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Vorlesungen über die Philosophie der Religion

 

2. Diese Religion als die römische                      III. Die Religion der Zweckmäßigkeit oder des Verstandes
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1. Begriff dieser Stufe 

In der äußerlichen Erscheinung ist diese Religion die römische. Die römische Religion nimmt man in oberflächlicher Weise mit der griechischen zusammen, aber es ist ein wesentlich ganz anderer Geist in der einen als in der anderen wenn sie auch Gestaltungen miteinander gemein haben, so haben diese doch eine ganz andere Stellung hier, und das Ganze der Religion und die religiöse Gesinnung ist ein wesentlich Verschiedenes, was schon aus der äußerlichen, oberflächlichen, empirischen Betrachtung sich ergibt. Man gibt im allgemeinen zu, daß der Staat, die Staatsverfassung, das politische Schicksal eines Volks abhängt von seiner Religion, diese die Basis, Substanz vom wirklichen Geiste und von dem, was Politik ist, die Grundlage sei; aber griechischer und römischer Geist, Bildung, Charakter sind ganz wesentlich voneinander unterschieden, und schon dies muß auf den Unterschied der religiösen Substanz führen.

Die göttlichen Wesen dieser Sphäre sind praktische Götter, nicht theoretische, prosaische, nicht poetische, obgleich, wie wir sogleich sehen werden, diese Stufe am reichsten sein wird an immer neuer Erfindung und Hervorbringung von Göttern. In Ansehung der abstrakten Gesinnung, der Richtung des Geistes ist hier zu bemerken

a) die Ernsthaftigkeit der Römer. Wo ein Zweck ist, ein wesentlich fester Zweck, der realisiert werden soll, da tritt dieser Verstand, damit die Ernsthaftigkeit ein, die an diesem Zweck festhält gegen mannigfaches Andere im Gemüt oder in äußerlichen Umständen.

Bei den Göttern in der vorhergehenden Religion, der abstrakten Notwendigkeit und den besonderen schönen göttlichen Individuen ist Freiheit der Grundcharakter, die diese Heiterkeit, Seligkeit ist. Sie sind nicht an einzelne Existenzen gebunden; sie sind wesentliche Mächte und sind zugleich die Ironie über das, was sie tun wollen; an dem einzelnen Empirischen ist ihnen nichts gelegen.
Die Heiterkeit der griechischen Religion, der Grundzug in Ansehung der Gesinnung derselben, hat darin ihren Grund, daß auch wohl ein Zweck ist, ein Verehrtes, Heiliges; aber es ist zugleich diese Freiheit vom Zweck vorhanden, unmittelbarer darin, daß die griechischen Götter viele sind.
Jeder griechische Gott hat eine mehr oder weniger substantielle Eigenschaft, sittliche Wesentlichkeit; aber eben weil es viele Besonderheiten sind, so steht das Bewußtsein, der Geist zugleich über diesem Mannigfachen, ist aus seiner Besonderheit heraus; es verläßt das, was als wesentlich bestimmt ist, auch als Zweck betrachtet werden kann, es ist selbst dies Ironisieren.
Die ideale Schönheit dieser Götter und ihr Allgemeines selbst ist höher als ihr besonderer Charakter;
so läßt sich Mars auch den Frieden gefallen. Sie sind Götter der Phantasie für den Augenblick, die keine Konsequenz haben, jetzt für sich hervortreten und jetzt in den Olymp wieder zurückkehren.

Dagegen wo ein Prinzip, ein oberstes Prinzip und ein oberster Zweck ist, da kann diese Heiterkeit nicht stattfinden. Dann ist der griechische Gott eine konkrete Individualität an ihm selbst, hat jedes dieser vielen besonderen Individuen selbst wieder viele unterschiedene Bestimmungen; es ist eine reiche Individualität, die deswegen notwendig den Widerspruch in ihr haben und zeigen muß, weil der Gegensatz noch nicht absolut versöhnt ist.

Indem die Götter an ihnen selbst diesen Reichtum von äußerlichen Bestimmungen haben, ist diese Gleichgültigkeit vorhanden gegen diese Besonderheiten, und der Leichtsinn kann mit ihnen spielen.
Das Zufällige, das wir an ihnen bemerken in diesen Göttergeschichten, gehört hierher.

Dionysios von Halikarnass vergleicht die griechische und römische Religion; er preist die religiösen Einrichtungen Roms und zeigt den großen Vorzug der altrömischen Religion vor der griechischen. Sie hat Tempel, Altäre, Gottesdienst, Opfer, feierliche Versammlungen, Feste, Symbole usf. mit der griechischen gemein; aber ausgestoßen sind die Mythen mit den blasphemischen Zügen, den Verstümmelungen, Gefangenschaften, Kriegen, Händeln usf. der Götter. Diese gehören aber zur Gestaltung der Heiterkeit der Götter, sie geben sich preis, es wird mit ihnen Komödie gespielt, aber sie haben darin ihr unbekümmertes, sicheres Dasein. Beim Ernst muß auch die Gestalt, die Handlungen, Begebenheiten heraustreten, dem festen Prinzip gemäß; hingegen in der freien Individualität, da sind noch keine solche festen Zwecke, solche einseitig sittlichen Verstandesbestimmungen; die Götter enthalten zwar das Sittliche, sind aber zugleich als besondere in ihrer Bestimmtheit reiche Individualität, sind konkret. In dieser reichen Individualität ist die Ernsthaftigkeit keine notwendige Bestimmung, sie ist vielmehr frei in der Einzelheit ihrer Äußerung, kann sich auf leichtsinnige Weise in allem herumwerfen und bleibt, was sie ist.
Die Geschichten, welche als unwürdig erscheinen, spielen an auf allgemeine Ansichten der Natur der Dinge, der Erschaffung der Welt usf.; sie haben ihren Ursprung in alten Traditionen, in abstrakten Ansichten über den Prozeß der Elemente. Das Allgemeine der Ansicht ist verdunkelt, aber es wird darauf angespielt, und in dieser Äußerlichkeit, Unordnung wird der Blick in das Allgemeine der Intelligenz erweckt.
In einer Religion dagegen, wo ein bestimmter Zweck vorhanden, verschwindet die Rücksicht auf alle theoretischen Gesichtspunkte der Intelligenz. Theorien, dergleichen Allgemeines findet sich in der Religion der Zweckmäßigkeit nicht. Der Gott hat hier einen bestimmten Inhalt: dies ist die Herrschaft der Welt; es ist empirische Allgemeinheit, nicht sittliche, geistige, sondern reale Allgemeinheit.

Den römischen Gott als diese Herrschaft sehen wir als Fortuna publica, diese Notwendigkeit, die für andere eine kalte Notwendigkeit ist. Die eigentliche Notwendigkeit, die den römischen Zweck selbst enthaltende, ist Roma, ist das Herrschen, ein heiliges, göttliches Wesen, und diese herrschende Roma in der Form eines herrschenden Gottes ist der Iupiter Capitolinus, ein besonderer Jupiter, denn es gibt viele Jupiter, wohl 300 Ioves. Dieser Iupiter Capitolinus ist nicht Zeus, der der Vater der Götter und Menschen ist, sondern er hat nur den Sinn des Herrschens und seinen Zweck in der Welt, und das römische Volk ist es, für das er diesen Zweck vollbringt. Das römische Volk ist die allgemeine Familie, während in der Religion der Schönheit viele Familien der göttliche Zweck waren, in der Religion des Einen dagegen nur eine Familie.

b) Dieser Gott ist nicht der wahrhaft geistig Eine; eben deshalb fällt auch das Besondere außerhalb dieser Einheit des Herrschens. Die Macht ist nur abstrakt, nur Macht; es ist nicht eine vernünftige Organisation, Totalität in sich. Ebendeswegen erscheint auch das Besondere als ein außer dem Einen, dem Herrscher Fallendes.

Dieses Besondere erscheint teils auch in der Weise der griechischen Götter oder ist später von den Römern selbst mit diesen gleichgestellt worden. So finden auch die Griechen ihre Götter in Persien, Syrien, Babylon, was zugleich doch ein Verschiedenes war von der eigentümlichen Anschauung, Bestimmtheit ihrer Götter, nur oberflächliche Allgemeinheit.

Im allgemeinen sind die römischen besonderen Gottheiten oder viele von ihnen dieselben mit den griechischen. Aber dennoch sind sie nicht diese schöne, freie Individualität, erscheinen gleichsam grau; man weiß nicht, wo sie herkommen, oder man weiß, daß sie bei bestimmten Gelegenheiten eingeführt worden. Und dann müssen wir wohl unterscheiden, wie die späteren Dichter, Vergil, Horaz die griechischen Götter in ihre gemachte Poesie als leblose Nachahmungen aufnahmen. Es ist nicht in ihnen dieses Bewußtsein, diese Humanität, was das Substantielle im Menschen wie in den Göttern und in den Göttern wie im Menschen ist. Sie zeigen sich als geistlose Maschinen, als Verstandesgötter, die nicht einem schönen, freien Geist, einer schönen, freien Phantasie angehören. Wie sie auch in den neueren Machwerken der Franzosen als lederne Gestalten, Maschinen vorkommen. Es haben deshalb überhaupt die römischen Göttergestalten die Neueren mehr angesprochen als die griechischen, weil jene mehr als leere Verstandesgötter auftreten, die nicht mehr der lebendigfreien Phantasie angehören.

Außer diesen besonderen Göttern, die als gemeinschaftlich mit den griechischen erscheinen, haben die Römer viel eigentümliche Götter und Gottesdienste. Die Herrschaft ist der Zweck des Bürgers; aber in diesem ist das Individuum noch nicht erschöpft: es hat auch seine besonderen Zwecke. Die partikularen Zwecke fallen außer diesem abstrakten Zweck.

Aber die besonderen Zwecke werden vollkommen prosaisch-partikulare Zwecke; es ist die gemeine Partikularität des Menschen nach den vielfachen Seiten seines Bedürfnisses oder Zusammenhangs mit der Natur, die hier hervortritt. Der Gott ist nicht diese konkrete Individualität, - Jupiter ist nur das Herrschen; die besonderen Götter sind tot, leb-, geistlos oder mehr entlehnt. Die Partikularität, von jener Allgemeinheit verlassen, so für sich, ist ganz gemein, prosaische Partikularität des Menschen. Diese aber ist Zweck für den Menschen; er braucht dies und jenes. Was Zweck aber ist für den Menschen, ist in dieser Sphäre Bestimmung des Göttlichen. Der Zweck des Menschen und der göttliche ist einer, aber ein der Idee äußerlicher Zweck; so gelten die menschlichen Zwecke für göttliche Zwecke, damit für göttliche Mächte; da haben wir diese vielen besonderen, höchst prosaischen Gottheiten.

Wir sehen so einerseits diese allgemeine Macht, die das Herrschen ist: in dieser sind die Individuen aufgeopfert, nicht als solche geltend; die andere Seite, das Bestimmte, fällt, weil jene Einheit, der Gott, das Abstrakte ist, außerhalb desselben, und das Menschliche ist wesentlich Zweck; die Erfüllung des Gottes mit einem Inhalt ist das Menschliche.

Auf der vorhergehenden Stufe, in der Religion der Schönheit, sind es freie, allgemeine und sittliche Mächte, welche den Gegenstand der Verehrung ausmachen. Obgleich beschränkt, sind sie doch an und für sich seiender, objektiver Inhalt, und eben in ihrer Betrachtung sind die Zwecke der Individualität aufgelöst und ist das Individuum seiner Not und seiner Bedürfnisse enthoben. Sie sind frei, und das Individuum befreit sich in ihnen; eben darum feiert es seine Identität mit ihnen, genießt es ihre Gunst und ist es derselben würdig, denn es hat nichts für sich gegen sie, und in seiner Not, seinen Bedürfnissen, überhaupt in seiner Besonderheit ist es sich nicht Zweck. Seine besonderen Zwecke, ob sie gelingen, sucht es nur in den Orakeln zu erfragen, oder es gibt sie in der Notwendigkeit auf. Die einzelnen Zwecke haben hier nur erst die Bedeutung von Negativem, nicht an und für sich selbst Seiendem.

In dieser Glückseligkeitsreligion aber ist es die Selbstsucht der Verehrenden, die sich in ihren praktischen Göttern als der Macht anschaut und die in und von ihnen die Befriedigung eines subjektiven Interesses sucht.
Die Selbstsucht hat das Gefühl ihrer Abhängigkeit; eben weil sie schlechthin endliche ist, so ist ihr dies Gefühl eigentümlich. Der Orientale, der im Lichte lebt, der Inder, der sein Selbstbewußtsein in Brahman versenkt, der Grieche, der in der Notwendigkeit seine besonderen Zwecke aufgibt und in den besonderen Mächten seine ihm freundlichen, ihn begeisternden, belebenden, mit ihm vereinten Mächte anschaut, lebt in seiner Religion ohne das Gefühl der Abhängigkeit.
Er ist vielmehr frei darin, frei vor seinem Gott; nur in ihm hat er seine Freiheit, und abhängig ist er nur außer seiner Religion; in ihr hat er seine Abhängigkeit weggeworfen. Aber die Selbstsucht, die Not, das Bedürfnis, das subjektive Glück und Wohlleben, das sich will, an sich hält, fühlt sich gedrückt, geht vom Gefühl der Abhängigkeit seiner Interessen aus. Die Macht über diese Interessen hat eine positive Bedeutung und selber ein Interesse für das Subjekt, indem sie seine Zwecke erfüllen soll.
Sie hat insofern nur die Bedeutung eines Mittels der Verwirklichung seiner Zwecke.
Dies ist das Schleichen, Heucheln in dieser Demut, denn seine Zwecke sind und sollen sein der Inhalt, der Zweck dieser Macht. Dies Bewußtsein verhält sich daher in der Religion nicht theoretisch, d. h. nicht in freier Anschauung der Objektivität, des Ehrens dieser Mächte, sondern nur in praktischer Selbstischkeit, der geforderten Erfüllung der Einzelheit dieses Lebens. Der Verstand ist es, der in dieser Religion seine endlichen Zwecke, ein durch ihn einseitig Gesetztes, nur ihn Interessierendes festhält und solche Abstrakta und Vereinzelungen weder in die Notwendigkeit versenkt, noch in die Vernunft auflöst. Es erscheinen so die partikularen Zwecke, Bedürfnisse, Mächte auch als Götter. Der Inhalt dieser Götter ist eben praktische Nützlichkeit; sie dienen dem gemeinen Nutzen. So geht es

c) ins ganz Einzelne. Die Familiengötter gehören dem partikularen Bürger an; die Laren dagegen beziehen sich auf die natürliche Sittlichkeit, Pietät, auf die sittliche Einheit der Familie. Andere Götter haben einen Inhalt, der der bloßen, noch viel mehr besonderen Nützlichkeit angehört.

Indem dies Leben, dies Tun der Menschen auch eine Form erhält, die wenigstens ohne das Negative des Bösen ist, so ist die Befriedigung dieser Bedürfnisse so ein einfacher, ruhiger, ungebildeter Naturzustand. Dem Römer schwebt die Zeit Saturns, der Zustand der Unschuld vor, und die Befriedigung der Bedürfnisse, die diesem angemessen sind, erscheinen als eine Menge von Göttern.
So hatten die Römer viele Feste und eine Menge Götter, die sich auf die Fruchtbarkeit der Erde beziehen sowie auf die Geschicklichkeit der Menschen, die Naturbedürfnisse sich anzueignen. So finden wir einen Iupiter Pistor; die Kunst zu backen gilt als ein Göttliches und die Macht derselben als ein Wesentliches. Fornax, der Ofen, worin das Getreide gedörrt wird, ist eine eigene Göttin; Vesta ist das Feuer zum Brotbacken; dann als Hestia hat sie eine höhere Bedeutung erhalten, die sich auf die Familienpietät bezieht. Die Römer hatten ihre Schweine-, Schaf- und Stierfeste; in den Palilien suchte man sich die Pales geneigt zu machen, welche dem Futter fürs Vieh Gedeihen gab und in deren Obhut die Hirten ihre Herden empfahlen, um sie vor allem Schädlichen zu bewahren. Ebenso hatten sie Gottheiten für Künste, die Beziehung haben auf den Staat, z. B. Iuno Moneta, da die Münze im Zusammenleben etwas Wesentliches ist.

Wenn aber solche endlichen Zwecke wie die Zustände und Verhältnisse des Staats und das Gedeihen dessen, was zur physischen Notdurft und zum Fortkommen und zur Wohlfahrt der Menschen gehört, das Höchste sind und es um das Gelingen und Dasein einer unmittelbaren Wirklichkeit, die als solche um ihres Inhalts willen nur eine zufällige sein kann, zu tun ist, so fixiert sich dem Nützlichen und dem Gedeihen gegenüber das Schädliche und das Mißlingen.
In Ansehung endlicher Zwecke und Zustände ist der Mensch abhängig; was er hat, genießt, besitzt, ist ein positives Sein und in der Schranke und im Mangel, daß es in der Macht eines Anderen ist.
Im Negativen desselben fühlt er die Abhängigkeit, und die richtige Entwicklung dieses Gefühles führt darauf, die Macht des Schädlichen und des Übels zu verehren - den Teufel anzubeten. Zu dieser Abstraktion des Teufels, des Übels und des Bösen an und für sich kommt diese Stufe nicht, weil ihre Bestimmungen endliche, gegenwärtige Wirklichkeiten von beschränktem Inhalte sind. Es ist nur besonderer Schaden und Mangel, der ihr furchtbar ist und den sie verehrt.
Das Konkrete, das endlich ist, ist ein Zustand, eine vorübergehende Wirklichkeit, eine Art und Weise des Seins, welche von der Reflexion als ein äußerlich Allgemeines aufgefaßt werden kann, wie schon der Friede (Pax), die Ruhe (Tranquillitas), die Göttin Vacuna ist, welche von der Phantasielosigkeit der Römer fixiert worden sind. Solche allegorisch-prosaische Mächte sind aber vornehmlich und wesentlich solche, deren Grundbestimmung ein Mangel und Schade ist. So haben die Römer der Pest, dem Fieber (Febris), der Sorge (Angerona) Altäre gewidmet und den Hunger (Fames) und den Brand im Getreide (Robigo) verehrt. In der heiteren Religion der Kunst ist diese Seite der Furcht vor dem Unglückbringenden zurückgedrängt: die unterirdischen Mächte, die für feindlich und furchtbar angesehen werden könnten, sind die Eumeniden, die wohlgesinnten Mächte.

Es ist für uns schwer zu fassen, daß dergleichen als göttlich verehrt worden ist. Alle Bestimmung der Göttlichkeit geht in solchen Vorstellungen aus, und es ist nur das Gefühl der Abhängigkeit und Furcht, dem dergleichen etwas Objektives werden kann. Es ist der gänzliche Verlust aller Idee, das Verkommen aller Wahrheit, das allein auf dergleichen verfallen kann, und zu fassen ist eine solche Erscheinung nur daraus, daß der Geist ganz in das Endliche und unmittelbar Nützliche eingehaust ist, wie denn den Römern auch Geschicklichkeiten, die sich auf die unmittelbarsten Bedürfnisse und deren Befriedigung beziehen, Götter sind. Der Geist hat alles Inneren, Allgemeinen, des Gedankens vergessen, ist durch und durch in den Zuständen der Prosa, und das Hinausgehen, die Erhebung ist nichts als der ganz formelle Verstand, der Zustände, Art und Weise des unmittelbaren Seins in ein Bild faßt und keine andere Weise der Substantialität kennt.

In diesem prosaischen Zustand der Macht, da den Römern die Macht solcher endlichen Zwecke und der unmittelbaren, wirklichen, äußerlichen Zustände das Glück des römischen Reiches war, lag es nun nahe, die gegenwärtige Macht solcher Zwecke, die individuelle Gegenwart solchen Glücks, - den Kaiser, der dies Glück in Händen hatte, als Gott zu verehren.
Der Kaiser, dies ungeheure Individuum, war die rechtlose Macht über das Leben und Glück der Individuen, der Städte und Staaten; er war eine weiterreichende Macht als der Robigo. Hungersnot und andere öffentliche Not lag in seiner Hand, und mehr als dies: Stand, Geburt, Reichtum, Adel - alles das machte er. Selbst über das formelle Recht,  auf dessen Ausbildung der römische Geist soviel Kraft verwandt hatte, war er die Obergewalt.

Alle besonderen Gottheiten sind aber auf der andern Seite wieder der allgemeinen, realen Macht unterworfen; sie treten zurück gegen die allgemeine, schlechthin wesentliche Macht der Herrschaft, der Größe des Reichs, die sich über die ganze bekannte, gebildete Welt ausdehnt. In dieser Allgemeinheit ist das Schicksal der göttlichen Besonderung die Notwendigkeit, daß die besonderen göttlichen Mächte in dieser abstrakten Allgemeinheit abmittiert werden, untergehen, so wie auch die individuellen göttlichen Volksgeister erdrückt werden unter der einen abstrakten Herrschaft. Dies kommt auch in mehreren empirischen Zügen vor.
Bei Cicero finden wir diese kalte Reflexion über die Götter; die Reflexion ist hier die subjektive Macht über sie. Er macht eine Zusammenstellung ihrer Genealogie, ihrer Schicksale, Taten usf., zählt viele Vulkane, Apollo, Jupiter auf und stellt sie zusammen; dies ist die Reflexion, die Vergleiche anstellt und dadurch die feste Gestalt zweifelhaft und schwankend macht. Die Nachrichten, welche er in der Abhandlung De natura deorum gibt, sind in anderer Rücksicht von der größten Wichtigkeit, z. B. in Rücksicht auf das Entstehen der Mythen; aber zugleich werden die Götter damit durch die Reflexion herabgesetzt, und die bestimmte Darstellung geht verloren, Unglauben und Mißtrauen wird gesetzt.

Auf der andern Seite war es aber auch ein allgemeineres religiöses Bedürfnis und zugleich die erdrückende Macht des römischen Schicksals, was die individuellen Götter in eine Einheit versammelte.
Rom ist ein Pantheon, wo die Götter nebeneinanderstehen und sich gegenseitig auslöschen und dem einen Iupiter Capitolinus unterworfen sind.

Die Römer erobern Großgriechenland, Ägypten usw., sie plündern die Tempel;
wir sehen so ganze Schiffsladungen von Göttern nach Rom geschleppt. Rom wurde so die Versammlung aller Religionen, der griechischen, persischen, ägyptischen, christlichen, des Mithradienstes.
In Rom ist diese Toleranz;
alle Religionen kommen da zusammen und werden vermischt.
Nach allen Religionen greifen sie, und der Gesamtzustand macht so eine Verwirrung aus,
in der jede Art von Kultus durcheinandergeht und die Gestalt, die der Kunst angehört, verlorengeht.

 

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