2. Die syrische Religion oder die Religion des Schmerzes
Die Bestimmung des Kampfes und des Sieges über das Böse ist von uns soeben betrachtet worden; diesen Kampf als Schmerz nun haben wir als nächstes Moment zu betrachten. Der Kampf als Schmerz scheint ein oberflächlicher Ausdruck zu sein; es liegt aber darin, daß der Kampf nicht mehr nur äußerer Gegensatz, sondern in einem Subjekt und in dessen Selbstempfindung ist. Der Kampf ist dann die Objektivierung des Schmerzes. Der Schmerz ist aber überhaupt der Verlauf der Endlichkeit und subjektiv die Zerknirschung des Gemüts. Dieser Verlauf der Endlichkeit, des Schmerzes, Kampfes, Sieges ist ein Moment in der Natur des Geistes und es kann nicht fehlen in dieser Sphäre, in welcher sich die Macht zu geistiger Freiheit fortbestimmt. Der Verlust seiner selbst, der Widerspruch des Beisichseins mit dem Anderen, der sich zur unendlichen Einheit (es kann hier nur von der wahrhaften Unendlichkeit die Rede sein) aufhebt, das Aufheben des Gegensatzes, - das sind wesentliche Bestimmungen in der Idee des Geistes, welche jetzt eintreten. Wir sind uns nun zwar der Entwicklung der Idee bewußt, ihres Ganges wie ihrer Momente, deren Totalität der Geist konstituiert, aber diese Totalität ist noch nicht gesetzt, sondern ausgelassen in Momente, die sich nacheinander in dieser Sphäre darstellen.
Da der Inhalt noch nicht in den freien Geist gesetzt ist, indem die Momente noch nicht in die subjektive Einheit resümiert sind, so ist er in unmittelbarer Weise und in die Form der Natürlichkeit hinausgeworfen; er wird in einem natürlichen Verlauf dargestellt, der aber wesentlich als symbolisch gewußt wird und somit nicht nur Verlauf der äußerlichen Natur, sondern allgemeiner Verlauf ist. Gegen den Standpunkt, auf dem wir bisher noch standen und wo nicht der Geist, sondern die abstrakte Macht das Herrschende ist, ist das Nächste in der Idee das Moment des Konflikts. Der Geist ist wesentlich dies, aus seinem Anderssein und aus der Überwindung dieses Andersseins, durch die Negation der Negation zu sich selbst zu kommen; der Geist bringt sich hervor, er macht die Entfremdung seiner selbst durch. Da er aber noch nicht als Geist gesetzt ist, so ist dieser Verlauf der Entfremdung und der Rückkehr noch nicht ideell, als Moment des Geistes gesetzt, sondern unmittelbar und darum in der Form der Natürlichkeit.
Diese Bestimmung, wie wir sie gesehen, hat die Gestaltung erhalten in der phönizischen und den vorderasiatischen Religionen überhaupt. In diesen Religionen ist der angegebene Prozeß enthalten; das Unterliegen, die Entfremdung Gottes und das Wiederauferstehen desselben ist vornehmlich in der phönizischen Religion herausgehoben. Die Vorstellung vom Phönix ist bekannt: es ist ein Vogel, der sich selbst verbrennt, und aus seiner Asche geht ein junger Phönix in neuer Kräftigkeit hervor.
Diese Entfremdung, dieses Anderssein, als natürliche Negation bestimmt, ist der Tod, aber der Tod, der ebenso aufgehoben wird, indem daraus ein verjüngtes Aufleben eintritt. Der Geist ist ewig dies, sich abzusterben, sich endlich zu machen in der Natürlichkeit; aber durch die Vernichtung seiner Natürlichkeit kommt er zu ihm selbst. Der Phönix ist dies bekannte Symbol; es ist nicht der Kampf des Guten mit dem Bösen, sondern ein göttlicher Verlauf, welcher der Natur Gottes selbst angehört, und der Verlauf an einem Individuum. Die nähere Form, in welcher dieser Verlauf gesetzt ist, ist der Adonis, welche Gestalt auch nach Ägypten und Griechenland übergegangen ist; auch in der Bibel wird er unter dem Namen Thammus (Hesekiel 8, 14) erwähnt: "und siehe, daselbst saßen Weiber, die weinten über den Thammus". Im Frühling wurde ein Hauptfest des Adonis gefeiert; es war eine Totenfeier, ein Fest der Klage, welches mehrere Tage dauerte. Zwei Tage hindurch wurde Adonis mit Klagen gesucht; der dritte Tag war das Freudenfest, wo der Gott wieder auferstanden war. Das ganze Fest hat den Charakter einer Feier der Natur, die im Winter erstirbt und im Frühling wieder erwacht. Einerseits ist dies also ein Naturverlauf, andererseits aber ist er symbolisch zu nehmen als ein Moment des Gottes, das Absolute überhaupt bezeichnend.
Der Mythus des Adonis ist selbst mit der griechischen Mythologie verbunden. Nach dieser war Aphrodite die Mutter des Adonis, sie hielt ihn als zartes Kind in einem Kästchen verborgen und brachte dieses zur Ais; Persephone wollte dann das Kind, wie es die Mutter verlangte, nicht wieder herausgeben. Zeus entschied den Streit also, daß jede der beiden Göttinnen den Adonis ein Drittel des Jahres behalten durfte; das letzte Drittel war seiner eigenen Wahl überlassen. Er zog es vor, auch diese Zeit bei der allgemeinen Mutter und der seinigen, Aphrodite, zuzubringen. Es bezieht sich zwar dieser Mythus nach seiner nächsten Auslegung auf den Samen unter der Erde, der dann heraufwächst. Der Mythus von Kastor und Pollux, die abwechselnd sich in der Unterwelt und auf der Erde aufhalten, bezieht sich auch darauf. Seine wahre Bedeutung ist aber nicht bloß die Veränderung der Natur, sondern der Übergang überhaupt von der Lebendigkeit, dem affirmativen Sein zum Tode, der Negation und wiederum die Erhebung aus dieser Negation, - die absolute Vermittlung, die wesentlich zum Begriff des Geistes gehört.
Dieses Moment des Geistes ist also hier zur Religion geworden.
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