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G.W.F. HEGEL
Vorlesungen über die Philosophie der Religion

 

A. Das Verhältnis der Religionsphilosophie zu ihren Voraussetzungen
      und zu den Zeitprinzipien

I. Die Entzweiung der Religion mit dem freien weltlichen Bewußtsein

a) Schon in dem Verhältnisse, das die Religion selbst in ihrer Unmittelbarkeit zu dem übrigen Bewußtsein des Menschen hat, liegen Keime der Entzweiung, da beide Seiten in einer Absonderung gegeneinander begriffen sind. Sie machen schon in ihrem unbefangenen Verhältnisse zweierlei Beschäftigungen aus, zweierlei Regionen des Bewußtseins, von deren einer zur anderen nur abwechslungsweise herüber und hinüber gegangen wird. So hat der Mensch in seinem wirklichen, weltlichen Tun eine Anzahl Werktage, wo er sich mit seinen besonderen Interessen, mit Zwecken der Weltlichkeit überhaupt und mit der Befriedigung seiner Not beschäftigt, - und dann einen Sonntag, wo er dies alles beiseite legt, sich für sich sammelt und, losgebunden von dem Versenktsein in das endliche Treiben, sich selbst und dem Höheren, das in ihm ist, seinem wahren Wesen lebt. In diese Absonderung der beiden Seiten tritt aber sogleich eine doppelte Modifikation ein.

α) Betrachten wir zunächst die Religion des frommen Menschen, d. h. dessen, der wirklich diesen Namen verdient. Der Glaube wird noch als rücksichtslos und gegensatzlos vorausgesetzt. An Gott glauben ist nämlich in seiner Einfachheit etwas anderes, als wenn man mit Reflexion und mit dem Bewußtsein, daß diesem Glauben ein Anderes gegenübersteht, sagt: ich glaube an Gott; da tritt schon das Bedürfnis der Rechtfertigung, des Räsonnements, der Polemik ein. Jene Religion des unbefangenen, frommen Menschen wird nun von ihm nicht abgeschlossen und abgeschieden von seinem übrigen Dasein und Leben gehalten, sondern verbreitet vielmehr ihren Hauch über alle seine Empfindungen und Handlungen, und sein Bewußtsein bezieht alle Zwecke und Gegenstände seines weltlichen Lebens auf Gott als auf die unendliche und letzte Quelle desselben. Jedes Moment seines endlichen Daseins und Treibens, Leidens und Freuens erhebt er aus seiner beschränkten Sphäre und bringt in dieser Erhebung die Vorstellung und Empfindung seines ewigen Wesens hervor. Sein übriges Leben steht ebenso in der Weise des Zutrauens, der Sitte, des Gehorsams, der Gewohnheit; er ist das, zu was die Umstände und die Natur ihn gemacht haben, und sein Leben, seine Verhältnisse und Rechte nimmt er, wie er das alles empfangen, als ein unverstandenes Geschick: Es ist so. Oder mit der Beziehung auf Gott nimmt er das Seinige dankend oder auch frei es ihm opfernd als ein Geschenk der willkürlichen Gnade. Das übrige Bewußtsein ist so unbefangen jener höheren Region unterworfen.

β) Von der weltlichen Seite aus bildet sich aber der Unterschied in jenem Verhältnisse zum Gegensatz aus. Es scheint zwar die Entwicklung dieser Seite die Religion nicht nachteilig zu berühren, und alles Tun scheint sich hierbei auf jener Seite beschränkt zu halten, der ausgesprochenen Anerkennung nach wird auch noch die Religion für das Höchste geachtet; aber in der Tat verhält es sich anders, und von der weltlichen Seite aus schleicht sich das Verderben und die Entzweiung zur Religion hinüber. Die Entwicklung dieses Unterschiedes können wir überhaupt als die Ausbildung des Verstandes und menschlicher Zwecke bezeichnen. Indem im menschlichen Leben und in der Wissenschaft der Verstand erwacht und die Reflexion selbständig geworden ist, so setzt sich der Wille absolute Zwecke, z. B. das Recht, den Staat, Gegenstände, die an und für sich sein sollen; so erkennt auch die Forschung die Gesetze, die Beschaffenheit, Ordnung und die Besonderheiten der natürlichen Dinge und der Tätigkeiten und Hervorbringungen des Geistes.
Diese Erfahrungen und Erkenntnisse sowie das Wollen und die Wirklichkeit jener Zwecke ist nun ein Werk des Menschen und seines Verstandes und Willens. Er hat darin sein Eigentum vor sich.
Wenn er auch von dem ausgeht, was ist, was er vorfindet, so ist er nicht mehr bloß der, der da weiß, der diese Rechte hat; sondern was er aus dem Vorgefundenen in der Erkenntnis und in dem Willen macht, das ist seine Sache, sein Werk, und er hat das Bewußtsein, daß er es produziert hat.
Die Produktionen machen daher seine Ehre und seinen Stolz aus und schaffen einen ungeheuren, unendlichen Reichtum - jene Welt seiner Einsicht, seiner Kenntnisse, seines äußerlichen Besitzes, seiner Rechte und Taten.

So ist der Geist in den Gegensatz getreten, zwar unbefangen noch, ohne es anfangs zu wissen, - aber es wird auch ein bewußter Gegensatz. Denn der Geist bewegt sich jetzt zwischen zwei Seiten, deren Unterschied sich wirklich entwickelt hat. Die eine Seite ist die, worin er sich sein eigen weiß, wo er sich in seinen Zwecken und Interessen befindet und unabhängig und selbständig sich aus sich bestimmt. Die andere Seite ist die, wo er eine höhere Macht, absolute Pflichten, Pflichten ohne eigentliche Rechte anerkennt und das, was er für die Ausübung seiner Pflichten empfängt, immer nur Gnade bleibt. Dort ist die Selbständigkeit des Geistes die Grundlage, hier verhält er sich demütig, abhängig. Seine Religion unterscheidet sich nun von jener Region der Selbständigkeit darin, daß er das Erkennen, die Wissenschaft auf die weltliche Seite einschränkt und für die Sphäre der Religion die Empfindung, den Glauben übrigläßt.

γ) Dennoch enthält auch jene Seite der Selbständigkeit dies, daß ihr Tun ein bedingtes ist, und die Erkenntnis und das Wollen muß diese Bedingtheit erfahren. Der Mensch fordert sein Recht; ob es ihm wirklich wird, ist von ihm unabhängig, und er ist dabei auf ein Anderes gewiesen. Bei seiner Erkenntnis geht er von den Einrichtungen und von der Ordnung der Natur aus, und dies ist ein Gegebenes. Der Inhalt seiner Wissenschaften ist ein Stoff außer ihm. So treten beide Seiten, die der Selbständigkeit und die des Bedingtseins, in Beziehung zueinander, und diese Beziehung führt den Menschen zu dem Eingeständnis, daß alles von Gott gemacht sei, alle Dinge, die den Inhalt seiner Kenntnisse ausmachen, die er in Besitz nimmt und als Mittel für seine Zwecke gebraucht, so wie er selbst, der Geist und die geistigen Vermögen, deren er sich, wie er sagt, bedient, um zu jener Erkenntnis zu gelangen.

Aber diese Einräumung ist kalt und tot, weil in ihr das, was die Lebendigkeit dieses Bewußtseins ausmacht, wo es bei sich selbst und Selbstbewußtsein ist, diese Einsicht und Erkenntnis hier fehlt. Alles Bestimmte fällt vielmehr in die Sphäre der Erkenntnis und der menschlichen, selbstgesetzten Zwecke, und hier ist auch nur die eigene Tätigkeit des Selbstbewußtseins vorhanden.
So ist nun auch jene Einräumung unfruchtbar, weil sie bei dem abstrakt Allgemeinen, nämlich dabei stehenbleibt, daß alles ein Werk Gottes sei; und bei den verschiedensten Gegenständen (Lauf der Gestirne und seine Gesetze, Ameise, Mensch) bleibt jene Beziehung in einem und demselben stehen, daß es Gott gemacht habe. Da diese religiöse Beziehung der einzelnen Gegenstände immer auf dieselbe Weise lautet und eintönig ist, so würde sie langweilig und lästig, wenn sie bei jedem Einzelnen wiederholt würde. Man macht daher die Sache mit der einen Einräumung, daß Gott alles gemacht habe, ab, befriedigt damit diese religiöse Seite ein für allemal, und im Verlauf der Erkenntnis und der Verfolgung der Zwecke wird dann nicht weiter daran gedacht. Jene Einräumung kann dann nur darum gemacht zu sein scheinen, um davon loszukommen, auch etwa, um nach dieser Seite gleichsam als nach außen gedeckt zu sein, kurz, es kann dabei Ernst sein oder auch nicht.

Die Frömmigkeit läßt es sich nicht verdrießen, bei allem und jedem den Blick zu Gott zu erheben, ob sie es gleich täglich und stündlich auf dieselbe Weise tut. Aber als fromme Empfindung steht sie überhaupt in der Einzelheit, ist sie in jedem Momente ganz, was sie ist, und ohne Reflexion und vergleichendes Bewußtsein. Hier hingegen, wo Erkennen und Aussichbestimmen gilt, hier ist wesentlich dies Vergleichen und das Bewußtsein jener Einerleiheit vorhanden, und da wird ein allgemeiner Satz ein für allemal ausgesprochen. Auf der einen Seite treibt der Verstand sein Wesen; gegenüber hat er das religiöse Gefühl der Abhängigkeit.

b) Auch die Frömmigkeit ist nicht dem Geschick entnommen, in die Entzweiung zu fallen. Die Entzweiung ist vielmehr in ihr bereits an sich so vorhanden, daß ihr wirklicher Inhalt ein nur mannigfaltiger, zufälliger ist. Die beiden Verhältnisse der Frömmigkeit und des vergleichenden Verstandes, sosehr sie verschieden zu sein scheinen, haben das gemein, daß die Beziehung Gottes auf die andere Seite des Bewußtseins unbestimmt und allgemein ist. Das zweite jener Verhältnisse hat dies in dem angeführten Ausdruck "Gott hat alles geschaffen" ohne weiteres angegeben und ausgesprochen.

α) Die Betrachtungsweise aber, welche die Frömmigkeit anstellt und wodurch sie ihrer Reflexion eine größere Ausführlichkeit gibt, besteht darin, daß sie die Beschaffenheiten und Einrichtungen nach dem Zweckverhältnisse betrachtet und ebenso alle Vorfälle des einzelnen Lebens wie die großen Begebenheiten der Geschichte als von göttlichen Zwecken ausgehend oder dahin gerichtet und zurückgelenkt betrachtet. Hier bleibt es also nicht bei der allgemeinen göttlichen Beziehung, sondern diese wird ein bestimmtes Beziehen, und es tritt somit ein näherer Inhalt ein; die mannigfachsten Stoffe werden in Verhältnis zueinander gesetzt, und Gott gilt dann als das Betätigende dieses Verhältnisses. Die Tiere und ihre Umgebung findet man nun so und so eingerichtet, daß sie Futter haben, Junge nähren, gegen das Schädliche gewaffnet sein, den Winter aushalten und sich gegen Feinde verteidigen können. Im menschlichen Leben findet man, wie durch diesen oder jenen scheinbaren Zufall, etwa ein Unglück, der Mensch zu seinem Glücke, sei es sein ewiges oder zeitliches, geführt werde. Kurz, das Tun, der Wille Gottes wird hier in bestimmten Handlungen, Naturverhältnissen, Ereignissen usf. betrachtet. 

Aber dieser Inhalt selbst, diese Zwecke, ein endlicher Inhalt, sind zufällig, nur für den Augenblick aufgenommen und verlieren sich inkonsequenterweise sogleich selbst. Wird z. B. die Weisheit Gottes in der Natur bewundert, daß die Tiere bewaffnet sind, teils um ihr Futter zu gewinnen, teils sich gegen Feinde zu schützen, so zeigt es sich in der Erfahrung sogleich, daß diese Waffen nichts helfen und die als Zweck betrachteten Geschöpfe von anderen als Mittel verbraucht werden.

Es ist dann in der Tat die weitergehende Erkenntnis, welche diese äußerliche Zweckbetrachtung herabgesetzt und verdrängt hat: die höhere Erkenntnis, welche zunächst wenigstens Konsequenz fordert und dergleichen Zwecke, welche als göttliche Zwecke angenommen werden, als untergeordnete, endliche erkennt, als etwas, das sich selbst in derselben Erfahrung und Beobachtung in seiner Nichtigkeit und nicht als Gegenstand des ewigen göttlichen Willens beweist.

Jene Betrachtung, wenn sie angenommen und wenn damit von ihrer Inkonsequenz abgesehen wird, ist dann eben deswegen unbestimmt und oberflächlich, weil aller und jeder Inhalt - gleichgültig, wie er ist - darin aufgenommen werden kann; denn es gibt nichts, keine Einrichtung der Natur, keine Begebenheit, von der nicht ein Nutzen nach irgendeiner Seite hin aufgezeigt werden könnte.
Und die Frömmigkeit ist nun überhaupt nicht mehr als die unbefangene, fühlende vorhanden, sondern sie geht von dem allgemeinen Gedanken eines Zweckes, eines Guten aus und räsoniert, indem sie unter diesen allgemeinen Gedanken die vorhandenen Dinge subsumiert. Mit diesem Räsonnement kommt aber die Frömmigkeit in die Verlegenheit, daß ihr in dieser unmittelbaren Erscheinung der natürlichen Dinge, soviel Zweckmäßiges und soviel Nutzen sie darin aufweist, ebensoviel Unzweckmäßiges und ebenso viele Schäden entgegengehalten werden können. Was zum Nutzen des einen dient, gereicht dem anderen zum Nachteil, ist daher unzweckmäßig:  die Erhaltung des Lebens und der mit dem Dasein zusammenhängenden Interessen, die das eine Mal befördert werden, sind das andere Mal ebensosehr gefährdet und vernichtet. So liegt eine Entzweiung in sich selbst darin, daß, der ewigen Wirkungsweise Gottes zuwider, endliche Dinge zu wesentlichen Zwecken erhoben werden. Der Vorstellung von Gott, daß er und seine Wirkungsweise allgemein und notwendig sei, widerspricht jene Inkonsequenz, und sie zerstört sogar jene allgemeine Bestimmung.

Betrachtete nun die Frömmigkeit die äußerlichen Zwecke und die Äußerlichkeit der Sache, wonach diese nützlich für ein Anderes ist, so scheint zwar die natürliche Bestimmtheit, von der ausgegangen wird, nur für ein Anderes zu sein. Aber dies ist, näher betrachtet, ihre eigene Beziehung, ihre eigene Natur, die immanente Natur des Bezogenen, seine Notwendigkeit. So macht sich für die Frömmigkeit der wirkliche Übergang zu der anderen Seite, die vorher als das Moment des Selbstischen bezeichnet war.

β) Die Frömmigkeit wird daher aus ihrem Räsonnement herausgeworfen, und indem einmal mit dem Denken und den Denkverhältnissen der Anfang gemacht worden ist, so muß das Denken vor allem [das], was das Seinige ist, nämlich zunächst Konsequenz und Notwendigkeit fordern und suchen und jenem Standpunkt des Zufälligen entgegenstellen. Damit entwickelt sich zugleich vollends das Prinzip des Selbstischen. Ich, als einfach, allgemein, als Denken, bin Beziehung überhaupt; indem ich für mich, Selbstbewußtsein, bin, sollen die Beziehungen auch für mich sein. Den Gedanken, Vorstellungen, die ich mir zu eigen mache, denen gebe ich die Bestimmung, die ich selber bin. Ich bin dieser einfache Punkt, und das, was für mich ist, will ich in dieser Einheit erkennen.

Die Erkenntnis geht insofern auf das, was ist, und auf die Notwendigkeit desselben und faßt diese im Verhältnis von Ursache und Wirkung, Grund und Folge, Kraft und ihrer Äußerung, des Allgemeinen der Gattung gegen die einzelnen  Existenzen, die eben in die Sphäre des Zufälligen fallen. Die Erkenntnis und Wissenschaft setzt auf diese Weise den mannigfaltigsten Stoff in gegenseitige Beziehung, benimmt ihm die Zufälligkeit, die er durch seine Unmittelbarkeit hat, und indem sie die Verhältnisse, welche der Reichtum der endlichen Erscheinung hat, betrachtet, umschließt sie die Welt der Endlichkeit in sich selbst zu einem System des Universums ab, so daß die Erkenntnis nichts außer diesem System für dasselbe nötig hat. Denn was eine Sache ist, was sie nach ihrer wesentlichen Bestimmtheit ist, ergibt sich nach ihrer Wahrnehmung und Beobachtung. Von der Beschaffenheit der Dinge geht man fort zu ihren Verhältnissen, wo sie in Beziehung stehen zu einem Anderen, aber nicht in zufälliger, sondern bestimmter Beziehung, und wo sie auf die ursprüngliche Sache hinweisen, von der sie ein Abgeleitetes sind. So fragt man nach den Gründen und Ursachen der Dinge, und diese Frage hat hier die Bedeutung, daß sie die besonderen Ursachen wissen will. So genügt es nicht mehr, Gott als die Ursache des Blitzes oder des Unterganges der republikanischen Verfassung in Rom oder der Französischen Revolution anzugeben; da findet man bald, daß diese Ursache nur ganz allgemein sei und die verlangte Erklärung nicht leiste. Von einer natürlichen Erscheinung oder von diesem oder jenem Gesetze als Wirkung oder Folge will man auch den Grund als den Grund dieser Erscheinung wissen, d. h. nicht den Grund, der für alles, sondern ausschließlich nur für dieses Bestimmte paßt. Und so muß der Grund von solchen besonderen Erscheinungen und solcher Grund der nächste sein im Endlichen gesucht und aufgenommen werden und selbst ein endlicher sein. Diese Erkenntnis kommt daher nicht über die Sphäre des Endlichen hinaus und verlangt nicht darüber hinauszukommen, da sie in ihrer endlichen Sphäre alles zu erkennen weiß und für alles Rat und Bescheid weiß. Die Wissenschaft bildet so ein Universum der Erkenntnis, das für sich Gottes nicht bedarf, außerhalb der Religion liegt und mit ihr direkt nichts zu schaffen hat. In diesem Reiche ergeht sich das Erkennen in seinen Verhältnissen und Zusammenhängen und hat damit allen bestimmten Stoff und Inhalt auf seiner Seite, und für die andere Seite, die Seite des Unendlichen und Ewigen, bleibt nichts übrig.

γ) So haben sich beide Seiten in ihrem Gegensatze völlig ausgebildet. Das Gemüt ist auf der Seite der Religion mit dem Göttlichen erfüllt, aber ohne Freiheit, Selbstbewußtsein und ohne Konsequenz in Ansehung des Bestimmten; dieses hat vielmehr die Form des Zufälligen. Der konsequente Zusammenhang des Bestimmten fällt auf die Seite der Erkenntnis, die im Endlichen einheimisch ist und sich in den Gedankenbestimmungen der mannigfachen Zusammenhänge frei bewegt, aber nur ein System ohne absolute Gediegenheit, ohne Gott schaffen kann. Auf die religiöse Seite fällt der absolute Stoff und Zweck, aber nur als ein abstrakt Positives. Das Erkennen hat sich alles endlichen Stoffes bemächtigt und ihn in seinen Kreis gezogen, ihm ist aller bestimmte Inhalt anheimgefallen; aber wenn es ihm auch einen notwendigen Zusammenhang gibt, so vermag es ihm doch nicht den absoluten Zusammenhang zu geben. Da endlich die Wissenschaft sich des Erkennens bemächtigt hat und das Bewußtsein von der Notwendigkeit des Endlichen ist, so ist die Religion erkenntnislos geworden und in das einfache Gefühl, in das inhaltslose Erheben des Geistigen zu dem Ewigen zusammengeschrumpft, kann aber von dem Ewigen nichts aussagen; denn alles, was Erkennen wäre, wäre ein Herabziehen desselben in die Sphäre und in den Zusammenhang des Endlichen.

Wenn nun beide so entwickelten Seiten zueinander in Beziehung treten, so ist eine gegen die andere mißtrauisch. Das religiöse Gefühl ist mißtrauisch gegen die Endlichkeit, die im Erkennen liegt, und wirft der Wissenschaft Eitelkeit vor, weil in ihr das Subjekt an sich hält, in sich ist und das Ich als das Erkennende gegen alles Äußere für sich ist. Auf der andern Seite ist das Erkennen mißtrauisch gegen die Totalität, in welcher sich das Gefühl hält und alle Ausbreitung und Entwicklung in eins zusammenwirft. Es fürchtet, seine Freiheit zu verlieren, wenn es der Forderung des Gefühls Folge leistete und unbedingt eine Wahrheit anerkennte, die es nicht bestimmt einsieht. Und wenn das religiöse Gefühl aus seiner Allgemeinheit heraustritt, sich Zwecke gibt, zum Bestimmten übergeht, so kann das Erkennen darin nur willkürliche Beliebigkeit sehen, und es würde sich, wenn es ebenso zum Bestimmten übergehen sollte, dem Zufall preisgegeben sehen. Wenn daher die Reflexion als gebildete sich in die Religion hineintragen muß, so kann sie es in ihr nicht aushalten und wird gegen alle Bestimmungen derselben ungeduldig.

c) Ist nun der Gegensatz zu dieser Ausbildung gekommen, wo immer die eine Seite, wenn die andere sich ihr nähert, diese als ihren Feind von sich abstößt, so tritt das Bedürfnis einer Ausgleichung ein, für welche das Unendliche im Endlichen und das Endliche im Unendlichen erscheint und nicht mehr jedes von beiden ein besonderes Reich bildet. Dies wäre die Versöhnung des religiösen, gediegenen Gefühls mit der Erkenntnis und Intelligenz. In dieser Versöhnung muß der höchsten Forderung der Erkenntnis und des Begriffs entsprochen werden, denn diese können nichts von ihrer Würde preisgeben. Aber ebensowenig kann dem absoluten Inhalt etwas vergeben und er in die Endlichkeit herabgezogen werden, und ihm gegenüber muß sich die endliche Form des Wissens aufgeben.

In der christlichen Religion mußte aber das Bedürfnis dieser Versöhnung mehr als in den anderen Religionen hervortreten. Denn

α) sie beginnt selbst von der absoluten Entzweiung und fängt von dem Schmerze an, indem sie die natürliche Einheit des Geistes zerreißt und den natürlichen Frieden zerstört. Der Mensch erscheint in ihr als böse von Hause aus, ist also  in seinem Innersten ein Negatives mit sich selbst, und der Geist, wie er in sich zurückgetrieben ist, findet sich gegen das unendliche, absolute Wesen entzweit.

β) Die Versöhnung, deren Bedürfnis auf das höchste gesteigert ist, erscheint zunächst für den Glauben, aber nicht so, daß dieser nur ein unbefangener sein kann. Denn der Geist ist gegen seine unmittelbare Natürlichkeit in sich gekehrt, ist als sündhaft ein Anderes gegen die Wahrheit, von ihr entfernt, ihr entfremdet. Ich, in diese Trennung versetzt, bin nicht die Wahrheit, und diese ist daher als selbständiger Inhalt der Vorstellung gegeben, und die Wahrheit ist zunächst auf Autorität hin vorgestellt.

γ) Wenn ich aber dadurch in eine Intellektualwelt versetzt bin, in welcher die Natur Gottes, die Bestimmungen und Handlungsweisen Gottes der Erkenntnis dargeboten werden und, ob es wirklich so ist, auf der Anschauung und Versicherung anderer beruht, so bin ich doch zugleich in mich gewiesen, da in mir das Denken, Erkennen, die Vernunft ist und meine Freiheit in der Sündhaftigkeit und in der Reflexion auf dieselbe mir vor Augen gestellt ist.
Das Erkennen liegt daher in der christlichen Religion selbst.

Ich soll in der christlichen Religion meine Freiheit behalten oder vielmehr in ihr frei werden.
In ihr ist das Subjekt, das Heil der Seele, die Rettung des Einzelnen als Einzelnen, nicht nur die Gattung, wesentlicher Zweck. Diese Subjektivität, Selbstischkeit (nicht Selbstsucht) ist eben das Prinzip des Erkennens selbst.

Weil sie nun in dem Prinzip der Erkenntnis steht, gibt die christliche Religion ihrem Inhalt Entwicklung, denn die Vorstellungen über den allgemeinen Gegenstand sind unmittelbar oder an sich Gedanken und müssen sich als solche ausbreiten. Andrerseits aber, weil der Inhalt wesentlich für die Vorstellung ist, so ist er getrennt von der unmittelbaren Meinung und Anschauung, geht er durch die Trennung hindurch. Kurz, er gilt gegen die Subjektivität als absoluter, an und für sich seiender Inhalt. Die christliche Religion berührt daher selbst den Gegensatz des Gefühls, der unmittelbaren Anschauung und der Reflexion und des Wissens. Sie hat die Erkenntnis wesentlich in ihr selbst und hat dasselbe veranlaßt, sich in seiner ganzen Konsequenz als Form und als Welt der Form zu entwickeln und damit zugleich der Form, in welcher jener Inhalt als gegebene Wahrheit ist, gegenüberzustellen. Hierauf beruht der Zwiespalt unserer Zeit.

Bisher haben wir die Ausbildung der Gegensätze noch in der Form betrachtet, wo sie sich noch nicht zur wirklichen Philosophie entwickelt haben oder noch außerhalb derselben stehen.
Es fragt sich daher zunächst:
1. Wie verhält sich die Philosophie überhaupt zur Religion,
2. wie verhält sich die Religionsphilosophie zur Philosophie, und welches ist 3. das Verhältnis der philosophischen Betrachtung der Religion zur positiven Religion?

 

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II. Die Stellung der Religionsphilosophie zur Philosophie und zur Religion

1. Verhältnis der Philosophie zur Religion überhaupt

2. Verhältnis der Religionsphilosophie zum System der Philosophie

3. Verhältnis der Religionsphilosophie zur positiven Religion

Das Verhältnis der Philosophie der Religion zu den Zeitprinzipien des religiösen Bewußtseins

Die Philosophie und die gegenwärtige Gleichgültigkeit der bestimmten Dogmen

Die historische Behandlung der Dogmen

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