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Vorlesungen über die Philosophie der Religion

 

3. Der Kultus

Der Charakter des Kultus und die Bestimmung von diesem liegt im Vorhergehenden: es wird Gott gedient um eines Zwecks willen, und dieser Zweck ist ein menschlicher, der Inhalt fängt sozusagen nicht von Gott an - es ist nicht der Inhalt dessen, was seine Natur ist -, sondern er fängt vom Menschen an, von dem,
was menschlicher Zweck ist.

Es ist deshalb die Gestaltung dieser Götter kaum unterschieden von dem Kultus derselben zu betrachten; denn dieser Unterschied und der freie Kultus setzt eine Wahrheit, die an und für sich ist, ein Allgemeines, Objektives, wahrhaft Göttliches und durch seinen Inhalt über dem besonderen subjektiven Bedürfnis für sich Bestehendes voraus, und der Kultus ist dann der Prozeß, in welchem das Individuum sich den Genuß und die Feier der Identität desselben mit sich gibt. Hier aber geht das Interesse vom Subjekt aus; dessen Not und die Abhängigkeit dieser Not erzeugt die Frömmigkeit, und der Kultus ist das Setzen einer Macht zur Abhilfe und um seiner Not willen. Diese Götter haben so für sich eine subjektive Wurzel und Ursprung und gleichsam eine Existenz nur in der Verehrung, im Feste und kaum in der Vorstellung einer Selbständigkeit; sondern das Bestreben und die Hoffnung, die Not durch die Macht derselben zu überwinden, von ihnen die Befriedigung des Bedürfnisses zu erlangen, ist nur der zweite Teil des Kultus, und jene sonst objektive Seite fällt in den Kultus selbst.

Es ist so eine Religion der Abhängigkeit und das Gefühl derselben. In solchem Abhängigkeitsgefühl ist die Unfreiheit das Herrschende. Der Mensch weiß sich frei; aber das, worin er sich selbst besitzt, ist ein dem Individuum äußerlich bleibender Zweck. Noch mehr aber sind dies die besonderen Zwecke, und in Ansehung derselben findet eben das Gefühl der Abhängigkeit statt.

Hier ist wesentlich Aberglauben, weil es sich um beschränkte, endliche Zwecke, Gegenstände handelt und solche als absolute behandelt werden, die ihrem Inhalte nach beschränkte sind. Der Aberglaube ist im allgemeinen dies, eine Endlichkeit, Äußerlichkeit, gemeine unmittelbare Wirklichkeit als solche als Macht, als Substantialität gelten zu lassen; er geht von der Gedrücktheit des Geistes, seinem Gefühl der Abhängigkeit in seinem Zwecke aus.

So hat die Römer immer der Schauer vor einem Unbekannten, Bestimmungs- und Bewußtlosen begleitet; überall haben sie etwas Geheimnisvolles gesehen und einen unbestimmten Schauder empfunden, der sie bewog, ein Unverstandenes vorzuschieben, das als ein Höheres geachtet wurde. Die Griechen haben dagegen alles klar gemacht und über alle Verhältnisse einen schönen, geistreichen Mythus ausgebildet.

Cicero rühmt die Römer als die frömmste Nation, die überall an die Götter denke, alles mit Religion tue, den Göttern für alles danke. Dies ist in der Tat vorhanden. Diese abstrakte Innerlichkeit, diese Allgemeinheit des Zwecks, welche das Schicksal ist, in welchem das besondere Individuum und die Sittlichkeit, Menschlichkeit des Individuums erdrückt wird, nicht konkret vorhanden sein, sich nicht entwickeln darf, - diese Allgemeinheit, Innerlichkeit ist die Grundlage, und damit, daß alles bezogen wird auf diese Innerlichkeit, ist in allem Religion. So leitet auch Cicero vollkommen im Sinne des römischen Geistes die Religion von religare ab, denn in der Tat ist für diesen die Religion in allen Verhältnissen ein Bindendes und Beherrschendes gewesen.

Aber diese Innerlichkeit, dieses Höhere, Allgemeine ist zugleich nur Form; der Inhalt, der Zweck dieser Macht ist der menschliche Zweck, ist durch den Menschen angegeben. Die Römer verehren die Götter, weil und wann sie sie brauchen, besonders in der Not des Kriegs. Die Einführung neuer Götter geschieht zur Zeit der Nöte und Angst oder aus Gelübden. Die Not ist im ganzen die allgemeine Theogonie bei ihnen. Es gehört hierher auch, daß das Orakel, die sibyllinischen Bücher ein Höheres sind, wodurch dem Volke kundgetan wird, was zu tun ist oder was geschehen soll, um Nutzen zu haben. Dergleichen Anstalten sind in den Händen des Staats, Magistrats.

Politische Religion ist diese Religion überhaupt nicht in der Art, daß, wie bei allen bisherigen Religionen, das Volk das höchste Bewußtsein seines Staats und seiner Sittlichkeit in der Religion hätte und den Göttern die allgemeinen Einrichtungen des Staats wie Ackerbau, Eigentum, Ehe verdankte, sondern die Verehrung und Dankbarkeit gegen die Götter knüpft sich teils an bestimmte, einzelne Fälle - z. B. Rettung aus Not -, teils an alle öffentliche Autorität und an die Staatshandlungen prosaisch an, und die Religiosität wird überhaupt auf endliche Weise in die endlichen Zwecke und deren Beschlüsse und Entschließungen hineingezogen.

So ist der Notwendigkeit überhaupt die empirische Einzelheit eingebildet; sie ist göttlich, und es entsteht mit dem Aberglauben als Gesinnung identisch ein Kreis von Orakeln, Auspizien, sibyllinischen Büchern, welche einerseits dem Staatszweck dienen, andererseits den partikularen Interessen. Das Individuum geht einerseits im Allgemeinen, in der Herrschaft, Fortuna publica unter; andererseits gelten die menschlichen Zwecke, hat das menschliche Subjekt ein selbständiges, wesentliches Gelten. Diese Extreme und der Widerspruch derselben ist es, worin sich das römische Leben herumwirft.

Die römische Tugend, die Virtus, ist dieser kalte Patriotismus, daß dem, was Sache des Staats, der Herrschaft ist, das Individuum ganz dient. Diesen Untergang des Individuums im Allgemeinen, diese Negativität haben sich die Römer auch zur Anschauung gebracht; sie ist es, was in ihren religiösen Spielen einen wesentlichen Zug ausmacht.

Bei einer Religion, die keine Lehre hat, sind es besonders die Darstellungen der Feste und Schauspiele, wodurch die Wahrheit des Gottes den Menschen vor Augen gebracht wird. Hier haben deshalb die Schauspiele eine ganz andere Wichtigkeit als bei uns. Ihre Bestimmung ist im Altertum, den Prozeß der substantiellen Mächte, das göttliche Leben in seiner Bewegung und Handlung vor die Anschauung zu bringen. Die Verehrung und Anbetung des Götterbildes hat dasselbe in seiner Ruhe, in seinem Sein vor sich, und die Bewegung des Gottes ist in der Erzählung, im Mythus enthalten, aber nur für die innere, subjektive Vorstellung gesetzt. So wie nun die Vorstellung des Gottes in seiner Ruhe fortgeht zum Kunstwerk, zur Weise des unmittelbaren Anschauens, so geht die Vorstellung des göttlichen Handelns zur äußerlichen Darstellung in dem Schauspiele fort. Solche Anschauung war nun bei den Römern nicht einheimisch, nicht auf ihrem Grund und Boden gewachsen, und indem sie dies ihnen ursprünglich Fremde aufnahmen, haben sie es - wie wir an Seneca sehen - ins Hohle, Gräßliche und Greuliche gezogen, ohne die sittliche, göttliche Idee sich anzueignen. Auch haben sie eigentlich nur die spätere griechische Komödie aufgenommen und nur liederliche Szenen und Privatverhältnisse zwischen Vater, Söhnen, Huren und Sklaven dargestellt.

Bei diesem Versenktsein in endliche Zwecke konnte nicht die hohe Anschauung des sittlichen, göttlichen Tuns, keine theoretische Anschauung substantieller Mächte vorhanden sein, und Handlungen, die sie als Zuschauer theoretisch interessieren sollten, ohne daß es ihr praktisches Interesse betraf, konnten selbst nur eine äußerliche, rohe oder, wenn sie bewegen sollte, nur eine scheußliche Wirklichkeit sein.

Im griechischen Schauspiel war das, was gesprochen wurde, die Hauptsache; die spielenden Personen behielten eine ruhige, plastische Stellung, und die eigentliche Mimik des Gesichts war nicht vorhanden, sondern das Geistige der Vorstellung war das Wirkende. Bei den Römern dagegen wurde die Pantomime die Hauptsache, ein Ausdruck, der dem nicht gleichkommt, der in die Sprache gelegt werden kann.

Die vornehmlichsten Spiele bestanden aber in nichts anderem als in Schlachtung von Tieren und Menschen, in Vergießung von Strömen Bluts, Kämpfen auf Leben und Tod. Sie sind gleichsam die höchste Spitze dessen, was dem Römer zur Anschauung gebracht werden kann; es ist kein Interesse der Sittlichkeit darin, nicht tragische Kollision, die zu ihrem Inhalt Unglück, sittlichen Gehalt hat. Die Zuschauer, die nur ihre Unterhaltung suchten, verlangten nicht die Anschauung einer geistigen Geschichte, sondern einer wirklichen, und zwar einer solchen, welche die höchste Konversion im Endlichen ist, nämlich des trockenen, natürlichen Todes, dieser inhaltsleeren Geschichte und Quintessenz alles Äußerlichen. Diese Spiele sind bei den Römern so ins Ungeheure getrieben, daß Hunderte von Menschen, vier- bis fünfhundert Löwen, Tiger, Elefanten, Krokodile von Menschen gemordet wurden, die mit ihnen kämpfen mußten und sich auch gegenseitig ermordeten. Was hier vor Augen gebracht wird, ist wesentlich die Geschichte des kalten, geistlosen Todes, durch unvernünftige Willkür gewollt, den anderen zur Augenweide dienend, Notwendigkeit, die bloß Willkür ist, Mord ohne Inhalt, der nur sich selbst zum Inhalt hat. Es ist dies und die Anschauung des Schicksals das Höchste, das kalte Sterben durch leere Willkür, nicht natürlichen Todes, nicht äußere Notwendigkeit der Umstände, nicht Folge der Verletzung von etwas Sittlichem. Sterben ist so die einzige Tugend, die der edle Römer ausüben konnte, und diese teilt er mit Sklaven und zum Tode verurteilten Verbrechern. Es ist dies kalte Morden, welches zur Augenweide dient und die Nichtigkeit menschlicher Individualität und die Wertlosigkeit des Individuums, das keine Sittlichkeit in sich hat, anschauen läßt, das Anschauen des hohlen, leeren Schicksals, das als ein Zufälliges, als blinde Willkür sich zum Menschen verhält.

Zu diesem Extrem des leeren Schicksals, in dem das Individuum untergeht, des Schicksals, das endlich in der willkürlichen und ohne Sittlichkeit sich austobenden Macht des Kaisers seine persönliche Darstellung gefunden hat, ist das andere Extrem die Geltung der reinen Einzelheit der Subjektivität. Nämlich es ist zugleich auch ein Zweck der Macht vorhanden. Die Macht ist einerseits blind, der Geist ist noch nicht versöhnt, in Harmonie gebracht, darum stehen beide einseitig einander gegenüber. Diese Macht ist ein Zweck, und dieser Zweck, der menschliche, endliche, ist die Herrschaft der Welt, und die Realisation dieses Zwecks ist Herrschaft der Menschen, der Römer.

Dieser allgemeine Zweck hat im reellen Sinn seinen Grund, Sitz im Selbstbewußtsein; damit ist gesetzt diese Selbständigkeit des Selbstbewußtseins, da der Zweck in das Selbstbewußtsein fällt. Auf der einen Seite ist diese Gleichgültigkeit gegen das konkrete Leben, andererseits diese Sprödigkeit, diese Innerlichkeit, die auch Innerlichkeit des Göttlichen und ebenso des Individuums ist, aber eine ganz abstrakte Innerlichkeit des Individuums.

Darin liegt das, was den Grundzug bei den Römern ausmacht, daß die abstrakte Person solches Ansehen gewinnt. Die abstrakte Person ist die rechtliche. Ein wichtiger Zug ist dann die Ausbildung des Rechts, der Eigentumsbestimmung. Dieses Recht beschränkt sich auf das juristische Recht, Recht des Eigentums. Es gibt höhere Rechte: das Gewissen des Menschen hat sein Recht, dieses ist ebenso ein Recht; aber ein noch weit höheres ist das Recht der Moralität, Sittlichkeit. Dieses ist hier nicht mehr in seinem konkreten, eigentlichen Sinn vorhanden, sondern das abstrakte Recht, das der Person, besteht nur in der Bestimmung des Eigentums. Es ist die Persönlichkeit, aber nur die abstrakte, die Subjektivität in diesem Sinn, die diese hohe Stellung erhält.

Das sind die Grundzüge dieser Religion der Zweckmäßigkeit. Es sind darin die Momente enthalten, deren Vereinigung die Bestimmung der nächsten und letzten Stufe der Religion ausmacht. Die Momente, die vereinzelt in der Religion der äußerlichen Zweckmäßigkeit, aber in Beziehung, eben darum in Widerspruch sind, - [wenn] diese Momente, [die hier] auf geistlose Weise vorhanden, nach ihrer Wahrheit vereint [werden], so entsteht die Bestimmung der Religion des Geistes.

Die römische Welt ist der höchst wichtige Übergangspunkt zur christlichen Religion, das unentbehrliche Mittelglied; was auf dieser Stufe des religiösen Geistes entwickelt ist, das ist die Seite der Realität der Idee und eben damit an sich ihrer Bestimmtheit. Zuerst sahen wir diese Realität in der unmittelbaren Einheit mit dem Allgemeinen gehalten. Jetzt ist sie sich bestimmend aus ihm herausgetreten, hat sich von ihm abgelöst, und so ist sie nun zur vollendeten Äußerlichkeit, zur konkreten Einzelheit geworden, damit aber in ihrer äußersten Entäußerung zur Totalität in sich selbst. Was nun noch übrigbleibt und notwendig ist, dies ist, daß diese Einzelheit, diese bestimmte Bestimmtheit in das Allgemeine zurückgenommen werde, so daß sie ihre wahrhafte Bestimmung erreiche, die Äußerlichkeit abstreife und damit die Idee als solche ihre vollkommene Bestimmung in sich erhalte.

Die Religion der äußeren Zweckmäßigkeit macht nach ihrer inneren Bedeutung den Schluß der endlichen Religionen aus. Die endliche Realität enthält überhaupt dieses, daß der Begriff Gottes sei, daß er gesetzt sei, d. h. daß dieser Begriff für das Selbstbewußtsein das Wahre sei und so im Selbstbewußtsein, in seiner subjektiven Seite realisiert sei.

Dieses Gesetztsein ist es nun, welches sich für sich auch zur Totalität entwickeln muß; so erst ist es fähig, in die Allgemeinheit aufgenommen zu werden. Diese Fortbildung der Bestimmtheit zur Totalität ist es nun, die in der römischen Welt geschehen ist, denn hier ist die Bestimmtheit das Konkrete, Endliche, die Einzelheit, das in sich Mannigfaltige, Äußerliche, ein wirklicher Zustand, ein Reich, gegenwärtige, nicht schöne Objektivität und eben damit die vollendete Subjektivität. Erst durch den Zweck, die bestimmte Bestimmtheit, kehrt die Bestimmtheit in sich zurück und ist sie in der Subjektivität. Aber zunächst ist sie endliche Bestimmtheit und durch die subjektive Rückkehr maßlose (schlecht-unendliche) Endlichkeit.

Es sind zwei Seiten an dieser maßlosen Endlichkeit festzuhalten und zu erkennen: das Ansich und die empirische Erscheinung.

Wenn wir die vollendete Bestimmtheit betrachten, wie sie an sich ist, so ist sie die absolute Form des Begriffes, nämlich der in seiner Bestimmtheit in sich zurückgekehrte Begriff. Der Begriff ist zunächst nur das Allgemeine und Abstrakte, so aber noch nicht gesetzt, wie er an sich ist. Wahrhaft ist das Allgemeine, wie es durch die Besonderheit sich mit sich selbst zusammenschließt, d. h. durch die Vermittlung der Besonderheit, der Bestimmtheit, des Heraustretens und durch die Aufhebung dieser Besonderheit zu sich zurückkehrt. Diese Negation der Negation ist die absolute Form, die wahrhafte unendliche Subjektivität, die Realität in ihrer Unendlichkeit.

In der Religion der Zweckmäßigkeit ist es nun diese unendliche Form, welche zur Anschauung des Selbstbewußtseins gekommen ist. Diese absolute Form ist zumal die Bestimmung des Selbstbewußtseins selber, die Bestimmung des Geistes. Das ist die unendliche Wichtigkeit und Notwendigkeit der römischen Religion. Diese unendliche Subjektivität, die unendliche Form ist, ist das große Moment, welches für die Macht gewonnen ist; es ist das, was der Macht, dem Gott der Substantialität gefehlt hat. Wir haben zwar in der Macht Subjektivität gehabt, aber die Macht hat nur einzelne Zwecke oder mehrere einzelne Zwecke, ihr Zweck ist noch nicht unendlich; nur die unendliche Subjektivität hat einen unendlichen Zweck, d. h. sie ist sich selbst der Zweck, und nur die Innerlichkeit, diese Subjektivität als solche, ist ihr Zweck. Diese Bestimmung des Geistes ist also in der römischen Welt gewonnen.

Aber empirisch ist diese absolute Form hier noch als diese unmittelbare Person, und das Höchste, in endlicher Weise aufgefaßt, ist so das Schlechteste. Je tiefer der Geist und das Genie, desto ungeheurer ist es in seinem Irrtum. Die Oberflächlichkeit, indem sie sich irrt, hat einen ebenso oberflächlichen, schwachen Irrtum, und nur das in sich Tiefe kann ebenso nur das Böseste, Schlimmste sein. So ist denn diese unendliche Reflexion und unendliche Form, indem sie ohne Gehalt und ohne Substantialität ist, die maßlose und unbegrenzte Endlichkeit, die Begrenztheit, die sich in ihrer Endlichkeit absolut ist. Sie ist das, was in anderer Gestalt bei den Sophisten als die Realität erscheint, denn diesen war der Mensch das Maß aller Dinge, nämlich der Mensch nach seinem unmittelbaren Wollen und Fühlen, nach seinen Zwecken und Interessen. Dies Denken seiner selbst sehen wir in der römischen Welt geltend und zum Sein und Bewußtsein der Welt erhoben. Das Einhausen in die Endlichkeit und Einzelheit ist zunächst das gänzliche Verschwinden aller schönen, sittlichen Lebendigkeit, das Zerfallen in die Endlichkeit der Begierde, in augenblicklichen Genuß und Lust, und die ganze Erscheinung dieser Stufe bildet ein menschliches Tierreich, in welchem alles Höhere, alles Substantielle ausgezogen ist. Ein solches Zerfallen in lauter endliche Existenzen, Zwecke und Interessen kann dann freilich nur durch die in sich selbst maßlose Gewalt und Despotie eines Einzelnen zusammengehalten werden, dessen Mittel der kalte, geistlose Tod der Individuen ist, denn nur durch dieses Mittel kann die Negation an sie gebracht und können sie in der Furcht gehalten werden. Der Despot ist Einer, dieser wirkliche, gegenwärtige Gott, die Einzelheit des Willens als Macht über die übrigen unendlich vielen Einzelheiten.

Der Kaiser ist die Göttlichkeit, das göttliche Wesen, das Innere und Allgemeine, wie es zur Einzelheit des Individuums herausgetreten, geoffenbart und da ist. Dieses Individuum ist die zur Einzelheit vollendete Bestimmung der Macht, das Herabsteigen der Idee zur Gegenwart, aber so, daß es der Verlust ihrer in sich seienden Allgemeinheit, der Wahrheit, des Anundfürsichseins und somit der Göttlichkeit ist. Das Allgemeine ist entflohen und das Unendliche so in das Endliche eingebildet, daß das Endliche das Subjekt des Satzes, das bleibende Feste und nicht negativ im Unendlichen gesetzt ist.

Diese Vollendung der Endlichkeit ist nun zunächst das absolute Unglück und der absolute Schmerz des Geistes; sie ist der höchste Gegensatz desselben in sich, und dieser Gegensatz ist unversöhnt, dieser Widerspruch unaufgelöst. Der Geist aber ist denkend, und wenn er sich nun in diese Reflexion-in-sich als Äußerlichkeit verloren hat, so tritt er als denkend in diesem Verlust seiner selbst zugleich in sich zurück, ist er in sich reflektiert und hat er sich in seiner Tiefe als unendliche Form, als Subjektivität, aber als denkende, nicht als unmittelbare, auf die Spitze gestellt. In dieser abstrakten Form tritt er als Philosophie auf oder überhaupt als der Schmerz der Tugend, als Verlangen und Greifen nach Hilfe.

Die Auflösung und Versöhnung des Gegensatzes ist das allgemeine Bedürfnis, und möglich ist sie nur dadurch, daß diese äußerliche, losgelassene Endlichkeit in die unendliche Allgemeinheit des Denkens aufgenommen, dadurch von ihrer Unmittelbarkeit gereinigt und zu substantiellem Gelten erhoben werde. Umgekehrt muß diese unendliche Allgemeinheit des Denkens, das ohne äußerliche Existenz und ohne Geltung ist, gegenwärtige Wirklichkeit erhalten und das Selbstbewußtsein somit zum Bewußtsein der Wirklichkeit der Allgemeinheit kommen, so daß es das Göttliche als daseiend, als weltlich, als in der Welt gegenwärtig vor sich habe und Gott und die Welt versöhnt wisse.

Der Olymp, dieser Götterhimmel und dieser Kreis der schönsten Gestaltungen, die je von der Phantasie gebildet worden sind, hatte sich uns zugleich als freies, sittliches Leben, als freier, aber noch beschränkter Volksgeist gezeigt. Das griechische Leben ist in viele kleine Staaten zersplittert, in diese Sterne, die selbst nur beschränkte Lichtpunkte sind. Damit die freie Geistigkeit erreicht werde, muß nun diese Beschränktheit aufgehoben werden und das Fatum, das über der griechischen Götterwelt und über diesem Volksleben in der Ferne schwebt, an ihnen sich geltend machen, so daß die Geister dieser freien Völker zugrunde gehen. Der freie Geist muß sich als den reinen Geist an und für sich erfassen: es soll nicht mehr bloß der freie Geist der Griechen, der Bürger dieses und jenes Staates gelten, sondern der Mensch muß als Mensch frei gewußt werden, und Gott ist der Gott aller Menschen, der umfassende, allgemeine Geist. Dieses Fatum nun, welches die Zucht über die besonderen Freiheiten ist und die beschränkten Volksgeister unterdrückt, so daß die Völker den Göttern abtrünnig werden und zum Bewußtsein ihrer Schwäche und Ohnmacht kommen, indem ihr politisches Leben von der einen, allgemeinen Macht vernichtet wird, - dieses Fatum war die römische Welt und ihre Religion. Der Zweck in dieser Religion der Zweckmäßigkeit ist kein anderer als der römische Staat gewesen, so daß dieser die abstrakte Macht über die anderen Volksgeister ist. Im römischen Pantheon werden die Götter aller Völker versammelt und vernichten einander dadurch gegenseitig, daß sie vereinigt werden. Der römische Geist als dieses Fatum hat jenes Glück und die Heiterkeit des schönen Lebens und Bewußtseins der vorhergehenden Religionen vernichtet und alle Gestaltungen zur Einheit und Gleichheit herabgedrückt. Diese abstrakte Macht war es, die ungeheures Unglück und einen allgemeinen Schmerz hervorgebracht hat, einen Schmerz, der die Geburtswehe der Religion der Wahrheit sein sollte. Die Unterschiede von freien Menschen und Sklaven verschwinden durch die Allmacht des Kaisers; innerlich und äußerlich ist aller Bestand zerstört, und ein Tod der Endlichkeit eingetreten, indem die Fortuna des einen Reiches selbst auch unterliegt.

Die wahrhafte Aufnahme der Endlichkeit in das Allgemeine und die Anschauung dieser Einheit konnte sich nicht innerhalb dieser Religionen entwickeln, nicht in der römischen und griechischen Welt entstehen. Die Buße der Welt, das Abtun der Endlichkeit und die im Geiste der Welt überhandnehmende Verzweiflung, in der Zeitlichkeit und Endlichkeit Befriedigung zu finden, - das alles diente zur Bereitung des Bodens für die wahrhafte, geistige Religion, einer Bereitung, die von seiten des Menschen vollbracht werden mußte, damit "die Zeit erfüllet werde". Wenn schon das Prinzip des Denkens sich entwickelt hatte, so war das Allgemeine doch noch nicht in seiner Reinheit Gegenstand des Bewußtseins, wie selbst im philosophischen Denken die Verbindung mit der gemeinen Äußerlichkeit sich zeigte, wenn die Stoiker die Welt aus dem Feuer entstehen ließen. Vielmehr konnte nur in einem Volke die Versöhnung hervortreten, welches die ganz abstrakte Anschauung des Einen für sich besaß und die Endlichkeit völlig von sich geworfen hatte, um sie gereinigt in sich wieder fassen zu können. Das orientalische Prinzip der reinen Abstraktion mußte sich mit der Endlichkeit und Einzelheit des Abendlandes vereinigen.
Das jüdische Volk ist es, das sich Gott als den alten Schmerz der Welt aufbewahrt hat.
Denn hier ist die Religion des abstrakten Schmerzens, des einen Herrn, gegen und in dessen Abstraktion sich deswegen die Wirklichkeit des Lebens als der unendliche Eigensinn des Selbstbewußtseins erhält und zugleich in die Abstraktion zusammengebunden ist. Der alte Fluch hat sich gelöst, und ihm ist Heil widerfahren, eben indem die Endlichkeit ihrerseits sich zum Positiven und zur unendlichen Endlichkeit erhoben und geltend gemacht hat. 

 

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