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  G.W.F. HEGEL: Vorlesungen über die Philosophie der Religion

 

B. Vorfragen

Ehe an die Abhandlung unseres Gegenstandes selbst gegangen werden könne, scheint es unerläßlich zu sein, mehrere Vorfragen zu erledigen oder vielmehr Untersuchungen über dieselben in dem Sinne anzustellen, daß es erst von dem Ergebnis dieser Untersuchungen abhängig gemacht werde, ob überhaupt eine solche Abhandlung, eine Vernunfterkenntnis der Religion möglich sei.
Es scheint die Untersuchung dieser Fragen und ihre Beantwortung deshalb unumgänglich notwendig zu sein, weil sie das philosophische und populäre Interesse des Nachdenkens unserer Zeit vornehmlich beschäftigt haben und weil sie die Prinzipien betreffen, auf welchen die Ansichten der Zeit über den religiösen Inhalt wie über die Erkenntnis desselben beruhen. Wenigstens wird es notwendig sein, wenn wir solche Untersuchung unterlassen, zu zeigen, daß diese Unterlassung nicht zufällig geschieht und daß wir das Recht dazu haben, weil das Wesentliche jener Untersuchung in unsere Wissenschaft selbst fällt und alle jene Fragen nur in ihr erledigt werden können.

Wir haben daher hier nur den Hindernissen in das Auge zu sehen, welche die bisher betrachtete Bildung und Ansicht der Zeit der Berechtigung, die Religion begreifend zu erkennen, entgegenstellt.

1. Zunächst haben wir nicht Religion überhaupt als Gegenstand vor uns, sondern positive Religion, von der anerkannt ist, daß sie von Gott gegeben ist, die auf höherer als menschlicher Autorität beruht und deshalb außer dem Bereich menschlicher Vernunft und darüber erhaben erscheint.
Das erste Hindernis in dieser Beziehung ist dies, daß wir zuvor die Befugnis und das Vermögen der Vernunft, sich mit solcher Wahrheit und Lehre einer Religion zu beschäftigen, welche dem Bereich menschlicher Vernunft entzogen sein soll, zu erhärten hätten.
Begreifendes Erkennen kommt aber und muß mit positiver Religion in Beziehung kommen.
Man hat zwar gesagt und sagt noch: positive Religion ist für sich, ihre Lehren lassen wir dahingestellt sein, respektieren und achten sie; auf der anderen Seite stehen die Vernunft und begreifendes Denken,
und beide sollen nicht in Beziehung kommen und die Vernunft sich nicht auf jene Lehre beziehen.
Vormals hat man sich so die Freiheit der philosophischen Untersuchung vorbehalten wollen.
Man hat gesagt, sie sei eine Sache für sich, welche der positiven Religion keinen Eintrag tun sollte, und ihr Resultat hat man dann auch wohl der Lehre der positiven Religion unterworfen.
Diese Stellung wollen wir aber unserer Untersuchung nicht geben. Es ist etwas Falsches, daß beides, der Glaube und die freie philosophische Untersuchung, ruhig nebeneinander bestehen könne.
Es ist ungegründet, daß der Glaube an den Inhalt der positiven Religion bestehen kann, wenn die Vernunft sich von dem Gegenteil überzeugt hat; konsequent und richtig hat daher die Kirche dies nicht aufkommen lassen, daß die Vernunft dem Glauben entgegengesetzt sein und sich ihm doch unterwerfen könne.
Der menschliche Geist ist im Innersten nicht ein so Geteiltes in dem zweierlei bestehen könnte, was sich widerspricht. Ist der Zwist zwischen der Einsicht und Religion entstanden, so führt er, wenn er nicht in der Erkenntnis geschlichtet wird, zur Verzweiflung, welche an die Stelle der Versöhnung tritt.
Diese Verzweiflung ist die einseitig durchgeführte Versöhnung.
Man wirft die eine Seite weg, hält die andere allein fest, gewinnt aber dabei nicht wahrhaften Frieden. Entweder wirft dann der in sich entzweite Geist die Forderung der Einsicht weg und will zum unbefangenen, religiösen Gefühl zurückkehren.
Das kann aber der Geist nur, wenn er sich Gewalt antut; denn die Selbständigkeit des Bewußtseins verlangt Befriedigung, läßt sich nicht gewaltsam hinwegstoßen, und dem selbständigen Denken entsagen zu wollen, vermag der gesunde Geist nicht.
Das religiöse Gefühl wird Sehnsucht, Heuchelei und behält das Moment der Nichtbefriedigung.
Die andere Einseitigkeit ist Gleichgültigkeit gegen die Religion, die man entweder dahingestellt sein und auf sich beruhen läßt oder endlich bekämpft. Das ist die Konsequenz seichter Seelen.

Dies ist also die erste Vorfrage, wonach das Recht der Vernunft zu erweisen ist, solche Lehre der Religion zu ihrer Beschäftigung zu machen.

2. In der vorigen Sphäre wird nur behauptet, daß die Vernunft nicht die Wahrheit der Natur Gottes erkennen könne; die Möglichkeit, andere Wahrheiten zu erkennen, wird ihr nicht abgesprochen, nur die höchste Wahrheit soll für sie unerkennbar sein.
Nach einer anderen Behauptung wird es der Vernunft aber ganz abgesprochen, Wahrheit überhaupt zu erkennen. Es wird behauptet, daß die Erkenntnis, wenn sie sich auf den Geist an und für sich, auf das Leben, auf das Unendliche beziehe, nur Irrtümer hervorbringe und sich die Vernunft jeden Anspruchs begeben müsse, auf affirmative Weise etwas vom Unendlichen zu fassen; die Unendlichkeit werde durchs Denken aufgehoben, herabgesetzt zu Endlichem.
Dies Resultat in Ansehung der Vernunft, die Verneinung der Vernunft, soll sogar ein Resultat der vernünftigen Erkenntnis selbst sein. Hiernach müßte man die Vernunft selbst erst untersuchen, ob in ihr die Fähigkeit, Gott zu erkennen, und mithin die Möglichkeit einer Philosophie der Religion liege.

3. Hiermit hängt zusammen, daß man das Wissen von Gott nicht in die begreifende Vernunft stellen soll, sondern daß das Bewußtsein Gottes nur aus dem Gefühl quillt und das Verhältnis des Menschen zu Gott nur in der Sphäre des Gefühls liegt, nicht herüberzuziehen ist ins Denken.
Wenn Gott aus dem Gebiet der vernünftigen Einsicht, der notwendigen, substantiellen Subjektivität ausgeschlossen ist, so bleibt allerdings nichts übrig, als ihm das Gebiet der zufälligen Subjektivität,
das des Gefühls anzuweisen, und man muß sich dabei nur darüber wundern, daß Gott überhaupt noch Objektivität zugeschrieben wird.
Darin sind die materialistischen Ansichten, oder wie sie sonst bezeichnet werden mögen, die empirischen, historischen, naturalistischen, wenigstens konsequenter gewesen, daß, indem sie den Geist und das Denken für etwas Materielles genommen und auf Sensationen zurückgeführt zu haben meinen, sie auch Gott für ein Produkt des Gefühls genommen und ihm die Objektivität abgesprochen haben; das Resultat ist dann der Atheismus gewesen. Gott ist so ein historisches Produkt der Schwäche, der Furcht, der Freude oder eigennütziger Hoffnung oder Hab- und Herrschsucht. Was nur in meinem Gefühl wurzelt, ist nur für mich, das Meinige, aber nicht sein Selbst, nicht selbständig an und für sich. Hiernach scheint es notwendig, zuvor zu zeigen, daß Gott nicht bloß das Gefühl zur Wurzel hat, nicht bloß mein Gott ist. Die frühere Metaphysik hat daher immer zuerst bewiesen, daß ein Gott ist und nicht bloß ein Gefühl von Gott. Es findet sich so auch die Aufforderung für die Religionsphilosophie, Gott zu beweisen.

Es kann scheinen, als hätten gegen die Philosophie die anderen Wissenschaften darin einen Vorteil,
daß ihr Inhalt schon vorher anerkannt ist und daß sie des Beweises vom Sein des Inhalts überhoben sind. Bei der Arithmetik werden Zahlen, bei der Geometrie Raum, in der Medizin menschliche Körper, Krankheiten von vornherein zugestanden, und es wird ihnen nicht zugemutet, zu erweisen,
daß es z. B. einen Raum, Körper, Krankheiten gibt. Die Philosophie überhaupt hat daher scheinbar den Nachteil, vorher, ehe sie beginnt, ihren Gegenständen ein Sein sichern zu müssen; wenn man es ihr allenfalls passieren läßt,
daß es eine Welt gibt, so wird sie dagegen sogleich in Anspruch genommen, wenn sie ebenso die Wirklichkeit des Unkörperlichen überhaupt, eines von der Materie freien Denkens und Geistes, noch mehr Gottes voraussetzen wollte. Der Gegenstand der Philosophie ist aber auch nicht von jener Art und soll es nicht sein, daß er nur vorausgesetzt werden sollte.
Die Philosophie und näher die Religionsphilosophie hätte sich also erst ihren Gegenstand zu beweisen und darauf hinzuarbeiten, daß, ehe sie existiere, sie beweise, daß sie ist; sie müßte vor ihrer Existenz ihre Existenz beweisen.

Dies wären nun die Vorfragen, die, wie es scheint, vorher erledigt werden müßten und in deren Erledigung dann erst die Möglichkeit einer Religionsphilosophie läge. Gelten aber solche Gesichtspunkte,
so ist Religionsphilosophie unmittelbar unmöglich, da, um ihre Möglichkeit zu zeigen, erst jene Hindernisse beseitigt werden müßten. So scheint es beim ersten Anblick. Wir lassen sie jedoch zur Seite liegen;
warum wir dies tun, ist kurz in seinen Hauptmomenten, um diese Schwierigkeit zu heben, zu erwähnen.

Die erste Forderung ist, daß man die Vernunft, das Erkenntnisvermögen vorher untersuche, ehe man an das Erkennen geht. Das Erkennen stellt man sich dann so vor, als ob es mittels eines Instrumentes geschehe, mit dem man die Wahrheit anfassen will. Näher betrachtet ist aber die Forderung, dies Instrument erst zu erkennen, ungeschickt.
Die Kritik des Erkenntnisvermögens ist eine Stellung der Kantischen Philosophie, überhaupt eine Stellung der Zeit und ihrer Theologie. Man hat geglaubt, hierbei einen großen Fund gemacht zu haben; aber man hat sich getäuscht, wie dies so oft in der Welt geschieht. Denn gewöhnlich, wenn die Leute einen Einfall haben, den sie für recht gescheit halten, sind sie am törichtesten daran, und die Satisfaktion besteht darin, daß sie für ihre Torheit und Unwissenheit sich eine vortreffliche Wendung gefunden haben. Überhaupt sind sie unerschöpflich in Wendungen, wenn es darauf ankommt, sich ein gutes Gewissen wegen ihrer Trägheit zu machen und von der Sache wegzukommen.

Die Vernunft soll untersucht werden, - wie? Sie soll vernünftig untersucht werden, soll erkannt werden; dies ist jedoch selbst wieder nur durch vernünftiges Denken möglich, auf jedem anderen Wege nicht,
und es wird somit eine Forderung gestellt, die sich selbst aufhebt. Wenn wir nicht ans Philosophieren gehen sollten, ohne die Vernunft vernünftig erkannt zu haben, so ist gar nicht anzufangen, denn indem wir erkennen, begreifen wir vernünftig; dies sollen wir aber lassen, da wir eben die Vernunft erst erkennen sollen.
Es ist dieselbe Forderung, die jener Gascogner machte, der nicht eher ins Wasser gehen will, als bis er schwimmen könne. Man kann nicht vernünftige Tätigkeit vorher untersuchen, ohne vernünftig zu sein.

Hier in der Religionsphilosophie ist näher Gott, Vernunft überhaupt der Gegenstand, denn Gott ist wesentlich vernünftig, Vernünftigkeit, die als Geist an und für sich ist. Indem wir nun über die Vernunft philosophieren, so untersuchen wir das Erkennen; nur tun wir es so, daß wir nicht meinen, wir wollten dies vorher abmachen, außerhalb des Gegenstandes, sondern das Erkennen der Vernunft ist gerade der Gegenstand, auf den es ankommt.
Der Geist ist nur dies, für den Geist zu sein; damit ist dann der endliche Geist gesetzt, und das Verhältnis des endlichen Geistes, der endlichen Vernunft zur göttlichen erzeugt sich innerhalb der Religionsphilosophie selbst und muß darin abgehandelt werden, und zwar an der notwendigen Stelle,
wo es sich erst erzeugt.
Das macht den Unterschied einer Wissenschaft von Einfällen über eine Wissenschaft.
Diese sind zufällig; insofern sie aber Gedanken sind, die sich auf die Sache beziehen, so müssen sie in die Abhandlung selbst fallen; es sind dann nicht zufällige Gedankenblasen.

Der Geist, der sich zum Gegenstande macht, gibt sich wesentlich die Gestalt des Erscheinens, als eines auf höhere Weise an den endlichen Geist Kommenden; darin liegt dann, daß der Geist zu einer positiven Religion kommt.
Der Geist wird für sich in der Gestalt der Vorstellung, in der Gestalt des Anderen; und für das Andere, für das er ist, wird das Positive der Religion hervorgebracht.
Ebenso liegt innerhalb der Religion die Bestimmung der Vernunft, wonach sie erkennend, Tätigkeit des Begreifens und Denkens ist; dieser Standpunkt des Erkennens fällt innerhalb der Religion, ebenso der Standpunkt des Gefühls.
Das Gefühl ist das Subjektive, was mir als diesem Einzelnen angehört und wofür ich mich auf mich berufe; auch dieser Standpunkt, insofern sich Gott diese letzte Vereinzelung des Diesen gibt, des Fühlenden,
fällt in die Entwicklung des Religionsbegriffes, weil ein geistiges Verhältnis, Geistigkeit in diesem Gefühl ist.
Auch die Bestimmung, daß Gott ist, ist eine Bestimmung, die wesentlich innerhalb der Betrachtung der Religion fällt.

Überhaupt aber ist die Religion die letzte und höchste Sphäre des menschlichen Bewußtseins,
es sei Ansicht, Wille, Vorstellen, Wissen, Erkennen, - das absolute Resultat, diese Region,
wohin der Mensch übergeht als in die Region der absoluten Wahrheit.

Um dieser allgemeinen Bestimmung willen muß es bereits geschehen sein, daß das Bewußtsein in dieser Sphäre sich erhoben habe über das Endliche überhaupt, über die endliche Existenz, Bedingungen, Zwecke, Interessen, ebenso über endliche Gedanken, endliche Verhältnisse aller Art; um in der Religion gegenwärtig zu sein, muß man diese abgetan haben.

Obwohl nun aber auch für das gewöhnliche Bewußtsein schon die Religion die Erhebung über das Endliche ist, so geschieht es doch gegen diese Grundbestimmung, wenn gegen die Philosophie überhaupt, insbesondere gegen die Philosophie über Gott, über die Religion gesprochen wird, daß zum Behuf dieses polemischen Sprechens endliche Gedanken, Verhältnisse der Beschränktheit, Kategorien und Formen des Endlichen herbeigebracht werden.
Aus solchen Formen des Endlichen wird opponiert gegen die Philosophie, besonders gegen die höchste Philosophie, die Philosophie der Religion.

Wir wollen dies nur mit wenigem berühren. So eine endliche Form ist z. B. Unmittelbarkeit des Wissens, Tatsache des Bewußtseins; solche Kategorien sind die Gegensätze des Endlichen und Unendlichen, Subjekt und Objekt. Allein diese Gegensätze: Endliches oder Unendliches, Subjekt oder Objekt, sind abstrakte Formen, die in diesem absolut reichen konkreten Inhalt, wie die Religion ist, nicht an ihrem Platze sind.
Im Geist, Gemüt, das mit Religion zu tun hat, sind vielmehr ganz andere Bestimmungen vorhanden als Endlichkeit usf., und auf solche Bestimmungen wird doch das gestellt, worauf es in der Religion ankommen soll. Sie müssen allerdings vorkommen, da sie Momente des wesentlichen Verhältnisses sind, welches der Religion zugrunde liegt, aber die Hauptsache ist, daß ihre Natur vorher längst untersucht und erkannt sein muß: diese zunächst logische Erkenntnis muß im Rücken liegen, wenn wir es mit Religion wissenschaftlich zu tun haben, mit solchen Kategorien muß man längst fertig geworden sein.
Aber das Gewöhnliche ist, daß man aus denselben sich erhebt gegen den Begriff, die Idee, das vernünftige Erkennen. Jene Kategorien werden gebraucht ohne alle Kritik, auf ganz unbefangene Weise, gerade als ob nicht einmal die Kantische Kritik der reinen Vernunft vorhanden wäre, die diese Formen doch wenigstens angefochten und nach ihrer Weise das Resultat gehabt hat, daß man nur Erscheinungen erkennen könne durch diese Kategorien.
Und in der Religion hat man es doch nicht mit Erscheinungen, sondern mit absolutem Inhalt zu tun.
Die Kantische Philosophie scheint aber für jenes Räsonnement nur darum dagewesen zu sein, damit man desto ungescheuter mit jenen Kategorien verfahren dürfe.

Vollends unpassend, ja abgeschmackt ist es, diese Kategorien, wie Unmittelbarkeit, Tatsachen des Bewußtseins, gegen die Philosophie herbeizubringen und ihr zu sagen, daß das Unendliche vom Endlichen, das Objekt vom Subjekt verschieden sei, als ob das irgendein Mensch, ein Philosoph nicht gewußt hätte oder solche Trivialität erst lernen müsse. Dennoch entblödet man sich nicht, dergleichen Gescheitheit triumphierend herbeizubringen, als hätte man damit eine neue Entdeckung gemacht.

Nur das bemerken wir hier, daß solche Bestimmungen wie Endliches und Unendliches, Subjekt und Objekt allerdings - was immer die Grundlage jenes so gescheiten und überklugen Geredes ausmacht - verschieden, aber auch zugleich untrennbar sind. Da haben wir im Physikalischen am Nord- und Südpol des Magnets das Beispiel. So sagt man auch: jene Bestimmungen sind verschieden wie Himmel und Erde.
Das ist richtig; sie sind schlechthin verschieden, aber, wie schon das beigebrachte Bild angibt, untrennbar: Erde kann man nicht zeigen ohne Himmel und umgekehrt.

Es ist schwer, mit solchen, die gegen die Religionsphilosophie streiten und über sie zu triumphieren meinen, sich einzulassen; denn sie sprechen so geradezu, die Unmittelbarkeit sei doch eben etwas anderes als Vermittlung, zeigen aber dabei eine zu große Unwissenheit, völlige Unbekanntschaft mit den Formen und Kategorien, in denen sie ihre Angriffe machen und über die Philosophie aburteilen. Sie versichern ganz unbefangen, ohne über diese Gegenstände nachgedacht oder in der äußeren Natur und in der inneren Erfahrung ihres Bewußtseins, ihres Geistes gründlich nachgesehen zu haben, wie diese Bestimmungen darin vorkommen.
Die Wirklichkeit ist ihnen nicht präsent, sondern fremd und unbekannt.
Ihr gegen die Philosophie feindlich gerichtetes Gerede ist daher Schulgeschwätz, das sich in leere, inhaltslose Kategorien einhängt, während wir mit der Philosophie nicht in der sogenannten Schule, sondern in der Welt der Wirklichkeit sind und an dem Reichtum der Bestimmungen derselben nicht ein Joch, in das wir gebannt wären, sondern in ihnen freie Bewegung haben.
Und dann sind diejenigen, welche die Philosophie bekämpfen und verunglimpfen, durch ihr endliches Denken sogar unfähig, einen philosophischen Satz zu fassen, und selbst indem sie seine Worte etwa wiederholen, haben sie ihn verkehrt; denn sie haben seine Unendlichkeit nicht gefaßt, sondern ihre endlichen Verhältnisse hineingetragen.
Die Philosophie ist so unverdrossen und gibt sich die große Mühe, daß sie sorgfältig untersucht, was an ihrem Gegner ist. Das ist freilich nach ihrem Begriffe notwendig, und sie befriedigt nur den inneren Drang ihres Begriffes, wenn sie beides, sich und das ihr Entgegengesetzte, erkennt (verum index sui et falsi);
aber sie sollte doch als Vergeltung den Gegendienst erwarten können, daß nun auch der Gegensatz von seiner Feindschaft lasse und ruhig ihr Wesen erkenne. Das erfolgt nun freilich nicht, und die Großmut, den Gegner anerkennen zu wollen und feurige Kohlen auf sein Haupt zu sammeln, hilft ihr nichts, denn der Gegner hält nicht still und beharrt auf sich. Allein wenn wir sehen, daß der Gegensatz wie ein Gespenst zerstäubt und sich in Nebel auflöst, so wollen wir dabei nur uns und dem begreifenden Denken Rechenschaft geben, nicht bloß gegen den anderen Recht behalten.
Und ihn gar zu überzeugen, diese persönliche Einwirkung auf ihn ist unmöglich, da er in seinen beschränkten Kategorien stehenbleibt.

Über jene Formen der Reflexion muß der denkende Geist hinaussein, er muß ihre Natur, das wahrhafte Verhältnis kennen, das in ihnen stattfindet, das unendliche Verhältnis, d. i. worin ihre Endlichkeit aufgehoben ist. Dann zeigt es sich auch, daß das unmittelbare Wissen wie das vermittelte vollkommen einseitig ist. Das Wahre ist ihre Einheit, ein unmittelbares Wissen, das ebenso vermittelt ist, vermitteltes,
das ebenso einfach in sich, unmittelbare Beziehung auf sich ist. Indem die Einseitigkeit durch solche Verbindung aufgehoben ist, ist es ein Verhältnis der Unendlichkeit.
Da ist Vereinung, worin die Verschiedenheit jener Bestimmungen ebenso aufgehoben ist, wie sie zugleich, ideell aufbewahrt, die höhere Bestimmung haben, zum Pulse der Lebendigkeit, zum Triebe, Bewegung, Unruhe des geistigen wie des natürlichen Lebens zu dienen.

Da wir mit der Religion, dem Höchsten und Letzten, in der folgenden Abhandlung anfangen, so müßten wir nun voraussetzen können, daß die Eitelkeit jener Verhältnisse längst überwunden sei. Aber zugleich, weil wir die Wissenschaft überhaupt nicht von vorn anfangen, sondern die Religion eigens betrachten, so muß auch innerhalb derselben auf das Rücksicht genommen werden, was bei ihr vornehmlich für Verstandesverhältnisse in Betracht zu kommen pflegen.

Mit dieser Verweisung auf die folgende Abhandlung selbst geben wir nun sogleich die allgemeine Übersicht, die Einteilung unserer Wissenschaft.

 

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