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G.W.F.Hegel
Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse

 

C. Dritte Stellung des Gedankens zur Objektivität. Das unmittelbare Wissen

§ 61

In der kritischen Philosophie wird das Denken so aufgefaßt, daß es subjektiv und dessen letzte, unüberwindliche Bestimmung die abstrakte Allgemeinheit, die formelle Identität sei; das Denken wird so der Wahrheit als in sich konkreter Allgemeinheit entgegengesetzt. In dieser höchsten Bestimmung des Denkens, welche die Vernunft sei, kommen die Kategorien nicht in Betracht.
- Der entgegengesetzte Standpunkt ist, das Denken als Tätigkeit nur des Besonderen aufzufassen und es auf diese Weise gleichfalls für unfähig zu erklären, Wahrheit zu fassen.

§ 62

Das Denken als Tätigkeit des Besonderen hat nur die Kategorien zu seinem Produkte und Inhalte.
Diese, wie sie der Verstand festhält, sind beschränkte Bestimmungen, Formen des Bedingten, Abhängigen, Vermittelten. Für das darauf beschränkte Denken ist das Unendliche, das Wahre, nicht; es kann keinen Übergang zu demselben machen (gegen die Beweise vom Dasein Gottes).
Diese Denkbestimmungen werden auch Begriffe genannt; und einen Gegenstand begreifen heißt insofern nichts als ihn in der Form eines Bedingten und Vermittelten fassen, somit, insofern er das Wahre, Unendliche, Unbedingte ist, ihn in ein Bedingtes und Vermitteltes verwandeln und auf solche Weise, statt das Wahre denkend fassen, es vielmehr in Unwahres verkehren.

Dies ist die einzige einfache Polemik, welche der Standpunkt vorbringt, der das nur unmittelbare Wissen von Gott und von dem Wahren behauptet.
Früher sind von Gott die sogenannten anthropopathischen Vorstellungen aller Art als endlich und daher des Unendlichen unwürdig entfernt worden, und er war dadurch bereits zu einem erklecklich leeren Wesen gediehen. Aber die Denkbestimmungen wurden im allgemeinen noch nicht unter dem Anthropopathischen befaßt; vielmehr galt das Denken dafür, daß es den Vorstellungen des Absoluten die Endlichkeit abstreife, - nach dem oben [§ 5] bemerkten Vorurteile aller Zeiten, daß man erst durch das Nachdenken zur Wahrheit gelange. Nun sind zuletzt auch die Denkbestimmungen überhaupt für Anthropopathismus und das Denken für die Tätigkeit, nur zu verendlichen, erklärt worden.
- In der VII. Beilage zu den Briefen über Spinoza hat Jacobi2) diese Polemik am bestimmtesten vorgetragen, welche er übrigens aus Spinozas Philosophie selbst geschöpft und für die Bekämpfung des Erkennens überhaupt angewendet hat.
Von dieser Polemik wird das Erkennen nur als Erkennen des Endlichen aufgefaßt, als das denkende Fortgehen durch Reihen von Bedingtem zu Bedingtem, in denen jedes, was Bedingung, selbst wieder nur ein Bedingtes ist; - durch bedingte Bedingungen. Erklären und Begreifen heißt hiernach, etwas als vermittelt durch ein Anderes aufzeigen; somit ist aller Inhalt nur ein besonderer, abhängiger und endlicher; das Unendliche, Wahre, Gott liegt außer dem Mechanismus solchen Zusammenhangs, auf welchen das Erkennen eingeschränkt sei.
- Es ist wichtig, daß, indem die Kantische Philosophie die Endlichkeit der Kategorien vornehmlich nur in die formelle Bestimmung ihrer Subjektivität gesetzt hat, in dieser Polemik die Kategorien nach ihrer Bestimmtheit zur Sprache kommen und die Kategorie als solche für endlich erkannt wird.
- Jacobi hat insbesondere die glänzenden Erfolge der Wissenschaften, die sich auf die Natur beziehen
(der sciences exactes), im Erkennen der natürlichen Kräfte und Gesetze vor Augen gehabt.
Immanent auf diesem Boden des Endlichen läßt sich freilich das Unendliche nicht finden; wie denn Lalande
3) gesagt hat, daß er den ganzen Himmel durchsucht, aber Gott nicht gefunden habe (vgl. Anm. zu § 60). Als letztes Resultat ergab sich auf diesem Boden das Allgemeine als das unbestimmte Aggregat des äußerlichen Endlichen, die Materie; und Jacobi sah mit Recht keinen anderen Ausgang auf dem Wege des bloßen Fortgehens in Vermittlungen.

§ 63

Zugleich wird behauptet, daß die Wahrheit für den Geist ist, so sehr, daß es die Vernunft allein ist, durch welche der Mensch besteht, und daß sie das Wissen von Gott ist. Weil aber das vermittelte Wissen nur auf endlichen Inhalt eingeschränkt sein soll, so ist die Vernunft unmittelbares Wissen, Glaube.

Wissen, Glauben, Denken, Anschauen sind die auf diesem Standpunkte vorkommenden Kategorien, die, indem sie als bekannt vorausgesetzt werden, nur zu häufig nach bloßen psychologischen Vorstellungen und Unterscheidungen willkürlich gebraucht werden; was ihre Natur und Begriff ist, dies, worauf es allein ankäme, wird nicht untersucht.
So findet man das Wissen sehr gewöhnlich dem Glauben entgegengesetzt, während zugleich Glauben als unmittelbares Wissen bestimmt, hiermit sogleich auch für ein Wissen anerkannt wird.
Es wird sich auch wohl als empirische Tatsache finden, daß das im Bewußtsein ist, was man glaubt,
daß man somit wenigstens davon weiß; auch daß, was man glaubt, als etwas Gewisses im Bewußtsein ist, daß man es also weiß.
- So wird ferner vornehmlich Denken dem unmittelbaren Wissen und Glauben und insbesondere dem Anschauen entgegengesetzt. Wird das Anschauen als intellektuell bestimmt, so kann dies nichts als denkendes Anschauen heißen, wenn man anders unter dem Intellektuellen hier, wo Gott der Gegenstand ist, etwa nicht auch Phantasievorstellungen und Bilder verstehen will. Es geschieht in der Sprache dieses Philosophierens, daß Glauben auch in Beziehung auf die gemeinen Dinge der sinnlichen Gegenwart gesagt wird. Wir glauben, sagt Jacobi, daß wir einen Körper haben, wir glauben an die Existenz der sinnlichen Dinge. Allein wenn vom Glauben an das Wahre und Ewige die Rede ist, davon, daß Gott in dem unmittelbaren Wissen, Anschauen geoffenbart, gegeben sei, so sind dies keine sinnlichen Dinge, sondern ein in sich allgemeiner Inhalt, nur Gegenstände für den denkenden Geist.
Auch indem die Einzelheit als Ich, die Persönlichkeit, insofern nicht ein empirisches Ich, eine besondere Persönlichkeit verstanden wird, vornehmlich indem die Persönlichkeit Gottes vor dem Bewußtsein ist, so ist von reiner, d. i. der in sich allgemeinen Persönlichkeit die Rede; eine solche ist Gedanke und kommt nur dem Denken zu.
- Reines Anschauen ferner ist nur ganz dasselbe, was reines Denken ist. Anschauen, Glauben drücken zunächst die bestimmten Vorstellungen aus, die wir mit diesen Worten im gewöhnlichen Bewußtsein verbinden; so sind sie vom Denken freilich verschieden, und dieser Unterschied ist ungefähr jedem verständlich.
Aber nun sollen auch Glauben und Anschauen in höherem Sinn, sie sollen als Glauben an Gott,
als intellektuelles Anschauen Gottes genommen werden, d. h. es soll gerade von dem abstrahiert werden, was den Unterschied von Anschauen, Glauben und vom Denken ausmacht.
Es ist nicht zu sagen, wie Glauben und Anschauen, in diese höhere Region versetzt, noch vom Denken verschieden seien. Man meint mit solchen leer gewordenen Unterschieden sehr Wichtiges gesagt und behauptet zu haben und Bestimmungen zu bestreiten, welche mit den behaupteten dieselben sind.
- Der Ausdruck Glauben jedoch führt den besonderen Vorteil mit sich, daß er an den christlich-religiösen Glauben erinnert, diesen einzuschließen oder gar leicht dasselbe zu sein scheint, so daß dieses gläubige Philosophieren wesentlich fromm und christlich-fromm aussieht und auf den Grund dieser Frömmigkeit hin sich die Freiheit gibt, um so mehr mit Prätention und Autorität seine beliebigen Versicherungen zu machen. Man muß sich aber vom Scheine nicht über das, was sich durch die bloße Gleichheit der Worte einschleichen kann, täuschen lassen und den Unterschied wohl festhalten.
Der christliche Glaube schließt eine Autorität der Kirche in sich; der Glaube aber jenes philosophierenden Standpunktes ist vielmehr nur die Autorität der eigenen subjektiven Offenbarung.
Ferner ist jener christliche Glaube ein objektiver, in sich reicher Inhalt, ein System der Lehre und der Erkenntnis; der Inhalt dieses Glaubens aber ist so unbestimmt in sich, daß er jenen Inhalt zwar wohl auch etwa zuläßt, aber ebensosehr auch den Glauben, daß der Dalai-Lama, der Stier, der Affe usf. Gott ist, in sich begreift, und daß er für sich sich auf den Gott überhaupt, das höchste Wesen, einschränkt.
Der Glaube selbst in jenem philosophisch seinsollenden Sinne ist nichts als das trockene Abstraktum des unmittelbaren Wissens, eine ganz formelle Bestimmung, die nicht mit der geistigen Fülle des christlichen Glaubens, weder nach der Seite des gläubigen Herzens und des ihm inwohnenden heiligen Geistes noch nach der Seite der inhaltsvollen Lehre, zu verwechseln noch für diese Fülle zu nehmen ist.
Mit dem, was hier Glauben und unmittelbares Wissen heißt, ist übrigens ganz dasselbe, was sonst Eingebung, Offenbarung des Herzens, ein von Natur in den Menschen eingepflanzter Inhalt, ferner insbesondere auch gesunder Menschenverstand, common sense, Gemeinsinn, genannt worden ist.
Alle diese Formen machen auf die gleiche Weise die Unmittelbarkeit, wie sich ein Inhalt im Bewußtsein findet, eine Tatsache in diesem ist, zum Prinzip. 

§ 64

Das, was dieses unmittelbare Wissen weiß, ist, daß das Unendliche, Ewige, Gott, das in unserer Vorstellung ist, auch ist, - daß im Bewußtsein mit dieser Vorstellung unmittelbar und unzertrennlich die Gewißheit ihres Seins verbunden ist.

Es kann der Philosophie am wenigsten in Sinn kommen, diesen Sätzen des unmittelbaren Wissens widersprechen zu wollen; sie könnte sich vielmehr Glück wünschen, daß diese ihre alten Sätze, welche sogar ihren ganzen allgemeinen Inhalt ausdrücken, auf solche freilich unphilosophische Weise gewissermaßen ebenfalls zu allgemeinen Vorurteilen der Zeit geworden sind. Vielmehr kann man sich nur darüber wundern, daß man meinen konnte, der Philosophie seien diese Sätze entgegengesetzt, - die Sätze: daß das, was für wahr gehalten wird, dem Geiste immanent (§ 63) und daß für den Geist Wahrheit sei (ebenda). In formeller Rücksicht ist insbesondere der Satz interessant, daß nämlich mit dem Gedanken Gottes sein Sein, mit der Subjektivität, die der Gedanke zunächst hat, die Objektivität unmittelbar und unzertrennlich verknüpft ist.
Ja, die Philosophie des unmittelbaren Wissens geht in ihrer Abstraktion so weit, daß nicht nur mit dem Gedanken Gottes allein, sondern auch in der Anschauung mit der Vorstellung meines Körpers und der äußerlichen Dinge die Bestimmung ihrer Existenz ebenso unzertrennlich verbunden sei.
- Wenn die Philosophie solche Einheit zu beweisen, d. i. zu zeigen bestrebt ist, daß es in der Natur des Gedankens oder der Subjektivität selbst liege, unzertrennlich von dem Sein oder der Objektivität zu sein, so möchte es mit solchen Beweisen eine Bewandtnis haben, welche es wollte, die Philosophie muß auf allen Fall damit ganz zufrieden sein, daß behauptet und gezeigt wird, daß ihre Sätze auch Tatsachen des Bewußtseins sind, hiermit mit der Erfahrung übereinstimmen.
- Der Unterschied zwischen dem Behaupten des unmittelbaren Wissens und der Philosophie läuft allein darauf hinaus, daß das unmittelbare Wissen sich eine ausschließende Stellung gibt, oder allein darauf, daß es sich dem Philosophieren entgegenstellt. - Aber auch in der Weise der Unmittelbarkeit ist jener Satz, um den, wie man sagen kann, sich das ganze Interesse der neueren Philosophie dreht, sogleich von deren Urheber ausgesprochen worden: Cogito, ergo sum. Man muß von der Natur des Schlusse etwa nicht viel mehr wissen, als daß in einem Schluß "ergo" vorkomme, um jenen Satz für einen Schluß anzusehen; wo wäre der medius terminus? und ein solcher gehört doch wohl wesentlicher zum Schlusse als das Wort "ergo". Will man aber, um den Namen zu rechtfertigen, jene Verbindung bei Descartes einen unmittelbaren Schluß nennen, so heißt diese überflüssige Form nichts andere als eine durch nichts vermittelte Verknüpfung unterschiedener Bestimmungen. Dann aber ist die Verknüpfung des Seins mit unseren Vorstellungen, welche der Satz des unmittelbaren Wissens ausdrückt, nicht mehr und nicht weniger ein Schluß.
- Aus Herrn Hothos Dissertation über die Cartesische Philosophie, die im Jahre 1826 erschienen ist
4) , entnehme ich die Zitate, in denen auch Descartes selbst ausdrücklich sich darüber erklärt, daß der Satz cogito, ergo sum kein Schluß ist; die Stellen sind Respons.ad sec.object. [Meditationes]; De Methodo IV; Epistolae I, 118 5) .
Aus ersterer Stelle führe ich die näheren Ausdrücke an. Descartes sagt zunächst, daß wir denkende Wesen seien, sei "prima quaedam notio quae ex nullo syllogismo concluditur", ["ein gewisser Grundbegriff, der aus keinem Syllogismus geschlossen wird"] und fährt fort: "neque cum quis dicit: ego cogito, ergo sum sive existo, existentium ex cogitatione per syllogismum deducit" ["wenn jemand sagt: 'ich denke, also bin ich oder existiere ich', so leitet er nicht die Existenz aus dem Denken durch einen Syllogismus ab"].
Da Descartes weiß, was zu einem Schlusse gehört, so fügt er hinzu, daß, wenn bei jenem Satz eine Ableitung durch einen Schluß stattfinden sollte, so gehörte hierzu der Obersatz: "illud omne, quod cogitat, est sive existit" ["alles, was denkt, ist oder existiert"].
Dieser letztere Satz sei aber ein solcher, den man erst aus jenem ersten Satze vielmehr ableite.
Die Ausdrücke Descartes' über den Satz der Unzertrennlichkeit meiner als Denkenden vom Sein, daß in der einfachen Anschauung des Bewußtseins dieser Zusammenhang enthalten und angegeben, daß dieser Zusammenhang schlechthin Erstes, Prinzip, das Gewisseste und Evidenteste sei, so daß kein Skeptizismus so enorm vorgestellt werden könne, um dies nicht zuzulassen, - sind so sprechend und bestimmt, daß die modernen Sätze Jacobis und anderer über diese unmittelbare Verknüpfung nur für überflüssige Wiederholungen gelten können.

§ 65

Dieser Standpunkt begnügt sich nicht damit, von dem vermittelten Wissen gezeigt zu haben, daß es, isoliert genommen, für die Wahrheit ungenügend sei, sondern seine Eigentümlichkeit besteht darin,
daß das unmittelbare Wissen nur isoliert genommen, mit Ausschließung der Vermittlung, die Wahrheit zum Inhalte habe.
- In solchen Ausschließungen selbst gibt sich sogleich der genannte Standpunkt als ein Zurückfallen in den metaphysischen Verstand kund, in das Entweder-Oder desselben, damit in der Tat selbst in das Verhältnis der äußerlichen Vermittlung, das auf dem Festhalten an Endlichem, d. i. einseitigen Bestimmungen beruht, über die jene Ansicht fälschlich sich hinausgesetzt zu haben meint.
Doch lassen wir diesen Punkt unentwickelt; das ausschließend unmittelbare Wissen wird nur als eine Tatsache behauptet, und hier in der Einleitung ist es nur nach dieser äußerlichen Reflexion aufzunehmen.
An sich kommt es auf das Logische des Gegensatzes von Unmittelbarkeit und Vermittlung an.
Aber jener Standpunkt weist es ab, die Natur der Sache, d. i. den Begriff zu betrachten, denn eine solche Betrachtung führt auf Vermittlung und gar auf Erkenntnis.
Die wahrhafte Betrachtung, die des Logischen, hat ihre Stelle innerhalb der Wissenschaft selbst zu finden.

Der ganze zweite Teil der Logik, die Lehre von dem Wesen, ist Abhandlung der wesentlichen sich setzenden Einheit der Unmittelbarkeit und der Vermittlung.

§ 66

Wir bleiben hiermit dabei stehen, daß das unmittelbare Wissen als Tatsache genommen werden soll. Hiermit aber ist die Betrachtung auf das Feld der Erfahrung, auf ein psychologisches Phänomen geführt.
- In dieser Rücksicht ist anzuführen, daß es zu den gemeinsten Erfahrungen gehört, daß Wahrheiten, von welchen man sehr wohl weiß, daß sie Resultat der verwickeltsten, höchst vermittelten Betrachtungen sind, sich demjenigen, dem solche Erkenntnis geläufig geworden, unmittelbar in seinem Bewußtsein präsentieren. Der Mathematiker, wie jeder in einer Wissenschaft Unterrichtete, hat Auflösungen unmittelbar gegenwärtig, zu denen eine sehr verwickelte Analysis geführt hat; jeder gebildete Mensch hat eine Menge von allgemeinen Gesichtspunkten und Grundsätzen unmittelbar gegenwärtig in seinem Wissen, welche nur aus vielfachem Nachdenken und langer Lebenserfahrung hervorgegangen sind. 
Die Geläufigkeit, zu der wir es in irgendeiner Art von Wissen, auch Kunst, technischer Geschicklichkeit gebracht haben, besteht eben darin, solche Kenntnisse, Arten der Tätigkeit im vorkommenden Falle unmittelbar in seinem Bewußtsein, ja selbst in einer nach außen gehenden Tätigkeit und in seinen Gliedern zu haben.
- In allen diesen Fällen schließt die Unmittelbarkeit des Wissens nicht nur die Vermittlung desselben nicht aus, sondern sie sind so verknüpft, daß das unmittelbare Wissen sogar Produkt und Resultat des vermittelten Wissens ist. 

Eine ebenso triviale Einsicht ist die Verknüpfung von unmittelbarer Existenz mit der Vermittlung derselben; Keime, Eltern sind eine unmittelbare, anfangende Existenz in Ansehung der Kinder usf.,
welche Erzeugte sind. Aber die Keime, Eltern, sosehr sie als existierend überhaupt unmittelbar sind, sind gleichfalls Erzeugte, und die Kinder usf., der Vermittlung ihrer Existenz unbeschadet, sind nun unmittelbar, denn sie sind.
Daß ich in Berlin bin, diese meine unmittelbare Gegenwart, ist vermittelt durch die gemachte Reise hierher usf.

§ 67

Was aber das unmittelbare Wissen von Gott, vom Rechtlichen, vom Sittlichen betrifft - und hierher fallen auch die sonstigen Bestimmungen von Instinkt, eingepflanzten, angeborenen Ideen, Gemeinsinn, von natürlicher Vernunft usf. -, welche Form man dieser Ursprünglichkeit gebe, so ist die allgemeine Erfahrung, daß, damit das, was darin enthalten ist, zum Bewußtsein gebracht werde, wesentlich Erziehung, Entwicklung (auch zur Platonischen Erinnerung) erforderlich sei (die christliche Taufe, obgleich ein Sakrament, enthält selbst die fernere Verpflichtung einer christlichen Erziehung); d. i. daß Religion, Sittlichkeit, sosehr sie ein Glauben, unmittelbares Wissen sind, schlechthin bedingt durch die Vermittlung seien, welche Entwicklung, Erziehung, Bildung heißt.

Bei der Behauptung angeborener Ideen und bei dem Widerspruch gegen dieselbe ist ein ähnlicher Gegensatz ausschließender Bestimmungen herrschend gewesen als der hier betrachtete, nämlich der Gegensatz von der, wie es ausgedrückt werden kann, wesentlichen unmittelbaren Verknüpfung gewisser allgemeiner Bestimmungen mit der Seele und von einer anderen Verknüpfung, die auf äußerliche Weise geschähe und durch gegebene Gegenstände und Vorstellungen vermittelt wäre.
Man machte der Behauptung angeborener Ideen den empirischen Einwurf, daß alle Menschen diese Ideen haben, z. B. den Satz des Widerspruchs in ihrem Bewußtsein haben, ihn wissen müßten, als welcher Satz mit anderen dergleichen unter die angeborenen Ideen gerechnet wurde. Man kann diesem Einwurf einen Mißverstand zuschreiben, insofern die gemeinten Bestimmungen als angeborene darum nicht auch schon in der Form von Ideen, Vorstellungen von Gewußtem sein sollen. Aber gegen das unmittelbare Wissen ist diese Einwurf ganz treffend, denn es behauptet ausdrücklich seine Bestimmungen insofern, als sie im Bewußtsein seien.
- Wenn der Standpunkt des unmittelbaren Wissens etwa zugibt, daß insbesondere für den religiösen Glauben ein Entwicklung und eine christliche oder religiöse Erziehung notwendig sei, so ist es ein Belieben, dies bei dem Reden von dem Glauben wieder ignorieren zu wollen, oder es ist die Gedankenlosigkeit, nicht zu wissen, daß mit der zugegebenen Notwendigkeit einer Erziehung eben die Wesentlichkeit der Vermittlung ausgesprochen ist.

Zusatz.
Wenn in der Platonischen Philosophie gesagt wird, daß wir uns der Ideen erinnern, so hat dies den Sinn, daß die Ideen an sich im Menschen sind und nicht (wie die Sophisten behaupteten) als etwas dem Menschen Fremdes von außen an denselben gelangen. Durch diese Auffassung des Erkennens als Erinnerung ist jedoch die Entwicklung dessen, was an sich im Menschen, nicht ausgeschlossen, und diese Entwicklung ist nichts anderes als Vermittlung. Ebenso verhält es sich mit den bei Descartes und den schottischen Philosophen vorkommenden angeborenen Ideen, welche gleichfalls zunächst nur als an sich und in der Weise der Anlage im Menschen vorhanden zu betrachten sind.

§ 68

In den angeführten Erfahrungen ist sich auf das berufen, was sich als mit dem unmittelbaren Wissen verbunden zeigt. Wenn diese Verbindung etwa zunächst als nur ein äußerlicher, empirischer Zusammenhang genommen wird, so erweist er sich für die empirische Betrachtung selbst als wesentlich und unzertrennlich, weil er konstant ist. Aber ferner, wenn nach der Erfahrung dieses unmittelbare Wissen für sich selbst genommen wird, insofern es Wissen von Gott und vom Göttlichen ist, so wird solches Bewußtsein allgemein als ein Erheben über das Sinnliche, Endliche, wie über die unmittelbaren Begierden und Neigungen des natürlichen Herzens beschrieben - ein Erheben, welches in den Glauben an Gott und Göttliches übergeht und in demselben endigt, so daß dieser Glaube ein unmittelbares Wissen und Fürwahrhalten ist, aber nichtsdestoweniger jenen Gang der Vermittlung zu seiner Voraussetzung und Bedingung hat.

Es ist schon bemerkt worden, daß die sogenannten Beweise vom Dasein Gottes, welche von dem endlichen Sein ausgehen, diese Erhebung ausdrücken und keine Erfindungen einer künstelnden Reflexion, sondern die eigenen, notwendigen Vermittlungen des Geistes sind, wenn sie auch in der gewöhnlichen Form jener Beweise nicht ihren vollständigen und richtigen Ausdruck haben.

§ 69

Der (§ 64) bezeichnete Übergang von der subjektiven Idee zum Sein ist es, welcher für den Standpunkt des unmittelbaren Wissens das Hauptinteresse ausmacht und wesentlich als ein ursprünglicher, vermittlungsloser Zusammenhang behauptet wird. Ganz ohne Rücksicht auf empirisch scheinende Verbindungen genommen, zeigt gerade dieser Mittelpunkt in ihm selbst die Vermittlung, und zwar in ihrer Bestimmung, wie sie wahrhaft ist, nicht als eine Vermittlung mit und durch ein Äußerliches, sondern als sich in sich selbst beschließend.

§ 70

Die Behauptung dieses Standpunkts ist nämlich, daß weder die Idee als ein bloß subjektiver Gedanke, noch bloß ein Sein für sich das Wahre ist; - das Sein nur für sich, ein Sein nicht der Idee, ist das sinnliche, endliche Sein der Welt. Damit wird also unmittelbar behauptet, daß die Idee nur vermittels des Seins und umgekehrt das Sein nur vermittels der Idee das Wahre ist.
Der Satz des unmittelbaren Wissens will mit Recht nicht die unbestimmte, leere Unmittelbarkeit, das abstrakte Sein oder reine Einheit für sich, sondern die Einheit der Idee mit dem Sein. Es ist aber Gedankenlosigkeit, nicht zu sehen, daß die Einheit unterschiedener Bestimmungen nicht bloß rein unmittelbare, d. i. ganz unbestimmte und leere Einheit, sondern daß eben darin gesetzt ist, daß die eine der Bestimmungen nur durch die andere vermittelte Wahrheit hat - oder, wenn man will, jede nur durch andere mit der Wahrheit vermittelt ist.
- Daß die Bestimmung der Vermittlung in jener Unmittelbarkeit selbst enthalten ist, ist hiermit als Faktum aufgezeigt, gegen welches der Verstand, dem eigenen Grundsatze des unmittelbaren Wissens gemäß, nichts einzuwenden haben darf. Es ist gewöhnlicher abstrakter Verstand, der die Bestimmungen von Unmittelbarkeit und von Vermittlung, jede für sich, als absolut nimmt und an ihnen etwas Festes von Unterscheidung zu haben meint; so erzeugt er sich die unüberwindliche Schwierigkeit, sie zu vereinigen, - eine Schwierigkeit, welche ebensosehr, wie gezeigt, im Faktum nicht vorhanden ist, als sie im spekulativen Begriffe verschwindet.

§ 71

Die Einseitigkeit dieses Standpunktes bringt Bestimmungen und Folgen mit sich, deren Hauptzüge nach der geschehenen Erörterung der Grundlage noch bemerklich zu machen sind. Fürs erste, weil nicht die Natur des Inhalts, sondern das Faktum des Bewußtseins als das Kriterium der Wahrheit aufgestellt wird, so ist das subjektive Wissen und die Versicherung, daß Ich in meinem Bewußtsein einen gewissen Inhalt vorfinde, die Grundlage dessen, was als wahr ausgegeben wird. Was Ich in meinem Bewußtsein vorfinde, wird dabei dazu gesteigert, in dem Bewußtsein aller sich vorzufinden, und für die Natur des Bewußtseins selbst ausgegeben. 

Vormals wurde unter den sogenannten Beweisen vom Dasein Gottes der consensus gentium aufgeführt, auf den sich auch schon Cicero beruft. Der consensus gentium ist eine bedeutende Autorität, und der Übergang davon, daß ein Inhalt sich in dem Bewußtsein aller finde, dazu, daß er in der Natur des Bewußtseins selbst liege und ihm notwendig sei, liegt nahe bei der Hand.
Es lag in dieser Kategorie allgemeiner Übereinstimmung das wesentliche, dem ungebildetsten Menschensinne nicht entgehende Bewußtsein, daß das Bewußtsein des Einzelnen zugleich ein Besonderes, Zufälliges ist. Wenn die Natur dieses Bewußtseins nicht selbst untersucht, d. i. das Besondere, Zufällige desselben nicht abgesondert wird, als durch welche mühsame Operation des Nachdenkens das an und für sich Allgemeine desselben allein herausgefunden werden kann, so kann nur die Übereinstimmung aller über einen Inhalt ein respektables Vorurteil begründen, daß derselbe zur Natur des Bewußtseins selbst gehöre. Für das Bedürfnis des Denkens, das, was sich als allgemein vorhanden zeigt, als notwendig zu wissen, ist der consensus gentium allerdings nicht genügend, aber auch innerhalb der Annahme, daß jene Allgemeinheit des Faktums ein befriedigender Beweis wäre, ist er um der Erfahrung willen, daß es Individuen und Völker gebe, bei denen sich der Glaube an Gott nicht vorfinde, als ein Beweis dieses Glaubens aufgegeben worden.
6)
Kürzer und bequemer aber gibt es nichts, als die bloße Versicherung zu machen zu haben, daß Ich einen Inhalt in meinem Bewußtsein mit der Gewißheit seiner Wahrheit finde und daß daher diese Gewißheit nicht mir als besonderem Subjekte, sondern der Natur des Geistes selbst angehöre.

§ 72

Daraus, daß das unmittelbare Wissen das Kriterium der Wahrheit sein soll, folgt fürs zweite, daß aller Aberglaube und Götzendienst für Wahrheit erklärt wird und daß der unrechtlichste und unsittlichste Inhalt des Willens gerechtfertigt ist. Dem Inder gilt nicht aus sogenanntem vermittelten Wissen, aus Räsonnements und Schlüssen, die Kuh, der Affe oder der Brahmane, der Lama als Gott, sondern er glaubt daran.
Die natürlichen Begierden und Neigungen aber legen von selbst ihre Interessen ins Bewußtsein, die unmoralischen Zwecke finden sich ganz unmittelbar in demselben; der gute oder böse Charakter drückte das bestimmte Sein des Willens aus, welches in den Interessen und Zwecken gewußt, und zwar am unmittelbarsten gewußt wäre.

§ 73

Endlich soll das unmittelbare Wissen von Gott sich nur darauf erstrecken, daß Gott ist, nicht was Gott ist; denn das letztere würde eine Erkenntnis sein und auf vermitteltes Wissen führen. Damit ist Gott als Gegenstand der Religion ausdrücklich auf den Gott überhaupt, auf das unbestimmte Übersinnliche beschränkt, und die Religion ist in ihrem Inhalte auf ihr Minimum reduziert.

Wenn es wirklich nötig wäre, nur so viel zu bewirken, daß der Glaube, es sei ein Gott, noch erhalten werde, oder gar, daß solcher Glaube zustande komme, so wäre sich nur über die Armut der Zeit zu verwundern, welche das Dürftigste des religiösen Wissens für einen Gewinn halten läßt und dahin gekommen ist, in ihrer Kirche zu dem Altar zurückzukehren, der sich längst in Athen befand, welcher dem unbekannten Gotte! gewidmet war.

§ 74

Noch ist die allgemeine Natur der Form der Unmittelbarkeit kurz anzugeben. Es ist nämlich diese Form selbst, welche, weil sie einseitig ist, ihren Inhalt selbst einseitig und damit endlich macht.
Dem Allgemeinen gibt sie die Einseitigkeit einer Abstraktion, so daß Gott zum bestimmungslosen Wesen wird; Geist aber kann Gott nur heißen, insofern er als sich in sich selbst mit sich vermittelnd gewußt wird.
Nur so ist er konkret, lebendig und Geist; das Wissen von Gott als Geist enthält eben damit Vermittlung in sich.
- Dem Besonderen gibt die Form der Unmittelbarkeit die Bestimmung, zu sein, sich auf sich zu beziehen. Das Besondere ist aber eben dies, sich auf Anderes außer ihm zu beziehen; durch jene Form wird das Endliche als absolut gesetzt. Da sie als ganz abstrakt gegen jeden Inhalt gleichgültig und eben damit jeden Inhalts empfänglich ist, so kann sie abgöttischen und unmoralischen ebensogut sanktionieren als den entgegengesetzten Inhalt. Nur diese Einsicht in denselben, daß er nicht selbständig, sondern durch ein Anderes vermittelt ist, setzt ihn auf seine Endlichkeit und Unwahrheit herab.
Solche Einsicht, weil der Inhalt die Vermittlung mit sich führt, ist ein Wissen, welches Vermittlung enthält. Für das Wahre kann nur ein Inhalt erkannt werden, insofern er nicht mit einem Anderen vermittelt, nicht endlich ist, also sich mit sich selbst vermittelt und so in eins Vermittlung und unmittelbare Beziehung auf sich selbst ist.
- Jener Verstand, der sich von dem endlichen Wissen, der Verstandesidentität der Metaphysik und der Aufklärung, losgemacht zu haben meint, macht selbst unmittelbar wieder diese Unmittelbarkeit, d. i. die abstrakte Beziehung-auf-sich, die abstrakte Identität zum Prinzip und Kriterium der Wahrheit. Abstraktes Denken (die Form der reflektierenden Metaphysik) und abstraktes Anschauen (die Form des unmittelbaren Wissens) sind ein und dasselbe.

Zusatz.
Indem die Form der Unmittelbarkeit als der Form der Vermittlung entgegengesetzt festgehalten wird, so ist dieselbe hiermit einseitig, und diese Einseitigkeit teilt sich jedem Inhalt mit, welcher nur auf diese Form zurückgeführt wird. Die Unmittelbarkeit ist überhaupt abstrakte Beziehung-auf-sich und somit zugleich abstrakte Identität, abstrakte Allgemeinheit. Wenn dann das an und für sich Allgemeine nur in der Form der Unmittelbarkeit genommen wird, so ist dasselbe nur das abstrakt Allgemeine, und Gott erhält von diesem Standpunkt aus die Bedeutung des schlechthin bestimmungslosen Wesens. Spricht man dann noch von Gott als Geist, so ist dies nur ein leeres Wort, denn der Geist ist als Bewußtsein und Selbstbewußtsein jedenfalls Unterscheidung seiner von sich selbst und von einem Anderen und hiermit sogleich Vermittlung.

§ 75

Die Beurteilung dieser dritten Stellung, die dem Denken zur Wahrheit gegeben wird, hat nur auf eine Weise vorgenommen werden können, welche dieser Standpunkt unmittelbar in ihm selbst angibt und zugesteht. Es ist hiermit als faktisch falsch aufgezeigt worden, daß es ein unmittelbares Wissen gebe, ein Wissen, welches ohne Vermittlung, es sei mit Anderem oder in ihm selbst mit sich, sei. Gleichfalls ist es für faktische Unwahrheit erklärt worden, daß das Denken nur an durch Anderes vermittelten Bestimmungen - endlichen und bedingten - fortgehe und daß sich nicht ebenso in der Vermittlung diese Vermittlung selbst aufhebe. Von dem Faktum aber solchen Erkennens, das weder in einseitiger Unmittelbarkeit noch in einseitiger Vermittlung fortgeht, ist die Logik selbst und die ganze Philosophie das Beispiel.

§ 76

In Beziehung auf den Ausgangspunkt, die oben so genannte unbefangene Metaphysik, das Prinzip des unmittelbaren Wissens betrachtet, so ergibt sich aus der Vergleichung, daß dasselbe zu jenem Anfang, den diese Metaphysik in der neueren Zeit als Cartesische Philosophie genommen hat, zurückgekehrt ist.
In beiden ist behauptet:
1. Die einfache Untrennbarkeit des Denkens und Seins des Denkenden, - cogito ergo sum ist ganz dasselbe, [wie] daß mir im Bewußtsein das Sein, Realität, Existenz des Ich unmittelbar geoffenbart sei (Cartesius erklärt zugleich ausdrücklich Principia philosophiae I, 9, daß er unter Denken das Bewußtsein überhaupt als solches verstehe) und daß jene Untrennbarkeit die schlechthin erste (nicht vermittelte, bewiesene) und gewisseste Erkenntnis sei;
2. ebenso die Unzertrennlichkeit der Vorstellung von Gott und seiner Existenz, so daß diese in der Vorstellung Gottes selbst enthalten ist, jene Vorstellung schlechthin nicht ohne die Bestimmung der Existenz, diese somit eine notwendige und ewige ist.
7) 
3. Was das gleichfalls unmittelbare Bewußtsein von de Existenz äußerer Dinge betrifft, so heißt dasselbe nichts anderes als das sinnliche Bewußtsein; daß wir ein solches haben, ist die geringste der Erkenntnisse; es hat allein Interesse zu wissen, daß dies unmittelbare Wissen von dem Sein der äußerlichen Dinge Täuschung und Irrtum und in dem Sinnlichen als solchem keine Wahrheit ist, das Sein diese äußerlichen Dinge vielmehr ein zufälliges, vorübergehendes, ein Schein ist, - daß sie wesentlich dies sind, nur eine Existenz zu haben, die von ihrem Begriff, Wesen trennbar ist.

§ 77

Unterschieden sind aber beide Standpunkte:
1. Die Cartesische Philosophie geht von diesen unbewiesenen und für unbeweisbar angenommenen Voraussetzungen fort zu weiterer entwickelter Erkenntnis und hat auf diese Weis den Wissenschaften der neuen Zeit den Ursprung gegeben. Der moderne Standpunkt dagegen ist zu dem für sich wichtigen Resultate gekommen (§ 62), daß das Erkennen, welches an endlichen Vermittlungen fortgehe, nur Endliches 8/166 erkenne und keine Wahrheit enthalte, und verlangt an das Bewußtsein von Gott, daß es bei jenem, und zwar ganz abstrakten Glauben stehenbleibe.8)
2. Der moderne Standpunkt ändert dabei einerseits nichts an der von Cartesius eingeleiteten Methode des gewöhnlichen wissenschaftlichen Erkennens und führt die daraus entsprungenen Wissenschaften des Empirischen und Endlichen ganz auf dieselbe Weise fort, - andererseits aber verwirft dieser Standpunkt diese Methode und damit, weil er keine andere kennt, alle Methoden für das Wissen von dem, was seinem Gehalte nach unendlich ist; er überläßt sich darum der wilden Willkür der Einbildungen und Versicherungen, einem Moralitäts-Eigendünkel und Hochmut des Empfindens oder einem maßlosen Gutdünken und Räsonnement, welches sich am stärksten gegen Philosophie und Philosopheme erklärt.
Die Philosophie gestattet nämlich nicht ein bloßes Versichern, noch Einbilden, noch beliebiges Hin- und Herdenken des Räsonnements.

§ 78

Der Gegensatz von einer selbständigen Unmittelbarkeit des Inhalts oder Wissens und einer dagegen ebenso selbständigen Vermittlung, die mit jener unvereinbar sei, ist zunächst deswegen beiseite zu setzen, weil er eine bloße Voraussetzung und beliebige Versicherung ist. Ebenso sind alle anderen Voraussetzungen oder Vorurteile bei dem Eintritt in die Wissenschaft aufzugeben, sie mögen aus der Vorstellung oder dem Denken genommen sein; denn es ist die Wissenschaft, in welcher alle dergleichen Bestimmungen erst untersucht und, was an ihnen und ihren Gegensätzen sei, erkannt werden soll. 

Der Skeptizismus, als eine durch alle Formen des Erkennens durchgeführte, negative Wissenschaft, würde sich als eine Einleitung darbieten, worin die Nichtigkeit solcher Voraussetzungen dargetan würde. Aber er würde nicht nur ein unerfreulicher, sondern auch darum ein überflüssiger Weg sein, weil das Dialektische selbst ein wesentliches Moment der affirmativen Wissenschaft ist, wie sogleich bemerkt werden wird. Übrigens hätte er die endlichen Formen auch nur empirisch und unwissenschaftlich zu finden und als gegeben aufzunehmen. Die Forderung eines solchen vollbrachten Skeptizismus ist dieselbe mit der, daß der Wissenschaft das Zweifeln an allem, d. i. die gänzliche Voraussetzungslosigkeit an allem vorangehe solle. Sie ist eigentlich in dem Entschluß, rein denken zu wollen, durch die Freiheit vollbracht, welche von aller abstrahiert und ihre reine Abstraktion, die Einfachheit des Denkens, erfaßt.

 

 

2) Friedrich Heinrich Jacobi, Über die Lehre des Spinoza in Briefen an den Herrn Moses Mendelssohn (1785), neue verm. Ausgabe, 1789

3) Joseph Jérôme Lalande, 1732-1807, französischer Astronom

4) Heinrich Gustav Hotho, De philosophia Cartesiana, Berlin 1826

5) Lettres de Mr. Descartes, ed. Clerselier, 3 Bde., Paris 1657 ff. Vgl. Brief Nr. CDXL, Œuvres IV.

6) *Um in der Erfahrung den Atheismus und den Glauben an Gott mehr oder weniger ausgebreitet zu finden, kommt es darauf an, ob man mit der Bestimmung von einem Gott überhaupt zufrieden ist oder ob eine bestimmtere Erkenntnis desselben gefordert wird.
Von den chinesischen und indischen usf. Götzen wenigstens, ebensowenig von den afrikanischen Fetischen, auch von den griechischen Göttern selbst wird in der christlichen Welt nicht zugegeben werden, daß solche Götzen Gott sind; wer an solche glaubt, glaubt daher nicht an Gott.
Wird dagegen die Betrachtung gemacht, daß in solchem Glauben an Götzen doch an sich der Glaube an Gott überhaupt, wie im besonderen Individuum die Gattung, liege, so gilt der Götzendienst auch für einen Glauben, nicht nur an einen Götzen, sondern an Gott. Umgekehrt haben die Athenienser die Dichter und Philosophen, welche den Zeus usf. nur für Wolken usf. hielten und etwa nur einen Gott überhaupt behaupteten, als Atheisten behandelt.
- Es kommt nicht darauf an, was an sich in einem Gegenstande enthalten sei, sondern was davon für das Bewußtsein heraus ist. Jede, die gemeinste sinnliche Anschauung des Menschen wäre,
wenn man die Verwechslung dieser Bestimmung gelten läßt, Religion, weil allerdings an sich in jeder solchen Anschauung, in jedem Geistigen, das Prinzip enthalten ist, welches entwickelt und gereinigt sich zur Religion steigert. Ein anderes aber ist, der Religion fähig zu sein
(und jenes Ansich drückt die Fähigkeit und Möglichkeit aus) ein anderes, Religion zu haben.
- So haben in neueren Zeiten wieder Reisende (z. B. die Kapitäne Ross und Parry) Völkerschaften (Eskimo gefunden, denen sie alle Religion absprachen, sogar so etwas von Religion was man noch in afrikanischen Zauberern (den Goëten Herodots) finden möchte.
Nach einer ganz andern Seite hin sagt ein Engländer, der die ersten Monate des letztverflossenen Jubeljahres in Rom zubrachte, in seiner Reisebeschreibung von den heutigen Römern, daß das gemeine Volk bigott, daß aber die, die lesen und schreiben können, sämtlich Atheisten seien.
- Der Vorwurf des Atheismus ist übrigens in neueren Zeiten wohl vornehmlich darum seltener geworden, weil der Gehalt und die Forderung über Religion sich auf ein Minimum reduziert hat
(s. § 73).

7) *Cartesius, Principia philosophiae I, 15: "Magis hoc (ens summe perfectum existere) credet,
si attendat, nullius alterius rei ideam apud se inveniri, in qua eodem modo necessariam existentiam contineri animadvertat; intelliget, illam ideam exhibere veram et immutabilem naturam, quaeque non potest non existere, cum necessaria existentia in ea contineatur."
[Er wird um so mehr davon überzeugt sein (daß ein höchst vollkommenes Wesen existiert), wenn er beachtet, daß in keiner anderen von seinen Ideen dieses notwendige Dasein in derselben Weise enthalten ist; denn er wird daraus ersehen, daß diese Idee nur eine wahre und unveränderliche Natur darstellt, welche existieren muß, da das notwendige Dasein in ihr enthalten ist." - Übers. A. Buchenau.]
Eine darauf folgende Wendung, die wie eine Vermittlung und Beweis lautet, tut dieser ersten Grundlage keinen Eintrag.
- Bei Spinoza ist es ganz dasselbe, daß Gottes Wesen, d. i. die abstrakte Vorstellung, die Existenz in sich schließe. Die erste Definition Spinozas ist die von causa sui, daß sie ein solches sei, "cujus essentia involvit existentiam; sive id, cujus natura non potest concipi, nisi existens"
["dessen Wesenheit die Existenz in sich schließt, oder das, dessen Natur nur als existierend begriffen werden kann", Ethik I, Def. 1. - (Übers. C. Gebhardt];
- die Untrennbarkeit des Begriffs vom Sein ist die Grundbestimmmung und Voraussetzung.
Aber welcher Begriff ist es, dem diese Untrennbarkeit vom Sein zukommt?
Nicht der von endlichen Dingen, denn diese sind eben solche, deren Existenz eine zufällige und erschaffene ist.
- Daß bei Spinoza die 11. Proposition: daß Gott notwendig existiere,
mit einem Beweise folgt, ebenso die 20.: daß Gottes Existenz und sein Wesen ein und dasselbe sind, - ist ein überflüssiger Formalismus des Beweisens. Gott ist die (und zwar einzige) Substanz; die Substanz aber ist causa sui, also existiert Gott notwendig - heißt nichts anderes, als daß Gott dies ist, dessen Begriff und Sein unzertrennlich ist.

8) *Anselmus sagt dagegen: "Negligentiae mihi videtur, si postquam confirmati sumus in fide, non studemus, quod credimus, intelligere" (Tractat. Cur Deus homo [I, 1 - "so scheint es mir Nachlässigkeit, wenn wir, nachdem wir im Glauben gefestigt sind, uns nicht zu verstehen bemühen, was wir glauben". -Übers. F. S. Schmitt]). - Anselm hat dabei an dem konkreten Inhalte der christlichen Lehre eine ganz andere schwere Aufgabe für das Erkennen als das, was jener moderne Glaube enthält.

 

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JacobiFH

 * 25. Januar 1743;
 † 10. März 1819

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