III. Die Naturreligion im Übergang zur Religion der Freiheit
Dieser Übergang ist seiner Notwendigkeit nach darin begründet, daß die Wahrheit, die in den vorhergehenden Stufen an sich, als Grundlage, da ist, wirklich hervorgezogen und gesetzt wird. In der Religion der Phantasie und des Insichseins ist dieses Subjekt, dieses subjektive Selbstbewußtsein identisch, aber in unmittelbarer Weise, mit jener substantiellen Einheit, die Brahman heißt oder das bestimmungslose Nichts ist; dies Eine wird jetzt gefaßt als in ihm selbst bestimmte Einheit, als subjektive Einheit an ihm selbst und damit diese Einheit als Totalität an ihr selbst. Wenn die Einheit an ihr selbst subjektiv bestimmt ist, so enthält sie das Prinzip der Geistigkeit an ihr selbst, und dies Prinzip ist es, das sich in den Religionen, die auf diesem Übergang stehen, entwickelt.
Ferner, in der indischen Religion standen das Eine, die Einheit des Brahman, und die Bestimmtheit, die vielen Mächte des Besonderen, dieses Hervortreten der Unterschiede in dem Verhältnis, daß die Unterschiede das eine Mal als selbständig galten, das andere Mal in der Einheit verschwunden und untergegangen sind. Das Herrschende und Allgemeine war der Wechsel des Entstehens und Vergehens, der Wechsel des Aufgehobenseins der besonderen Mächte in der Einheit und des Herausgehens aus ihr. In der Religion des Insichseins war nun zwar dieser Wechsel beruhigt, insofern die besonderen Unterschiede in die Einheit des Nichts zurückfielen, aber diese Einheit war leer und abstrakt, und die Wahrheit ist vielmehr die in sich konkrete Einheit und Totalität, so daß selbst jene abstrakte Einheit mit der Unterschiedenheit in die wahrhafte Einheit tritt, in welcher die Unterschiede aufgehoben, ideell, negativ gesetzt sind als unselbständige, aber ebenso aufbewahrt.
Das Entfalten der Momente der Idee, das Sichunterscheiden des Denkens der absoluten Substanz war also bisher mangelhaft, insofern die Gestalten einerseits sich in harte Festigkeit verloren, andererseits es nur die Flucht war, die zur Einheit kam, oder die Einheit nur das Verschwinden der Unterschiede war. Jetzt aber tritt die Reflexion der Mannigfaltigkeit in sich ein, daß das Denken selbst Bestimmung in sich erhält, so daß es Sichbestimmen ist und das Bestimmen nur Wert und Gehalt hat, insofern es in diese Einheit reflektiert ist. Hiermit ist der Begriff der Freiheit, Objektivität gesetzt, und der göttliche Begriff wird so Einheit des Endlichen und Unendlichen. Das nur in sich seiende Denken, die reine Substanz ist das Unendliche, und das Endliche sind der Gedankenbestimmung nach die vielen Götter, und die Einheit ist die negative Einheit, die Abstraktion, die die Vielen versenkt in dies Eine; aber dieses hat dadurch nichts gewonnen, ist unbestimmt wie vorher, und affirmativ ist das Endliche nur außer dem Unendlichen, nicht in diesem, und es ist, so wie es affirmativ ist, vernunftlose Endlichkeit. Hier ist aber nun das Endliche, das Bestimmte überhaupt, in die Unendlichkeit aufgenommen, die Form ist der Substanz angemessen, die unendliche Form ist identisch mit der Substanz, die sich in sich bestimmt, nicht bloß abstrakte Macht ist.
Die andere, ebenso wesentliche Bestimmung ist, daß hiermit erst die Trennung des empirischen Selbstbewußtseins vom Absoluten, vom Inhalt des Höchsten geschieht, daß hier erst Gott eigentliche Objektivität gewinnt. In den vorigen Stufen ist es das in sich vertiefte empirische Selbstbewußtsein, das Brahman ist, diese Abstraktion in sich; oder das Höchste ist als Mensch vorhanden. So ist die substantielle Einheit noch untrennbar vom Subjekt, und insofern sie noch das Unvollständige, noch nicht an ihr selbst subjektive Einheit ist, hat sie das Subjekt noch außer ihr. Die Objektivität des Absoluten, das Bewußtsein seiner Selbständigkeit für sich ist nicht vorhanden. Erst hier ist dieser Bruch zwischen Subjektivität und Objektivität, und die Objektivität verdient hier eigentlich erst den Namen Gott; und diese Objektivität Gottes haben wir hier, weil dieser Inhalt sich an ihm selbst bestimmt hat, konkrete Totalität an sich zu sein. Dies ist, daß Gott ein Geist, daß Gott in allen Religionen der Geist ist.
Wenn man heutzutage vornehmlich von der Religion spricht, daß das subjektive Bewußtsein dazu gehöre, so ist das eine richtige Vorstellung. Da ist der Instinkt, daß die Subjektivität dazu gehöre. Aber man hat die Vorstellung, das Geistige könne sein als empirisches Subjekt, welches dann als empirisches Bewußtsein zu seinem Gott ein Naturding habe, so daß die Geistigkeit nur ins Bewußtsein fallen, Gott auch als Naturwesen Gegenstand dieses Bewußtseins sein könne.
So ist auf der einen Seite Gott als Naturwesen; aber wesentlich ist Gott der Geist, und dies ist die absolute Bestimmung der Religion überhaupt und darum Grundbestimmung, substantielle Grundlage in jeder Form der Religion. Das Naturding wird vorgestellt auf menschliche Weise, auch als Persönlichkeit, als Geist, Bewußtsein; aber die Götter der Inder sind noch oberflächliche Personifikationen: die Personifikation macht noch gar nicht aus, daß der Gegenstand, Gott, als Geist gewußt wird. Es sind diese besonderen Gegenstände, die Sonne, der Baum, die personifiziert werden, auch die Inkarnationen der Gottheiten fallen hierher, aber die besonderen Gegenstände haben keine Selbständigkeit, weil sie besondere und Naturgegenstände sind, die Selbständigkeit ist nur eine angedichtete.
Das Höchste ist aber der Geist, und diese geistige Bestimmung und Selbständigkeit kommt zunächst vom empirischen, subjektiven Geist her, entweder insofern sie angebildet ist oder Brahman seine Existenz hat in und durch Vertiefung des Subjekts in sich. Nun aber ist dies nicht mehr der Fall, daß der Mensch Gott oder Gott Mensch ist, daß Gott nur in empirisch-menschlicher Weise ist, sondern der Gott ist wahrhaft objektiv an sich selbst, ist an ihm selbst die Totalität, konkret bestimmt in sich, d. h. an ihm selbst subjektiv gewußt, und so erst ist er wesentlich Objekt und dem Menschen überhaupt gegenüber. Die Rückkehr dazu, daß auch Gott als Mensch, als Gottmensch erscheint, werden wir später finden. Diese Objektivität Gottes aber beginnt von hier an.
Wenn nun das Allgemeine als Sich-in-sich-selbst-Bestimmen gefaßt wird, so tritt es in Gegensatz gegen Anderes und ist ein Kampf mit dem Anderen seiner. In der Religion der Macht ist kein Gegensatz, kein Kampf, denn das Akzidentelle hat keinen Wert für die Substanz. Die Macht jetzt an ihr selbst sich bestimmend hat zwar diese Bestimmungen nicht als ein Endliches, sondern das Bestimmte ist in seiner an und für sich seienden Wahrheit. Hierdurch ist Gott bestimmt als das Gute; es ist hier gut nicht gesetzt als Prädikat, sondern er ist das Gute. In dem Bestimmungslosen ist kein Gutes noch Böses. Hingegen das Gute ist hier das Allgemeine, aber mit einem Zweck, einer Bestimmtheit, die angemessen ist der Allgemeinheit, in der sie ist.
Zunächst aber ist auf dieser Stufe des Übergangs das Sichselbstbestimmen ausschließend. So tritt das Gute in Beziehung auf Anderes, das Böse, und diese Beziehung ist der Kampf: Dualismus. Die Versöhnung (hier nur ein Werden oder Sollen) ist noch nicht gedacht in und an diesem Guten selbst.
Hiermit ist als notwendige Konsequenz gesetzt, daß der Kampf als Bestimmung der Substanz selbst gewußt wird. Das Negative ist im Geist selbst gesetzt, und dies verglichen mit seiner Affirmation, so daß diese Vergleichung in der Empfindung da ist, macht den Schmerz aus, den Tod. Der Kampf, der sich auflöst, ist hier endlich das Ringen des Geistes, zu sich selbst, zur Freiheit zu kommen.
Aus diesen Grundbestimmungen ergibt sich folgende Einteilung dieser Übergangsstufe:
1. Die erste Bestimmung ist die der persischen Religion; hier ist das Fürsichsein des Guten noch ein oberflächliches; daher hat es natürliche Gestalt, aber eine gestaltlose Natürlichkeit - das Licht.
2. Die Form, wo der Kampf, Schmerz, Tod selbst in das Wesen gesetzt wird, - die syrische Religion.
3. Das Sichherausringen aus dem Kampf, das Fortgehen zur eigentlichen Bestimmung freier Geistigkeit, das Überwinden des Bösen, vollendeter Übergang zur Religion freier Geistigkeit, - die ägyptische Religion.
Überhaupt aber ist das Gemeinsame dieser drei Religionsformen die Resumtion der wilden, ausgelassenen Totalität in konkrete Einheit. Dieser Taumel, wo die Bestimmungen der Einheit in die Äußerlichkeit und Zufälligkeit stürzen, wo aus der Einheit, wie aus Brahman, diese wilde, begrifflose Welt von Göttern hervorgeht und die Entwicklung, weil sie der Einheit nicht angemessen ist, auseinanderfällt, - diese Haltungslosigkeit hat jetzt aufgehört.
Diese Resumtion in die substantielle Einheit, die an ihr selbst subjektiv ist, hat aber zwei Formen. Die erste Resumtion ist die im Parsismus, die in reiner, einfacher Weise geschieht. Die andere ist die gärende in der syrischen und ägyptischen Religion, wo die Gärung der Totalität zur Einheit sich vermittelt und die Einheit im Kampf ihrer Elemente wird.
G.W.F. Hegel
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Die Religion des Guten
Religion der Parsen - Zoroaster
Religion des Schmerzes
Die Religion des Rätsels
“...das Gute ist gerade dies an ihm selbst, das Böse zu sein”
Osiris-Nirvana
Kultus d.Ägypter
Religion der geistigen Individualität
Der Begriff des Einen
Religion
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