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G.W.F. HEGEL
Vorlesungen über die Philosophie der Religion

 

Erster Teil. Der Begriff der Religion

Das, womit wir anzufangen haben, ist die Frage: wie haben wir einen Anfang zu gewinnen?
Es ist eine wenigstens formelle Forderung aller Wissenschaft, besonders der Philosophie, daß darin nichts vorkomme, was nicht
bewiesen ist. Beweisen im oberflächlichen Sinne heißt, daß ein Inhalt, Satz, Begriff aufgezeigt werde als resultierend aus etwas Vorhergehendem.

Aber wenn angefangen werden soll, hat man noch nicht bewiesen, denn man ist noch nicht bei etwas Resultierendem, bei einem Vermittelten, durch anderes Gesetzten. Im Anfang ist man beim Unmittelbaren. Die anderen Wissenschaften haben dies in ihrer Art bequem, denn für sie ist der Gegenstand als ein gegebener vorhanden; so wird z. B. in der Geometrie angefangen: es gibt einen Raum, Punkt. Vom Beweisen des Gegenstandes ist da nicht die Rede, ihn gibt man unmittelbar zu.

In der Philosophie ist es nicht erlaubt, einen Anfang zu machen mit "es gibt, es ist", denn in ihr sollen wir nicht den Gegenstand voraussetzen. Es kann dies eine Schwierigkeit ausmachen in Ansehung der Philosophie überhaupt. Aber wir fangen hier nicht von vorne an in der Philosophie; die Religionswissenschaft ist eine Wissenschaft in der Philosophie, setzt insofern die anderen philosophischen Disziplinen voraus, ist also Resultat. Nach der philosophischen Seite sind wir hier bereits bei einem Resultat von Vordersätzen, die hinter unserem Rücken liegen. Zur Aushilfe können wir uns jedoch an unser gewöhnliches Bewußtsein wenden, ein Zugegebenes, auf subjektive Weise Vorausgesetztes aufnehmen und von ihm den Anfang machen.

Der Anfang der Religion ist seinem allgemeinen Inhalte nach der noch eingehüllte Begriff der Religion selbst, daß Gott die absolute Wahrheit, die Wahrheit von allem und daß die Religion allein das absolute wahre Wissen ist. Wir haben so von Gott zu handeln und den Anfang zu machen.

 

 

 

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