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  G.W.F. HEGEL: Vorlesungen über die Philosophie der Religion 

 

A. Von Gott

Was Gott ist, ist für uns, die Religion haben, ein Bekanntes, ein Inhalt, der im subjektiven Bewußtsein vorhanden ist; aber wissenschaftlich betrachtet ist zunächst Gott ein allgemeiner abstrakter Name, der noch keinen wahrhaften Gehalt bekommen hat. Denn die Religionsphilosophie erst ist die Entwicklung, Erkenntnis dessen, was Gott ist, und durch sie erfährt man erst auf erkennende Weise, was Gott ist. Gott ist diese sehr wohl bekannte, aber eine wissenschaftlich noch nicht entwickelte, erkannte Vorstellung.

Mit der Hinweisung auf diese in unserer Wissenschaft sich selbst rechtfertigende Entwicklung nehmen wir es zunächst als eine Versicherung auf, daß es Resultat der Philosophie ist, daß Gott das absolut Wahre, das an und für sich Allgemeine, alles Befassende, Enthaltende und allem Bestandgebende ist. Und in Ansehung dieser Versicherung können wir uns ebenso zunächst auf das religiöse Bewußtsein berufen, welches die Überzeugung hat, daß Gott das absolut Wahre überhaupt ist, von dem alles ausgeht und in das alles zurückgeht, von dem alles abhängig ist, und daß sonst anderes nicht absolute, wahrhafte Selbständigkeit hat. Das ist nun der Inhalt des Anfangs.

Dieser Anfang ist wissenschaftlich noch abstrakt; so voll die Brust von dieser Vorstellung sein kann, so ist es im Wissenschaftlichen nicht darum zu tun, was in der Brust, sondern um das, was herausgesetzt ist als Gegenstand für das Bewußtsein, näher für das denkende Bewußtsein,
- was die Form des Gedankens erlangt hat. Dieser Fülle die Form des Gedankens, Begriffs zu geben, ist das Geschäft unserer Wissenschaft.

a) Der Anfang als abstrakt, als der erste Inhalt, die Allgemeinheit, hat so noch gleichsam eine subjektive Stellung, hat die Stellung, als ob das Allgemeine nur für den Anfang so allgemein wäre und nicht in dieser Allgemeinheit bliebe. Der Anfang des Inhalts ist aber selbst so aufzufassen, daß bei allen weiteren Entwicklungen dieses Inhalts - indem dies Allgemeine sich als ein absolut Konkretes, Inhaltsvolles, Reiches zeigen wird - wir zugleich aus dieser Allgemeinheit nicht heraustreten, so daß diese Allgemeinheit, die wir der Form nach einerseits verlassen, indem sie zu einer bestimmten Entwicklung fortgeht, sich doch als absolute, dauernde Grundlage erhält, nicht als bloß subjektiver Anfang zu nehmen ist.

Gott ist für uns, indem er das Allgemeine ist, in Beziehung auf die Entwicklung das in sich Verschlossene, in absoluter Einheit mit sich selbst. Wenn wir sagen: Gott ist das Verschlossene, so ist das ausgedrückt in Beziehung auf eine Entwicklung, die wir erwarten; aber die Verschlossenheit, was Allgemeinheit Gottes von uns genannt worden, ist in dieser Beziehung auf Gott selbst, auf den Inhalt selbst nicht zu fassen als eine abstrakte Allgemeinheit, außerhalb welcher das Besondere, gegen welche das Besondere noch selbständig wäre.

So ist nun diese Allgemeinheit als die absolut volle, erfüllte zu fassen. Gott als dieses Allgemeine, das in sich Konkrete, Volle ist dies, daß Gott nur Einer ist und nicht im Gegensatz gegen viele Götter; sondern es ist nur das Eine, Gott.

Die Dinge, Entwicklungen der natürlichen und geistigen Welt sind mannigfache Gestalten, unendlich vielgeformtes Dasein; sie haben ein Sein von unterschiedenem Grad, Kraft, Stärke, Inhalt. Aber das Sein aller dieser Dinge ist ein solches, das nicht selbständig, sondern schlechthin nur ein getragenes, gesetztes ist, nicht wahrhafte Selbständigkeit hat. Wenn wir den besonderen Dingen ein Sein zuschreiben, so ist das nur ein geliehenes Sein, nur der Schein eines Seins, nicht das absolut selbständige Sein, das Gott ist.

Gott in seiner Allgemeinheit, dies Allgemeine, in welchem keine Schranke, Endlichkeit, Besonderheit ist, ist das absolute Bestehen und allein das Bestehen; und was besteht, hat seine Wurzel, sein Bestehen nur in diesem Einen. Wenn wir diesen ersten Inhalt so auffassen, so können wir uns ausdrücken: Gott ist die absolute Substanz, die allein wahrhafte Wirklichkeit. Alles andere, was wirklich ist, ist nicht für sich wirklich, hat kein Bestehen für sich; die einzig absolute Wirklichkeit ist allein Gott; so ist er die absolute Substanz.

Hält man diesen Gedanken so abstrakt fest, so ist es allerdings Spinozismus. Die Substantialität, die Substanz als solche ist noch gar nicht unterschieden von der Subjektivität. Aber zu der gemachten Voraussetzung gehört auch dies: Gott ist der Geist, der absolute Geist, der ewig einfache, wesentlich bei sich seiende Geist. Diese Idealität, Subjektivität des Geistes, welche Durchsichtigkeit, Idealität von allem Besonderen ist, ist ebenso diese Allgemeinheit, diese reine Beziehung auf sich selbst, das absolute Beisichselbstsein und -bleiben.

Wenn wir sagen "Substanz", so liegt darin, daß dies Allgemeine noch nicht gefaßt ist als konkret in sich; wird es so gefaßt, als konkret in sich, so ist es Geist; dieser bleibt auch in seiner konkreten Bestimmung in sich diese Einheit mit sich, diese eine Wirklichkeit, welche wir soeben Substanz hießen. Eine weitere Bestimmung ist es, daß die Substantialität, die Einheit der absoluten Wirklichkeit mit sich selbst, nur Grundlage, ein Moment in der Bestimmung Gottes als Geistes ist. Die Verunglimpfung der Philosophie geht vornehmlich von dieser Seite aus: man sagt, die Philosophie müsse Spinozismus sein, wenn sie konsequent sei; und so sei sie Atheismus, Fatalismus.

Aber beim Anfang hat man noch nicht unterschiedene Bestimmungen, Eines und ein Anderes: beim Anfang ist man nur beim Einen, nicht beim Anderen. Von solchem Anfang her haben wir zunächst den Inhalt noch in Form der Substantialität.  Auch wenn wir sagen "Gott, Geist", so sind das unbestimmte Worte, Vorstellungen. Es kommt darauf an, was ins Bewußtsein getreten ist. Zuerst tritt das Einfache, das Abstrakte ins Bewußtsein. In dieser ersten Einfachheit haben wir Gott noch in der Bestimmung der Allgemeinheit, bei der wir aber nicht bleiben.

Dieser Inhalt bleibt aber gleichwohl die Grundlage; in aller weiteren Entwicklung tritt Gott nicht aus seiner Einheit mit sich selbst heraus. Indem er, wie man gewöhnlich sagt, die Welt erschafft, entsteht nicht ein Böses, Anderes, das selbständig, unabhängig wäre.

b) Dieser Anfang ist Gegenstand für uns oder Inhalt in uns; wir haben diesen Gegenstand. So ist die unmittelbare Frage: wer sind wir? Wir, Ich, der Geist ist selbst ein sehr Konkretes, Mannigfaches: ich bin anschauend, sehe, höre usf. Alles das bin ich, dies Fühlen, Sehen. Der nähere Sinn dieser Frage ist also: nach welcher jener Bestimmungen ist dieser Inhalt für unsere Sinne?
Vorstellung, Wille, Phantasie, Gefühl? Welches ist der
Ort, wo dieser Inhalt, Gegenstand zu Hause ist? Welches ist der Boden dieses Gehalts?

Wenn man sich an die gang und gäben Antworten erinnert in dieser Rücksicht, so ist Gott in uns als glaubend, fühlend, vorstellend, wissend. Diese Formen, Vermögen, Seiten von uns, Gefühl, Glaube, Vorstellung haben wir nachher näher zu betrachten, besonders in Beziehung auf diesen Punkt selbst. Wir sehen uns nicht um nach einer Antwort irgendeiner Art, richten uns nicht nach Erfahrungen, Beobachtungen, daß wir Gott im Gefühl usf. haben; zunächst halten wir uns an das, was wir vor uns haben, dieses Eine, Allgemeine, diese Fülle, die dieser sich selbst gleichbleibende, durchsichtige Äther ist.

Nehmen wir dies Eine vor uns und fragen: für welches unserer Vermögen, Tätigkeiten des Geistes ist dieses Eine, schlechthin Allgemeine?, so können wir nur die entsprechende Tätigkeit unseres Geistes nennen als den Boden, worauf dieser Inhalt zu Hause sein kann. Das ist das Denken.

Denken ist allein der Boden dieses Inhalts, die Tätigkeit des Allgemeinen, das Allgemeine in seiner Tätigkeit, Wirksamkeit; oder sprechen wir es aus als Auffassen des Allgemeinen, so ist das, für welches das Allgemeine ist, immer das Denken.

Dieses Allgemeine, was vom Denken produziert werden kann und für das Denken ist, kann ganz abstrakt sein; so ist es das Unermeßliche, Unendliche, das Aufheben aller Schranke, Besonderheit. Dieses zunächst negative Allgemeine hat seinen Sitz nur im Denken.

Wenn wir an Gott denken, so sprechen wir dabei diesen Gang auch aus, daß wir über das Sinnliche, Äußerliche, Einzelne uns erheben; es wird eine Erhebung ausgesprochen zum Reinen, mit sich Einigen. Diese Erhebung ist Hinausgehen über das Sinnliche und das bloße Gefühl in die reine Region des Allgemeinen, und diese Region ist das Denken.

Dies ist nach subjektiver Weise der Boden für diesen Inhalt. Der Inhalt ist dies absolut Scheidungslose, Ununterbrochene, bei sich selbst Bleibende, das Allgemeine, und das Denken ist die Weise, für welche dies Allgemeine ist.

So haben wir einen Unterschied zwischen dem Denken und dem Allgemeinen, das wir zunächst Gott nannten; es ist ein Unterschied, der zunächst nur unserer Reflexion zukommt, der für sich im Inhalt noch ganz und gar nicht enthalten ist. Es ist Resultat der Philosophie, wie schon Glaube der Religion, daß Gott die eine, wahrhafte Wirklichkeit ist, sonst gar keine. In dieser einen Wirklichkeit und reinen Klarheit hat die Wirklichkeit und der Unterschied, den wir Denkendes nennen, noch keinen Platz.

Was wir vor uns haben, ist dies eine Absolute. Diesen Inhalt, diese Bestimmung können wir noch nicht Religion nennen; dazu gehört subjektiver Geist, Bewußtsein.
Das Denken ist der Ort dieses Allgemeinen, aber dieser Ort ist zunächst absorbiert in diesem Einen, Ewigen, an und für sich Seienden. In dieser wahrhaften, absoluten Bestimmung, die nur noch nicht entwickelt, vollendet ist, bleibt Gott bei aller Entwicklung absolute Substanz.

Dieses Allgemeine ist der Anfangs- und Ausgangspunkt, aber schlechthin diese bleibende Einheit, nicht ein bloßer Boden, aus dem Unterschiede erwachsen; sondern alle Unterschiede bleiben eingeschlossen in dieses Allgemeine. Es ist aber auch nicht ein träges, abstrakt Allgemeines, sondern der absolute Schoß, der unendliche Trieb und Quellpunkt, aus dem alles hervor- und in den alles zurückgeht und ewig darin behalten ist.

Das Allgemeine tritt also aus diesem Äther der Gleichheit mit sich selbst und des Beisichselbstseins nie heraus. Gott kann als dieses Allgemeine nicht dazu kommen, bei einem Anderen in der Tat zu sein, dessen Bestehen mehr als ein Spiel des Scheines wäre. Gegen diese reine Einheit und klare Durchsichtigkeit ist die Materie nichts Undurchdringliches und hat der Geist, das Ich nicht die Sprödigkeit, daß er für sich wahrhafte Substantialität besäße.

c) Diese Vorstellung hat man mit dem Namen Pantheismus bezeichnen wollen; richtiger würde man sie nennen: Vorstellung der Substantialität. Gott ist da zunächst nur als Substanz bestimmt; das absolute Subjekt, der Geist bleibt auch Substanz, aber er ist nicht nur Substanz, sondern in sich auch als Subjekt bestimmt. Von diesem Unterschiede wissen die gewöhnlich nichts, die sagen, spekulative Philosophie sei Pantheismus; sie übersehen die Hauptsache, wie immer, und sie verunglimpfen die Philosophie, indem sie etwas Falsches aus ihr machen.

Pantheismus hat bei diesem Vorwurf gewöhnlich den Sinn: alles, das All, Universum, dieser Komplex von allem Existierenden, diese unendlich vielen endlichen Dinge seien Gott; und diese Beschuldigung wird der Philosophie gemacht, sie behaupte, alles sei Gott, d. h. diese unendliche Mannigfaltigkeit der einzelnen Dinge, nicht die an und für sich seiende Allgemeinheit, sondern die einzelnen Dinge in ihrer empirischen Existenz, wie sie unmittelbar sind.

Sagt man: Gott ist dies alles, dies Papier usf., so ist es Pantheismus, wie er in jenem Vorwurf gefaßt wird, d. h.  Gott ist alles, alle einzelnen Dinge. Wenn ich sage "Gattung", so ist das auch eine Allgemeinheit, aber eine ganz andere als "Allheit", in welcher das Allgemeine nur als Zusammenfassen aller einzelnen Existenzen und das Seiende das Zugrundeliegende, der eigentliche Inhalt, alle einzelnen Dinge ist.

Dieses Faktum, daß in irgendeiner Religion solcher Pantheismus dagewesen, ist vollkommen falsch; es ist nie einem Menschen eingefallen, zu sagen: alles ist Gott, d. h. die Dinge in ihrer Einzelheit, Zufälligkeit; viel weniger ist das in einer Philosophie behauptet worden.

Den orientalischen Pantheismus oder richtiger den Spinozismus werden wir später in der bestimmten Religion kennenlernen. Der Spinozismus selbst als solcher und auch der orientalische Pantheismus enthält, daß in allem das Göttliche nur sei das Allgemeine eines Inhalts, das Wesen der Dinge,
so daß dieses aber auch vorgestellt wird als das bestimmte Wesen der Dinge.

Wenn Brahma sagt: "Ich bin der Glanz, das Leuchtende in den Metallen, der Ganges unter den Flüssen, das Leben im Lebendigen" usf., so ist damit aufgehoben das Einzelne. Brahma sagt nicht: "Ich bin das Metall, die Flüsse, die einzelnen Dinge jeder Art selbst als solche, wie sie unmittelbar existieren." Der Glanz ist nicht das Metall selbst, sondern das Allgemeine, Substantielle, herausgehoben aus dem Einzelnen, nicht mehr das πpαaν?, Alles als Einzelnes. Da ist schon nicht mehr das gesagt, was man Pantheismus heißt, sondern es ist gesagt das Wesen in solchen einzelnen Dingen.

Zum Lebendigen gehört Zeitlichkeit, Räumlichkeit; es ist aber nur herausgehoben das Unvergängliche an dieser Einzelheit. Das "Leben des Lebendigen" ist in dieser Sphäre des Lebens das Unbeschränkte, Allgemeine. Wird aber gesagt: alles ist Gott, so wird die Einzelheit genommen nach allen ihren Schranken, ihrer Endlichkeit, Vergänglichkeit. Diese Vorstellung vom Pantheismus kommt davon her, daß man die abstrakte, nicht die geistige Einheit heraushebt;  und dann, in einer religiösen Vorstellung, wo nur die Substanz, das Eine als wahrhafte Wirklichkeit gilt, vergessen jene, daß eben gegen dies Eine die einzelnen endlichen Dinge verschwunden sind, ihnen keine Wirklichkeit zugeschrieben wird, sondern man behält diese noch neben dem Einen materialiter bei. Sie glauben den Eleaten nicht, welche sagten: "Es ist nur das Eine", und ausdrücklich hinzufügten: "und das Nichts ist gar nicht".*) Alles Endliche würde Beschränkung, Negation des Einen sein; aber das Nichts, die Beschränkung, Endlichkeit, Grenze und das Begrenzte ist gar nicht.

Man hat dem Spinozismus Atheismus vorgeworfen; aber die Welt, dies "Alles" ist gar nicht im Spinozismus. Es erscheint wohl, man spricht von seinem Dasein, und unser Leben ist, in dieser Existenz zu sein. Im philosophischen Sinne aber hat die Welt gar keine Wirklichkeit, ist gar nicht. Diesen Einzelheiten wird keine Wirklichkeit zugeschrieben; es sind Endlichkeiten, und von diesen wird gesagt, sie seien gar nicht.

Der Spinozismus, ist die allgemeine Beschuldigung, sei diese Konsequenz: wenn alles eins ist, so behaupte solche Philosophie, das Gute sei eins mit dem Bösen, es sei kein Unterschied zwischen Gutem und Bösem und damit alle Religion aufgehoben. Man sagt, es gelte an sich der Unterschied des Guten und Bösen nicht; damit sei es gleichgültig, ob man gut oder böse sei.
Es kann zugegeben werden, daß der Unterschied zwischen Gutem und Bösem
an sich aufgehoben sei, d. h. in Gott, der einzig wahren Wirklichkeit. In Gott ist kein Böses; der Unterschied zwischen Gutem und Bösem ist nur, wenn Gott das Böse ist. Man wird aber nicht zugeben, daß das Böse ein Affirmatives sei und dieses Affirmative in Gott. Gott ist gut und allein gut; der Unterschied von Bösem und Gutem ist in diesem Einen, dieser Substanz nicht vorhanden; dieser tritt erst mit dem Unterschied überhaupt ein. Gott ist das Eine, absolut bei sich selbst Bleibende; in der Substanz ist kein Unterschied. Beim Unterschied Gottes von der Welt, insbesondere vom Menschen, da tritt der Unterschied von Gutem und Bösem ein. Im Spinozismus ist in Rücksicht auf diesen Unterschied von Gott und Mensch Grundbestimmung, daß der Mensch Gott allein zu seinem Ziel haben muß.
Da ist für den Unterschied, für den Menschen Gesetz die Liebe Gottes, auf diese Liebe zu Gott allein gerichtet zu sein, nicht seinen Unterschied geltend zu machen, auf ihm beharren zu wollen, sondern allein seine Richtung auf Gott zu haben.

Das ist die erhabenste Moral, daß das Böse das Nichtige ist und der Mensch diesen Unterschied, diese Nichtigkeit nicht soll gelten lassen. Der Mensch kann auf diesem Unterschied beharren wollen, diesen Unterschied treiben zur Entgegensetzung gegen Gott, das an und für sich Allgemeine,
- so ist er böse. Aber er kann seinen Unterschied auch für nichtig achten, seine Wahrheit nur setzen in Gott und seine Richtung auf Gott, - dann ist er gut.

Im Spinozismus tritt allerdings Unterschiedenheit von Gutem und Bösem ein - Gott und der Mensch gegenüber - und tritt ein mit dieser Bestimmung, daß das Böse für das Nichtige zu achten sei.
In Gott als solchem, in dieser Bestimmung als Substanz ist der Unterschied nicht; aber für den Menschen ist dieser Unterschied, auch der zwischen Gutem und Bösem.

Diese Oberflächlichkeit, mit der gegen Philosophie polemisiert wird, sagt auch, Philosophie sei Identitätssystem. Es ist ganz richtig: Substanz ist diese eine Identität mit sich, aber ebensosehr auch der Geist. Identität, Einheit mit sich ist am Ende alles. Spricht man aber von Identitätsphilosophie,
so bleibt man bei der
abstrakten Identität, Einheit überhaupt, und sieht ab von dem, worauf es allein ankommt, von der Bestimmung dieser Einheit in sich, ob sie als Substanz oder Geist bestimmt ist. Die ganze Philosophie ist nichts anderes als das Studium der Bestimmungen der Einheit; ebenso ist die Religionsphilosophie eine Reihenfolge von Einheiten, immer die Einheit, aber so, daß diese immer weiter bestimmt ist.

Im Physikalischen gibt es der Einheiten viele. Wasser und Erde zusammengebracht, das ist auch Einheit, aber eine Mengung. Wenn ich eine Base und eine Säure habe und Salz, Kristall daraus entsteht, habe ich auch Wasser, kann es aber nicht sehen, es ist nicht die geringste Feuchtigkeit vorhanden. Da ist die Einheit des Wassers mit dieser Materie eine ganz anders bestimmte Einheit,
als wenn ich Wasser und Erde vermenge. Die Hauptsache ist der Unterschied dieser Bestimmung.
Die Einheit Gottes ist immer Einheit; aber es kommt ganz allein auf die Arten und Weisen der Bestimmung dieser Einheit an; diese Bestimmung der Einheit wird übersehen und eben damit gerade das, worauf es ankommt.

Das Erste ist diese göttliche Allgemeinheit, der Geist ganz in seiner unbestimmten Allgemeinheit, für welchen durchaus kein Unterschied ist. Auf dieser absoluten Grundlage - wir sprechen das zunächst noch als Faktum aus - kommt nun aber auch der Unterschied überhaupt hervor, der als geistiger Unterschied Bewußtsein ist, und damit erst fängt die Religion als solche an. Indem die absolute Allgemeinheit zum Urteil, d. h. dazu fortgeht, sich als Bestimmtheit zu setzen, und Gott als Geist für den Geist ist, so haben wir den Standpunkt, daß Gott Gegenstand des Bewußtseins und das im Anfang allgemeine, unterschiedliche Denken in das Verhältnis eingetreten ist.

*)  vgl. Parmenides, Diels-Kranz 28 B 2

 

 

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Die offenbare Religion

Der Begriff der Religion

Von Gott

Das religiöse Verhältnis

Die Notwendigkeit des religiösen Standpunktes

Die Formen des religiösen Bewußtseins

Die Form des Gefühls

Die Anschauung

Religion,Denken Freiheit

Dialektik der Vorstellung

 

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