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A. Der Übergang zur Sphäre der geistigen Individualität
Das Höhere ist das Tiefere, wo die unterschiedenen Momente in der Idealität der subjektiven Einheit zusammengefaßt werden, das Auseinanderfallen der Unmittelbarkeit aufgehoben, in die subjektive Einheit zurückgebracht ist. Darum ist es notwendig, daß, was in der Bestimmung der Natürlichkeit ist, solche Vielheit von Gestaltungen zeige, die als gleichgültig außereinander, als eigentümliche Selbständige sich darstellen.
Die allgemeine Bestimmung ist die freie Subjektivität, die ihren Drang, Trieb befriedigt hat. Die freie Subjektivität ist es, die die Herrschaft erlangt hat über das Endliche überhaupt, über das Natürliche und Endliche des Bewußtseins, ob jenes physisch oder geistig ist, so daß jetzt das Subjekt, der Geist als geistiges Subjekt gewußt wird in seinem Verhältnis zum Natürlichen und Endlichen, daß dieses teils nur dienend ist, teils Gewand des Geistes, in ihm konkret gegenwärtig, als vorstellend den Geist nur die Bestimmung hat der Manifestation und Verherrlichung des Geistes, daß der Geist in dieser Freiheit, Macht, Versöhnung mit sich selbst im Natürlichen, Äußerlichen, Endlichen für sich, frei, heraus ist, unterschieden von diesem Endlich-Natürlichen und -Geistigen, von der Stätte des empirischen, veränderlichen Bewußtseins wie des Äußerlichseins. Das ist die allgemeine Grundbestimmung dieser Stufe. Indem der Geist frei ist, das Endliche nur ideelles Moment an ihm, so ist er in sich konkret gesetzt, und indem wir ihn und die Freiheit des Geistes als konkret betrachten, so ist dies der vernünftige Geist; der Inhalt macht das Vernünftige des Geistes aus.
Diese Bestimmtheit, die wir soeben sahen, nach Verhältnis des Inhalts, ist formell diese: daß das Natürliche, Endliche nur Zeuge des Geistes sei, nur dienend seiner Manifestation. Hier haben wir die Religion, innerhalb welcher der vernünftige Geist der Inhalt ist.
Der weitere Fortgang ist also, daß die freie Form der Subjektivität, das Bewußtsein des Göttlichen in der Bestimmung freier Subjektivität unvermischt für sich hervortritt, soweit dies sein kann in der ersten freigewordenen Geistigkeit. Daß diese aber für sich allein gewußt wird oder das Göttliche für sich als Subjektivität bestimmt ist, diese Reinigung ist schon in dem ausgesprochen, was wir gehabt haben. Das Subjekt ist ausschließend, ist das Prinzip der unendlichen Negativität und läßt, weil es seinem Inhalte nach allgemein ist, nichts bestehen neben ihm, was geistlos, bloß natürlich ist, ebenso nichts, was nur substantiell, in sich formlos ist. Die Subjektivität ist die unendliche Form, und als solche läßt sie, sowenig wie die leere, gediegene, unbestimmte Substantialität, sowenig auch die Form, die nicht frei ist, d. h. die äußere Natürlichkeit neben sich bestehen. Die Grundbestimmung ist, daß Gott gewußt wird als frei sich in sich bestimmend überhaupt, zwar jetzt noch formell, aber doch schon frei in sich. Erkennen können wir dies Hervortreten der freien Subjektivität in den Religionen und in den Völkern, denen diese Religionen zukommen, vornehmlich daran, ob in den Völkern allgemeine Gesetze, Gesetze der Freiheit, ob Recht und Sittlichkeit die Grundbestimmungen ausmachen und die Oberhand haben. Gott als Subjekt gewußt, ist, daß er sich durch sich selbst bestimmt, d. h. daß seine Selbstbestimmungen die Gesetze der Freiheit sind; sie sind die Bestimmungen der Selbstbestimmung, so daß der Inhalt nur der Form des freien Selbstbestimmens angehört, womit denn notwendig verbunden ist, daß die Gesetze die Freiheit zu ihrem Inhalte haben. Wenn wir dies sehen, so tritt die Natürlichkeit, die Unmittelbarkeit zurück, und in sich allgemeine Zwecke zeigen sich: in sich allgemein, obgleich sie äußerlich noch so unbedeutend sein können oder ihrem Umfange nach noch nicht allgemein sind, wie der sittliche Mensch in seinem Handeln einen höchst geringen Umfang dem Inhalte überhaupt nach haben und doch in sich sittlich sein kann. Die hellere Sonne des Geistes läßt das natürliche Licht erbleichen. Damit treten wir aus dem Kreise der Naturreligion heraus. Wir treten zu Göttern, die wesentlich Stifter von Staaten, der Ehe, Stifter des friedlichen Lebens, Erzeuger der Kunst sind, die aus ihrem Haupt entspringt, Götter, die Orakel, Staaten regieren, Recht und Sittlichkeit hervorbringen und schützen. Die Völker, deren Selbstbewußtsein dahin gekommen ist, die Subjektivität als Idealität des Natürlichen zu wissen, sind damit überhaupt in den Kreis der Idealität, in das Reich der Seele und auf den Boden des Geisterreiches herübergetreten. Das Band der sinnlichen Anschauung, des gedankenlosen Irrsals haben sie von der Stirne gerissen und den Gedanken, die intellektuelle Sphäre ergriffen, erschaffen und im Innern den festen Boden gewonnen. Sie haben das Heiligtum gegründet, das jetzt Festigkeit und Halt für sich hat.
Der Fortgang war bisher der: Von der Begierde fingen wir an in der Religion der Zauberei, von der Herrschaft, Macht der Begierde über die Natur nach bloß einzelnem Wollen, das nicht bestimmt ist durch den Gedanken. Das zweite war die theoretische Bestimmung der Selbständigkeit der Objektivität, worin denn alle Momente frei und losgelassen wurden, zur Selbständigkeit kamen. Das dritte war das Theoretische, Selbstbestimmende, das diese losgebundenen Momente wieder in sich bekam, so daß das Praktische theoretisch gemacht wird, - das Gute, die Selbstbestimmung, endlich die Vermischung der Substantialität und Subjektivität.
Wenn wir nun fragen: wie hat sich die Idee Gottes bisher bestimmt? was ist Gott? was haben wir von ihm erkannt?, so besteht dies in Folgendem.
Nach der abstrakten Form des metaphysischen Begriffs haben wir damit angefangen: Gott ist die Einheit des Unendlichen und Endlichen, und das Interesse ging allein darauf, zu sehen, wie die Besonderheit und Bestimmtheit, d. h. das Endliche dem Unendlichen einverleibt sei. Was hat sich nun hierüber bisher ergeben? Gott ist das Unendliche überhaupt, das mit sich Identische, die substantielle Macht; wenn wir zunächst dies sagen, so ist damit die Endlichkeit noch nicht darin enthalten gesetzt, und sie ist zuerst ganz unmittelbar Existenz des Unendlichen, das Selbstbewußtsein. Daß Gott dies ist, die Unendlichkeit, die substantielle Macht zu sein, das geht daraus hervor - dies Bewußtsein liegt darin -, daß die substantielle Macht allein die Wahrheit der endlichen Dinge ist und daß die Wahrheit derselben allein ist, zurückzugehen in die substantielle Einheit. Gott ist also zuerst diese Macht, eine Bestimmung, die als ganz abstrakt höchst unvollkommen ist. Das zweite ist, daß Gott die substantielle Macht in sich ist, schlechthin Fürsichsein, unterschieden von der Mannigfaltigkeit des Endlichen; dies ist die in sich reflektierte Substantialität, und von Gott ist dies wesentlich zu fassen. Mit der in sich seienden Substantialität, die sich vom Endlichen unterscheidet, ist ein höherer Boden vorhanden; aber die Bestimmung des Endlichen hat damit doch noch nicht das wahrhafte Verhältnis zu der substantiellen Macht, wodurch diese selbst das Unendliche wäre. Diese in sich seiende Substantialität ist dann Brahman und das bestehende Endliche die vielen Götter. Das dritte ist, daß das Endliche identisch gesetzt wird mit der Substantialität, so daß es von gleichem Umfang sei, die reine allgemeine Form als Substantialität selbst ist; dies ist dann Gott als das Gute.
Geistige Subjektivität, bei der wir jetzt angelangt sind, ist die ganz freie Macht der Selbstbestimmung, so daß diese nichts ist, keinen Inhalt hat als den Begriff; in diesem Selbstbestimmen selbst ist nichts als es selbst enthalten. Dies Selbstbestimmen, dieser Inhalt ist dann ebenso allgemein, unendlich, wie die Macht als solche. Diese allgemeine Macht, die jetzt tätig ist als Selbstbestimmung, können wir Weisheit nennen. Insofern wir bei der geistigen Subjektivität sind, so sind wir beim Selbstbestimmen, beim Zweck, und diese sind so allgemein wie die Macht; es sind so weise Zwecke. Zweckbestimmung liegt unmittelbar im Begriff der freien Subjektivität. Zweckmäßiges Handeln ist innere Selbstbestimmung, d. h. eine Bestimmung durch die Freiheit, durch das Subjekt, denn innen ist nichts als dies, das Subjekt selber.
Diese Selbstbestimmung erhält sich in dem äußeren Dasein; das natürliche Sein gilt nicht mehr in seiner Unmittelbarkeit, es ist der Macht angehörig, für sie durchsichtig, nicht geltend für sich. Insofern sie sich äußert - und sie muß sich äußern, die Subjektivität muß sich Realität geben -, so ist es die freie Selbstbestimmung allein, die sich in der Realisierung erhält, in dem äußeren Dasein, in der Natürlichkeit. Im zweckmäßigen Tun kommt also auch nichts heraus, als was schon da ist. Das unmittelbare Dasein ist dagegen wie Ohnmächtiges, nur Form, nur die Weise, wie der Zweck darin vorhanden, und dieser ist das Innere.
Wir finden uns also hier in der Sphäre des Zwecks, und zweckmäßiges Tun ist weises Tun, indem Weisheit ist, nach allgemein geltenden Zwecken zu handeln; und es ist noch kein anderer Inhalt vorhanden, denn es ist die freie Subjektivität, die sich bestimmt. Der allgemeine Begriff ist hier der der Subjektivität, der Macht, die nach Zwecken handelt, tätig ist. Subjektivität ist Tätigsein überhaupt, und der Zweck soll weise sein, der Zweck soll identisch sein mit dem Bestimmenden, der unbeschränkten Macht.
1. Zu betrachten ist hier zunächst das Verhältnis des Subjekts zu der Natur, den natürlichen Dingen, näher zu dem, was wir früher Substantialität, die nur an sich seiende Macht genannt haben. Diese bleibt ein Inneres; aber die Subjektivität ist die für sich seiende Macht und von der an sich seienden Macht und ihrer Realität, der Natur, unterschieden. Diese an sich seiende Macht, die Natur, ist nun jetzt heruntergesetzt zu einem Ohnmächtigen, Unselbständigen für die [für] sich seiende Macht, näher zu einem Mittel. Das eigentliche Fürsichbestehen ist den natürlichen Dingen genommen; sie hatten bisher unmittelbare Teilnahme an der Substanz; jetzt in der subjektiven Macht sind sie von der Substantialität geschieden, unterschieden und gesetzt nur als negativ. Die Einheit der subjektiven Macht ist außer ihnen, ist unterschieden von ihnen; sie sind nur Mittel oder Weisen, die nicht mehr sind, als daß sie nur zum Erscheinen dienen. Sie sind der Boden des Erscheinens und dem unterworfen, was an ihnen erscheint; sie sollen sich nicht mehr unmittelbar zeigen, sondern ein Höheres an ihnen, die freie Subjektivität.
2. Welches ist aber die nähere Bestimmung in Ansehung der Weisheit? Sie ist zunächst unbestimmt nach ihrem Zweck; wir wissen noch nicht, worin sie besteht, was die Zwecke dieser Macht sind, und stehen bei der unbestimmten Rede von der Weisheit Gottes. Gott ist weise; aber welches sind seine Wege, seine Zwecke? Damit gesagt werden könnte, welches sie sind, müßten die Zwecke in ihrer Bestimmtheit schon vorhanden sein, d. h. in ihrer Entwicklung als ein Unterschied von Momenten. Hier haben wir aber nur erst das Bestimmen nach Zwecken überhaupt.
3. Weil Gott schlechthin real ist, so kann es in Ansehung seiner nicht bei dieser Unbestimmtheit in der Weisheit bleiben, die Zwecke müssen bestimmt sein. Gott ist erscheinend, handelnd als Subjekt; das ist Hervortreten in das Dasein, in die Wirklichkeit. Früher war die Einheit der Unendlichkeit und Endlichkeit nur als unmittelbare, so war sie das erste beste Endliche - Sonne, Berg, Fluß usf. -, und die Realität war eine unmittelbare. Hier ist es auch notwendig, daß Gott dasei, d. h. daß sein Zweck ein bestimmter sei.
In Ansehung der Realität des Zwecks ist nun zweierlei zu bemerken. Das erste ist die Frage: was ist der Boden, wo dieser Zweck vorhanden sein kann? Der Zweck als innerer ist bloß subjektiver, ist nur Gedanke, Vorstellung; aber Gott ist als subjektive Macht nicht bloß das Wollen, die Absicht usf., sondern unmittelbar Wirken. Dieser Boden der Realisation, der Wirklichkeit des Zwecks, ist das Selbstbewußtsein oder der endliche Geist. Zweck ist Bestimmung überhaupt; wir haben hier nur abstrakte Bestimmungen, nicht entwickelte. Der Boden für den göttlichen Zweck ist also der endliche Geist. Das weitere, zweite ist nun: weil wir uns nur erst bei der Bestimmung der Weisheit überhaupt befinden, so haben wir für das, was weise ist, keinen Inhalt, nichts Näheres; der Zweck ist an sich, im Begriff Gottes noch unbestimmt; das weitere ist, daß der Zweck wirklich werden, realisiert werden muß. Es muß also Bestimmung in ihm sein; die Bestimmung aber ist noch nicht entwickelt, die Bestimmung als solche, die Entwicklung ist noch nicht im göttlichen Wesen gesetzt, die Bestimmung ist deswegen endlich, äußerlich, ein zufälliger, besonderer Zweck. Er ist, indem er ist, nicht bestimmt in dem göttlichen Begriff, aber indem er es auch ist, ist er zufällig, ganz beschränkter Zweck, oder der Inhalt ist dem göttlichen Begriff äußerlich, von ihm verschiedener Zweck, nicht der an und für sich göttliche Zweck, d. h. Zweck, der entwickelt für sich wäre und in seiner Besonderheit die Bestimmtheit des göttlichen Begriffs ausdrückte.
Die Betrachtung der Naturreligion hat uns in derselben die Güte so allgemein als die Macht gezeigt; aber sie hat überhaupt noch die Bedeutung der substantiellen, unmittelbaren Identität mit dem göttlichen Wesen, und alle Dinge sind deswegen gut und lichtvoll. Hier bei der Bestimmung der Subjektivität, der für sich seienden Macht, hier ist der Zweck unterschieden von dem Begriff, und die Bestimmtheit des Zwecks ist eben deswegen nur zufällig, weil die Verschiedenheit noch nicht zurückgenommen ist in den göttlichen Begriff, noch nicht demselben gleichgesetzt ist. Hier haben wir also nur Zwecke, die ihrem Inhalte nach endlich und dem göttlichen Begriff noch nicht angemessen sind; das endliche Selbstbewußtsein ist so zunächst der Boden der Realisierung derselben. Dies ist die Grundbestimmung des Standpunkts, auf dem wir uns befinden.
G.W.F. Hegel
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