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b. Konkrete Vorstellung dieser Stufe
In der Existenz dieser Religion, in der Religion der Ägypter, kommen unendlich mannigfaltige Gebilde vor. Allein die Seele des Ganzen ist die Hauptbestimmung, die in der Hauptfigur herausgehoben ist. Osiris ist es, der zunächst zwar die Negation als Äußeres, als Anderes, als Typhon gegen sich hat; aber es bleibt nicht bei diesem äußerlichen Verhältnis, daß es nur ein Kampf wäre, wie ihn Ormuzd führt, sondern die Negation kehrt in das Subjekt selbst ein.
Das Subjekt wird getötet, Osiris stirbt; aber er wird ewig wiederhergestellt und ist so als eine Vorstellung, ein zum zweiten Mal Geborenes gesetzt, das nicht ein Natürliches ist, sondern als ein vom Natürlichen, Sinnlichen Abgeschiedenes, hiermit gesetzt, bestimmt als dem Reich des Vorstellens, dem Boden des Geistigen, das über das Endliche hinaus dauert, angehörig, nicht dem Natürlichen als solchem. Osiris ist der Gott der Vorstellung, der vorgestellte Gott seiner inneren Bestimmung nach. Daß er nun stirbt, aber ebenso wiederhergestellt wird, damit ist ausdrücklich ausgesprochen, daß er in dem Reich der Vorstellung vorhanden ist gegen das bloß natürliche Sein.
Er ist aber nicht nur so vorgestellt, sondern wird auch als solcher gewußt. Es ist das nicht einerlei. So als Vorgestelltes ist Osiris bestimmt als der Herrscher im Reich des Amenthes; wie er des Lebendigen Herr ist, so auch der Herr des nicht mehr sinnlich Fortexistierenden, sondern der fortexistierenden Seele, die sich abgetrennt hat vom Leibe, dem Sinnlichen, Vergänglichen. Das Totenreich ist das Reich, wo das natürliche Sein überwunden ist, das Reich der Vorstellung, wo eben das erhalten ist, was nicht natürliche Existenz hat.
Typhon, das Böse, ist überwunden, ebenso der Schmerz, und Osiris ist der Richter nach Recht und Gerechtigkeit: Das Böse ist überwunden, verurteilt; damit tritt erst das Richten ein und daß es das Entscheidende ist, d. h. daß das Gute die Gewalt hat, sich geltend zu machen und das Nichtige, das Böse zu vernichten.
Wenn wir sagen: Osiris ist ein Herrscher der Toten, so sind die Toten eben diese, die nicht im Sinnlichen, Natürlichen gesetzt sind, sondern dauern für sich über dem Sinnlichen, Natürlichen. Hiermit steht in Verbindung, daß das einzelne Subjekt gewußt wird als dauerndes, entnommen dem Vergänglichen, für sich fest, unterschieden vom Sinnlichen ist.
Es ist ein höchst wichtiges Wort, das Herodot sagt von der Unsterblichkeit, daß die Ägypter zuerst gesagt, die Seele des Menschen sei unsterblich. In Indien, China ist dieses Fortleben, dieses Metamorphosieren; aber dieses, wie die Fortdauer des Individuums, die Unsterblichkeit der Inder, ist selbst nur etwas Untergeordnetes, Unwesentliches: das Höchste ist nicht eine affirmative Fortdauer, sondern Nirwana, die Fortdauer im Zustand des Vernichtens des Affirmativen, oder nur ein affirmativ Scheinendes, identisch mit Brahman zu sein. Diese Identität, Vereinigung mit Brahman, ist zugleich das Zerfließen in diese zwar affirmativ scheinende, doch durchaus in sich bestimmungslose, ununterschiedene Einheit. Hier aber ist konsequenterweise dies: das Höchste des Bewußtseins ist die Subjektivität als solche; diese ist Totalität, vermag selbständig in sich zu sein, - es ist die Vorstellung der wahrhaften Selbständigkeit.
Selbständig ist, was nicht im Gegensatz ist, diesen Gegensatz vielmehr überwindet, nicht ein Endliches sich gegenüber behält, sondern diese Gegensätze in ihm selbst hat, aber zugleich in sich selbst überwunden. Diese Bestimmung der Subjektivität, die objektiv ist, dem Objektiven, dem Gott zukommt, ist auch die Bestimmung des subjektiven Bewußtseins; dieses weiß sich als Subjekt, als Totalität, wahrhafte Selbständigkeit, damit als unsterblich. Die höhere Bestimmung des Menschen ist damit dem Bewußtsein aufgegangen.
So ist das eine höchst wichtige Bestimmung, diese Negation der Negation, daß der Tod getötet, das böse Prinzip überwunden wird. Bei den Parsen wird es nicht überwunden, sondern das Gute, Ormuzd, steht dem Bösen, dem Ahriman, gegenüber und ist noch nicht zu dieser Reflexion gekommen. Hier erst ist das Überwundensein des bösen Prinzips gesetzt.
Hiermit tritt dann die bereits angegebene Bestimmung ein, die wir bereits erkannt haben, daß dieser Wiedergeborene dann zugleich als abgeschieden vorgestellt ist, er ist Herrscher im Reich des Amenthes, wie Herrscher der Lebendigen, so auch Richter der Toten nach Recht und Gerechtigkeit. Hier tritt erst Recht und Sittlichkeit ein, in der Bestimmung der subjektiven Freiheit; dagegen fehlt beides in dem Gott der Substantialität. So ist denn hier eine Strafe, und der Wert des Menschen tritt hervor, der nach der Sittlichkeit, dem Recht sich bestimmt.
Um dieses Allgemeine spielt nun eine unendliche Menge von Vorstellungen, Göttern her. Osiris ist nur eine dieser Vorstellungen und sogar nach Herodot eine der späteren; aber vornehmlich im Reiche des Amenthes, als Herrscher der Toten, als Serapis, hat er sich über alle anderen Götter erhoben als das, worin man das höchste Interesse findet.
Herodot gibt nach den Aussagen der Priester eine Reihenfolge der ägyptischen Götter, und darunter findet sich Osiris unter den späteren. Aber die Fortbildung des religiösen Bewußtseins findet auch innerhalb einer Religion selbst statt; so schon haben wir in der indischen Religion gesehen, daß der Kultus des Wischnu und Schiwa später ist. In den heiligen Büchern der Parsen ist Mithra unter den anderen Amschadspands aufgeführt und steht mit diesen auf gleicher Stufe. Schon bei Herodot aber wird Mithra hervorgehoben, und zur Zeit der Römer, als alle Religionen nach Rom gebracht wurden, ist der Mithradienst eine der Hauptreligionen, während der Dienst des Ormuzd nicht diese Bedeutung erhielt. So soll auch bei den Ägyptern Osiris eine spätere Gottheit sein; bekanntlich ist zur Zeit der Römer der Serapis, eine besondere Gestaltung des Osiris, die Hauptgottheit der Ägypter; dennoch ist er immer, wenn er auch später dem Geist aufgegangen ist, die Gottheit, in welcher sich die Totalität des Bewußtseins aufgeschlossen hat.
Der Gegensatz der ägyptischen Anschauung tritt dann auch aus seiner Tiefe heraus und wird ein oberflächlicher. Typhon ist das physikalisch Böse und Osiris das belebende Prinzip: jenem fällt die unfruchtbare Wüste zu, und er wird als Glutwind, sengende Sonnenhitze vorgestellt. Ein anderer Gegensatz ist der natürliche von Osiris und Isis, der Sonne und der Erde, welche als Prinzip der Zeugung überhaupt angesehen wird; so stirbt auch Osiris, von Typhon überwunden, und Isis sucht überall seine Gebeine: der Gott stirbt, das ist wieder diese Negation. Die Gebeine des Osiris werden dann begraben, er selbst aber ist nun Herrscher des Totenreiches geworden. Dies ist der Verlauf der lebendigen Natur, ein notwendiger Kreislauf in sich zurück; derselbe Kreislauf kommt auch der Natur des Geistes zu; den Ausdruck desselben stellt das Schicksal des Osiris dar. Das eine bedeutet hier wiederum das andere.
An den Osiris schließen sich die anderen Gottheiten an; er ist aber ihr Vereinigungspunkt, und sie sind nur einzelne Momente der Totalität, die er vorstellt. So ist Amun das Moment der Sonne, welche Bestimmung auch dem Osiris angehört. Außerdem gibt es noch eine Menge Gottheiten, die man kalendarische genannt hat, weil sie sich auf die natürlichen Revolutionen des Jahres beziehen; einzelne Abschnitte des Jahres, wie das Frühlings-Äquinoktium, der junge Sommer und dergleichen, sind in den kalendarischen Gottheiten herausgehoben und personifiziert.
Osiris bedeutet aber Geistiges, nicht nur Natürliches; er ist Gesetzgeber, er hat die Ehe eingesetzt, den Ackerbau und die Künste gelehrt; es finden sich in diesen Vorstellungen geschichtliche Anspielungen auf alte Könige: Osiris enthält somit auch geschichtliche Züge. So scheinen auch die Inkarnationen des Wischnu, die Eroberung von Ceylon auf die Geschichte Indiens hinzuweisen. Wie Mithra, die Bestimmung, die in ihm liegt, als die interessanteste ist herausgehoben worden und die parsische Religion der Mithradienst geworden ist, so ist hier Osiris, aber nicht in der unmittelbaren, sondern in der geistigen, intellektuellen Welt der Mittelpunkt geworden.
In dem Gesagten liegt, daß die Subjektivität hier zunächst in der Form der Vorstellung ist; wir haben es mit einem Subjekt, Geistigen zu tun, das auf menschliche Weise vorgestellt wird; aber es ist nicht ein unmittelbarer Mensch, seine Existenz nicht gesetzt in der Unmittelbarkeit des menschlichen Denkens, sondern in der des Vorstellens. Es ist ein Inhalt, der Momente, Bewegung in sich hat, wodurch er Subjektivität ist, aber auch in der Form, im Boden der Geistigkeit, über das Natürliche erhaben. So ist die Idee in diesem Boden der Vorstellung gesetzt, aber es ist daran dieser Mangel, daß es nur die Vorstellung der Subjektivität ist, der Subjektivität in ihrer abstrakten Grundlage. Es ist noch nicht die Tiefe des allgemeinen Gegensatzes darin, die Subjektivität noch nicht in ihrer absoluten Allgemeinheit und Geistigkeit gefaßt. So ist es oberflächliche, äußerliche Allgemeinheit.
Der Inhalt, der in der Vorstellung ist, ist nicht an die Zeit gebunden, er ist auf den Boden der Allgemeinheit gesetzt; daß etwas in dieser Zeit ist, in diesem Raum, - diese sinnliche Einzelheit ist weggestreift. Alles hat durch die Vorstellung, indem es auf geistigem Boden ist, Allgemeinheit, wenn auch nur weniges Sinnliche abgestreift ist, wie bei der Vorstellung eines Hauses. Die Allgemeinheit ist so nur die äußerliche Allgemeinheit, Gemeinschaftlichkeit.
Daß nun die äußerliche Allgemeinheit hier noch das Herrschende ist, das hängt damit zusammen, daß die Grundlage, diese Vorstellung der Allgemeinheit, noch nicht absolut in sich vertieft, noch nicht in sich erfüllte Grundlage ist, die alles absorbiert, wodurch die natürlichen Dinge ideell gesetzt werden.
Insofern diese Subjektivität das Wesen ist, ist sie die allgemeine Grundlage, und die Geschichte, die das Subjekt ist, wird zugleich gewußt als Bewegung, Leben, Geschichte aller Dinge, der unmittelbaren Welt. So haben wir diesen Unterschied, daß diese allgemeine Subjektivität Grundlage ist auch für das Natürliche, das innere Allgemeine, das, was die Substanz des Natürlichen ist.
Da haben wir also zwei, das Natürliche und die innere Substanz, darin haben wir die Bestimmung des Symbolischen. Dem natürlichen Sein wird zugeschrieben eine andere Grundlage, das unmittelbare Sinnliche erhält eine andere Substanz; es ist nicht mehr es selbst unmittelbar, sondern stellt vor etwas anderes, das seine Substanz ist - seine Bedeutung.
Die Geschichte des Osiris ist in diesem abstrakten Zusammenhange nun die innere, wesentliche Geschichte auch des Natürlichen, der Natur Ägyptens. Zu dieser gehört die Sonne, der Sonnenlauf, Nil, das Befruchtende, Verändernde. Die Geschichte des Osiris ist also Geschichte der Sonne: diese geht bis zu ihrem Kulminationspunkt, dann geht sie zurück, ihre Strahlen, ihre Kraft werden matt, aber danach fängt sie an, sich wieder zu erheben, - sie wird wiedergeboren. Osiris bedeutet so die Sonne und die Sonne Osiris; die Sonne wird so aufgefaßt als dieser Kreislauf, das Jahr wird als das eine Subjekt betrachtet, das an ihm selbst diese verschiedenen Zustände durchläuft. Im Osiris wird das Natürliche gefaßt, daß es Symbol desselben ist. So ist Osiris der Nil, der wächst, alles befruchtet, überschwemmt und durch die Hitze - da spielt das böse Prinzip herein - klein, ohnmächtig wird, dann wieder zur Stärke kommt. Das Jahr, die Sonne, der Nil wird als dieser in sich zurückgehende Kreislauf gefaßt.
Die besonderen Seiten an einem solchen Lauf werden momentan für sich als selbständig, als eine Menge von Göttern vorgestellt, die einzelne Seiten, Momente dieses Kreislaufs bezeichnen. Sagt man nun, der Nil sei das Innere, die Bedeutung des Osiris sei die Sonne, der Nil, andere Götter seien kalendarische Gottheiten, so hat dies seine Richtigkeit. Das eine ist das Innere, das andere das Darstellende, das Zeichen, das Bedeutende, wodurch sich dies Innere äußerlich kundgibt. Aber der Lauf des Nils ist zugleich allgemeine Geschichte, und man kann gegenseitig das eine als das Innere und das andere als Form der Darstellung, des Auffassens annehmen. Was in der Tat das Innere ist, ist Osiris, das Subjekt, dieser in sich zurückkehrende Kreislauf.
Das Symbol ist in dieser Weise das Herrschende: ein Inneres für sich, das äußerliche Weise des Daseins hat. Beides ist unterschieden voneinander. Es ist das Innere, das Subjekt, was hier frei, selbständig geworden, so daß das Innere die Substanz sei vom Äußerlichen, nicht im Widerspruch sei mit dem Äußerlichen, nicht ein Dualismus - die Bedeutung, Vorstellung für sich gegen die sinnliche Weise des Daseins, in dem sie den Mittelpunkt ausmacht.
Daß die Subjektivität in dieser Bestimmtheit als Mittelpunkt vorgestellt ist, damit hängt zusammen der Trieb, die Vorstellung zur Anschaubarkeit zu bringen. Die Vorstellung als solche muß sich aussprechen, und es ist der Mensch, der diese Bedeutung aus sich zur Anschaubarkeit produzieren muß. Das Unmittelbare ist verschwunden, wenn es zur Anschauung, zur Weise der Unmittelbarkeit gebracht werden soll, und die Vorstellung hat das Bedürfnis, sich auf diese Weise zu vervollständigen; wenn sich die Vorstellung integriert, so muß diese Unmittelbarkeit ein Vermitteltes, Produkt des Menschen sein.
Früher hatten wir die Anschaubarkeit, Unmittelbarkeit selbst auf eine natürliche, unvermittelte Weise, daß Brahman im Denken, in dieser Versenkung des Menschen in sich seine Existenz, die Weise seiner Unmittelbarkeit hat; oder das Gute ist das Licht, also in der Form der Unmittelbarkeit, die auf unmittelbare Weise ist.
Indem hier nun aber von der Vorstellung ausgegangen wird, so muß diese sich zur Anschauung, Unmittelbarkeit bringen; aber es ist eine vermittelte, weil sie die von dem Menschen gesetzte Unmittelbarkeit ist. Es ist das Innere, was zur Unmittelbarkeit gebracht werden soll; der Nil, der Jahreslauf sind unmittelbare Existenzen, aber sie sind nur Symbol des Innern. Ihre natürliche Geschichte ist in der Vorstellung zusammengefaßt; dieses Zusammengefaßtsein, dieser Verlauf als ein Subjekt und das Subjekt selbst ist in sich diese zurückehrende Bewegung. Dieser Kreislauf ist das Subjekt, was Vorstellung ist und was als Subjekt soll anschaubar gemacht werden.
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