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Vorlesungen über die Philosophie der Religion

 

III. Die Idee im Element der Gemeinde: Das Reich des Geistes

Das erste war der Begriff dieses Standpunkts für das Bewußtsein; das zweite war das, was diesem Standpunkt gegeben ist, was für die Gemeinde vorhanden ist; das dritte ist der Übergang in die Gemeinde selbst.

Diese dritte Sphäre ist die Idee in ihrer Bestimmung der Einzelheit, aber zunächst nur die Darstellung als der einen Einzelheit, der göttlichen, der allgemeinen, der Einzelheit, wie sie an und für sich ist.
Einer ist so alle; einmal ist allemal, - an sich, dem Begriff nach, eine einfache Bestimmtheit.
Aber die Einzelheit ist als Fürsichsein dies Entlassen der unterschiedenen Momente zur freien Unmittelbarkeit und Selbständigkeit, ist ausschließend; die Einzelheit ist eben dies, empirische Einzelheit zugleich zu sein.

Die Einzelheit, ausschließend, ist für andere Unmittelbarkeit und ist die Rückkehr aus dem Anderen in sich. Die Einzelheit der göttlichen Idee, die göttliche Idee als ein Mensch, vollendet sich erst in der Wirklichkeit, indem sie zunächst zu ihrem Gegenüber die vielen Einzelnen hat und diese zur Einheit des Geistes, zur Gemeinde zurückbringt und darin als wirkliches, allgemeines Selbstbewußtsein ist.

Indem der bestimmte Übergang der Idee bis zur sinnlichen Gegenwart herausgebildet ist, so zeigt sich eben darin das Ausgezeichnete der Religion des Geistes, daß alle Momente bis zu ihrer äußersten Bestimmtheit und Vollständigkeit entwickelt sind.
Der Geist ist auch in dieser äußersten Entgegensetzung seiner selbst als der absoluten Wahrheit gewiß,
und darum fürchtet er sich vor nichts, selbst nicht vor der sinnlichen Gegenwart.
Es ist die Feigheit des abstrakten Gedankens, die sinnliche Gegenwart mönchischerweise zu scheuen;
die moderne Abstraktion hat diese ekle Vornehmigkeit gegen das Moment der sinnlichen Gegenwart.

An die Individuen in der Gemeinde ist nun die Forderung gestellt, die göttliche Idee in der Weise der Einzelheit zu verehren und sich anzueignen.
Für das weiche, liebende Gemüt, das Weib, ist das leicht; aber die andere Seite ist selbst, daß das Subjekt, an welches diese Zumutung der Liebe geschieht, in unendlicher Freiheit ist und die Substantialität seines Selbstbewußtseins erfaßt hat, für den selbständigen Begriff, den Mann, ist daher jene Zumutung unendlich hart. Gegen diese Vereinigung, ein einzelnes sinnliches Individuum für Gott zu verehren, empört sich die Freiheit des Subjekts.
Der Orientale weigert sich dessen nicht; aber der ist nichts, der ist an sich weggeworfen, aber ohne sich wegzuwerfen, d. h. ohne das Bewußtsein der unendlichen Freiheit in sich.
Hier aber ist diese Liebe, diese Anerkennung das gerade Gegenteil, und dies ist das höchste Wunder, welches dann eben der Geist selbst ist.

Diese Sphäre ist deswegen das Reich des Geistes,
daß das Individuum in sich unendlichen Wert hat,
sich als absolute Freiheit weiß,
in sich die härteste Festigkeit besitzt und zugleich diese Festigkeit aufgibt und sich in dem schlechthin Anderen selbst erhält: die Liebe gleicht alles, auch den absoluten Gegensatz, aus.

Die Anschauung dieser Religion fordert die Verschmähung aller Gegenwart, alles dessen, was sonst Wert hat; sie ist die vollkommene Idealität, die gegen alle Herrlichkeit der Welt polemisch gerichtet ist.
In diesem Einzelnen, in diesem gegenwärtigen, unmittelbaren Individuum, in dem die göttliche Idee erscheint, ist alle Weltlichkeit zusammengegangen, so daß es die einzige sinnliche Gegenwart ist, die Wert hat. Diese Einzelheit ist somit als schlechthin allgemein.
Auch in der gewöhnlichen Liebe findet sich diese unendliche Abstraktion von aller Weltlichkeit, und das liebende Subjekt setzt in ein besonderes Individuum seine ganze Befriedigung; aber diese Befriedigung gehört noch überhaupt der Besonderheit an; es ist die besondere Zufälligkeit und Empfindung, die dem Allgemeinen entgegengesetzt ist und sich in dieser Weise objektiv werden will.

Hingegen diese Einzelheit, in der ich die göttliche Idee will, ist schlechthin allgemein; sie ist deshalb zugleich den Sinnen entrückt, sie geht für sich vorbei, wird zur vergangenen Geschichte; diese sinnliche Weise muß verschwinden und muß in den Raum der Vorstellung hinaufsteigen.
Die Bildung der Gemeinde hat den Inhalt, daß die sinnliche Form in ein geistiges Element übergeht.
Die Weise dieser Reinigung vom unmittelbaren Sein erhält das Sinnliche darin, daß es vergeht; dies ist die Negation, wie sie am sinnlichen Diesen als solche gesetzt ist und erscheint.
Nur am Einzelnen ist diese Anschauung gegeben; sie ist kein Erbstück und keiner Erneuerung fähig wie die Erscheinung der Substanz im Lama. Sie kann nicht so sein; denn die sinnliche Erscheinung als diese ist ihrer Natur nach momentan, soll vergeistigt werden, ist daher wesentlich eine gewesene und wird in den Boden der Vorstellung erhoben.

Es kann auch einen Standpunkt geben, wo man beim Sohne und dessen Erscheinung stehenbleibt.
So der Katholizismus, wo zur versöhnenden Macht des Sohnes Maria und die Heiligen hinzukommen und der Geist mehr nur in der Kirche als Hierarchie, nicht in der Gemeinde ist.
Aber da bleibt das zweite in der Bestimmung der Idee mehr in der Vorstellung, als daß es vergeistigt würde. Oder der Geist wird nicht sowohl objektiv gewußt, sondern nur als diese subjektive Weise, wie er in sinnlicher Gegenwart die Kirche ist und in der Tradition lebt.
Der Geist ist in dieser Gestalt der Wirklichkeit gleichsam die dritte Person.

Die sinnliche Gegenwart kann für den Geist, der ihrer bedürftig ist, auch beständig wieder hervorgebracht werden in Bildern, und zwar nicht als Kunstwerken, sondern als wundertätigen Bildern, überhaupt in deren sinnlichem Dasein. Und dann ist es nicht nur die Körperlichkeit und der Leib Christi allein, was das sinnliche Bedürfnis zu befriedigen vermag, sondern das Sinnliche seiner leiblichen Gegenwart überhaupt, das Kreuz, die Orte, wo er gewandelt. Dazu kommen Reliquien usf. Dem Bedürfnis fehlt es nicht an solchen Vermittlungen.
Aber der geistigen Gemeinde ist die unmittelbare Gegenwart, das Jetzt vorübergegangen.
Zunächst integriert dann die sinnliche Vorstellung die Vergangenheit; sie ist ein einseitiges Moment für die Vorstellung, - die Gegenwart hat zu Momenten in sich die Vergangenheit und die Zukunft.
So hat denn die sinnliche Vorstellung die Wiederkunft als ihre Ergänzung.
Aber die wesentlich absolute Rückkehr ist die Wendung aus der Äußerlichkeit in das Innere;
es ist ein Tröster, der erst kommen kann, wenn die sinnliche Geschichte als unmittelbar vorbei ist.

Dies ist also der Punkt der Bildung der Gemeinde, oder es ist der dritte Punkt, es ist der Geist.
Es ist der Übergang aus dem Äußeren, der Erscheinung, in das Innere.
Um was es zu tun ist, das ist die Gewißheit des Subjekts von der unendlichen unsinnlichen Wesenhaftigkeit des Subjekts in sich selbst, sich unendlich wissend, sich ewig, unsterblich wissend.

Die Zurückdrängung auf das innere Selbstbewußtsein, die in dieser Umkehrung enthalten ist, ist nicht die stoische, die denkend durch die Stärke des eigenen Geistes Wert hat und in der Welt, in der Natur, in den natürlichen Dingen und im Erfassen derselben die Realität des Denkens sucht, die somit ohne den unendlichen Schmerz ist und zugleich in durchaus positiver Beziehung auf das Weltliche steht,
sondern es ist jenes Selbstbewußtsein, das sich seiner Besonderheit und Eigenheit unendlich entäußert und nur in jener Liebe, die in dem unendlichen Schmerze enthalten ist und aus ihm kommt, unendlichen Wert hat.
Alle Unmittelbarkeit, in der der Mensch Wert hätte, ist hinweggeworfen;
es ist allein die Vermittlung, in der ihm solcher Wert, aber ein unendlicher zukommt und in der die Subjektivität wahrhaft unendlich und an und für sich wird.
Der Mensch ist nur durch diese Vermittlung, nicht unmittelbar.
So ist er zunächst nur fähig, jenen Wert zu haben; aber diese Fähigkeit und Möglichkeit ist seine positive, absolute Bestimmung.

In dieser Bestimmung liegt der Grund, daß die Unsterblichkeit der Seele in der christlichen Religion eine bestimmte Lehre wird. Die Seele, die einzelne Subjektivität hat eine unendliche, ewige Bestimmung: Bürger im Reiche Gottes zu sein. Dies ist eine Bestimmung und ein Leben, das der Zeit und Vergänglichkeit entrückt ist, und indem es dieser beschränkten Sphäre zugleich entgegen ist, so bestimmt sich diese ewige Bestimmung zugleich als eine Zukunft. Die unendliche Forderung, Gott zu schauen, d. h. im Geiste seiner Wahrheit als einer gegenwärtigen bewußt zu werden, ist für das Bewußtsein als das vorstellende in dieser zeitlichen Gegenwart noch nicht befriedigt.

Die Subjektivität, die ihren unendlichen Wert erfaßt hat, hat damit alle Unterschiede der Herrschaft, der Gewalt des Standes, selbst des Geschlechts aufgegeben: vor Gott sind alle Menschen gleich.
In der Negation des unendlichen Schmerzes der Liebe liegt auch erst die Möglichkeit und Wurzel des wahrhaft allgemeinen Rechts, der Verwirklichung der Freiheit. Das römische, formelle Rechtsleben geht vom positiven Standpunkt und vom Verstande aus und hat für die absolute Bewährung des rechtlichen Standpunktes kein Prinzip in sich; es ist durchaus weltlich.

Diese Reinheit der Subjektivität, die sich in der Liebe aus unendlichem Schmerze vermittelt, ist nur durch diese Vermittlung, die ihre objektive Gestalt und Anschauung im Leiden, Sterben und in der Erhöhung Christi hat. Auf der andern Seite hat diese Subjektivität zugleich diese Weise ihrer Realität an ihr selbst, daß sie eine Vielheit von Subjekten und Individuen ist.
Da sie aber an sich allgemein, nicht ausschließend ist, so ist die Vielheit der Individuen durchaus zu setzen als nur ein Schein, und eben dieses, daß sie sich selbst als diesen Schein setzt, ist die Einheit des Glaubens in der Vorstellung des Glaubens, also in diesem Dritten.
Das ist die Liebe der Gemeinde, die aus vielen Subjekten zu bestehen scheint, welche Vielheit aber nur ein Schein ist.

Diese Liebe ist weder menschliche Liebe, Menschenliebe, Geschlechtsliebe, noch Freundschaft.
Man hat sich oft gewundert, wie so ein edles Verhältnis wie die Freundschaft nicht unter den Pflichten vorkomme, die Christus empfehle. Freundschaft ist ein mit der Besonderheit behaftetes Verhältnis, und Männer sind Freunde nicht sosehr direkt als vielmehr objektiv in einem substantiellen Bande, in einem Dritten, in Grundsätzen, Studien, Wissenschaft; kurz, das Band ist ein objektiver Inhalt, nicht Zuneigung als solche wie die des Mannes zur Frau als dieser besonderen Persönlichkeit.
Aber jene Liebe der Gemeinde ist zugleich durch die Wertlosigkeit aller Besonderheit vermittelt.
Die Liebe des Mannes zur Frau, Freundschaft kann wohl stattfinden, aber sie sind wesentlich bestimmt als untergeordnet; sie sind bestimmt, nicht ein Böses zu sein, aber ein Unvollkommenes, nicht als ein Gleichgültiges, sondern als ein solches, daß bei ihm nicht stehenzubleiben sei, daß sie selbst aufgeopfert werden und jener absoluten Richtung und Einheit keinen Eintrag tun sollen.

Die Einheit in dieser unendlichen Liebe aus unendlichem Schmerz ist somit schlechthin nicht ein sinnlicher, weltlicher Zusammenhang, nicht ein Zusammenhang noch gültiger und übrigbleibender Besonderheit und Natürlichkeit, sondern Einheit schlechthin im Geiste.
Jene Liebe ist eben der Begriff des Geistes selbst. Gegenstand ist sie sich in Christus als dem Mittelpunkt des Glaubens, in dem sie sich selbst in einer unendlichen Ferne, Hoheit erscheint.
Aber diese Hoheit ist zugleich dem Subjekte unendliche Nähe, Eigentümlichkeit und Angehörigkeit,
und was so zunächst als ein Drittes die Individuen zusammenschließt, ist auch das, was ihr wahrhaftes Selbstbewußtsein, ihr Innerstes und Eigenstes ausmacht.
So ist diese Liebe der Geist als solcher, der Heilige Geist. Er ist in ihnen, und sie sind und machen aus die allgemeine christliche Kirche, die Gemeinschaft der Heiligen.
Der Geist ist die unendliche Rückkehr in sich, die unendliche Subjektivität, nicht als vorgestellte, sondern als die wirkliche, gegenwärtige Göttlichkeit, - also nicht das substantielle Ansich des Vaters, nicht das Wahre in dieser gegenständlichen Gestalt des Sohnes, sondern das subjektiv Gegenwärtige und Wirkliche,
das eben selbst so subjektiv gegenwärtig ist als die Entäußerung in jene gegenständliche Anschauung der Liebe und ihres unendlichen Schmerzes und als die Rückkehr in jener Vermittlung.
Das ist der Geist Gottes oder Gott als gegenwärtiger, wirklicher Geist, Gott in seiner Gemeinde wohnend. So sagte Christus: "Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen." "Ich bin bei euch alle Tage bis an das Ende der Welt."1)

In dieser absoluten Bedeutung des Geistes, in diesem tiefen Sinne der absoluten Wahrheit ist die christliche Religion die Religion des Geistes, nicht aber in dem trivialen Sinne einer geistigen Religion.
Sondern das Wahrhafte der Bestimmung der Natur des Geistes, die Vereinigung des unendlichen Gegensatzes - Gott und die Welt, Ich, dieser homuncio -, das ist der Inhalt der christlichen Religion, macht sie zur Religion des Geistes, und dieser Inhalt ist darin auch für das gewöhnliche, ungebildete Bewußtsein gegeben. Alle Menschen sind zur Seligkeit berufen; das ist das Höchste und das einzig Höchste.
Darum sagt auch Christus 2)  :
Dem Menschen können alle Sünden vergeben werden, nur die nicht gegen den Geist.
Die Verletzung der absoluten Wahrheit, der Idee von jener Vereinigung des unendlichen Gegensatzes ist damit als das höchste Vergehen ausgesprochen. Man hat sich zur Zeit viel darüber den Kopf zerbrochen, was die Sünde gegen den Heiligen Geist sei, und diese Bestimmung auf mannigfaltige Weise verflacht, um sie ganz wegzubringen.
- Alles kann in dem unendlichen Schmerz der Liebe vertilgt werden, aber diese Vertilgung selbst ist nur als der inwendige, gegenwärtige Geist.
Das Geistlose scheint zunächst keine Sünde, sondern unschuldig zu sein; aber dies ist eben die Unschuld, die an ihr selbst gerichtet und verurteilt ist.

Die Sphäre der Gemeinde ist daher die eigentümliche Region des Geistes.
Der Heilige Geist ist über die Jünger ausgegossen, er ist ihr immanentes Leben;
von da an sind sie als Gemeinde und freudig in die Welt ausgegangen,
um sie zur allgemeinen Gemeinde zu erheben und das Reich Gottes auszubreiten.

Wir haben nun also
1. die Entstehung der Gemeinde zu betrachten oder ihren Begriff,
2. ihr Dasein und Bestehen, dies ist die Realisation ihres Begriffs, und
3. den Übergang des Glaubens in das Wissen, Veränderung, Verklärung des Glaubens in der Philosophie.

 

 

1)  Matth. 18, 20; 28, 20

2) vgl. Matth. 12, 31; Mark. 3, 28 f.

 

Dreieinigkeit

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