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B. Quantität
a. Die reine Quantität
§ 99
Die Quantität ist das reine Sein, an dem die Bestimmtheit nicht mehr als eins mit dem Sein selbst, sondern als aufgehoben oder gleichgültig gesetzt ist.
1. Der Ausdruck Größe ist insofern für Quantität nicht passend, als er vornehmlich die bestimmte Quantität bezeichnet. 2. Die Mathematik pflegt die Größe als das zu definieren, was vermehrt oder vermindert werden kann; so fehlerhaft diese Definition ist, indem sie das Definitum selbst wieder enthält, so liegt doch dies darin, daß die Größenbestimmung eine solche ist, die als veränderlich und gleichgültig gesetzt sei, so daß unbeschadet einer Veränderung derselben, einer vermehrten Extension oder Intension, die Sache, z. B. ein Haus, Rot, nicht aufhöre, Haus, Rot zu sein. 3. Das Absolute ist reine Quantität, - dieser Standpunkt fällt im allgemeinen damit zusammen, daß dem Absoluten die Bestimmung von Materie gegeben wird, an welcher die Form zwar vorhanden, aber eine gleichgültige Bestimmung sei. Auch macht die Quantität die Grundbestimmung des Absoluten aus, wenn es so gefaßt wird, daß an ihm, dem Absolut-Indifferenten, aller Unterschied nur quantitativ sei. - Sonst können der reine 8/209 Raum, die Zeit usf. als Beispiele der Quantität genommen werden, insofern das Reale als gleichgültige Raum- oder Zeiterfüllung aufgefaßt werden soll.
Zusatz. Die in der Mathematik gewöhnliche Definition der Größe, dasjenige zu sein, was vermehrt oder vermindert werden kann, scheint beim ersten Anblick einleuchtender und plausibler zu sein als die im vorstehenden § enthaltene Begriffsbestimmung. Näher besehen enthält dieselbe jedoch in der Form der Voraussetzung und der Vorstellung dasselbe, was sich nur auf dem Wege der logischen Entwicklung als Begriff der Quantität ergeben hat. Wenn nämlich von der Größe gesagt wird, daß ihr Begriff darin bestehe, vermehrt oder vermindert werden zu können, so ist eben damit ausgesprochen, daß die Größe (oder richtiger die Quantität) - im Unterschied von der Qualität - eine solche Bestimmung ist, gegen deren Veränderung die bestimmte Sache sich als gleichgültig verhält. Was dann den oben gerügten Mangel der gewöhnlichen Definition der Quantität anbetrifft, so besteht derselbe näher darin, daß Vermehren und Vermindern eben nur heißt, die Größe anders bestimmen. Hiermit wäre indes die Quantität zunächst nur ein Veränderliches überhaupt. Nun aber ist auch die Qualität veränderlich, und der vorher erwähnte Unterschied der Quantität von der Qualität ist dann durch das Vermehren oder Vermindern ausgedrückt, worin dies liegt, daß, nach welcher Seite hin auch die Größenbestimmung verändert werden mag, die Sache doch bleibt, was sie ist. - Hier ist dann noch zu bemerken, daß es in der Philosophie überhaupt gar nicht bloß um richtige und noch viel weniger bloß um plausible, d. h. solche Definitionen zu tun ist, deren Richtigkeit dem vorstehenden Bewußtsein unmittelbar einleuchtet, sondern vielmehr um bewährte, d. h. solche Definitionen, deren Inhalt nicht bloß als ein vorgefundener aufgenommen, sondern als ein im freien Denken und damit zugleich in sich selbst begründeter erkannt wird. Dies findet seine Anwendung auf dem vorliegenden Fall in der Art, daß, wie richtig und unmittelbar einleuchtend auch immerhin die in der Mathematik gewöhnliche Definition der Quantität sein möchte, damit doch immer der Forderung noch nicht genügt sein würde, zu wissen, inwiefern dieser besondere Gedanke im allgemeinen Denken begründet und hiermit notwendig ist. Hieran schließt sich dann die weitere Betrachtung, daß, indem die Quantität, ohne durch das Denken vermittelt zu sein, unmittelbar aus der Vorstellung aufgenommen wird, es sehr leicht geschieht, daß dieselbe hinsichtlich des Umfangs ihrer Gültigkeit überschätzt, ja selbst zur absoluten Kategorie gesteigert wird. Dies ist in der Tat dann der Fall, wenn nur solche Wissenschaften, deren Gegenstände dem mathematischen Kalkül unterworfen werden können, als exakte Wissenschaften anerkannt werden. Hier zeigt sich dann wieder jene früher (§ 98 Zusatz) erwähnte schlechte Metaphysik, welche einseitige und abstrakte Verstandesbestimmungen an die Stelle der konkreten Idee setzt. Es wäre in der Tat übel beschaffen mit unserem Erkennen, wenn von solchen Gegenständen wie Freiheit, Recht, Sittlichkeit, ja Gott selbst, darum, weil dieselben nicht gemessen und berechnet oder in einer mathematischen Formel ausgedrückt werden können, wir uns, mit Verzichtleistung auf eine exakte Erkenntnis, im allgemeinen bloß mit einer unbestimmten Vorstellung zu begnügen hätten und dann, was das Nähere oder Besondere derselben anbetrifft, dem Belieben eines jeden Einzelnen überlassen bliebe, daraus zu machen, was er will. - Welche praktisch verderbliche Konsequenzen sich aus einer solchen Auffassung ergeben, ist unmittelbar einleuchtend. Näher betrachtet ist übrigens der hier erwähnte, ausschließlich mathematische Standpunkt, auf welchem die Quantität, diese bestimmte Stufe der logischen Idee, mit dieser selbst identifiziert wird, kein anderer Standpunkt als der des Materialismus, wie denn auch solches in der Geschichte des wissenschaftlichen Bewußtseins, namentlich in Frankreich seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts, seine volle Bestätigung findet. Das Abstrakte der Materie ist eben dies, an welchem die Form zwar vorhanden ist, jedoch nur als eine gleichgültige und äußerliche Bestimmung. - Man würde übrigens die hier angestellte Erörterung sehr mißverstehen, wenn man dieselbe so auffassen wollte, als ob dadurch der Würde der Mathematik zu nahe getreten oder als ob durch Bezeichnung der quantitativen Bestimmung, als bloß äußerlicher und gleichgültiger Bestimmung, der Trägheit und Oberflächlichkeit ein gutes Gewissen gemacht und behauptet werden sollte, man könne die quantitativen Bestimmungen auf sich beruhen lassen oder brauche es wenigstens damit eben so genau nicht zu nehmen. Die Quantität ist jedenfalls eine Stufe der Idee, welcher als solcher auch ihr Recht werden muß, zunächst als logischer Kategorie und sodann weiter auch in der gegenständlichen Welt, sowohl in der natürlichen als auch in der geistigen. Hier zeigt sich dann aber auch sogleich der Unterschied, daß bei Gegenständen der natürlichen Welt und bei Gegenständen der geistigen Welt die Größenbestimmung nicht von gleicher Wichtigkeit ist. In der Natur nämlich, als der Idee in der Form des Anders- und zugleich des Außersichseins, hat eben um deswillen auch die Quantität eine größere Wichtigkeit als in der Welt des Geistes, dieser Welt der freien Innerlichkeit. Wir betrachten zwar auch den geistigen Inhalt unter dem quantitativen Gesichtspunkt, allein es leuchtet sofort ein, daß, wenn wir Gott als den Dreieinigen betrachten, die Zahl drei hier eine viel untergeordnetere Bedeutung hat, als wenn wir z. B. die drei Dimensionen des Raumes oder gar die drei Seiten eines Dreiecks betrachten, dessen Grundbestimmung eben nur die ist, eine von drei Linien begrenzte Fläche zu sein. Weiter findet sich dann auch innerhalb der Natur der erwähnte Unterschied einer größeren und geringeren Wichtigkeit der quantitativen Bestimmung, und zwar in der Art, daß in der unorganischen Natur die Quantität sozusagen eine wichtigere Rolle spielt als in der organischen. Unterscheiden wir dann noch innerhalb der unorganischen Natur das mechanische Gebiet von dem im engeren Sinn physikalischen und chemischen, so zeigt sich hier abermals derselbe Unterschied, und die Mechanik ist anerkanntermaßen diejenige wissenschaftliche Disziplin, in welcher die Hilfe der Mathematik am wenigsten entbehrt, ja in welcher ohne dieselbe fast kein Schritt getan werden kann und welche dann auch um deswillen nächst der Mathematik selbst als die exakte Wissenschaft par excellence betrachtet zu werden pflegt, wobei dann wiederum die obige Bemerkung hinsichtlich des Zusammenfallens des materialistischen und des ausschließlich mathematischen Standpunkts erinnern ist. - Es muß übrigens nach allem, was hier ausgeführt wurde, gerade für eine exakte und gründliche Erkenntnis eines der störendsten Vorurteile bezeichnet werden, wenn, wie dies häufig geschieht, aller Unterschied und alle Bestimmtheit des Gegenständlichen bloß im Quantitativen gesucht wird. Allerdings ist z. B. der Geist mehr als die Natur, das Tier ist mehr als die Pflanze, allein man weiß auch sehr wenig von diesen Gegenständen und ihrem Unterschied, wenn man bloß bei solchem Mehr oder Weniger stehenbleibt und nicht dazu fortschreitet, dieselben ihrer eigentümlichen, hier zunächst qualitativen Bestimmtheit aufzufassen.
§ 100
Die Quantität zunächst in ihrer unmittelbaren Beziehung auf sich oder in der Bestimmung der durch die Attraktion gesetzten Gleichheit mit sich selbst ist kontinuierliche; in der anderen in ihr enthaltenen Bestimmung des Eins ist sie diskrete Größe. Jene Quantität ist aber ebensowohl diskret, denn sie ist nur Kontinuität des Vielen; diese ebenso kontinuierlich, [denn] ihre Kontinuität ist das Eins als Dasselbe der vielen Eins, die Einheit.
1. Die kontinuierliche und diskrete Größe müssen daher nicht insofern als Arten angesehen werden, als ob die Bestimmung der einen der anderen nicht zukomme, sondern sie unterscheiden sich nur dadurch, daß dasselbe Ganze das eine Mal unter der einen, das andere Mal unter der anderen seiner Bestimmungen gesetzt ist. 2. Die Antinomie des Raums, der Zeit oder der Materie, in Ansehung ihrer Teilbarkeit ins Unendliche oder aber ihres Bestehens aus Unteilbaren, ist nichts anderes als die Behauptung der Quantität das eine Mal als kontinuierlicher, das andere Mal als diskreter. Werden Raum, Zeit usw. nur mit der Bestimmung kontinuierlicher Quantität gesetzt, so sind sie teilbar ins Unendliche; mit der Bestimmung diskreter Größe aber sind sie an sich geteilt und bestehen aus unteilbaren Eins; das eine ist so einseitig als das andere.
Zusatz. Die Quantität, als nächstes Resultat des Fürsichseins, enthält die beiden Seiten seines Prozesses, die Repulsion und die Attraktion, als ideelle Momente in sich und ist demnach sowohl kontinuierlich als auch diskret. Ein jedes dieser beiden Momente enthält auch das andere in sich, und es gibt somit weder eine bloß kontinuierliche noch eine bloß diskrete Größe. Wenn gleichwohl von beiden als zwei besonderen, einander gegenüberstehenden Arten der Größe gesprochen wird, so ist dies bloß das Resultat unserer abstrahierenden Reflexion, welche bei Betrachtung bestimmter Größen das eine Mal von dem einen und das andere Mal von dem anderen der im Begriff der Quantität in untrennbarer Einheit enthaltenen Momente absieht. Man sagt so z. B., der Raum, den dieses Zimmer einnimmt, ist eine kontinuierliche Größe, und diese hundert Menschen, die darin versammelt sind, bilden eine diskrete Größe. Nun aber ist der Raum kontinuierlich und diskret zugleich, und wir sprechen demgemäß von Raumpunkten und teilen den Raum dann auch ein, z. B. eine gewisse Länge in soundsoviel Fuß, Zoll usw., welches nur unter der Voraussetzung geschehen kann, daß der Raum an sich auch diskret ist. Ebenso ist dann auch andererseits die aus hundert Menschen bestehende diskrete Größe zugleich kontinuierlich, und das denselben Gemeinschaftliche, die Gattung Mensch, welche durch alle Einzelnen hindurchgeht und dieselben untereinander verbindet, ist es, worin die Kontinuität dieser Größe begründet ist.
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