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3. Die Vorstellung
Wir unterscheiden sehr wohl, was Bild und was Vorstellung ist; es ist etwas anderes, ob wir sagen, wir haben eine Vorstellung oder ein Bild von Gott; derselbe Fall ist es bei sinnlichen Gegenständen. Das Bild nimmt seinen Inhalt aus der Sphäre des Sinnlichen und stellt ihn in der unmittelbaren Weise seiner Existenz, in seiner Einzelheit und in der Willkürlichkeit seiner sinnlichen Erscheinung dar. Da aber die unendliche Menge des Einzelnen, wie es im unmittelbaren Dasein vorhanden ist, auch durch die ausführlichste Darstellung in einem Ganzen nicht wiedergegeben werden kann, so ist das Bild immer notwendig ein beschränktes, und in der religiösen Anschauung, die ihren Inhalt nur im Bilde darzustellen weiß, zerfällt die Idee in eine Menge von Gestalten, in denen sie sich beschränkt und verendlicht. Die allgemeine Idee, die im Kreise dieser endlichen Gestalten, aber nur in ihnen erscheint, ihnen nur zugrunde liegt, bleibt deshalb als solche verborgen.
Die Vorstellung ist dagegen das Bild, wie es in die Form der Allgemeinheit, des Gedankens erhoben ist, so daß die eine Grundbestimmung, welche das Wesen des Gegenstandes ausmacht, festgehalten wird und dem vorstellenden Geiste vorschwebt. Sagen wir z. B. Welt, so haben wir in diesen einen Laut das Ganze dieses unendlichen Reichtums versammelt und vereinigt. Wenn das Bewußtsein des Gegenstandes auf diese einfache Gedankenbestimmtheit reduziert ist, so ist es Vorstellung, die zu ihrer Erscheinung nur noch des Wortes bedarf, dieser einfachen Äußerung, die in sich selbst bleibt. Der mannigfache Inhalt, den die Vorstellung vereinfacht, kann aus dem Inneren, aus der Freiheit stammen, so haben wir Vorstellungen von Recht, Sittlichkeit, vom Bösen; oder er kann auch aus der äußeren Erscheinung genommen sein, wie wir z. B. von Schlachten, Kriegen überhaupt eine Vorstellung haben. Wenn die Religion in die Form der Vorstellung erhoben ist, so hat sie sogleich etwas Polemisches an sich. Der Inhalt wird nicht im sinnlichen Anschauen, nicht auf bildliche Weise unmittelbar aufgefaßt, sondern mittelbar auf dem Wege der Abstraktion, und das Sinnliche, Bildliche wird in das Allgemeine erhoben; und mit dieser Erhebung ist dann notwendig das negative Verhalten zum Bildlichen verknüpft. Diese negative Richtung betrifft aber nicht nur die Form, so daß nur in dieser der Unterschied der Anschauung und Vorstellung läge, sondern sie berührt auch den Inhalt. Für die Anschauung hängt die Idee und die Weise der Darstellung so eng zusammen, daß beides als eins erscheint, und das Bildliche hat die Bedeutung, daß die Idee an dasselbe wesentlich geknüpft und von ihm nicht getrennt werden könne. Die Vorstellung hingegen geht davon aus, daß die absolut wahrhafte Idee durch ein Bild nicht gefaßt werden könne und die bildliche Weise eine Beschränkung des Inhalts sei; sie hebt daher jene Einheit der Anschauung auf, verwirft die Einigkeit des Bildes und seiner Bedeutung und hebt diese für sich heraus.
Endlich hat die religiöse Vorstellung die Bedeutung der Wahrheit, des objektiven Inhalts und ist so gegen andere Weisen der Subjektivität, nicht bloß gegen die bildliche Weise gerichtet. Ihr Inhalt ist das, was an und für sich gilt, substantiell festbleibt gegen mein Dafürhalten und Meinen und gegen das Hinundhergehen meiner Wünsche, meines Beliebens starr ist.
Dies betrifft das Wesen der Vorstellung überhaupt. Was ihre nähere Bestimmtheit betrifft, so ist folgendes zu merken.
a) Wir sahen, in der Vorstellung sei der wesentliche Inhalt in die Form des Gedankens gesetzt, aber damit ist er noch nicht als Gedanke gesetzt. Wenn wir daher sagten, die Vorstellung sei polemisch gegen das Sinnliche und Bildliche gerichtet und verhalte sich dagegen negativ, so ist darin noch nicht enthalten, daß sie sich absolut vom Sinnlichen befreit und dasselbe in vollendeter Weise ideell gesetzt hätte. Dies wird erst im wirklichen Denken erreicht, welches die sinnlichen Bestimmungen des Inhalts zu allgemeinen Gedankenbestimmungen, zu den inneren Momenten oder zur eigenen Bestimmtheit der Idee erhebt. Da die Vorstellung diese konkrete Erhebung des Sinnlichen zum Allgemeinen nicht ist, so heißt ihr negatives Verhalten gegen das Sinnliche nichts anderes als: sie ist von demselben nicht wahrhaft befreit, sie ist mit ihm noch wesentlich verwickelt, und sie bedarf desselben und dieses Kampfes gegen das Sinnliche, um selbst zu sein. Es gehört also wesentlich zu ihr, wenn sie es auch nie als selbständig gelten lassen darf. Ferner ist das Allgemeine, dessen sich die Vorstellung bewußt ist, nur die abstrakte Allgemeinheit ihres Gegenstandes, ist nur das unbestimmte Wesen oder das Ungefähr desselben. Um es zu bestimmen, bedarf sie wieder des Sinnlich-Bestimmten, des Bildlichen, aber gibt diesem als dem Sinnlichen die Stellung, daß es verschieden ist von der Bedeutung und daß bei ihm nicht stehengeblieben werden darf, daß es nur dazu diene, den eigentlichen von ihm verschiedenen Inhalt vorstellig zu machen.
Daher steht nun die Vorstellung in beständiger Unruhe zwischen der unmittelbaren sinnlichen Anschauung und dem eigentlichen Gedanken. Die Bestimmtheit ist sinnlicher Art, aus dem Sinnlichen genommen, aber das Denken hat sich hineingelegt, oder das Sinnliche wird auf dem Wege der Abstraktion in das Denken erhoben. Aber beides, das Sinnliche und Allgemeine, durchdringen sich nicht innerlich, das Denken hat die sinnliche Bestimmtheit noch nicht vollständig überwältigt, und wenn der Inhalt der Vorstellung auch Allgemeines ist, so ist er doch noch mit der Bestimmtheit des Sinnlichen behaftet und bedarf er der Form der Natürlichkeit. Aber das bleibt dann immer, daß dies Moment des Sinnlichen nicht für sich gilt.
So sind in der Religion viele Formen, von denen wir wissen, daß sie nicht in eigentlichem Verstande zu nehmen sind. Z. B. "Sohn", "Erzeuger" ist nur ein Bild, von einem natürlichen Verhältnis hergenommen, von dem wir wohl wissen, daß es nicht in seiner Unmittelbarkeit gemeint sein soll, daß die Bedeutung vielmehr ein Verhältnis ist, das nur ungefähr dies ist, und daß dieses sinnliche Verhältnis am meisten Entsprechendes in sich habe dem Verhältnis, das bei Gott eigentlich gemeint ist. Ferner, wenn vom Zorn Gottes, seiner Reue, Rache gesprochen wird, wissen wir bald, daß es nicht im eigentlichen Sinn genommen, nur Ähnlichkeit, Gleichnis ist. Dann finden wir auch ausführliche Bilder. So hören wir von einem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen. Beim Essen der Frucht fängt es schon an zweideutig zu werden, ob dieser Baum zu nehmen sei als eigentlicher, geschichtlicher, als ein Historisches, ebenso das Essen, oder aber ob dieser Baum zu nehmen sei als ein Bild. Spricht man von einem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen, so ist das so kontrastierend, daß es sehr bald auf die Erkenntnis führt, es sei keine sinnliche Frucht und der Baum nicht im eigentlichen Sinn zu nehmen.
b) Es gehört auch in Rücksicht auf das Sinnliche das der Weise der Vorstellung an, was nicht bloß als Bild, sondern als Geschichtliches als solches zu nehmen ist. Es kann etwas in geschichtlicher Weise vorgetragen sein, aber wir machen nicht recht Ernst daraus, fragen nicht, ob das Ernst sei. So verhalten wir uns zu dem, was uns Homer von Jupiter und den übrigen Göttern erzählt.
Aber dann gibt es auch Geschichtliches, das eine göttliche Geschichte ist und so, daß es im eigentlichen Sinn eine Geschichte sein soll: die Geschichte Jesu Christi. Diese gilt nicht bloß für einen Mythus nach Weise der Bilder, sondern als etwas vollkommen Geschichtliches. Das ist denn für die Vorstellung, hat aber auch noch eine andere Seite: es hat Göttliches zu seinem Inhalte, göttliches Tun, göttliches, zeitloses Geschehen, absolut göttliche Handlung, und diese ist das Innere, Wahrhafte, Substantielle dieser Geschichte und ist eben das, was Gegenstand der Vernunft ist. Dies Gedoppelte ist überhaupt in jeder Geschichte, sogut ein Mythus eine Bedeutung in sich hat. Es gibt allerdings Mythen, wo die äußerliche Erscheinung das Überwiegende ist; aber gewöhnlich enthält ein solcher Mythus eine Allegorie, wie die Mythen des Platon.
Jede Geschichte überhaupt enthält diese äußerliche Reihe von Begebenheiten und Handlungen; diese sind aber Begebenheiten eines Menschen, eines Geistes. Die Geschichte eines Staates ist Handlung, Tun, Schicksal eines allgemeinen Geistes, des Geistes eines Volkes. Dergleichen hat an und für sich in sich schon ein Allgemeines; nimmt man es im oberflächlichen Sinn, so kann gesagt werden: man kann aus jeder Geschichte eine Moral ziehen.
Die Moral, die daraus gezogen wird, enthält wenigstens die wesentlichen sittlichen Mächte, die dabei gewirkt, die dies hervorgebracht haben. Diese sind das Innere, Substantielle. Die Geschichte hat so diese vereinzelte Seite, Einzelnes, bis aufs Äußerste hinaus Individualisiertes; aber darin sind auch die allgemeinen Gesetze, Mächte des Sittlichen erkennbar. Diese sind nicht für die Vorstellung als solche: für diese ist die Geschichte in der Weise, wie sie als Geschichte sich darstellt und in der Erscheinung ist.
In solcher Geschichte aber ist etwas selbst für den Menschen, dessen Gedanken, Begriffe noch nicht bestimmte Ausbildung erhalten haben; er fühlt diese Mächte darin und hat ein dunkles Bewußtsein von ihnen. Auf solche Weise ist die Religion wesentlich für das gewöhnliche Bewußtsein, für das Bewußtsein in seiner gewöhnlichen Ausbildung. Es ist ein Inhalt, der sich zunächst sinnlich präsentiert, eine Folge von Handlungen, sinnlichen Bestimmungen, die in der Zeit nacheinander folgen, dann im Raum nebeneinanderstehen. Der Inhalt ist empirisch, konkret, mannigfach, hat aber auch ein Inneres; es ist Geist darin, der wirkt auf den Geist: der subjektive Geist gibt Zeugnis dem Geist, der im Inhalt ist, zunächst durch dunkles Anerkennen, ohne daß dieser Geist herausgebildet ist für das Bewußtsein. c) Aller geistige Inhalt, Verhältnis überhaupt, ist endlich Vorstellung durch die Form, daß seine inneren Bestimmungen so gefaßt werden, wie sie sich einfach auf sich beziehen und in Form der Selbständigkeit sind.
Wenn wir sagen: Gott ist allweise, gütig, gerecht, so haben wir bestimmten Inhalt; jede dieser Inhaltsbestimmungen ist aber einzeln und selbständig; "und", "auch" ist die Verbindungsweise der Vorstellung. Allweise, allgütig sind auch Begriffe, sie sind nicht mehr ein Bildliches, Sinnliches oder Geschichtliches, sondern geistige Bestimmungen; aber sie sind noch nicht in sich analysiert und die Unterschiede noch nicht gesetzt, wie sie sich aufeinander beziehen, sondern nur in abstrakter, einfacher Beziehung auf sich genommen. Insofern der Inhalt allerdings schon mannigfache Beziehungen in sich enthält, die Beziehung aber nur äußerlich ist, so ist äußerliche Identität damit gesetzt. "Etwas ist das, dann das, dann ist es so"; es haben diese Bestimmungen so zunächst die Form der Zufälligkeit.
Oder enthält die Vorstellung Verhältnisse, die dem Gedanken schon näher sind, z. B. daß Gott die Welt geschaffen habe, so wird von ihr das Verhältnis noch in der Form der Zufälligkeit und Äußerlichkeit gefaßt. So bleibt in der Vorstellung von der Schöpfung Gott einerseits für sich, die Welt auf der andern Seite, aber der Zusammenhang beider Seiten ist nicht in die Form der Notwendigkeit gesetzt; er wird entweder nach der Analogie des natürlichen Lebens und Geschehens ausgedrückt oder, wenn er als Schöpfung bezeichnet wird, als ein solcher bezeichnet, der für sich ganz eigentümlich und unbegreiflich sein soll. Gebraucht man aber den Ausdruck "Tätigkeit", aus der die Welt hervorgegangen sei, so ist der wohl etwas Abstrakteres, aber noch nicht der Begriff. Der wesentliche Inhalt steht fest für sich in der Form der einfachen Allgemeinheit, in die er eingehüllt ist, und sein Übergehen durch sich selbst in Anderes, seine Identität mit Anderem fehlt ihm, er ist nur mit sich identisch. Den einzelnen Punkten fehlt das Band der Notwendigkeit und die Einheit ihres Unterschiedes.
Sobald daher die Vorstellung den Ansatz dazu macht, einen wesentlichen Zusammenhang zu fassen, so läßt sie ihn in der Form der Zufälligkeit stehen und geht hier nicht zum wahrhaften Ansich desselben und zu seiner ewigen, sich durchdringenden Einheit fort. So ist in der Vorstellung der Gedanke der Vorsehung, und die Bewegungen der Geschichte werden im ewigen Ratschluß Gottes zusammengefaßt und begründet. Aber da wird der Zusammenhang sogleich in eine Sphäre versetzt, wo er für uns unbegreiflich und unerforschlich sein soll. Der Gedanke des Allgemeinen wird also nicht in sich bestimmt und, sowie er ausgesprochen ist, sogleich wieder aufgegeben.
Nachdem wir die allgemeine Bestimmtheit der Vorstellung gesehen haben, so ist hier der Ort, die pädagogische Frage der neueren Zeit zu berühren, ob die Religion gelehrt werden könne. Lehrer, die nicht wissen, was sie mit den Lehren der Religion anfangen sollen, halten den Unterricht in derselben für ungehörig. Allein die Religion hat einen Inhalt, der auf gegenständliche Weise vorstellig sein muß. Darin liegt es, daß dieser vorgestellte Inhalt mitgeteilt werden kann, denn Vorstellungen sind mitteilbar durch das Wort. Ein anderes ist es, das Herz erwärmen, Empfindungen aufregen; das ist nicht Lehren, das ist ein Interessieren meiner Subjektivität für etwas und kann wohl eine rednerische Predigt geben, aber nicht Lehre sein. Wenn man zwar vom Gefühl ausgeht, dieses als das Erste und Ursprüngliche setzt und dann sagt, die religiösen Vorstellungen kommen aus dem Gefühl, so ist das einerseits richtig, insofern die ursprüngliche Bestimmtheit in der Natur des Geistes selbst liegt. Aber andrerseits ist das Gefühl so unbestimmt, daß alles darin sein kann, und das Wissen dessen, was im Gefühl liegt, gehört nicht diesem selbst an, sondern wird nur durch die Bildung und Lehre gegeben, welche die Vorstellung mitteilt. Jene Erzieher wollen, daß die Kinder und überhaupt die Menschen in ihrer subjektiven Empfindung der Liebe bleiben, und die Liebe Gottes stellen sie sich so vor wie die der Eltern zu den Kindern, die sie lieben und lieben sollen, wie sie sind, rühmen sich, in der Liebe Gottes zu bleiben, und treten alle göttlichen und menschlichen Gesetze mit Füßen und meinen und sagen, sie hätten die Liebe nicht verletzt. Soll aber die Liebe rein sein, so muß sie sich vorher der Selbstsucht begeben, sich befreit haben, und befreit wird der Geist nur, indem er außer sich gekommen ist und das Substantielle einmal als ein gegen ihn Anderes, Höheres angeschaut hat. Erst dadurch kehrt der Geist wahrhaft zu sich zurück, daß er gegen die absolute Macht, gegen das ungeheure Objekt sich verhalten hat, in diesem außer sich gekommen und sich von sich befreit und sich aufgegeben hat. D. h. die Furcht Gottes ist die Voraussetzung der wahren Liebe. Was das an und für sich Wahre ist, muß dem Gemüt als ein Selbständiges erscheinen, in welchem es auf sich Verzicht leistet und erst durch diese Vermittlung, durch die Wiederherstellung seiner selbst die wahre Freiheit gewinnt.
Wenn die objektive Wahrheit für mich ist, so habe ich mich entäußert, nichts für mich behalten und zugleich diese Wahrheit als die meinige begriffen. Ich habe mich damit identifiziert und mich, aber als reines, begierdeloses Selbstbewußtsein, darin erhalten. Diese Beziehung, der Glaube als absolute Identität des Inhalts mit mir, ist dasselbe, was das religiöse Gefühl ist, aber so, daß sie zugleich die absolute Objektivität ausdrückt, welche der Inhalt für mich hat. Die Kirche und die Reformatoren haben recht wohl gewußt, was sie mit dem Glauben wollten. Sie haben nicht gesagt, daß man durch das Gefühl, durch die Empfindung, αaίσsϑησsις, selig werde, sondern durch den Glauben, so daß ich in dem absoluten Gegenstand die Freiheit habe, die wesentlich das Verzichtleisten auf mein Gutdünken und auf die partikuläre Überzeugung enthält.
Da nun im Vergleich mit dem Gefühl, in welchem der Inhalt als Bestimmtheit des Subjekts und darum zufällig ist, für die Vorstellung der Gehalt zur Gegenständlichkeit erhoben ist, so fällt es schon mehr auf ihre Seite, daß einerseits der Inhalt sich für sich berechtige und andrerseits die Notwendigkeit der wesentlichen Verknüpfung desselben mit dem Selbstbewußtsein entwickelt werde.
Allein was zunächst den Inhalt für sich betrifft, so gilt dieser in der Vorstellung als ein Gegebenes, von dem nur gewußt wird, daß es so ist. Dieser abstrakten, unmittelbaren Objektivität gegenüber erscheint dann auch die Verknüpfung des Inhalts mit dem Selbstbewußtsein zunächst als eine solche, die noch rein subjektiver Natur ist. Der Inhalt, heißt es dann, sagt mir an sich zu, und das Zeugnis des Geistes lehrt mich, ihn als Wahrheit, als meine wesentliche Bestimmung anzuerkennen. Allerdings hat z. B. die unendliche Idee der Menschwerdung Gottes - dieser spekulative Mittelpunkt - eine so große Gewalt in ihr, daß sie unwiderstehlich in das durch Reflexion noch nicht verdunkelte Gemüt eindringt. Aber so ist der Zusammenhang meiner mit dem Inhalt noch nicht wahrhaft entwickelt, und er erscheint nur als etwas Instinktmäßiges. Das Ich, das sich so dem Inhalt zuwendet, braucht nicht bloß dieses einfache und unbefangene zu sein, es kann in sich selbst schon mehrfach bearbeitet sein. So kann die beginnende Reflexion, die über das Festhalten am Gegebenen hinausgeht, mich bereits verwirrt haben, und die Verwirrung in dieser Region ist um so gefährlicher und bedenklicher, als durch sie das Sittliche und aller andere Halt in mir und im Leben, im Handeln und im Staate schwankend wird. Die Erfahrung nun, daß ich mir durch Reflexion nicht selbst helfen, überhaupt nicht auf mich selbst mich stellen kann, und der Umstand, daß ich doch nach etwas Festem verlange, dies wirft mich von der Reflexion zurück und führt mich auf das Festhalten an dem Inhalt in der Gestalt, wie er gegeben ist. Doch ist diese Rückkehr zum Inhalt nicht durch die Form der inneren Notwendigkeit vermittelt und nur eine Folge der Verzweiflung, daß ich nicht aus noch ein und mir nicht anders als durch jenen Schritt zu helfen weiß. Oder es wird darauf reflektiert, wie die Religion wundervoll sich ausgebreitet hat und wie Millionen in ihr Trost, Befriedigung und Würde gefunden haben. Von dieser Autorität sich abzusondern erklärt man für gefährlich und stellt dagegen die Autorität der eigenen Meinung zurück. Allein auch dies ist noch eine schiefe Wendung, daß so die eigene Überzeugung der Autorität des Allgemeinen unterworfen und gegen sie beschwichtigt wird. Die Beruhigung liegt nur in der Vermutung, so wie es Millionen ansehen, so müsse es wohl recht sein, und es bleibt die Möglichkeit, daß die Sache, wenn man sie noch einmal ansieht, sich anders zeigt.
Alle diese Wendungen können in die Form von Beweisen für die Wahrheit der Religion gebracht werden, und sie haben von den Apologeten diese Form erhalten. Allein damit wird nur die Form des Räsonnements und der Reflexion hereingebracht, eine Form, welche nicht den Inhalt der Wahrheit an und für sich betrifft, nur Glaubwürdigkeiten, Wahrscheinlichkeiten usf. aufzeigt und die Wahrheit, statt sie in ihrem Anundfürsichsein zu betrachten, nur im Zusammenhange mit anderen Umständen, Begebenheiten und Zuständen aufzufassen vermag. Ohnehin aber, obwohl die Apologetik mit ihren Räsonnements zum Denken und Schließen übergeht und Gründe aufstellen will, die von der Autorität verschieden sein sollen, ist ihr Hauptgrund doch nur wieder eine Autorität, nämlich die göttliche, daß Gott das Vorzustellende den Menschen geoffenbart habe. Ohne diese Autorität kann sich die Apologetik nicht einmal einen Augenblick bewegen, und ihrem Standpunkt ist dieses beständige Durcheinanderspielen des Denkens, Schließens und der Autorität wesentlich. Aber wie es denn auf diesem Standpunkt unvermeidlich ist, daß das Räsonnement ins Unendliche gehen muß, so ist auch jene höchste, göttliche Autorität wieder eine solche, die selbst erst der Begründung bedarf und auf einer Autorität beruht. Denn wir sind nicht dabeigewesen und haben Gott nicht gesehen, als er offenbarte. Es sind immer nur andere, die es uns erzählen und versichern, und eben die Zeugnisse dieser anderen, die das Geschichtliche erlebt oder es zunächst von Augenzeugen erfahren haben, sollen nach jener Apologetik die Überzeugung mit dem zeitlich und räumlich von uns getrennten Inhalt zusammenschließen. Doch auch diese Vermittlung ist nicht absolut sicher; denn es kommt hier darauf an, wie das Medium, das zwischen uns und dem Inhalt steht, die Wahrnehmung anderer beschaffen ist. Die Fähigkeit wahrzunehmen verlangt prosaischen Verstand und die Bildung desselben, also Bedingungen, die bei den Alten nicht vorhanden waren, denn diesen fehlte die Fähigkeit, die Geschichte nach ihrer Endlichkeit aufzufassen und, was darin die innere Bedeutung ist, herauszunehmen, da für sie der Gegensatz des Poetischen und Prosaischen noch nicht in seiner ganzen Schärfe gesetzt war. Und setzen wir das Göttliche in das Geschichtliche, so fallen wir immer in das Schwankende und Unstete, das allem Geschichtlichen eigen ist. Den Wundern, von denen die Apostel berichten, setzt sich der prosaische Verstand und der Unglaube entgegen und nach der objektiven Seite die Unverhältnismäßigkeit des Wunders und des Göttlichen.
Wenn nun aber auch alle jene Weisen, den Zusammenhang des Inhalts der Vorstellung mit dem Selbstbewußtsein zu vermitteln, einmal ihren Zweck erreichen, wenn das apologetische Räsonnement mit seinen Gründen manchen zur Überzeugung gebracht hat oder ich mit den Bedürfnissen, Trieben und Schmerzen meines Herzens in dem Inhalt der Religion Trost und Beruhigung gefunden habe, so ist das nur zufällig, daß es so geschehen ist, und hängt davon ab, daß gerade dieser Standpunkt der Reflexion und des Gemüts noch nicht beunruhigt war und noch nicht die Ahnung eines Höheren in sich erweckt hatte. Es ist also von einem zufälligen Mangel abhängig.
Ich bin aber nicht bloß dieses Herz und Gemüt oder diese gutmütige, der verständigen Apologetik willfährige und unbefangen entgegenkommende Reflexion, die sich nur freuen kann, wenn sie die ihr entsprechenden und zusagenden Gründe vernimmt, sondern ich habe noch andere, höhere Bedürfnisse. Ich bin auch noch konkret bestimmt auf eine ganz einfache, allgemeine Weise, so daß die Bestimmtheit in mir die reine einfache Bestimmtheit ist. D. h. ich bin absolut konkretes Ich, sich in sich bestimmendes Denken - ich bin als der Begriff. Dies ist eine andere Weise, daß ich konkret bin; da suche ich nicht nur Beruhigung für mein Herz, sondern der Begriff sucht Befriedigung, und gegen diesen ist es, daß der religiöse Inhalt in der Weise der Vorstellung die Form der Äußerlichkeit behält. Wenn auch manches große und reiche Gemüt und mancher tiefe Sinn in der religiösen Wahrheit Befriedigung gefunden hat, so ist es doch der Begriff, dieses in sich konkrete Denken, was noch nicht befriedigt ist und sich zunächst als der Trieb der vernünftigen Einsicht geltend macht. Wenn sich das an sich noch unbestimmte Wort "Vernunft, vernünftige Einsicht" nicht bloß darauf reduziert, daß in mir irgend etwas als äußerliche Bestimmung gewiß sei, sondern das Denken sich dahin bestimmt hat, daß der Gegenstand mir für sich selbst feststehe und in sich gegründet sei, so ist es der Begriff als das allgemeine Denken, das sich in sich besondert und in der Besonderung mit sich identisch bleibt. Welchen weiteren Inhalt in bezug auf den Willen, Intelligenz ich im Vernünftigen habe: das ist immer das Substantielle, daß solcher Inhalt so als in sich gegründet von mir gewußt werde, daß ich darin das Bewußtsein des Begriffs habe, d. h. nicht nur die Überzeugung, die Gewißheit und Gemäßheit mit sonst für wahr gehaltenen Grundsätzen, unter die ich ihn subsumiere, sondern daß ich darin die Wahrheit als Wahrheit, in der Form der Wahrheit - in der Form des absolut Konkreten und des schlechthin und rein in sich Zusammenstimmenden habe.
So ist es, daß sich die Vorstellung in die Form des Denkens auflöst, und jene Bestimmung der Form ist es, welche die philosophische Erkenntnis der Wahrheit hinzufügt. Es erhellt aber hieraus, daß es der Philosophie um nichts weniger zu tun ist, als die Religion umzustoßen und nun etwa zu behaupten, daß der Inhalt der Religion nicht für sich selbst Wahrheit sein könne; vielmehr ist die Religion eben der wahrhafte Inhalt, nur in Form der Vorstellung, und die Philosophie soll nicht erst die substantielle Wahrheit geben, noch hat die Menschheit erst auf die Philosophie zu warten gehabt, um das Bewußtsein der Wahrheit zu empfangen.
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