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G.W.F. HEGEL
Vorlesungen über die Philosophie der Religion

 

α. Die Endlichkeit in der sinnlichen Existenz

Daß der Mensch endlich sei, dies hat zunächst den Sinn: ich, der Mensch, verhalte mich zu Anderem;
es ist ein Anderes, Negatives meiner vorhanden, mit dem ich in Verbindung stehe, und das macht meine Endlichkeit aus; wir sind beide ausschließend und verhalten uns selbständig gegeneinander.
So bin ich als sinnlich Empfindendes; alles Lebendige ist so ausschließend. Im Hören und Sehen habe ich nur Einzelnes vor mir, und mich praktisch verhaltend, habe ich es immer nur mit Einzelnem zu tun; die Gegenstände meiner Befriedigung sind ebenso einzeln.
Dies ist der Standpunkt des natürlichen Seins, der natürlichen Existenz; ich bin danach in vielfachen Verhältnissen, vielfach äußerem Sein, in Empfindungen, Bedürfnissen, praktischen und theoretischen Verhältnissen; alle sind ihrem Inhalt nach beschränkt und abhängig, endlich.
Innerhalb dieser Endlichkeit fällt schon die Aufhebung des Endlichen; jeder Trieb als subjektiv bezieht sich auf Anderes, ist endlich, aber er hebt diese Beziehung, dies Endliche auf, indem er sich befriedigt.
Diese Rückkehr in seine Affirmation ist die Befriedigung; sie bleibt aber andererseits endlich, denn der befriedigte Trieb erwacht wieder, und die Aufhebung der Negation fällt in das Bedürfnis zurück.
Die Befriedigung, diese Unendlichkeit ist nur eine Unendlichkeit der Form und deshalb keine wahrhaft konkrete; der Inhalt bleibt endlich, und so bleibt auch die Befriedigung ebenso endlich, als das Bedürfnis als solches den Mangel hat und endlich ist; aber nach der formellen Seite ist dies, daß das Bedürfnis sich befriedigt, ein Aufheben seiner Endlichkeit. Die Befriedigung des Hungers ist Aufheben der Trennung zwischen mir und meinem Objekt, ist Aufheben der Endlichkeit, jedoch nur formelles.

Das Natürliche ist nicht an und für sich, sondern daß es ein nicht durch sich selbst Gesetztes ist,
macht die Endlichkeit seiner Natur aus. Auch unser sinnliches Bewußtsein, insofern wir es darin mit Einzelnen zu tun haben, gehört in diese natürliche Endlichkeit; diese hat sich zu manifestieren.
Das Endliche ist als das Negative bestimmt, muß sich von sich befreien; dies erste, natürliche, unbefangene Sichbefreien des Endlichen von seiner Endlichkeit ist der Tod; dies ist das Verzichtleisten auf das Endliche, und es wird hier real, actualiter gesetzt, was das natürliche Leben an sich ist.
Die sinnliche Lebendigkeit des Einzelnen hat ihr Ende im Tode.
Die einzelnen Empfindungen sind als einzeln vorübergehend: eine verdrängt die andere;
ein Trieb, eine Begierde vertreibt die andere.
Dieses Sinnliche setzt sich realiter als das, was es ist, in seinem Untergange.
Im Tode ist das Endliche als aufgehobenes gesetzt. Aber der Tod ist nur die abstrakte Negation des an sich Negativen; er ist selbst ein Nichtiges, die offenbare Nichtigkeit.
Aber die gesetzte Nichtigkeit ist zugleich die aufgehobene und die Rückkehr zum Positiven.
Hier tritt das Aufhören, das Loskommen von der Endlichkeit ein.
Dies Loskommen von der Endlichkeit ist im Bewußtsein nicht das, was der Tod ist, sondern dies Höhere ist im Denken, - schon in der Vorstellung, soweit darin das Denken tätig ist.

 

                                                                                                      Gott ist tot”    

 

 

 

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