α. Die Zufälligkeit der Gestaltung
Schon die zwölf Hauptgötter des Olympos sind nicht durch den Begriff geordnet, und sie machen kein System aus. Ein Moment der Idee spielt wohl an, aber es ist nicht auszuführen.
Als abgesondert von der Notwendigkeit sind die göttlichen Mächte derselben äußerlich, also unvermittelte, schlecht unmittelbare Gegenstände, natürliche Existenzen: Sonne, Himmel, Erde, Meer, Berge, Menschen, Könige usw. Aber sie bleiben auch gehalten von der Notwendigkeit, und so ist die Natürlichkeit an ihnen aufgehoben. Bliebe es dabei, daß diese Mächte nach natürlicher, unmittelbarer Existenz die göttlichen Wesenheiten wären, so wäre dies ein Rückfall zur Naturreligion, wo das Licht, die Sonne, dieser König nach seiner Unmittelbarkeit Gott ist und das Innere, Allgemeine noch nicht zu dem Moment des Verhältnisses gekommen ist, welches aber doch die Notwendigkeit wesentlich und schlechthin in ihr enthält, da in ihr das Unmittelbare nur ein Gesetztes und Aufgehobenes ist.
Wenn aber auch aufgehoben, ist das Naturelement doch noch eine Bestimmtheit der besonderen Mächte, und indem es in die Gestalt der selbstbewußten Individuen aufgenommen ist, ist es ein reichhaltiger Quell zufälliger Bestimmungen geworden. Die Zeitbestimmung, das Jahr, die Monatseinteilung spielt noch so sehr an den konkreten Göttern herum, daß man es sogar, wie Dupuis *) versucht hat, sie zu Kalendergöttern zu machen. Auch die Anschauung vom Erzeugen der Natur, vom Entstehen und Vergehen ist noch in mannigfachen Anklängen im Kreis der geistigen Götter wirksam gewesen. Aber als erhoben in die selbstbewußte Gestalt dieser Götter erscheinen jene natürlichen Bestimmungen als zufällig und sind zu Bestimmungen selbstbewußter Subjektivität verwandelt, wodurch sie ihren Sinn verloren haben. Das große Recht ist zuzugeben, daß in den Handlungen dieser Götter nach sogenannten Philosophemen gesucht wird. Zeus schmauste z. B. mit den Göttern zwölf Tage bei den Äthiopiern, hing Juno zwischen Himmel und Erde auf usw. Solche Vorstellungen, wie auch die unendliche Menge von Liebschaften, die dem Zeus zugeschrieben werden, haben allerdings ihre erste Quelle in einer abstrakten Vorstellung, die sich auf Naturverhältnisse, Naturkräfte und auf das Regelmäßige und Wesentliche in derselben bezogen, und man hat also das Recht, nach dergleichen zu forschen. Aber diese natürlichen Beziehungen sind zugleich zu Zufälligkeiten herabgesetzt, da sie nicht ihre Reinheit behalten haben, sondern in Formen verwandelt sind, die der subjektiven menschlichen Weise angemessen sind. Das freie Selbstbewußtsein macht sich nichts mehr aus solchen natürlichen Bestimmungen.
Eine andere Quelle zufälliger Bestimmungen ist das Geistige selbst, die geistige Individualität und deren geschichtliche Entwicklung. Der Gott wird dem Menschen in seinen eigenen Schicksalen offenbar oder in dem Schicksal eines Staates, und dies wird zu einer Begebenheit, die als Tat, Wohlwollen oder Feindschaft des Gottes angesehen wird. Dies gibt unendlich mannigfaltigen, aber auch zufälligen Inhalt, wenn eine Begebenheit, das Glück oder Unglück zur Tat eines Gottes erhoben wird und dazu dient, die Handlungen des Gottes näher und im einzelnen zu bestimmen. Wie der jüdische Gott dem Volke dies Land gegeben, die Väter aus Ägypten geführt hat, so hat ein griechischer Gott dies oder jenes getan, was einem Volke widerfährt und was es als göttlich oder als Selbstbestimmung des Göttlichen anschaut.
Dann kommt auch die Lokalität und die Zeit in Betracht, wo das Bewußtsein eines Gottes zuerst anfing. Dies Moment der beschränkten Entstehung, verbunden mit der Heiterkeit der Griechen, ist der Ursprung von einer Menge anmutiger Geschichten.
Endlich ist die freie Individualität der Götter der Hauptquell des mannigfachen zufälligen Inhalts, der ihnen zugeschrieben wird. Sie sind nämlich, wenn auch noch nicht unendliche, absolute Geistigkeit, doch konkrete, subjektive Geistigkeit. Als solche haben sie nicht abstrakten Inhalt, und es ist nicht nur eine Eigenschaft in ihnen, sondern sie vereinigen mehrere Bestimmungen in sich. Besäßen sie nur eine Eigenschaft, so wäre diese nur ein abstraktes Inneres oder einfache Bedeutung, und sie selbst wären nur Allegorien, d. h. nur als konkret vorgestellt. Aber im konkreten Reichtum ihrer Individualität sind sie nicht an die beschränkte Richtung und Wirkungsweise einer ausschließlichen Eigenschaft gebunden, sondern sie können sich nun frei in beliebigen, aber damit auch willkürlichen und zufälligen Richtungen ergehen.
Bisher haben wir die Gestaltung des Göttlichen betrachtet, wie sie im Ansich, d. h. in der individuellen Natur dieser Gottheiten, in ihrer subjektiven Geistigkeit, in ihrem lokal und zeitlich zufälligen Hervortreten begründet ist oder in der unwillkürlichen Umwandlung natürlicher Bestimmungen in die Äußerung freier Subjektivität geschieht. Diese Gestaltung ist nun zu betrachten, wie sie die mit Bewußtsein vollbrachte ist. Das ist die Erscheinung der göttlichen Mächte, die für Anderes, nämlich für das subjektive Selbstbewußtsein ist und in dessen Auffassung gewußt und gestaltet wird.
*) Charles-François Dupuis, L'origine de tous les cultes, ou Religion universelle, 4 Bde., Paris 1795
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