G.W.F. HEGEL: Vorlesungen über die Philosophie der Religion
|
I. Der allgemeine Begriff der Religion
Das erste ist der Begriff in seiner Allgemeinheit, welchem erst als das zweite die Bestimmtheit des Begriffs, der Begriff in seinen bestimmten Formen folgt; diese hängen notwendig mit dem Begriff selbst zusammen. In philosophischer Betrachtungsweise ist es nicht der Fall, daß das Allgemeine, der Begriff, gleichsam ehrenhalber vornehingestellt wird. Sonst sind Begriffe von Recht, Natur allgemeine Bestimmungen, die vornehingesetzt werden und mit denen man eigentlich in Verlegenheit ist; man nimmt es aber auch nicht ernst mit ihnen und hat dann die Vorstellung, daß es auf sie nicht ankommt, sondern auf den eigentlichen Inhalt, die einzelnen Kapitel. Der sogenannte Begriff hat weiter keinen Einfluß auf diesen ferneren Inhalt, als daß er nur ungefähr den Boden anzeigt, auf dem man sich befindet mit diesen Materien, und verhindert, daß man nicht aus einem anderen Boden Inhalt herziehe; der Inhalt, z. B. Magnetismus, Elektrizität, gilt für die Sache, der Begriff fürs Formelle. Bei einer solchen Betrachtungsweise kann aber auch der vorangestellte Begriff, z. B. Recht, zu einem bloßen Namen für den abstraktesten, zufälligsten Inhalt werden.
Bei philosophischer Betrachtung ist auch der Anfang der Begriff; aber er ist der Inhalt selbst, die absolute Sache, die Substanz, wie es z. B. der Keim ist, aus dem sich der ganze Baum entwickelt. In diesem sind alle Bestimmungen enthalten, die ganze Natur des Baumes, die Art seiner Säfte, Verzweigung, aber nicht in der Weise präformiert, daß, wenn man ein Mikroskop nimmt, man die Zweige, Blätter im Kleinen sähe, sondern auf geistige Weise. So enthält der Begriff die ganze Natur des Gegenstandes, und die Erkenntnis selbst ist nichts als die Entwicklung des Begriffs, dessen, was an sich im Begriffe enthalten, noch nicht in Existenz getreten, expliziert, ausgelegt ist. So fangen wir an mit dem Begriffe der Religion.
|