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G.W.F. HEGEL: Vorlesungen über die Philosophie der Religion
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I. Die Notwendigkeit des religiösen Standpunktes
Die allgemeine Notwendigkeit des Begriffs entwickelt sich nun so, daß die Religion 1. als Resultat gefaßt wird, aber 2. als Resultat, das sich ebenso aufhebt, Resultat zu sein, und daß es 3. der Inhalt selbst ist, welcher an ihm und durch ihn selbst dazu übergeht, sich als Resultat zu setzen. Das ist die objektive Notwendigkeit, nicht aber ein bloß subjektives Geschäft; nicht wir setzen diese Notwendigkeit in Bewegung, sondern es ist das Tun des Inhalts selbst, oder der Gegenstand bringt sich selbst hervor. Die subjektive Ableitung und Bewegung des Erkennens kommt z. B. in der Geometrie vor: das Dreieck geht nicht selbst den Weg, den wir im Erkennen und Beweisen zurücklegen.
Bei der Religion als Geistigem überhaupt ist es aber unmittelbar der Fall, daß sie in ihrem Dasein selbst dieser Prozeß und dies Übergehen ist. Bei natürlichen Dingen, z. B. der Sonne, haben wir eine unmittelbare ruhende Existenz vor uns, und in der Anschauung oder Vorstellung derselben ist nicht das Bewußtsein eines Übergangs enthalten. Das religiöse Bewußtsein dagegen ist in sich selbst das Abscheiden und Verlassen des Unmittelbaren, Endlichen und Übergang zum Intellektuellen oder, objektiv bestimmt, die Sammlung des Vergänglichen in sein absolutes, substantielles Wesen. Die Religion ist das Bewußtsein des an und für sich Wahren im Gegensatze der sinnlichen, endlichen Wahrheit und der Wahrnehmung. Sie ist demnach Erhebung, Reflexion, Übergehen vom Unmittelbaren, Sinnlichen, Einzelnen, denn das Unmittelbare ist das Erste und darum nicht Erhebung, - also ein Aus- und Fortgehen zu einem Anderen, aber nicht zu einem Dritten und so fort, denn so wäre das Andere selbst wieder ein Endliches, nicht ein Anderes, - somit Fortgang zu einem Zweiten, aber so, daß dies Fortgehen und Hervorbringen eines Zweiten sich selbst aufhebt und vielmehr dies Zweite das Erste, das wahrhaft Unvermittelte und Nichtgesetzte sei. Der Standpunkt der Religion zeigt sich in diesem Übergange als den Standpunkt der Wahrheit, in welcher der ganze Reichtum der natürlichen und geistigen Welt enthalten ist. Alle andere Weise der Existenz dieses Reichtums muß sich da beweisen als äußerliche, dürftige, kümmerliche und sich selbst widersprechende und zerstörende Weise der Wirklichkeit, die das Ende der Wahrheit, die Seite der Unwahrheit an ihr hat und erst auf dem Standpunkt der Religion in ihren Grund und ihre Quelle zurückkehrt. In diesem Beweis ist dann die Einsicht begründet, daß der Geist auf keiner jener Stufen stehenbleiben, sich halten kann und daß die Religion erst dann wahrhafte Wirklichkeit des Selbstbewußtseins sei.
Was den Beweis dieser Notwendigkeit betrifft, so möge folgendes hinreichen.
Darin, daß etwas als notwendig gezeigt werden soll, liegt also, daß von einem Anderen ausgegangen werde. Dieses Andere hier des wahrhaften, göttlichen Seins ist das ungöttliche Sein, die endliche Welt, das endliche Bewußtsein. Wenn nun von diesem als dem Unmittelbaren, Endlichen, Unwahren, und zwar von ihm als einem Gegenstande unseres Wissens und wie wir es unmittelbar als das, was es in seiner bestimmten Qualität ist, auffassen - wenn also in dieser Weise vom Ersten angefangen wird, so zeigt es sich im Fortgange, nicht das zu sein, als was es sich unmittelbar gibt, sondern als sich selbst zerstörend, werdend, sich fortschickend zu einem Anderen. Von dem Endlichen, mit dem wir anfangen, sagt uns daher nicht unsere Reflexion und Betrachtung, unser Urteil, daß es ein Wahres zu seinem Grunde habe, nicht wir bringen seinen Grund herbei, sondern es zeigt an ihm selbst, daß es sich in ein Anderes, in ein Höheres, als es selber ist, auflöse. Wir folgen dem Gegenstande, wie er zur Quelle seiner Wahrheit für sich selbst zurückgeht.
Indem nun der Gegenstand, von dem angefangen wird, in seiner Wahrheit zugrunde geht und sich selbst aufopfert, so ist er damit nicht verschwunden, sein Inhalt ist vielmehr in der Bestimmung seiner Idealität gesetzt. Ein Beispiel dieser Aufhebung und Idealität haben wir am Bewußtsein: ich beziehe mich auf einen Gegenstand und betrachte denselben dann, wie er ist. Der Gegenstand, den ich zugleich von mir unterscheide, ist selbständig; ich habe ihn nicht gemacht, er hat nicht auf mich gewartet, damit er sei, und er bleibt, wenn ich auch von ihm hinweggehe. Beide, Ich und der Gegenstand, sind also zwei Selbständige; aber das Bewußtsein ist zugleich die Beziehung dieser beiden Selbständigen, in welcher beide als Eins gesetzt sind; indem ich vom Gegenstande weiß, so sind in meiner einfachen Bestimmtheit diese zwei, Ich und das Andere, in Einem. Wenn wir dies wahrhaft auffassen, so haben wir nicht nur das negative Resultat, daß das Einssein und das Selbständigsein Zweier sich aufhebe. Die Aufhebung ist nicht nur die leere Negation, sondern das Negative derer, von denen ich ausgegangen bin. Das Nichts ist also nur das Nichts der Selbständigkeit beider, das Nichts, worin beide Bestimmungen aufgehoben und ideell enthalten sind.
Wollten wir nun in dieser Weise sehen, wie das natürliche und geistige Universum in ihre Wahrheit, in den religiösen Standpunkt zurückgehen, so würde die ausführliche Betrachtung dieses Rückganges den ganzen Kreis der philosophischen Wissenschaften bilden. Wir hätten hier anzufangen mit der Natur; diese ist das Unmittelbare; der Natur stände dann der Geist gegenüber, und beide sind endlich, insofern sie einander gegenüberstehen.
Es könnten hier nun zwei Betrachtungsweisen unterschieden werden.
Zunächst könnten wir betrachten, was die Natur und der Geist an sich sind. Diese Betrachtung würde zeigen, daß sie an sich in der einen Idee identisch und beide nur die Abspiegelung von einem und demselben sind oder daß sie in der Idee ihre eine Wurzel haben. Dies würde aber selbst noch eine abstrakte Betrachtung sein, die sich auf das beschränkt, was jene Gegensätze an sich sind, und sie nicht nach der Idee und Realität auffaßt. Die Unterschiede, die wesentlich zur Idee gehören, wären unbeachtet gelassen. Diese absolute Idee ist das Notwendige, ist das Wesen beider, der Natur und des Geistes, worin, was ihren Unterschied, ihre Grenze und Endlichkeit ausmacht, wegfällt. Das Wesen des Geistes und der Natur ist eines und dasselbe, und in dieser Identität sind sie nicht mehr, was sie in ihrer Trennung und Qualität sind. Bei dieser Betrachtung ist es aber unsere erkennende Tätigkeit, welche diesen beiden ihren Unterschied abstreift und ihre Endlichkeit aufhebt. Es fällt außer diese begrenzten Welten, daß sie begrenzte sind und daß ihre Grenze in der Idee, die ihre Einheit ist, verschwindet. Dieses Hinwegfallen der Grenze ist ein Wegsehen, das in unsere erkennende Tätigkeit fällt. Wir heben die Form ihrer Endlichkeit auf und kommen zu ihrer Wahrheit. Diese Weise zu fassen ist insofern mehr subjektiver Art, und was sich als die Wahrheit dieser Endlichkeit darstellt, ist die an sich seiende Idee - die Spinozistische Substanz oder das Absolute, wie es Schelling gefaßt hat. Man zeigt von den natürlichen Dingen wie von der geistigen Welt, daß sie endlich sind, daß das Wahre das Verschwinden ihrer Grenze in der absoluten Substanz und daß diese die absolute Identität beider, des Subjektiven und Objektiven, des Denkens und des Seins ist. Aber sie ist nur diese Identität. Die Formbestimmtheit und Qualität ist von uns hinweggetan und fällt nicht in die Substanz, die deshalb starre, kalte, bewegungslose Notwendigkeit ist, in der das Erkennen, die Subjektivität sich nicht befriedigen kann, weil es seine Lebendigkeit und seine Unterschiede in ihr nicht wiederfindet. Auch in der gewöhnlichen Andacht findet sich diese Erscheinung: man erhebt sich über die Endlichkeit, vergißt dieselbe; aber darum, daß man sie vergessen hat, ist sie noch nicht wahrhaft aufgehoben.
Das zweite ist die Auffassung der Notwendigkeit, daß das Sichaufheben des Endlichen und das Setzen des Absoluten objektiver Natur ist. Es muß von der Natur und dem Geist gezeigt werden, daß sie sich selbst nach ihrem Begriff aufheben, und ihre Endlichkeit darf nicht nur durch subjektive Wegnahme ihrer Grenze entfernt werden. Dies ist dann die Bewegung des Denkens, die ebenso Bewegung der Sache ist, und es ist der Prozeß der Natur und des Geistes selbst, aus dem das Wahre hervorgeht. So wird
a) die Natur betrachtet als das, was sie an ihr selbst ist, als der Prozeß, dessen letzte Wahrheit der Übergang zum Geist ist, so daß der Geist sich als die Wahrheit der Natur beweist. Das ist die eigene Bestimmung der Natur, daß sie sich aufopfert, verbrennt, so daß aus diesem Brandopfer die Psyche hervorbricht und die Idee sich in ihr eigenes Element, in ihren eigenen Äther erhebt. Diese Aufopferung der Natur ist ihr Prozeß und hat näher die Bestimmung, daß sie als Fortgang durch eine Stufenleiter erscheint, wo die Unterschiede in der Form des Außereinanderseins da sind. Der Zusammenhang ist nur ein Inneres. Die Momente, die die Idee im Kleide der Natur durchläuft, sind eine Reihe von selbständigen Gestalten. Die Natur ist die Idee an sich und nur an sich, und die Weise ihres Daseins ist, außer sich zu sein in vollkommener Äußerlichkeit. Die nähere Weise ihres Fortgangs ist aber die, daß der in ihr verschlossene Begriff durchbricht, die Rinde des Außersichseins in sich zieht, idealisiert und, indem er die Schale des Kristalls durchsichtig macht, selbst in die Erscheinung tritt. Der innerliche Begriff wird äußerlich, oder umgekehrt: die Natur vertieft sich in sich, und das Äußerliche macht sich zur Weise des Begriffs. So tritt eine Äußerlichkeit hervor, welche selbst ideell und in der Einheit des Begriffs gehalten ist. Dies ist die Wahrheit der Natur, das Bewußtsein. Im Bewußtsein bin ich der Begriff, und das, was für mich ist, wovon ich ein Bewußtsein habe, ist mein Dasein überhaupt. Dies ist in der Natur nicht Gewußtes, nur ein Äußerliches, und der Geist erst weiß die Äußerlichkeit und setzt sie mit sich identisch. In der Empfindung, der höchsten Spitze und dem Ende der Natur, ist schon ein Fürsichsein enthalten, so daß die Bestimmtheit, die etwas hat, zugleich ideell und in das Subjekt zurückgenommen ist. Die Qualitäten eines Steines sind einander äußerlich, und der Begriff, den wir davon auffassen, ist nicht in ihm. In der Empfindung hingegen sind nicht äußerliche Qualitäten als solche, sondern sie sind in sich reflektiert, und hier fängt Seele, Subjektivität an. Da ist die Identität, die als Schwere nur Trieb und Sollen ist, in die Existenz getreten. In der Schwere bleibt immer noch ein Außereinander, die verschiedenen Punkte repellieren einander, und dieser eine Punkt, der die Empfindung ist, das Insichsein, kommt nicht hervor. Das ganze Drängen und Leben der Natur geht aber nach der Empfindung und nach dem Geiste hin. Indem nun der Geist in diesem Fortgange als notwendig durch die Natur, als durch sie vermittelt erscheint, so ist diese Vermittlung eine solche, die sich selbst zugleich aufhebt. Das aus der Vermittlung Hervorgehende zeigt sich als den Grund und die Wahrheit desjenigen, woraus es hervorgegangen ist. Dem philosophischen Erkennen ist der Fortgang ein Strom mit entgegengesetzter Richtung fortleitend zum Anderen, aber so zugleich rückwirkend, daß dasjenige, was als das Letzte, als im Vorhergehenden begründet erscheint, vielmehr als das Erste, als der Grund erscheint.
b) Der Geist selbst ist zunächst unmittelbar; für sich ist er dadurch, daß er zu sich selbst kommt, und seine Lebendigkeit ist es, durch sich selbst für sich zu werden. In diesem Prozeß sind wesentlich zwei Seiten zu unterscheiden: einmal was der Geist an und für sich ist und zweitens seine Endlichkeit. Erst ist er verhältnislos, ideell, verschlossen in der Idee; in dem Zweiten, in seiner Endlichkeit, ist er Bewußtsein und steht er, da Anderes für ihn ist, im Verhältnisse. Die Natur ist nur Erscheinung; Idee ist sie für uns in der denkenden Betrachtung; also diese ihre eigene Verklärung, der Geist, fällt außer ihr. Die Bestimmung des Geistes ist dagegen, daß die Idee in ihn selbst falle und das Absolute, das an und für sich Wahre für ihn sei. In seiner Unmittelbarkeit ist der Geist noch endlich, und diese Endlichkeit hat die Form, daß zunächst, was er an und für sich ist, von dem, was in sein Bewußtsein fällt, unterschieden ist. Seine Bestimmung und seine Unendlichkeit ist nun aber, daß sein Bewußtsein und seine Idee sich ausgleichen. Diese Vollendung des Geistes und die Ausgleichung der Unterschiede jenes Verhältnisses kann nach dieser doppelten Seite des Anundfürsichseins und des Bewußtseins desselben gefaßt werden. Beides ist zunächst unterschieden: es ist nicht für das Bewußtsein, was an und für sich ist, und dieses hat noch die Gestalt des Anderen für den Geist. Beides steht aber auch so in Wechselwirkung, daß der Fortgang des einen zugleich die Fortbildung des anderen ist. In der Phänomenologie des Geistes ist dieser in seiner Erscheinung als Bewußtsein und die Notwendigkeit seines Fortgangs bis zum absoluten Standpunkt betrachtet. Da sind die Gestalten des Geistes, die Stufen, die er produziert, so betrachtet, wie sie in sein Bewußtsein fallen. Das aber, was der Geist weiß, was er als Bewußtsein ist, das ist nur das eine; das andere ist die Notwendigkeit dessen, was der Geist weiß und was für ihn ist. Denn das Eine, daß für den Geist seine Welt ist, ist eben nur und erscheint als zufällig; das Andere, die Notwendigkeit, daß diese Welt für ihn geworden ist, ist nicht für den Geist auf dieser Stufe des Bewußtseins, geht im Geheimen gegen ihn vor, ist nur für die philosophische Betrachtung und fällt in die Entwicklung dessen, was der Geist seinem Begriff nach ist. In dieser Entwicklung kommt es nun zu einer Stufe, wo der Geist zu seinem absoluten Bewußtsein gelangt, auf welcher die Vernünftigkeit als eine Welt für ihn ist; und indem er auf der andern Seite nach der Weise des Bewußtseins sich zum Bewußtsein des Anundfürsichseins der Welt ausbildet, so ist hier der Punkt, wo die beiden Weisen, die erst verschieden waren, zusammenfallen. Die Vollendung des Bewußtseins ist, daß der wahrhafte Gegenstand für es sei, und die Vollendung des Gegenstandes, des Substantiellen, der Substanz ist die, daß sie für sich sei, d. h. sich von sich unterscheide und sich selbst zum Gegenstand habe. Das Bewußtsein treibt sich fort zum Bewußtsein des Substantiellen, und dieses, der Begriff des Geistes, treibt sich fort zur Erscheinung und zum Verhältnis, für sich zu sein. Dieser letzte Punkt, wo die Bewegung beider Seiten zusammentrifft, ist die sittliche Welt, der Staat. Da ist die Freiheit des Geistes die in ihrem Wege selbständig wie die Sonne fortgeht, ein vorhandener, vorgefundener Gegenstand als eine Notwendigkeit und daseiende Welt. Ebenso ist hier das Bewußtsein vollendet, und jeder findet sich in dieser Welt des Staates fertig und hat in ihr seine Freiheit. Das Bewußtsein, das Fürsichsein und das substantielle Wesen haben sich ausgeglichen.
c) Diese Erscheinung des göttlichen Lebens ist aber selbst noch in der Endlichkeit, und die Aufhebung dieser Endlichkeit ist der religiöse Standpunkt, auf welchem Gott als die absolute Macht und Substanz, in welche der ganze Reichtum der natürlichen wie der geistigen Welt zurückgegangen ist, Gegenstand des Bewußtseins ist. Der religiöse Standpunkt als Entwicklung des natürlichen und geistigen Universums ergibt sich in diesem Fortgange als absolut Wahres und Erstes, das nichts hinter sich zu liegen hat als eine bleibende Voraussetzung, sondern den ganzen Reichtum in sich aufgezehrt hat. Die Notwendigkeit ist vielmehr, daß dieser gesamte Reichtum sich in seine Wahrheit versenkt hat, nämlich in das an und für sich seiende Allgemeine. Aber indem dies Allgemeine an und für sich bestimmt und als konkret, als Idee selbst dies ist, sich von sich abzustoßen, so entwickelt es aus sich die Bestimmtheit und setzt es sich für das Bewußtsein.
Die Formen dieser Entwicklung und Selbstbestimmung des Allgemeinen sind die logischen Hauptmomente, die ebenso die Form von allem dem früher genannten Reichtum ausmachen. Die Entwicklung Gottes in ihm selbst ist somit dieselbe logische Notwendigkeit, welche die des Universums ist, und dieses ist an sich nur insofern göttlich, als es auf jeder Stufe die Entwicklung dieser Form ist.
Zunächst ist diese Entwicklung in Ansehung des Stoffes zwar verschieden, als sie in der reinen Allgemeinheit vorgehend nur göttliche Gestaltungen und Momente gibt, im Felde der Endlichkeit hingegen endliche Gestalten und Sphären. Dieser Stoff also und seine Gestaltungen sind insofern ganz verschieden, ungeachtet die Form der Notwendigkeit dieselbe ist. Aber ferner sind auch diese beiden Stoffe - die Entwicklung Gottes in sich und die Entwicklung des Universums - nicht absolut verschieden. Die göttliche Idee hat die Bedeutung, daß sie das absolute Subjekt, die Wahrheit des Universums der natürlichen und geistigen Welt, nicht bloß ein abstrakt Anderes ist. Es ist daher derselbe Stoff. Es ist die intellektuelle, göttliche Welt, das göttliche Leben in ihm selbst, das sich entwickelt; aber diese Kreise seines Lebens sind dieselben wie die des Weltlebens. Dieses, das göttliche Leben in der Weise der Erscheinung, in der Form der Endlichkeit, ist in jenem ewigen Leben in seiner ewigen Gestalt und Wahrheit, sub specie aeterni angeschaut. So haben wir endliches Bewußtsein, endliche Welt, Natur, was in der Welt der Erscheinung vorkommt. Dies macht überhaupt den Gegensatz des Anderen zur Idee aus. In Gott kommt auch das Andere der einfachen Idee, die noch in ihrer Substantialität ist, vor; da aber behält es die Bestimmung seiner Ewigkeit und bleibt in der Liebe und in der Göttlichkeit. Dieses im Stande des Anundfürsichseins bleibende Andere ist aber die Wahrheit des Anderen, wie es als endliche Welt und als endliches Bewußtsein erscheint. Der Stoff, dessen Notwendigkeit wir betrachtet haben, ist daher an und für sich selbst derselbe, wie er in der göttlichen Idee als an und für sich vorkommt und wie er als der Reichtum der endlichen Welt erscheint, denn diese hat ihre Wahrheit und Verklärung nur in jener Welt der Idee.
Die Notwendigkeit, die dem religiösen Standpunkt, wenn er aus den vorhergehenden Stufen der natürlichen und geistigen Welt abgeleitet wird, im Rücken zu liegen schien, liegt also, wie wir nun sehen, in ihm selbst und ist so als seine innere Form und Entwicklung zu setzen. Indem wir nun zu dieser Entwicklung übergehen, fangen wir selbst wieder mit der Form der Erscheinung an und betrachten zunächst das Bewußtsein, wie es auf diesem Standpunkt in Verhältnis erscheint und die Formen dieses Verhältnisses bearbeitet und entwickelt, bis sich die innere Notwendigkeit im Begriff selbst entwickelt und vollendet.
G.W.F. Hegel
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