G.W.F. HEGEL: Vorlesungen über die Philosophie der Religion
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2. Verhältnis der Religionsphilosophie zum System der Philosophie
a) In der Philosophie wird das Höchste das Absolute genannt, die Idee; es ist überflüssig, hier weiter zurückzugehen und anzuführen, daß dies Höchste in der Wolffischen Philosophie ens, Ding, genannt wurde; denn das kündigt sich sogleich als eine solche Abstraktion an, welche unserer Vorstellung von Gott zuwenig entspreche. Das Absolute in der neueren Philosophie ist nicht so voller Abstraktion, aber darum noch nicht gleichbedeutend mit dem, was wir Gott nennen. Die Verschiedenheit selbst bemerklich zu machen, müssen wir zunächst betrachten, was Bedeuten selbst bedeutet. Wenn wir fragen: was bedeutet dies oder jenes?, so wird nach zweierlei gefragt, und zwar nach dem Entgegengesetzten. Erstlich nennen wir das, was wir meinen, den Sinn, den Zweck, allgemeinen Gedanken jenes Ausdrucks, Kunstwerks usf.; nach dem Inneren fragen wir. Dies ist es, was wir zur Vorstellung bringen wollen; es ist der Gedanke. Wenn wir so fragen: was ist Gott? was bedeutet der Ausdruck Gott?, so wollen wir den Gedanken; die Vorstellung haben wir wohl. Sonach hat es die Bedeutung, daß der Begriff angegeben werden soll, und so ist der Begriff die Bedeutung; es ist das Absolute, die im Gedanken gefaßte Natur Gottes, das logische Wissen desselben, was wir haben wollen. Dies ist die eine Bedeutung der Bedeutung, und insofern ist das, was wir das Absolute nennen, gleichbedeutend mit dem Ausdruck Gott.
b) Aber wir fragen noch in einem zweiten Sinne, der das Entgegengesetzte verlangt. Wenn wir von reinen Gedankenbestimmungen anfangen und nicht von der Vorstellung, so kann es sein, daß der Geist sich darin nicht befriedigt findet, nicht darin zu Hause ist und fragt, was diese reine Gedankenbestimmung zu bedeuten habe. So findet sich z. B. die Bestimmung von Einheit des Subjektiven und Objektiven, von Einheit des Realen und Ideellen; man kann jedes für sich verstehen, wissen, was Einheit, Objektives, Subjektives usf. ist, und doch kann man sehr wohl sagen, man verstehe diese Bestimmung nicht. Wenn wir in einem solchen Fall fragen, so ist die Bedeutung das Entgegengesetzte von vorher. Nämlich hier wird eine Vorstellung der Gedankenbestimmung gefordert, ein Beispiel des Inhalts, der vorher nur im Gedanken gegeben wurde. Wenn wir einen Gedankeninhalt schwer finden, so ist das Schwere darin, daß wir keine Vorstellung davon haben; durch das Beispiel wird es uns deutlich, der Geist ist sich so erst gegenwärtig in diesem Inhalte.
Wenn wir nun von der Vorstellung Gottes anfangen, so hat die Religionsphilosophie die Bedeutung derselben zu betrachten, daß Gott die Idee, das Absolute, das im Gedanken und Begriff gefaßte Wesen ist, und sie hat dies mit der logischen Philosophie gemein; die logische Idee ist Gott, wie er an sich ist. Aber Gott ist dies, nicht nur an sich zu sein, er ist ebenso wesentlich für sich, der absolute Geist, der nicht nur das im Gedanken sich haltende Wesen ist, sondern auch das erscheinende, sich Gegenständlichkeit gebende.
c) So in der Religionsphilosophie die Idee Gottes betrachtend, haben wir zugleich auch die Weise seiner Vorstellung vor uns: er stellt sich nur sich selbst vor. Dies ist die Seite des Daseins des Absoluten. In der Religionsphilosophie haben wir so das Absolute zum Gegenstand, aber nicht bloß in der Form des Gedankens, sondern auch in der Form seiner Manifestation. Die allgemeine Idee ist also zu fassen in der schlechthin konkreten Bedeutung der Wesentlichkeit überhaupt, als auch ihrer Tätigkeit, sich herauszusetzen, zu erscheinen, sich zu offenbaren. Wir sagen populär: Gott ist der Herr der natürlichen Welt und des Geisterreiches; er ist die absolute Harmonie beider und das Hervorbringende und Betätigende dieser Harmonie. Es fehlt hierin weder der Gedanke und Begriff noch auch die Manifestation desselben, sein Dasein. Diese Seite des Daseins ist jedoch selbst wieder (da wir in der Philosophie sind) im Gedanken zu fassen.
Die Philosophie betrachtet also das Absolute erstlich als logische Idee, Idee, wie sie im Gedanken ist, wie ihr Inhalt selbst die Gedankenbestimmungen sind. Ferner zeigt sie das Absolute in seiner Tätigkeit, in seinen Hervorbringungen; und dies ist der Weg des Absoluten, für sich selbst zu werden, zum Geist, und Gott ist so das Resultat der Philosophie, von welchem erkannt wird, daß es nicht bloß das Resultat ist, sondern ewig sich hervorbringt, das Vorhergehende ist. Die Einseitigkeit des Resultats wird im Resultate selbst aufgehoben.
Die Natur, der endliche Geist, die Welt des Bewußtseins, der Intelligenz und des Willens sind Verleiblichungen der göttlichen Idee, aber es sind bestimmte Gestaltungen, besondere Weisen der Erscheinung der Idee, Gestaltungen, in denen die Idee noch nicht durchgedrungen ist zu sich selbst, um als absoluter Geist zu sein.
In der Religionsphilosophie aber betrachten wir die an sich seiende, logische Idee nicht bloß, wie sie als reiner Gedanke bestimmt [ist], auch nicht in den endlichen Bestimmungen, wo sie in einer endlichen Weise ihrer Erscheinung ist, sondern wie sie an sich ist im Gedanken und zugleich wie sie erscheint, sich manifestiert, aber in der unendlichen Erscheinung als Geist, der sich in sich selbst reflektiert; der Geist, der nicht erscheint, ist nicht. Es ist in dieser Bestimmung der Erscheinung auch die endliche Erscheinung - das ist die Welt der Natur und die Welt des endlichen Geistes - enthalten; aber der Geist ist als die Macht derselben, als sie aus sich und sich aus ihnen hervorbringend.
Dies ist die Stellung der Religionsphilosophie zu den anderen Teilen der Philosophie. Gott ist das Resultat der anderen Teile; hier ist dies Ende zum Anfang gemacht, zu unserem besonderen Gegenstand, als schlechthin konkrete Idee mit ihrer unendlichen Erscheinung, - und diese Bestimmung betrifft den Inhalt der Religionsphilosophie. Diesen Inhalt betrachten wir aber mit denkender Vernunft; und dies betrifft die Form und führt uns auf die Stellung der Religionsphilosophie zur Religion, wie diese als positive Religion erscheint.
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