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  G.W.F. HEGEL: Vorlesungen über die Philosophie der Religion 

 

a. Die Gesinnung

Die Götter sind anerkannt, geehrt, sie sind die substantiellen Mächte, der wesentliche Gehalt des natürlichen und geistigen Universums, das Allgemeine.
Diese allgemeinen Mächte, wie sie der Zufälligkeit entnommen sind, erkennt der Mensch an,
weil er denkendes Bewußtsein ist, also die Welt nicht mehr für ihn vorhanden ist auf äußerliche, zufällige Weise, sondern auf wahre Weise. Wir so die Pflicht, Gerechtigkeit, Wissenschaft, politisches Leben, Staatsleben, Familienverhältnisse; diese sind das Wahrhafte, sie sind das innere Band, das die Welt zusammenhält, das Substantielle, worin das Andere besteht, das Geltende, was allein aushält gegen die Zufälligkeit und Selbständigkeit, die ihm entgegenhandelt.

Dieser Inhalt ist ebenso das Objektive im wahrhaften Sinn, d. h. das an und für sich Geltende, Wahre, nicht im äußeren objektiven Sinn, sondern auch in der Subjektivität. Der Gehalt dieser Mächte ist das eigene Sittliche der Menschen, ihre Sittlichkeit, ihre vorhandene und geltende Macht, ihre eigene Substantialität und Wesentlichkeit. Das griechische ist daher das menschlichste Volk: alles Menschliche ist affirmativ berechtigt, entwickelt, und es ist Maß darin.

Diese Religion ist überhaupt eine Religion der Menschlichkeit, d. h. der konkrete Mensch ist nach dem, was er ist, nach seinen Bedürfnissen, Neigungen, Leidenschaften, Gewohnheiten,
nach seinen sittlichen und politischen Bestimmungen, nach allem, was darin Wert hat und wesentlich ist, sich gegenwärtig in seinen Göttern; oder es hat sein Gott diesen Inhalt des Edlen, Wahren, der zugleich der des konkreten Menschen ist.
Diese Menschlichkeit der Götter ist das, was das Mangelhafte, aber zugleich auch das Bestechende ist. In dieser Religion ist nichts unverständlich, nichts unbegreiflich; es ist kein Inhalt in dem Gotte, der dem Menschen nicht bekannt ist, den er in sich selbst nicht finde, nicht wisse. Die Zuversicht des Menschen zu den Göttern ist zugleich seine Zuversicht zu sich selbst.

Pallas, die die Ausbrüche des Zorns bei Achill zurückhält, ist seine eigene Besonnenheit. Athene ist die Stadt Athen und auch der Geist dieses Volks, nicht ein äußerlicher Geist, Schutzgeist, sondern der lebendige, gegenwärtige, wirklich im Volke lebende, dem Individuum immanente Geist, der als Pallas vorgestellt wird nach seinem Wesentlichen. Die Erinnyen sind nicht die Furien äußerlich vorgestellt, sondern es ist die eigene Tat des Menschen und das Bewußtsein, was ihn plagt, peinigt, insofern er diese Tat als Böses in ihm weiß. Die Erinnye ist nicht nur äußerliche Furie, die den Muttermörder Orestes verfolgt, sondern der Geist des Muttermords schwingt über ihm seine Fackel. Die Erinnyen sind die Gerechten und eben darum die Wohlmeinenden, Eumeniden; das ist nicht ein Euphemismus, sondern sie sind [die], die das Recht wollen, und wer es verletzt, hat die Eumeniden in ihm selbst: es ist das, was wir Gewissen nennen.

Im Ödipus auf Kolonos sagt Ödipus zu seinem Sohne: die Eumenide des Vaters wird dich verfolgen. Eros, die Liebe, ist so nicht nur das Objektive, der Gott, sondern auch als Macht die subjektive Empfindung des Menschen. Anakreon beschreibt einen Kampf mit Eros. "Ich auch", sagt er, "will jetzt lieben; schon längst gebot mir's Eros; doch ich wollte nicht folgen.
Da griff mich Eros an. Bewaffnet mit Harnisch und Lanze widerstand ich. Eros verschoß sich, doch dann schwang er sich selbst mir ins Herz. Was hilft da", so schließt er, "Pfeil und Bogen? Der Kampf ist mitten in mir." In dieser Anerkennung und Verehrung ist also das Subjekt schlechthin bei sich; die Götter sind sein eigenes Pathos.
Das Wissen von den Göttern ist kein Wissen nur von ihnen als Abstraktionen jenseits der Wirklichkeit, sondern es ist ein Wissen zugleich von der konkreten Subjektivität des Menschen selbst als einem Wesentlichen, denn die Götter sind ebenso in ihm.
Da ist nicht dieses negative Verhältnis, wo das Verhältnis des Subjekts, wenn es das höchste ist, nur diese Aufopferung, Negation, seines Bewußtseins ist. Die Mächte sind den Menschen freundlich und hold, sie wohnen in ihrer eigenen Brust; der Mensch verwirklicht sie und weiß ihre Wirklichkeit zugleich als die seinige. Der Hauch der Freiheit durchweht diese ganze Welt und macht die Grundbestimmung für diese Gesinnung aus.

Es fehlt aber noch das Bewußtsein der unendlichen Subjektivität des Menschen, daß die sittlichen Verhältnisse und das absolute Recht dem Menschen als solchem zukommen, daß er dadurch, daß er Selbstbewußtsein ist, in dieser formellen Unendlichkeit das Recht wie die Pflicht der Gattung hat. Freiheit, Sittlichkeit ist das Substantielle des Menschen, und dieses als das Substantielle zu wissen und seine Substantialität darein zu setzen, ist der Wert und die Würde des Menschen. Aber die formelle Subjektivität, das Selbstbewußtsein als solches, die in sich unendliche Individualität, nicht die bloß natürliche, unmittelbare, ist es, welche die Möglichkeit jenes Wertes ist, d. h. die reale Möglichkeit, und um derentwillen er selbst unendliches Recht hat. Weil nun in der unbefangenen Sittlichkeit die Unendlichkeit der formellen Subjektivität nicht anerkannt ist, daher kommt dem Menschen als solchem nicht die absolute Geltung zu, daß er an und für sich gelte, mag er in seiner inneren Erfüllung sein, wie er will, da oder dort geboren, reich oder arm, diesem oder jenem Volke angehörig.
Die Freiheit und Sittlichkeit ist noch eine besondere und das Recht des Menschen mit einer Zufälligkeit behaftet, so daß auf dieser Stufe wesentlich Sklaverei stattfindet. Es ist noch zufällig, ob der Mensch Bürger dieses Staates, ob er frei ist oder nicht. Weil ferner der unendliche Gegensatz noch nicht vorhanden ist und die absolute Reflexion des Selbstbewußtseins in sich, diese Spitze der Subjektivität fehlt, so ist auch die Moralität als eigene Überzeugung und Einsicht noch nicht entwickelt.

Dennoch ist in der Sittlichkeit die Individualität überhaupt in die allgemeine Substantialität aufgenommen, und so tritt hier, wenn auch zunächst nur als ein schwacher Schein und noch nicht als absolute Forderung des Geistes, die Vorstellung der Ewigkeit des subjektiven, individuellen Geistes, die Vorstellung von der Unsterblichkeit ein.
Auf den früher betrachteten Stufen kann die Forderung der Unsterblichkeit der Seele noch nicht vorkommen, weder in der Naturreligion noch in der Religion des Einen. In jener ist noch unmittelbare Einheit des Geistigen und Natürlichen die Grundbestimmung und der Geist noch nicht für sich; in dieser ist der Geist wohl für sich, aber noch unerfüllt, seine Freiheit ist noch abstrakt und sein Sein ist noch ein natürliches Dasein, der Besitz dieses Landes und sein Wohlergehen.
Das ist aber nicht das Sein als Dasein des Geistes in sich selbst, nicht Befriedigung im Geistigen. Die Dauer ist nur Dauer des Stammes, der Familie, überhaupt der natürlichen Allgemeinheit. Hier aber ist das Selbstbewußtsein in sich selbst erfüllt, geistig, die Subjektivität ist in die allgemeine Wesenheit aufgenommen und wird also in sich als Idee gewußt: hier ist die Vorstellung von der Unsterblichkeit vorhanden. Bestimmter aber wird dies Bewußtsein, wenn die Moralität hervorbricht, das Selbstbewußtsein sich in sich vertieft und dazu kommt, nur das als gut, wahr und recht anzuerkennen, was es sich und seinem Denken gemäß findet.
Bei Sokrates und Platon ist daher sogleich ausdrücklich von der Unsterblichkeit der Seele die Rede, während diese Vorstellung vorher mehr bloß als allgemeine galt und als solche, die nicht absoluten Wert an und für sich selber habe. 

Wie dem Selbstbewußtsein noch die unendliche Subjektivität, der absolute Einheitspunkt des Begriffs fehlt, so mangelt sie auch noch seinen Wesenheiten. Diese Einheit fällt in das, was wir als seine Notwendigkeit haben kennenlernen; dieses liegt aber außerhalb des Kreises der besonderen, substantiellen Wesenheiten. Gleich dem Menschen als solchem haben auch die besonderen Wesenheiten keine absolute Berechtigung, denn sie haben diese nur als Moment der Notwendigkeit und als in dieser absoluten, in sich reflektierten Einheit wurzelnd. Sie sind viele, obwohl [sie] göttlicher Natur, so ist ihre zerstreute Vielheit zugleich eine Beschränktheit, so daß es mit jener insofern nicht Ernst ist. Über den substantiellen vielen Wesenheiten schwebt die letzte Einheit der absoluten Form, die Notwendigkeit, und sie befreit das Selbstbewußtsein in seinem Verhältnis zu den Göttern zugleich von ihnen, so daß es ihm mit ihnen Ernst und wieder auch nicht Ernst ist.

Diese Religion hat überhaupt den Charakter der absoluten Heiterkeit; das Selbstbewußtsein ist frei im Verhältnis zu seinen Wesenheiten, weil sie die seinigen sind, und zugleich ist es nicht an sie gefesselt, da über ihnen selbst die absolute Notwendigkeit schwebt und sie in diese ebenso zurückgehen, wie sich in dieselbe das Bewußtsein mit seinen besonderen Zwecken und Bedürfnissen versenkt.

Die Gesinnung nun des subjektiven Selbstbewußtseins im Verhältnis zur Notwendigkeit ist diese Ruhe, die sich in der Stille hält, in dieser Freiheit, die aber noch eine abstrakte ist. Insofern ist es eine Flucht, aber es ist zugleich die Freiheit, insofern der Mensch von äußerlichem Unglück nicht überwunden, gebeugt wird. Wer dies Bewußtsein der Unabhängigkeit hat, ist äußerlich wohl unterlegen, aber nicht besiegt, überwunden.

Die Notwendigkeit hat ihre eigene Sphäre; sie bezieht sich nur auf das Besondere der Individualität, insofern eine Kollision der geistigen Macht möglich ist und die Individuen der Besonderheit und der Zufälligkeit unterworfen sind. Nach dieser Seite werden sie von der Notwendigkeit berührt und sind ihr unterworfen. Diejenigen Individuen sind insbesondere der Notwendigkeit unterworfen und tragisch, die sich erheben über den sittlichen Zustand, die etwas Besonderes für sich ausführen wollen.
So die Heroen, die durch eigentümliches Wollen von den übrigen unterschieden sind: sie haben ein Interesse, das über den ruhigen Zustand des Waltens, der Regung des Gottes geht; sie sind, die eigentümlich wollen und handeln; sie stehen über dem Chor, dem ruhigen, stetigen, unentzweiten sittlichen Verlauf. Dieser ist dem Schicksal entnommen, bleibt in dem gewöhnlichen Lebenskreis beschränkt und erregt keine der sittlichen Mächte gegen sich.
Der Chor, das Volk hat auch eine Seite der Besonderheit; es ist dem gemeinen Lose der Sterblichen ausgesetzt, zu sterben, Unglück usf. zu haben, aber solcher Ausgang ist das gemeine Los sterblicher Menschen und der Gang der Gerechtigkeit gegen das Endliche.
Daß das Individuum zufälliges Unglück hat, stirbt, ist in der Ordnung.

Beim Homer weint Achill über seinen frühen Tod, auch sein Pferd weint darüber.
Bei uns wäre dies töricht von einem Dichter. Aber Homer konnte seinem Helden dies Vorbewußtsein beilegen, denn es kann in seinem Sein und Tun nichts ändern; es ist so für ihn, und außerdem ist er, was er ist. Es kann ihn wohl traurig machen, aber auch nur momentan;
es ist so, aber es berührt ihn weiter nicht; er kann wohl traurig, aber nicht verdrießlich werden. Verdruß ist die Empfindung der modernen Welt; Verdrießlichkeit setzt einen Zweck, eine Forderung der modernen Willkür voraus, wozu sie sich ermächtigt, berechtigt hält, wenn ein solcher Zweck nicht erfüllt wird. So nimmt der moderne Mensch leicht die Wendung, für das übrige auch den Mut sinken zu lassen und nun auch das andere nicht zu wollen, was er sich sonst zum Zweck machen könnte, er gibt seine übrige Bestimmung auf, zerstört, um sich zu rächen, seinen eigenen Mut, seine Tatkraft, die Zwecke des Schicksals, die er sonst noch erreichen könnte. Dies ist die Verdrießlichkeit; sie konnte nicht den Charakter der Griechen, der Alten ausmachen, sondern die Trauer über das Notwendige ist nur einfach.
Die Griechen haben keinen Zweck als absolut, als wesentlich vorausgesetzt, der gewährt werden soll; die Trauer ist deshalb ergebene Trauer. Es ist einfacher Schmerz, einfache Trauer, die deshalb in sich selbst die Heiterkeit hat; es geht dem Individuum kein absoluter Zweck verloren, es bleibt auch hier bei sich selbst; auf das, was nicht erfüllt wird, kann es renoncieren.
Es ist so; damit hat es sich in die Abstraktion zurückgezogen und nicht diesem sein Sein entgegengestellt. Die Befreiung ist die Identität des subjektiven Willens mit dem, was ist; das Subjekt ist frei, aber nur auf abstrakte Weise.

Die Heroen bringen, wie bemerkt, im Lauf der einfachen Notwendigkeit eine Änderung hervor, nämlich so, daß eine Entzweiung eintritt, und die höhere, eigentlich interessante Entzweiung für den Geist ist, daß es die sittlichen Mächte selbst sind, die als entzweit, in Kollision geratend erscheinen. Die Auflösung dieser Kollision ist, daß die sittlichen Mächte, die nach ihrer Einseitigkeit in Kollision sind, sich der Einseitigkeit des selbständigen Geltens abtun; und die Erscheinung dieses Abtuns der Einseitigkeit ist, daß die Individuen, die sich zur Verwirklichung einer einzelnen sittlichen Macht aufgeworfen haben, zugrunde gehen.

Das Fatum ist das Begrifflose, wo Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit in der Abstraktion verschwinden; in der Tragödie dagegen ist das Schicksal innerhalb eines Kreises sittlicher Gerechtigkeit. Am erhabensten finden wir das in den Sophokleischen Tragödien.
Es wird daselbst vom Schicksal und von der Notwendigkeit gesprochen; das Schicksal der Individuen ist als etwas Unbegreifliches dargestellt, aber die Notwendigkeit ist nicht eine blinde, sondern sie ist erkannt als die wahrhafte Gerechtigkeit. Dadurch eben sind jene Tragödien die unsterblichen Geisteswerke des sittlichen Verstehens und Begreifens, die ewigen Muster des sittlichen Begriffs.
Das blinde Schicksal ist etwas Unbefriedigendes. In diesen Tragödien wird die Gerechtigkeit begriffen. Auf eine plastische Weise wird die Kollision der beiden höchsten sittlichen Mächte gegeneinander dargestellt in dem absoluten Exempel der Tragödie, Antigone;
da kommt die Familienliebe, das Heilige, Innere, der Empfindung Angehörige, weshalb es auch das Gesetz der unteren Götter heißt, mit dem Recht des Staats in Kollision. Kreon ist nicht ein Tyrann, sondern ebenso eine sittliche Macht. Kreon hat nicht Unrecht; er behauptet, daß das Gesetz des Staats, die Autorität der Regierung geachtet werde[n muß] und Strafe aus der Verletzung folgt. Jede dieser beiden Seiten verwirklicht nur die eine der sittlichen Mächte, hat nur die eine derselben zum Inhalt. Das ist die Einseitigkeit, und der Sinn der ewigen Gerechtigkeit ist, daß beide Unrecht erlangen, weil sie einseitig sind, aber damit auch beide Recht. Beide werden als geltend anerkannt im ungetrübten Gang der Sittlichkeit; hier haben sie beide ihr Gelten, aber ihr ausgeglichenes Gelten. Es ist nur die Einseitigkeit, gegen die die Gerechtigkeit auftritt.

Eine andere Kollision ist z. B. im Ödipus dargestellt. Er hat seinen Vater erschlagen, ist scheinbar schuldig, aber schuldig, weil seine sittliche Macht einseitig ist. Er fällt nämlich bewußtlos in diese gräßliche Tat. Er ist aber der, der das Rätsel der Sphinx gelöst hat: dieser hohe Wissende. So stellt sich als Nemesis ein Gleichgewicht her: der so wissend war, steht in der Macht des Bewußtlosen, so daß er in tiefe Schuld fällt, als er hoch stand. Hier ist also der Gegensatz der beiden Mächte der des Bewußtseins und der Bewußtlosigkeit.

Um noch eine Kollision anzuführen: Hippolyt wird unglücklich, weil er nur der Diana Verehrung weiht und die Liebe verschmäht, die sich nun an ihm rächt. Es ist eine Albernheit in der französischen Bearbeitung des Racine, dem Hippolyt eine andere Liebschaft zu geben; da ist es dann keine Strafe der Liebe als Pathos, was er leidet, sondern ein bloßes Unglück, daß er in ein Mädchen verliebt ist und einem andern Weibe kein Gehör gibt, die zwar Gemahlin seines Vaters ist, welches sittliche Hindernis aber durch seine Liebe zur Aricia verdunkelt ist. Die Ursache seines Unterganges ist daher [nicht] Verletzung oder Vernachlässigung einer allgemeinen Macht als solcher, nichts Sittliches, sondern eine Besonderheit und Zufälligkeit.

Der Schluß der Tragödie ist die Versöhnung, die vernünftige Notwendigkeit, die Notwendigkeit, die hier anfängt, sich zu vermitteln; es ist die Gerechtigkeit, die auf solche Weise befriedigt wird mit dem Spruch: es ist nichts, was nicht Zeus ist, nämlich die ewige Gerechtigkeit.
Hier ist eine rührende Notwendigkeit, die aber vollkommen sittlich ist; das erlittene Unglück ist vollkommen klar; hier ist nichts Blindes, Bewußtloses. Zu solcher Klarheit der Einsicht und der künstlerischen Darstellung ist Griechenland auf seiner höchsten Bildungsstufe gekommen.
Doch bleibt hier ein Unaufgelöstes, indem das Höhere nicht als die unendliche geistige Macht hervortritt; es bleibt unbefriedigte Trauer darin, indem ein Individuum untergeht.

Die höhere Versöhnung wäre, daß im Subjekt die Gesinnung der Einseitigkeit aufgehoben würde - das Bewußtsein seines Unrechts - und daß es sich in seinem Gemüt seines Unrechts abtut. Diese seine Schuld, Einseitigkeit zu erkennen und sich derselben abzutun, ist aber nicht in dieser Sphäre einheimisch. Dieses Höhere macht überflüssig die äußerliche Bestrafung, den natürlichen Tod. Anfänge, Anklänge dieser Versöhnung treten allerdings auch ein, aber diese innere Umkehrung erscheint doch mehr als äußerliche Reinigung. Ein Sohn des Minos war in Athen erschlagen worden, deswegen bedurfte es der Reinigung: diese Tat ist für ungeschehen erklärt worden. Es ist der Geist, der das Geschehene ungeschehen machen will.

Orest in den Eumeniden wird losgesprochen vom Areopag. Hier ist einerseits der höchste Frevel gegen die Pietät, auf der anderen Seite hat er seinem Vater Recht verschafft. Denn der war nicht nur Oberhaupt der Familie, sondern auch des Staats. In einer Handlung hat er gefrevelt und ebenso vollkommene, wesentliche Notwendigkeit ausgeübt. Lossprechen heißt eben dies: etwas ungeschehen machen. Ödipus Kolonos spielt an die Versöhnung und näher an die christliche Vorstellung der Versöhnung an: Ödipus wird von den Göttern zu Gnaden angenommen, die Götter berufen ihn zu sich. Heutzutage fordern wir mehr, weil die Vorstellung der Versöhnung bei uns höher ist: das Bewußtsein, daß im Inneren diese Umkehrung geschehen kann, wodurch das Geschehene ungeschehen gemacht wird.
Der Mensch, der sich bekehrt, seine Einseitigkeit aufgibt, hat sie ausgerottet in sich, seinem Willen, wo die bleibende Stätte, der Platz der Tat wäre, d. i. in ihrer Wurzel die Tat vernichtet. Es ist unserem Gefühl entsprechender, daß die Tragödien Ausgänge haben, die versöhnend sind.

 

Besondere Götter

Die Zufälligkeit der Gestaltung

Erscheinung und Auffassung des Göttlichen

Die schöne Gestalt der göttlichen Mächte

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Der Kultus als Dienst

Der Gottesdienst der Versöhnung

 

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