so daß das natürliche Dasein sich beherrscht zeige vom Wesentlichen, vom Geistigen. Es soll für den Menschen bestimmt sein, beherrscht vom wahrhaften Inneren, vom Rechttun.
Auf diese Weise ist das Wohlsein des Menschen göttlich berechtigt; aber es hat nur diese Berechtigung, insofern es dem Göttlichen gemäß ist, dem sittlichen, göttlichen Gesetz. Das ist das Band der Notwendigkeit, die aber nicht mehr blind ist, wie wir in anderen Religionen sehen werden, nur die leere, begriffslose, unbestimmte Notwendigkeit, so daß außer ihr das Konkrete ist. Die Götter, sittlichen Mächte stehen unter der Notwendigkeit, aber die Notwendigkeit hat nicht das Sittliche, Rechte in ihrer Bestimmung. Hier ist die Notwendigkeit konkret, daß das an und für sich Seiende Gesetze gibt, das Rechte will, das Gute, und dieses hat zur Folge ein ihm angemessenes, affirmatives Dasein, eine Existenz, die ein Wohlsein, Wohlgehen ist. Diese Harmonie ist es, die der Mensch weiß in dieser Sphäre.
Darin ist begründet, daß es ihm wohlergehen darf, ja soll; er ist Zweck für Gott, er als Ganzes. Aber er als Ganzes ist selbst ein in ihm Unterschiedenes, daß er Willen hat und äußerliches Dasein. Das Subjekt weiß nun, daß Gott das Band dieser Notwendigkeit ist, diese Einheit, welche das Wohlsein hervorbringt, angemessen dem Rechttun, daß dieser Zusammenhang ist; denn der göttliche, allgemeine Wille ist zugleich der in sich bestimmte Wille und somit die Macht dazu, jenen Zusammenhang hervorzubringen. Daß dieses zusammengeknüpft ist, dieses Bewußtsein ist dieser Glaube Zuversicht; diese ist im jüdischen Volke eine Grundseite, bewundernswürdige Seite. Von dieser Zuversicht sind die alttestamentlichen Schriften voll, besonders die Psalmen.
Dieser Gang ist es auch, der im Hiob dargestellt ist, das einzige Buch, von dem man den Zusammenhang mit dem Boden des jüdischen Volks nicht genau kennt. Hiob preist seine Unschuld, findet sein Schicksal ungerecht, er ist unzufrieden; d. h. es ist ein Gegensatz in ihm: das Bewußtsein der Gerechtigkeit, die absolut ist, und die Unangemessenheit seines Zustandes mit dieser Gerechtigkeit. Es ist als Zweck Gottes gewußt, daß er es den Guten gut gehen lasse.
Die Wendung ist, daß diese Unzufriedenheit, dieser Mißmut sich der absoluten, reinen Zuversicht unterwerfen soll. Hiob fragt: 'Was gibt mir Gott für Lohn von der Höhe? Sollte nicht der Ungerechte so verstoßen werden?' Seine Freunde antworten in demselben Sinne, nur daß sie es umkehren: 'Weil du unglücklich bist, daraus schließen wir, daß du nicht recht bist. Gott tut dies, daß er den Menschen beschirme vor Hoffahrt.' Gott spricht endlich selbst: 'Wer ist, der so redet mit Unverstand? Wo warst du, da ich die Erde gründete?' Da kommt eine sehr schöne, prächtige Beschreibung von Gottes Macht, und Hiob sagt: 'Ich erkenne es; es ist ein unbesonnener Mensch, der seinen Rat meint zu verbergen.'2)
Diese Unterwürfigkeit ist das Letzte; einerseits diese Forderung, daß es dem Gerechten wohlgehe, andererseits soll selbst diese Unzufriedenheit weichen. Dies Verzichtleisten, Anerkennen der Macht Gottes bringt Hiob wieder zu seinem Vermögen, zu seinem vorigen Glück; auf dieses Anerkennen folge die Wiederherstellung seines Glücks. Doch soll vom Endlichen zugleich dieses Glück nicht als ein Recht gegen die Macht Gottes angesprochen werden. - Diese Zuversicht zu Gott, diese Einheit und das Bewußtsein dieser Harmonie der Macht und zugleich der Weisheit und Gerechtigkeit Gottes ist darin begründet, daß Gott als Zweck in sich bestimmt ist und Zweck hat.
Es ist hierbei noch zu beachten dies Innerlichwerden des Geistes, das Bewegen seiner in sich selbst. Der Mensch soll recht tun, das ist das absolute Gebot, und dieses Rechttun hat seinen Sitz in seinem Willen; der Mensch ist dadurch auf sein Innerliches angewiesen, und er muß beschäftigt sein mit dieser Betrachtung seines Inneren, ob es im Rechten, sein Wille gut ist. Diese Untersuchung und Bekümmernis über das Unrecht, das Schreien der Seele nach Gott, dies Hinabsteigen in die Tiefen des Geistes, diese Sehnsucht des Geistes nach dem Rechten, der Angemessenheit zum Willen Gottes ist ein besonders Charakteristisches.
Weiter erscheint dieser Zweck zugleich als ein beschränkter: es ist der Zweck, daß die Menschen Gott wissen, anerkennen, was sie tun, zur Ehre Gottes tun sollen, was sie wollen, dem Willen Gottes gemäß, ihr Wille wahrhafter Wille sein soll. Dieser Zweck hat zugleich eine Beschränktheit, und es ist zu betrachten, inwiefern diese Beschränktheit in der Bestimmung Gottes liegt, inwiefern der Begriff, die Vorstellung Gottes selbst noch diese Beschränktheit enthält.
Wenn die Vorstellung Gottes beschränkt ist, so sind diese weiteren Realisationen des göttlichen Begriffs im menschlichen Bewußtsein auch beschränkt. Dies ist immer das Wesentliche, aber auch das Schwerste, die Beschränktheit im Einen zu erkennen, wie sie noch Beschränktheit der Idee ist, so daß sie noch nicht als absolute Idee ist.
Gott, das sich Bestimmende in seiner Freiheit und nach seiner Freiheit, so daß das Geistige das Freie sei - das ist die Weisheit; aber diese Weisheit, dieser Zweck ist nur erst Zweck und Weisheit im allgemeinen. Die Weisheit Gottes, das Sichbestimmen hat noch nicht seine Entwicklung, diese Entwicklung in der Idee Gottes ist erst in der Religion, wo die Natur Gottes ganz offenbar ist. Der Mangel dieser Idee ist, daß Gott der Eine ist, aber so in sich selbst auch nur in der Bestimmtheit dieser Einheit, nicht das in sich selbst ewig sich Entwickelnde ist. Es ist noch nicht entwickelte Bestimmung; was wir Weisheit nennen, ist insofern auch ein Abstraktes, abstrakte Allgemeinheit.
Der reale Zweck, den wir haben, ist der erste; er ist als Zweck Gottes im wirklichen Geist, - so muß er in sich Allgemeinheit haben, muß göttlich wahrhafter Zweck in sich selbst sein, der substantielle Allgemeinheit hat. Substantieller Zweck im Geist ist der, daß die geistigen Individuen sich als eins wissen, sich als eins verhalten, einig seien; es ist ein sittlicher Zweck, er hat seinen Boden in der realen Freiheit. Es ist die Seite, worin das Praktische hervortritt, - Zweck im wirklichen Bewußtsein. Er ist aber erster Zweck, und die Sittlichkeit ist noch unmittelbar natürliche; der Zweck ist so die Familie und der Zusammenhang derselben, er ist diese eine Familie ausschließend gegen die anderen.
Der reale, unmittelbar erste Zweck der göttlichen Weisheit ist also noch ganz beschränkter, einzelner, weil er erster ist. Gott ist absolute Weisheit, aber noch in dem Sinne der ganz abstrakten Weisheit, oder der Zweck im göttlichen Begriff ist der noch schlechthin allgemeine und somit inhaltslose Zweck; dieser unbestimmte inhaltslose Zweck schlägt im Dasein um in die unmittelbare Einzelheit, in die vollkommenste Beschränktheit. Oder mit anderen Worten: das Ansich, in welchem sich die Weisheit noch hält, ist selbst die Unmittelbarkeit, die Natürlichkeit.
Der reale Zweck Gottes ist also die Familie, und zwar diese Familie; viele einzelne Familien ist schon die Erweiterung der Einzelheit durch die Reflexion. Es ist der merkwürdige, unendlich harte, härteste Kontrast. Gott ist einerseits der Gott Himmels und der Erden, absolute Weisheit, allgemeine Macht, und der Zweck dieses Gottes ist zugleich so beschränkt, daß er nur eine Familie, nur dies eine Volk ist. Alle Völker sollen ihn wohl auch anerkennen, seinen Namen preisen, aber das reale, zustandegebrachte wirkliche Werk ist nur dies Volk in seinem Zustande, seinem Dasein, seinem inneren, äußeren, politischen, sittlichen Dasein. Gott ist so nur der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, der Gott, der uns aus Ägypten geführt hat. Weil Gott nur Einer ist, so ist er auch nur in einem allgemeinen Geiste, in einer Familie, in einer Welt. Die ersten sind die Familien als Familien; die aus Ägypten Geführten sind die Nation, - hier sind es die Häupter der Familien, die das Bestimmte des Zwecks ausmachen. Die Allgemeinheit ist so noch die natürliche. Der Zweck ist so nur menschlich und so die Familie. So ist die Religion die patriarchalische. Die Familie ist es dann, die sich zum Volke erweitert. Nation heißt ein Volk, weil es zunächst durch die Natur ist; dies ist der beschränkte Zweck und ist ausschließend gegen Anderes der göttliche Zweck.
Die fünf Bücher Mosis fangen von der Weltschöpfung an; gleich nachher finden wir darin den Sündenfall: er betrifft die Natur des Menschen als Menschen. Dieser allgemeine Inhalt der Erschaffung der Welt und dann jener Fall des Menschen, der der Mensch der Gattung nach ist, hat keinen Einfluß auf das gehabt, was in der Folge die jüdische Religion ist. Es ist nur diese Weissagung, deren allgemeiner Inhalt dem israelitischen Volke nicht zur Wahrheit geworden ist. Der Gott ist nur der Gott dieses Volks, nicht der Menschen, und dies Volk ist das Volk Gottes.
In Ansehung des Zusammenhanges von der allgemeinen Weisheit Gottes in sich zu der vollkommenen Beschränktheit des realen Zwecks kann zur Deutlichmachung der Vorstellung noch bemerkt werden, daß der Mensch, wenn er das allgemeine Gute will und dies sein Zweck ist, seine Willkür zum Prinzip seiner Entschließungen, seines Handelns gemacht hat. Denn dies allgemeine Gute, dieser allgemeine Zweck enthält das Andere, Besondere nicht in sich selbst. Wenn aber gehandelt werden muß, so fordert dieser reale Zweck eine Bestimmtheit; diese ist außer dem Begriff, da er noch keine in sich hat, noch abstrakt ist, und die Besonderung ist deshalb noch nicht geheiligt, weil sie noch nicht in den allgemeinen Zweck des Guten aufgenommen ist. In der Politik, wenn nur die allgemeinen Gesetze die Herrschaft haben sollen, so ist das Regierende die Gewalt, die Willkür des Individuums; das Gesetz ist nur real, insofern es besondert wird, denn erst dadurch, daß es besondert wird, ist das Allgemeine lebendig.
Aus diesem einzelnen, realen Zweck sind die anderen Völker ausgeschlossen. Das Volk hat seine eigene Nationalität. Es besteht aus gewissen Familien und deren Mitgliedern; dies Angehören dem Volke und damit zu Gott in diesem Verhältnis zu stehen beruht auf der Geburt. Dies erfordert natürlich eine besondere Verfassung, Gesetze, Zeremonien, Gottesdienst.
Die Einzelheit bildet sich ferner so aus, daß sie den Besitz eines besonderen Bodens in sich schließt; dieser muß geteilt werden für die verschiedenen Familien und ist ein Unveräußerbares, so daß die Ausschließung diese ganz empirisch äußere Gegenwart gewinnt. Es ist dabei diese Ausschließung zunächst nicht polemisch, sondern die Realität ist der besondere Besitz, einzelne Genuß dieses einzelnen Volkes und das Verhältnis des einzelnen Volks zum allmächtigen, allweisen Herrn; sie ist nicht polemisch, d. h. die anderen Völker können auch dazu gebracht werden, zu dieser Verehrung. Sie sollen den Herrn preisen; aber daß sie dahin kommen, ist nicht realer Zweck, ist nur ein träges, nicht praktisches Sollen. Dieser reale Zweck ist erst im Mohammedanismus aufgetreten, wo der einzelne Zweck zum allgemeinen erhoben und so fanatisch wird. Der Fanatismus findet sich wohl auch bei den Juden, aber er tritt nur ein, insofern ihr Besitz, ihre Religion angegriffen ist; er tritt dann ein, weil nur dieser eine Zweck schlechthin ausschließend ist und keine Vermittlung, Gemeinschaft, kein Zusammengehen mit etwas anderem erlaubt.
Dritte Bestimmung. In der ganzen Schöpfung ist vor allem der Mensch erhaben; er ist das Wissende, Erkennende, Denkende; er ist so in einem ganz andern Sinne das Ebenbild Gottes, als dies von der Welt gilt. Was empfunden wird in der Religion, ist Gott, der der Gedanke ist; nur im Gedanken wird Gott verehrt.
In der Religion der Parsen haben wir den Dualismus gehabt; diesen Gegensatz haben wir auch in der jüdischen Religion, aber er fällt nicht in Gott, sondern in den anderen Geist: Gott ist Geist, und sein Produkt, die Welt, ist auch Geist; hierein fällt dieses, an ihm selbst das Andere seines Wesens zu sein. Die Endlichkeit enthält dies, daß darin der Unterschied als Zwiespalt fällt. In der Welt ist Gott bei sich; sie ist gut, denn das Nichts ihrer selbst, aus dem die Welt geschaffen worden, ist das Absolute selbst; als dieses erste Urteil Gottes geht aber die Welt nicht zum absoluten Gegensatz, nur der Geist ist dieses absoluten Gegensatzes fähig, und das ist seine Tiefe. Der Gegensatz fällt in den anderen Geist, der somit der endliche Geist ist: dieser ist der Ort des Kampfes des Bösen und des Guten, der Ort, worin auch dieser Kampf ausgekämpft werden muß. Alle diese Bestimmungen ergeben sich aus der Natur des Begriffs.
Dieser Gegensatz ist ein schwieriger Punkt, denn er macht den Widerspruch aus; das Gute ist durch sich selbst nicht widersprechend, sondern erst durch das Böse kommt der Widerspruch herein, er fällt allein ins Böse. Da tritt nun die Frage ein: Wie ist das Böse in die Welt gekommen? Diese Frage hat hier Sinn und Interesse. In der Religion der Parsen kann diese Frage keine Schwierigkeit machen, denn da ist das Böse, so wie das Gute ist; beide sind hervorgegangen aus dem Bestimmungslosen. Hier hingegen, wo Gott die Macht und das eine Subjekt ist, wo alles nur durch ihn gesetzt ist, da ist das Böse widersprechend, denn Gott ist ja nur das absolut Gute. Hierüber ist uns eine alte Vorstellung, der Sündenfall, in der Bibel aufbewahrt. Diese bekannte Darstellung, wie das Böse in die Welt gekommen, ist in die Form eines Mythus, einer Parabel gleichsam eingekleidet. Wenn nun das Spekulative, das Wahrhafte so in sinnlicher Gestaltung, in der Weise vom Geschehensein dargestellt wird, so kann es nicht fehlen, daß unpassende Züge darin vorkommen. So geschieht es auch bei Platon, wenn er bildlich von den Ideen spricht, daß ein unangemessenes Verhältnis zum Vorschein kommt. Es wird also erzählt: Nach Erschaffung Adams und Evas im Paradiese habe Gott den ersten Menschen verboten, von einem gewissen Baume zu essen; die Schlange verleitet sie aber dennoch dazu, indem sie sagt: "Ihr werdet Gott gleich werden." Gott legt ihnen dann eine schwere Strafe auf, sagt aber dennoch: "Siehe, Adam ist worden wie unsereiner, denn er weiß, was gut und böse ist." Von dieser einen Seite ist der Mensch nach Gottes Ausspruch Gott geworden, von der anderen aber, heißt es, habe Gott dem Menschen den Weg abgeschnitten, indem er ihn aus dem Paradiese verjagt habe. - Diese einfache Geschichte kann etwa zunächst auf folgende Weise genommen werden: Gott habe ein Gebot gemacht, und der Mensch, angetrieben von einem unendlichen Hochmut, Gott gleich zu werden (ein Gedanke, der ihm von außen gekommen), habe dieses Gebot übertreten; für seinen erbärmlichen, einfältigen Hochmut sei er dann aber hart bestraft worden. Jenes Gebot habe Gott nur formell gemacht, um ihn in den Fall zu setzen, seinen Gehorsam zu beweisen.
So geht nach dieser Erklärung alles in der gemeinen endlichen Konsequenz zu. Allerdings verbietet Gott das Böse: solches Verbot ist ein ganz anderes als das Verbot, von einem bloßen Baume zu essen; was Gott will und nicht will, muß wahrhafter, ewiger Natur sein. Solches Verbot soll ferner nur an ein einzelnes Individuum ergangen sein: mit Recht empört sich der Mensch dagegen, daß er für fremde Schuld gestraft werde; er will nur für das stehen, was er selbst getan. Es liegt vielmehr im Ganzen ein tief spekulativer Sinn. Es ist Adam oder der Mensch überhaupt, der in dieser Geschichte erscheint; es betrifft, was hier erzählt wird, die Natur des Menschen selbst, und es ist nicht ein formelles, kindisches Gebot, das Gott ihm auferlegt, sondern es heißt der Baum, von dem Adam nicht essen soll, der Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen, - da fällt die Äußerlichkeit und die Form eines Baumes hinweg. Der Mensch ißt davon, und er kommt zur Erkenntnis des Guten und des Bösen. Das Schwierige ist aber, daß gesagt wird, Gott habe dem Menschen verboten, zu dieser Erkenntnis zu gelangen, denn diese Erkenntnis ist gerade das, was den Charakter des Geistes ausmacht; der Geist ist nur Geist durch das Bewußtsein, und das höchste Bewußtsein liegt gerade in jener Erkenntnis. Wie hat nun dies verboten werden können? Die Erkenntnis, das Wissen ist dieses doppelseitige, gefährliche Geschenk: der Geist ist frei; dieser Freiheit ist das Gute wie das Böse anheimgestellt: es liegt darin ebenso die Willkür, das Böse zu tun; dies ist die negative Seite an jener affirmativen Seite der Freiheit. Der Mensch, heißt es, sei im Zustande der Unschuld gewesen: dies ist überhaupt der Zustand des natürlichen Bewußtseins; er muß aufgehoben werden, sobald das Bewußtsein des Geistes überhaupt eintritt. Das ist die ewige Geschichte und die Natur des Menschen. Er ist zuerst natürlich und unschuldig und damit keiner Zurechnung fähig: im Kinde ist keine Freiheit. Und doch ist es die Bestimmung des Menschen, wieder zur Unschuld zu gelangen. Was die letzte Bestimmung ist, wird hier als primitiver Zustand vorgestellt, - die Harmonie des Menschen mit dem Guten. Das ist das Mangelhafte in dieser bildlichen Vorstellung, daß diese Einheit als unmittelbar seiender Zustand dargestellt wird; aus diesem Zustande der ursprünglichen Natürlichkeit muß herausgegangen werden, aber die Trennung, welche dann entsteht, soll auch wieder zur Versöhnung kommen: dieses Versöhntwerden stellt sich hier so vor, daß jener erste Zustand nicht hätte übertreten werden sollen. In der ganzen bildlichen Darstellung ist das, was innerlich ist, als äußerlich, was notwendig, als zufällig ausgesprochen. Die Schlange sagt, Adam werde Gott gleich werden, und Gott bestätigt, daß es wirklich so sei, daß diese Erkenntnis die Gottähnlichkeit ausmache. Diese tiefe Idee ist in die Erzählung niedergelegt.
Es wird aber dann weiter dem Menschen eine Strafe auferlegt, er wird aus dem Paradiese vertrieben, und Gott sagt: "Verflucht sei die Erde um deinetwillen, im Schmerz sollst du, was sie dir bringt, essen; Dornen und Disteln soll sie dir tragen, und das Kraut des Ackers wirst du essen. Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, und du sollst wieder zur Erde werden, da du von ihr genommen bist; denn Staub bist du, und zum Staube wirst du zurückkehren."
Wir haben anzuerkennen, daß dies die Folgen der Endlichkeit sind, aber andererseits ist das gerade die Hoheit des Menschen, im Schweiße des Angesichts zu essen, durch seine Tätigkeit, Arbeit, Verstand sich seinen Unterhalt zu erwerben. Die Tiere haben dies glückliche Los (wenn man es so nennen will), daß die Natur ihnen, was sie brauchen, darreicht; der Mensch dagegen hebt selbst das, was ihm natürlicherweise notwendig ist, zu einer Sache seiner Freiheit empor. Das ist gerade die Anwendung seiner Freiheit, wenn auch nicht das Höchste, welches vielmehr darin besteht, das Gute zu wissen und zu wollen. Daß auch nach der natürlichen Seite der Mensch frei ist, das liegt in seiner Natur, ist nicht an sich als Strafe zu betrachten. Die Trauer der Natürlichkeit ist allerdings an die Hoheit der Bestimmung des Menschen geknüpft. Dem, der die höhere Bestimmung des Geistes noch nicht kennt, ist es ein trauriger Gedanke, daß der Mensch sterben müsse; diese natürliche Trauer ist gleichsam für ihn das Letzte. Die hohe Bestimmung des Geistes ist aber die, daß er ewig und unsterblich ist; doch diese Hoheit des Menschen, diese Hoheit des Bewußtseins ist in dieser Geschichte noch nicht enthalten. Denn es heißt: Gott sprach: "Nun aber, daß er nicht ausstrecke seine Hand und breche auch von dem Baum des Lebens und esse und lebe ewiglich." (Genesis 3, 22) Ferner: "Bis daß du wieder zur Erde werdest, davon du genommen bist." (Vers 19) Das Bewußtsein der Unsterblichkeit des Geistes ist in dieser Religion noch nicht vorhanden.
In der ganzen Geschichte des Sündenfalls sind diese großen Züge vorhanden in scheinbarer Inkonsequenz, wegen der bildlichen Vorstellung des Ganzen. Der Austritt aus der Natürlichkeit, die Notwendigkeit des Eintretens des Bewußtseins über das Gute und Böse ist das Hohe, was Gott hier selbst ausspricht. Das Fehlerhafte ist, daß der Tod so dargestellt wird, als sei für ihn kein Trost vorhanden. Die Grundbestimmung der Darstellung ist, daß der Mensch nicht natürlicher sein soll: darin liegt, was in der wahrhaften Theologie gesagt ist, daß der Mensch von Natur böse sei; das Böse ist das Stehenbleiben in dieser Natürlichkeit, der Mensch muß heraustreten mit Freiheit, mit seinem Willen. Das Weitere ist dann, daß der Geist wiederum zur absoluten Einheit in sich selbst, zur Versöhnung gelangt, und die Freiheit eben ist es, die diese Umkehrung des Geistes in sich selbst, diese Versöhnung mit sich enthält; aber diese Umkehrung ist hier noch nicht geschehen, der Unterschied noch nicht in Gott aufgenommen, d. h. noch nicht versöhnt. Die Abstraktion des Bösen ist noch nicht verschwunden.
Zu bemerken ist noch, daß diese Geschichte im jüdischen Volke geschlafen und ihre Ausbildung in den Büchern der Hebräer nicht erhalten hat; einige Anspielungen in den späteren apokryphischen Büchern abgerechnet, kommt sie darin überhaupt nicht vor. Lange Zeit ist sie brachgelegen, und erst im Christentum sollte sie zu ihrer wahren Bedeutung gelangen. Doch ist keineswegs der Kampf des Menschen in sich selbst in dem jüdischen Volke nicht vorhanden gewesen, vielmehr macht er eine wesentliche Bestimmung des religiösen Geistes unter den Hebräern aus; aber er ist nicht in der spekulativen Bedeutung aufgefaßt worden, daß er aus der Natur des Menschen selbst herkomme, sondern nur als zufällig, bei einzelnen Individuen ist er vorgestellt. Gegen den Sündigen und Kämpfenden ist dann auf der andern Seite das Bild des Gerechten entworfen, in welchem das Böse und der Kampf nicht als wesentliches Moment vorgestellt ist, sondern die Gerechtigkeit wird darein gesetzt, daß man den Willen Gottes tue und im Dienste Jehovas beharre durch die Beobachtung der sittlichen Gebote sowohl als der rituellen und staatsrechtlichen Vorschriften. Doch erscheint der Kampf des Menschen in sich selbst überall besonders in den Psalmen Davids; es schreit der Schmerz aus den innersten Tiefen der Seele im Bewußtsein ihrer Sündhaftigkeit, und es folgt die schmerzlichste Bitte um Vergebung und Versöhnung. Diese Tiefe des Schmerzes ist so allerdings vorhanden, aber mehr als dem einzelnen Individuum angehörig, als daß er als ewiges Moment des Geistes gewußt würde.
Dies sind die Hauptmomente der Religion des Einen, soweit sie die Besonderung und die Zweckbestimmung des Einen betreffen. Diese letztere Bestimmung des Zweckes führt uns zum Kultus.
1) vgl. Psalm 147, 9
2) vgl. Hiob 31, 2.3; 33, 12.17; 38, 2.4; 42, 2 f.
G.W.F. Hegel
Religion >>>
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Hegel: Religion der Erhabenheit
Die allgemeine Bestimmung des Begriffs
Das Gute, die absolute Macht, ist Subjekt.
Die Form der Welt
Kultus der Juden
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