3. Die Religion der Wahrheit und Freiheit
Die absolute Religion ist so die Religion der Wahrheit und Freiheit. Denn die Wahrheit ist, sich im Gegenständlichen nicht verhalten als zu einem Fremden. Die Freiheit drückt dasselbe, was die Wahrheit ist, mit einer Bestimmung der Negation aus. Der Geist ist für den Geist: dies ist er; er ist also seine Voraussetzung; wir fangen mit dem Geist als Subjekt an. Er ist identisch mit sich, ist ewige Anschauung seiner selbst; er ist so zugleich nur als Resultat, als Ende gefaßt. Er ist das Sichvoraussetzen und ebenso das Resultat und ist nur als Ende. Dies ist die Wahrheit, dies Adäquatsein, dies Objekt- und Subjektsein. Daß er sich selbst der Gegenstand ist, ist die Realität, Begriff, Idee, und dies ist die Wahrheit.
Ebenso ist sie die Religion der Freiheit. Freiheit ist abstrakt das Verhalten zu einem Gegenständlichen als nicht zu einem Fremden; es ist dieselbe Bestimmung wie die der Wahrheit, nur ist bei der Freiheit noch die Negation des Unterschiedes des Andersseins herausgehoben; so erscheint sie in der Form der Versöhnung. Diese fängt damit an, daß Unterschiedene gegeneinander sind: Gott, der eine ihm entfremdete Welt gegenüber hat, - eine Welt, die ihrem Wesen entfremdet ist. Die Versöhnung ist die Negation dieser Trennung, dieser Scheidung, sich ineinander zu erkennen, sich und sein Wesen zu finden. Die Versöhnung ist so die Freiheit, ist nicht ein Ruhendes oder Seiendes, sondern Tätigkeit. Alles dies, Versöhnung, Wahrheit, Freiheit ist allgemeiner Prozeß und daher nicht in einem einfachen Satz auszusprechen ohne Einseitigkeit. Die Hauptvorstellung ist die von der Einheit der göttlichen und menschlichen Natur: Gott ist Mensch geworden. Diese Einheit ist zunächst nur das Ansich, aber als dies, ewig hervorgebracht zu werden, und dies Hervorbringen ist die Befreiung, Versöhnung, die eben nur möglich ist durch das Ansich; die mit sich identische Substanz ist diese Einheit, die als solche die Grundlage ist, aber als Subjektivität ist sie das, was sich ewig hervorbringt.
Daß nur diese Idee die absolute Wahrheit ist, das ist Resultat der ganzen Philosophie; in seiner reinen Form ist es das Logische, aber ebenso Resultat der Betrachtung der konkreten Welt. Dies ist die Wahrheit, daß die Natur, das Leben, der Geist durch und durch organisch ist, daß jedes Unterschiedene nur ist der Spiegel dieser Idee, so daß sie sich an ihm als Vereinzeltem darstellt, als Prozeß an ihm, so daß es diese Einheit an ihm selbst manifestiert.
Die Naturreligion ist die Religion auf dem Standpunkt nur des Bewußtseins; in der absoluten Religion ist auch dieser Standpunkt, aber nur innerhalb, als transitorisches Moment. In der Naturreligion ist Gott als Anderes vorgestellt, in natürlicher Gestaltung, oder die Religion hat nur die Form des Bewußtseins. Die zweite Form war die der geistigen Religion, des Geistes, der endlich bestimmt bleibt; es ist insofern die Religion des Selbstbewußtseins, nämlich der absoluten Macht, der Notwendigkeit, die wir gesehen haben. Der Eine, die Macht ist das Mangelhafte, weil es nur die abstrakte Macht ist, seinem Inhalte nach nicht absolute Subjektivität ist, nur abstrakte Notwendigkeit, abstrakt einfaches Beisichselbstsein.
Die Abstraktion, in der die Macht und die Notwendigkeit noch auf jener Stufe gefaßt worden, macht die Endlichkeit aus, und die besonderen Mächte, Götter, bestimmt nach geistigem Inhalt, machen erst die Totalität, indem sie zu jener Abstraktion den realen Inhalt hinzubringen. Endlich die dritte ist nun die Religion der Freiheit, des Selbstbewußtseins, das aber zugleich Bewußtsein der umfassenden Realität, die die Bestimmtheit der ewigen Idee Gottes selbst bildet und in dieser Gegenständlichkeit bei sich selbst ist. Freiheit ist die Bestimmung des Selbstbewußtseins.
G.W.F. Hegel
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