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II. Kritische Philosophie
§ 40
Die kritische Philosophie hat es mit dem Empirismus gemein, die Erfahrung für den einzigen Boden der Erkenntnisse anzunehmen, welche sie aber nicht für Wahrheiten, sondern nur für Erkenntnisse von Erscheinungen gelten läßt. Zunächst wird von dem Unterschiede der Elemente ausgegangen, die sich in der Analyse der Erfahrung finden, des sinnlichen Stoffes und der allgemeinen Beziehungen desselben. Indem sich hiermit die im vorhergehenden § angeführte Reflexion verbindet, daß in der Wahrnehmung für sich nur Einzelnes und nur solches, was geschehe, enthalten sei, wird zugleich bei dem Faktum beharrt, daß die Allgemeinheit und Notwendigkeit als ebenso wesentliche Bestimmungen sich in dem, was Erfahrung genannt wird, vorfinden. Weil dieses Element nun nicht aus dem Empirischen als solchem herstammt, so gehört es der Spontaneität des Denkens an oder ist a priori. - Die Denkbestimmungen oder Verstandesbegriffe machen die Objektivität der Erfahrungserkenntnisse aus. Sie enthalten überhaupt Beziehungen, und es formieren sich daher durch sie synthetische Urteile a priori (d. i. ursprüngliche Beziehungen Entgegengesetzter).
Daß sich in der Erkenntnis die Bestimmungen der Allgemeinheit und Notwendigkeit finden, dies Faktum stellt der Humesche Skeptizismus nicht in Abrede. Etwas anderes als ein vorausgesetztes Faktum ist es in der Kantischen Philosophie auch nicht; man kann nach der gewöhnlichen Sprache in den Wissenschaften sagen, daß sie nur eine andere Erklärung jenes Faktums aufgestellt habe.
§ 41
Die kritische Philosophie unterwirft nun den Wert der in der Metaphysik - übrigens auch in den anderen Wissenschaften und im gewöhnlichen Vorstellen - gebrauchten Verstandesbegriffe zunächst der Untersuchung. Diese Kritik geht jedoch nicht auf den Inhalt und das bestimmte Verhältnis dieser Denkbestimmungen gegeneinander selbst ein, sondern betrachtet sie nach dem Gegensatz von Subjektivität und Objektivität überhaupt. Dieser Gegensatz, wie er hier genommen wird, bezieht sich (s. vorherg. §) auf den Unterschied der Elemente innerhalb der Erfahrung. Die Objektivität heißt hier das Element von Allgemeinheit und Notwendigkeit, d. i. von den Denkbestimmungen selbst, - dem sogenannten Apriorischen. Aber die kritische Philosophie erweitert den Gegensatz so, daß in die Subjektivität das Gesamte der Erfahrung, d. h. jene beiden Elemente zusammen, fällt und derselben nichts gegenüber bleibt als das Ding-an-sich. Die näheren Formen des Apriorischen, d. i. des Denkens, und zwar desselben als der seiner Objektivität ungeachtet nur subjektiven Tätigkeit, ergeben sich auf folgende Weise, - einer Systematisierung, welche übrigens nur auf psychologisch-historischen Grundlagen beruht.
Zusatz 1. Es ist dadurch, daß die Bestimmungen der alten Metaphysik der Untersuchung unterworfen worden sind, ohne Zweifel ein sehr wichtiger Schritt geschehen. Das unbefangene Denken erging sich ohne Arg in jenen Bestimmungen, die sich geradezu und von selbst machten. Es wurde dabei nicht daran gedacht, inwiefern diese Bestimmungen für sich Wert und Gültigkeit hätten. Früher ist bereits bemerkt worden, das freie Denken sei ein solches, welches keine Voraussetzungen habe. Das Denken der alten Metaphysik war deshalb kein freies, weil dasselbe seine Bestimmungen ohne Weiteres als ein Vorausseiendes, als ein Apriori gelten ließ, welches die Reflexion nicht selbst geprüft hatte. Die kritische Philosophie machte es sich dagegen zur Aufgabe, zu untersuchen, inwieweit überhaupt die Formen des Denkens fähig seien, zur Erkenntnis der Wahrheit zu verhelfen. Näher sollte nun das Erkenntnisvermögen vor dem Erkennen untersucht werden. Hierin liegt nun allerdings das Richtige, daß die Formen des Denkens selbst zum Gegenstand des Erkennens gemacht werden müssen; allein es schleicht sich auch bald das Mißverständnis ein, vor dem Erkennen schon erkennen oder nicht eher ins Wasser gehen zu wollen, bevor man schwimmen gelernt hat. Allerdings sollen die Formen des Denkens nicht ununtersucht gebraucht werden, aber dies Untersuchen ist selbst schon ein Erkennen. Es muß also die Tätigkeit der Denkformen und ihre Kritik im Erkennen vereinigt sein. Die Denkformen müssen an und für sich betrachtet werden; sie sind der Gegenstand und die Tätigkeit des Gegenstandes selbst; sie selbst untersuchen sich, müssen an ihnen selbst sich ihre Grenze bestimmen und ihren Mangel aufzeigen. Dies ist dann diejenige Tätigkeit des Denkens, welche demnächst als Dialektik in besondere Betrachtung gezogen werden wird und von welcher hier nur vorläufig zu bemerken ist, daß dieselbe nicht als von außen an die Denkbestimmungen gebracht, sondern vielmehr als denselben selbst innewohnend zu betrachten ist. Das nächste in der Kantischen Philosophie ist also dies, daß das Denken selbst sich untersuchen soll, inwiefern es zu erkennen fähig sei. Heutigentags ist man nun über die Kantische Philosophie hinausgekommen, und ein jeder will weiter sein. Weitersein ist jedoch ein gedoppeltes, ein Vorwärts- und ein Rückwärts-Weiter. Viele unserer philosophischen Bestrebungen sind bei Lichte besehen nichts anderes als das Verfahren der alten Metaphysik, ein unkritisches Dahindenken, so wie es eben jedem gegeben ist.
Zusatz 2. Kants Untersuchung der Denkbestimmungen leidet wesentlich an dem Mangel, daß dieselben nicht an und für sich, sondern nur unter dem Gesichtspunkt betrachtet werden, ob sie subjektiv oder objektiv seien. Unter dem Objektiven versteht man im Sprachgebrauch des gemeinen Lebens das außer uns Vorhandene und durch die Wahrnehmung von außen an uns Gelangende. Kant stellte nun von den Denkbestimmungen (wie z. B. Ursache und Wirkung) in Abrede, daß denselben Objektivität in dem hier erwähnten Sinn zukomme, d. h. daß dieselben in der Wahrnehmung gegeben seien, und betrachtete dieselben dagegen als unserem Denken selbst oder der Spontaneität des Denkens angehörig und in diesem Sinn als subjektiv. Nun aber nennt Kant gleichwohl das Gedachte, und näher das Allgemeine und Notwendige, das Objektive, und das nur Empfundene das Subjektive. Der vorher erwähnte Sprachgebrauch erscheint hiermit als auf den Kopf gestellt, und man hat Kant deshalb den Vorwurf der Sprachverwirrung gemacht; jedoch mit großem Unrecht. Es verhält sich damit näher folgendermaßen. Dem gemeinen Bewußtsein erscheint das demselben Gegenüberstehende, sinnlich Wahrnehmbare (z. B. dieses Tier, dieser Stern usw.) als das für sich Bestehende, Selbständige, und die Gedanken gelten demselben dagegen als das Unselbständige und von einem Anderen Abhängige. Nun aber ist in der Tat das sinnlich Wahrnehmbare das eigentlich Unselbständige und Sekundäre, und die Gedanken sind dagegen das wahrhaft Selbständige und Primitive. In diesem Sinn hat Kant das Gedankenmäßige (das Allgemeine und Notwendige) das Objektive genannt, und zwar mit vollem Recht. Andererseits ist das sinnlich Wahrnehmbare insofern allerdings das Subjektive, als dasselbe seinen Halt nicht in sich selbst hat und ebenso flüchtig und vorübergehend ist, als dem Gedanken der Charakter der Dauer und des inneren Bestandes zukommt. Die hier erwähnte und durch Kant geltend gemachte Bestimmung des Unterschiedes zwischen dem Objektiven und Subjektiven finden wir denn auch heutzutage im Sprachgebrauch des höher gebildeten Bewußtseins; so wird z. B. von der Beurteilung eines Kunstwerkes gefordert, daß dieselbe objektiv und nicht subjektiv sein soll, und darunter wird dann verstanden, daß dieselbe nicht von zufälliger, partikulärer Empfindung und Stimmung des Augenblicks ausgehen, sondern die allgemeinen und im Wesen der Kunst begründeten Gesichtspunkte ins Auge fassen soll. In demselben Sinne wird bei einer wissenschaftlichen Beschäftigung zwischen einem objektiven und einem subjektiven Interesse unterschieden werden können. Ferner ist nun aber auch die Kantische Objektivität des Denkens insofern selbst nur wieder subjektiv, als nach Kant die Gedanken, obschon allgemeine und notwendige Bestimmungen, doch nur unsere Gedanken und von dem, was das Ding an sich ist, durch eine unübersteigbare Kluft unterschieden sind. Dagegen ist die wahre Objektivität des Denkens diese, daß die Gedanken nicht bloß unsere Gedanken, sondern zugleich das Ansich der Dinge und des Gegenständlichen überhaupt sind. - Objektiv und subjektiv sind bequeme Ausdrücke, deren man sich mit Geläufigkeit bedient und bei deren Gebrauch gleichwohl sehr leicht Verwirrung entsteht. Nach der bisherigen Erörterung hat die Objektivität eine dreifache Bedeutung. Zunächst die Bedeutung des äußerlich Vorhandenen, im Unterschied vom nur Subjektiven, Gemeinten, Erträumten usf., zweitens die von Kant festgestellte Bedeutung des Allgemeinen und Notwendigen im Unterschied von dem unserer Empfindung angehörigen Zufälligen, Partikulären und Subjektiven, und drittens die vorher zuletzt erwähnte Bedeutung des gedachten Ansich, dessen, was da ist, im Unterschied von dem nur durch uns Gedachten und somit noch von der Sache selbst oder an sich Unterschiedenen.
§ 42
a) Das theoretische Vermögen, die Erkenntnis als solche.
Als den bestimmten Grund der Verstandesbegriffe gibt diese Philosophie die ursprüngliche Identität des Ich im Denken (transzendentale Einheit des Selbstbewußtseins) an. Die durch Gefühl und die Anschauung gegebenen Vorstellung sind ihrem Inhalte nach ein Mannigfaltiges, und ebensosehr durch ihre Form, durch das Außereinander der Sinnlichkeit in ihren beiden Formen, Raum und Zeit, welche als Formen (das Allgemeine) des Anschauens selbst a priori sind. Dieses Mannigfaltige des Empfindens und Anschauens, indem Ich dasselbe auf sich bezieht und in sich als in einem Bewußtsein vereinigt (reine Apperzeption), wird hiermit in Identität, in eine ursprüngliche Verbindung gebracht. Die bestimmten Weisen dieses Beziehens sind die reinen Verstandesbegriffe, die Kategorien.
Bekanntlich hat es die Kantische Philosophie sich mit der Auffindung der Kategorien sehr bequem gemacht. Ich, die Einheit des Selbstbewußtseins, ist ganz abstrakt und völlig unbestimmt; wie ist also zu den Bestimmungen des Ich den Kategorien, zu kommen? Glücklicherweise finden sich in der gewöhnlichen Logik die verschiedenen Arten des Urteils bereits empirisch angegeben vor. Urteilen aber ist Denken eines bestimmten Gegenstandes. Die verschiedenen schon fertig aufgezählten Urteilsweisen liefern also die verschiedenen Bestimmungen des Denkens. - Der Fichteschen Philosophie bleibt das tiefe Verdienst, daran erinnert zu haben, daß die Denkbestimmungen in ihrer Notwendigkeit aufzuzeigen, daß sie wesentlich abzuleiten seien. - Diese Philosophie hätte auf die Methode, die Logik abzuhandeln, doch wenigstens die Wirkung gehabt haben sollen, daß die Denkbestimmungen überhaupt oder das übliche logische Material, die Arten der Begriffe, der Urteile, der Schlüsse, nicht mehr nur aus der Beobachtung genommen und so bloß empirisch aufgefaßt, sondern aus dem Denken selbst abgeleitet würden. Wenn das Denken irgend etwas zu beweisen fähig sein soll, wenn die Logik fordern muß, daß Beweise gegeben werden, und wenn sie das Beweisen lehren will, so muß sie doch vor allem ihren eigentümlichsten Inhalt zu beweisen, dessen Notwendigkeit einzusehen, fähig sein.
Zusatz 1. Kants Behauptung also ist, daß die Denkbestimmungen ihre Quelle im Ich haben und daß demnach Ich die Bestimmungen der Allgemeinheit und Notwendigkeit gibt. - Betrachten wir, was wir zunächst vor uns haben, so ist es überhaupt ein Mannigfaltiges; die Kategorien sind dann Einfachheiten, auf welche dieses Mannigfaltige sich bezieht. Das Sinnliche dagegen ist das Außereinander, das Außersichseiende; dies ist die eigentliche Grundbestimmung desselben. So hat z. B. "Jetzt" nur Sein in Beziehung auf ein Vorher und ein Nachher. Ebenso ist das Rot nur vorhanden, insofern demselben Gelb und Blau entgegensteht. Dies Andere aber ist außer dem Sinnlichen, und dieses ist nur, insofern es das Andere nicht ist, und nur, insofern das Andere ist. - Gerade umgekehrt wie mit dem außereinander und außer sich seienden Sinnlichen verhält es sich mit dem Denken oder dem Ich. Dieses ist das ursprünglich Identische, mit sich Einige und schlechthin bei sich Seiende. Sage ich "Ich", so ist dies die abstrakte Beziehung auf sich selbst, und was in diese Einheit gesetzt wird, das wird von derselben infiziert und in sie verwandelt. Ich ist somit gleichsam der Schmelztiegel und das Feuer, wodurch gleichgültige Mannigfaltigkeit verzehrt und auf Einheit reduziert wird. Dies ist es dann, was Kant reine Apperzeption nennt, zum Unterschied von der gewöhnlichen Apperzeption, welche das Mannigfaltige als solches in sich aufnimmt, wohingegen die reine Apperzeption als die Tätigkeit des Vermeinigens zu betrachten ist. - Hiermit ist nun allerdings die Natur alles Bewußtseins richtig ausgesprochen. Das Streben der Menschen geht überhaupt dahin, die Welt zu erkennen, sie sich anzueignen und zu unterwerfen, und zu dem Ende muß die Realität der Welt gleichsam zerquetscht, d. h. idealisiert werden. Zugleich ist dann aber zu bemerken, daß es nicht die subjektive Tätigkeit des Selbstbewußtseins ist, welche die absolute Einheit in die Mannigfaltigkeit hineinbringt. Diese Identität ist vielmehr das Absolute, das Wahrhafte selbst. Es ist dann gleichsam die Güte des Absoluten, die Einzelheiten zu ihrem Selbstgenuß zu entlassen, und dieses selbst treibt sie in die absolute Einheit zurück.
Zusatz 2. Solche Ausdrücke wie transzendentale Einheit des Selbstbewußtseins sehen sehr schwer aus, als ob da etwas Ungheures hinter dem Berge halte, aber die Sache ist einfacher. Was Kant unter dem Transzendentalen versteht, dies ergibt sich aus dem Unterschied desselben vom Transzendenten. Das Transzendente nämlich ist überhaupt dasjenige, was über die Bestimmtheit des Verstandes hinausschreitet, und in diesem Sinn kommt dasselbe zunächst in der Mathematik vor. So wird z. B. in der Geometrie gesagt, man müsse sich die Peripherie des Kreises als aus unendlich viel unendlich kleinen geraden Linien bestehend vorstellen. Hier werden also Bestimmungen, die dem Verstand als schlechthin verschieden gelten (das Gerade und das Krumme), ausdrücklich als identisch gesetzt. Ein solches Transzendentes ist nun auch das mit sich identische und in sich unendliche Selbstbewußtsein, im Unterschied von dem durch endlichen Stoff bestimmten gemeinen Bewußtsein. Kant bezeichnete indes jene Einheit des Selbstbewußtseins nur als transzendental und verstand darunter, daß dieselbe nur subjektiv sei und nicht auch den Gegenständen selbst, wie sie an sich sind, zukomme.
Zusatz 3. Daß die Kategorien nur als uns angehörig (als subjektiv zu betrachten seien], muß dem natürlichen Bewußtsein als sehr bizarr vorkommen, und es liegt darin allerdings etwas Schiefes. Soviel ist indes richtig, daß die Kategorien in der unmittelbaren Empfindung nicht enthalten sind. Betrachten wir z. B. ein Stück Zucker; dieses ist hart, weiß, süß usw. Wir sagen nun, alle diese Eigenschaften sind in einem Gegenstand vereinigt, und diese Einheit ist nicht in der Empfindung. Ebenso verhält es sich, wenn wir zwei Begebenheiten als im Verhältnis von Ursache und Wirkung zueinander stehend betrachten; was hier wahrgenommen wird, das sind die vereinzelten beiden Begebenheiten, welche in der Zeit nacheinander folgen. Daß aber die eine die Ursache und die andere die Wirkung ist (der Kausalnexus zwischen beiden), dies wird nicht wahrgenommen, sondern ist bloß für unser Denken vorhanden. Ob nun schon die Kategorien (wie z. B. Einheit, Ursache und Wirkung usw.) dem Denken als solchem zukommen, so folgt daraus doch keineswegs, daß dieselben deshalb bloß ein Unsriges und nicht auch Bestimmungen der Gegenstände selbst wären. Dies soll nun aber nach Kants Auffassung der Fall sein, und seine Philosophie ist subjektiver Idealismus, insofern Ich (das erkennende Subjekt) sowohl die Form als auch den Stoff des Erkennens liefere - jenen als denkend und diesen als empfindend. - Nach dem Inhalt dieses subjektiven Idealismus ist in der Tat nicht die Hand umzukehren. Man kann etwa zunächst meinen, es werde den Gegenständen dadurch, daß ihre Einheit in das Subjekt verlegt wird, die Realität entzogen. Bloß dadurch indes, daß ihnen das Sein zukäme, gewönnen weder die Gegenstände noch wir etwas. Es kommt auf den Inhalt an, darauf, ob dieser ein wahrer ist. Damit, daß die Dinge bloß sind, ist denselben noch nicht geholfen. Über das Seiende kommt die Zeit, und wird dasselbe demnächst auch nicht seiend. - Man könnte auch sagen, der Mensch könne nach dem subjektiven Idealismus sich viel auf sich einbilden. Allein wenn seine Welt die Masse sinnlicher Anschauungen ist, so hat er nicht Ursache, auf eine solche Welt stolz zu sein. Auf jenen Unterschied von Subjektivität und Objektivität kommt also überhaupt nichts an, sondern der Inhalt ist es, worauf es ankommt, und dieser ist ebensowohl subjektiv als auch objektiv. Objektiv im Sinn der bloßen Existenz ist auch ein Verbrechen, aber eine in sich nichtige Existenz, welche denn auch als solche in der Strafe zum Dasein kommt.
§ 43
Einerseits ist es durch die Kategorien, daß die bloße Wahrnehmung zur Objektivität, zur Erfahrung erhoben wird, andererseits aber sind diese Begriffe, als Einheiten bloß des subjektiven Bewußtseins, durch den gegebenen Stoff bedingt, für sich leer und haben ihre Anwendung und Gebrauch allein in der Erfahrung, deren anderer Bestandteil, die Gefühls- und Anschauungsbestimmungen, ebenso nur ein Subjektives ist.
Zusatz. Von den Kategorien zu behaupten, daß dieselben für sich leer seien, ist insofern unbegründet, als dieselben jedenfalls daran, daß sie bestimmt sind, ihren Inhalt haben. Nun ist zwar der Inhalt der Kategorien allerdings nicht ein sinnlich wahrnehmbarer, nicht ein räumlich-zeitlicher; allein dies ist nicht als ein Mangel, sondern vielmehr als ein Vorzug derselben zu betrachten. Dies findet dann auch schon im gewöhnlichen Bewußtsein seine Anerkennung, und zwar in der Art, daß man z. B. von einem Buch oder von einer Rede in dem Maße mehr sagt, dieselben seien inhaltsvoll, als darin mehr Gedanken, allgemeine Resultate usf. zu finden sind, - so wie man dann auch umgekehrt ein Buch, etwa näher einen Roman, darum noch nicht als inhaltsvoll gelten läßt, weil eine große Menge von vereinzelten Begebenheiten, Situationen u. dgl. darin aufgehäuft ist. Hiermit ist also auch von dem gewöhnlichen Bewußtsein ausdrücklich anerkannt, daß zum Inhalt mehr gehört als der sinnliche Stoff: dieses Mehr aber sind Gedanken und hier zunächst die Kategorien. - Hierbei ist dann noch zu bemerken, daß die Behauptung, die Kategorien seien für sich leer, allerdings insofern einen richtigen Sinn hat, als bei denselben und ihrer Totalität (der logischen Idee) nicht stehenzubleiben, sondern zu den realen Gebieten der Natur und des Geistes fortzuschreiten ist, welches Fortschreiten jedoch nicht so aufgefaßt werden darf, als käme dadurch zur logischen Idee von außen ein derselben fremder Inhalt, sondern so, daß es die eigene Tätigkeit der logischen Idee ist, sich zur Natur und zum Geist weiterzubestimmen und zu entfalten.
§ 44
Die Kategorien sind daher unfähig, Bestimmungen des Absoluten zu sein, als welches nicht in einer Wahrnehmung gegeben ist, und der Verstand oder die Erkenntnis durch Kategorien ist darum unvermögend, die Dinge an sich zu erkennen.
Das Ding-an-sich (und unter dem Ding wird auch der Geist, Gott befaßt) drückt den Gegenstand aus, insofern von allem, was er für das Bewußtsein ist, von allen Gefühlsbestimmungen wie von allen bestimmten Gedanken desselben abstrahiert wird. Es ist leicht zu sehen, was übrigbleibt - das völlige Abstraktum, das ganz Leere, bestimmt nur noch als Jenseits; das Negative der Vorstellung, des Gefühls, des bestimmten Denkens usf. Ebenso einfach aber ist die Reflexion, daß dies caput mortuum selbst nur das Produkt des Denkens ist, eben des zur reinen Abstraktion fortgegangenen Denkens, des leeren Ich, das diese leere Identität seiner selbst sich zum Gegenstande macht. Die negative Bestimmung, welche diese abstrakte Identität als Gegenstand erhält, ist gleichfalls unter den Kantischen Kategorien aufgeführt und ebenso etwas ganz Bekanntes wie jene leere Identität. - Man muß sich hiernach nur wundern, so oft wiederholt gelesen zu haben, man wisse nicht, was das Ding-an-sich sei; und es ist nichts leichter, als dies zu wissen.
§ 45
Es ist nun die Vernunft, das Vermögen des Unbedingten, welche das Bedingte dieser Erfahrungskenntnisse einsieht. Was hier Vernunftgegenstand heißt, das Unbedingte oder Unendliche, ist nichts anderes als das Sich-selbst-Gleiche, oder es ist die (§ 42) erwähnte ursprüngliche Identität des Ich im Denken. Vernunft heißt dies abstrakte Ich oder Denken, welches diese reine Identität sich zum Gegenstande oder Zweck macht. Vgl. Anm. z. vorh. §. Dieser schlechthin bestimmungslosen Identität sind die Erfahrungserkenntnisse unangemessen, weil sie überhaupt von bestimmtem Inhalte sind. Indem solches Unbedingte für das Absolute und Wahre der Vernunft (für die Idee) angenommen wird, so werden somit die Erfahrungskenntnisse für das Unwahre, für Erscheinungen erklärt.
Zusatz. Erst durch Kant ist der Unterschied zwischen Verstand und Vernunft bestimmt hervorgehoben und in der Art festgestellt worden, daß jener das Endliche und Bedingte, diese aber das Unendliche und Unbedingte zum Gegenstand hat. Ob es nun schon als ein sehr wichtiges Resultat der Kantischen Philosophie anzuerkennen ist, daß dieselbe die Endlichkeit der bloß auf Erfahrung beruhenden Verstandeserkenntnis geltend gemacht und den Inhalt derselben als Erscheinung bezeichnet hat, so ist doch bei diesem negativen Resultat nicht stehenzubleiben und die Unbedingtheit der Vernunft nicht bloß auf die abstrakte, den Unterschied ausschließende Identität mit sich zu reduzieren. Indem die Vernunft auf solche Weise bloß als das Hinausschreiten über das Endliche und Bedingte des Verstandes betrachtet wird, so wird dieselbe hiermit in der Tat selbst zu einem Endlichen und Bedingten herabgesetzt, denn das wahrhaft Unendliche ist nicht ein bloßes Jenseits des Endlichen, sondern es enthält dasselbe als aufgehoben in sich selbst. Dasselbe gilt dann auch von der Idee, welche Kant zwar insofern wieder zu Ehren gebracht hat, daß er dieselbe im Unterschied von abstrakten Verstandesbestimmungen oder gar bloß sinnlichen Vorstellungen (dergleichen man im gemeinen Leben wohl auch schon Idee zu nennen pflegt) der Vernunft vindiziert hat, rücksichtlich deren er aber gleichfalls beim Negativen und beim bloßen Sollen stehengeblieben ist. - Was dann noch die Auffassung der den Inhalt der Erfahrungserkenntnis bildenden Gegenstände unseres unmittelbaren Bewußtseins als bloßer Erscheinungen anbetrifft, so ist dies jedenfalls als ein sehr wichtiges Resultat der Kantischen Philosophie zu betrachten. Dem gemeinen (d. h. dem sinnlich-verständigen) Bewußtsein gelten die Gegenstände, von denen er weiß, in ihrer Vereinzelung als selbständig und auf sich beruhend, und indem dieselben sich als aufeinander bezogen und durch einander bedingt erweisen, so wird diese gegenseitige Abhängigkeit derselben voneinander als etwas den Gegenständen Äußerliches und nicht zu ihrem Wesen Gehöriges betrachtet. Dagegen muß nun allerdings behauptet werden, daß die Gegenstände, von denen wir unmittelbar wissen, bloße Erscheinungen sind, d. h. daß dieselben den Grund ihre Seins nicht in sich selbst, sondern in einem Anderen haben. Dabei kommt es dann aber weiter darauf an, wie dieses Andere bestimmt wird. Nach der Kantischen Philosophie sind die Dinge, von denen wir wissen, nur Erscheinungen für uns, und das Ansich derselben bleibt für uns ein uns unzugängliches Jenseits. An diesem subjektiven Idealismus, wonach dasjenige, was den Inhalt unseres Bewußtseins bildet, ein nur Unsriges, nur durch uns Gesetztes ist, hat das unbefangene Bewußtsein mit Recht Anstoß genommen. Das wahre Verhältnis ist in der Tat dieses, daß die Dinge, von denen wir unmittelbar wissen, nicht nur für uns, sondern an sich bloße Erscheinungen sind und daß dieses die eigene Bestimmung der hiermit endlichen Dinge ist, den Grund ihres Seins nicht in sich selbst, sondern in der allgemeinen göttlichen Idee zu haben. Diese Auffassung der Dinge ist dann gleichfalls als Idealismus, jedoch im Unterschied von jenem subjektiven Idealismus der kritischen Philosophie als absoluter Idealismus zu bezeichnen, welcher absolute Idealismus, obschon über das gemein realistische Bewußtsein hinausgehend, doch der Sache nach so wenig bloß als ein Eigentum der Philosophie zu betrachten ist, daß derselbe vielmehr die Grundlage alles religiösen Bewußtseins bildet, insofern nämlich auch dieses den Inbegriff alles dessen, was da ist, überhaupt die vorhandene Welt, als von Gott erschaffen und regiert betrachtet.
§ 46
Es tritt aber das Bedürfnis ein, diese Identität oder das leere Ding-an-sich zu erkennen. Erkennen heißt nun nichts anderes, als einen Gegenstand nach seinem bestimmten Inhalte zu wissen. Bestimmter Inhalt aber enthält mannigfaltigen Zusammenhang in ihm selbst und begründet Zusammenhang mit vielen anderen Gegenständen. Für diese Bestimmung jenes Unendlichen oder Dings-an-sich hätte diese Vernunft nichts als die Kategorien; indem sie diese dazu gebrauchen will, wird sie überfliegend (transzendent).
Hier tritt die zweite Seite der Vernunftkritik ein, und diese zweite ist für sich wichtiger als die erste. Die erste ist nämlich die oben vorgekommene Ansicht, daß die Kategorien in der Einheit des Selbstbewußtseins ihre Quelle haben; daß somit die Erkenntnis durch dieselbe in der Tat nichts Objektives enthalte und die ihnen zugeschriebene Objektivität (§ 40, 41) selbst nur etwas Subjektives sei. Wird nun hierauf gesehen, so ist die Kantische Kritik bloß ein subjektiver (platter) Idealismus, der sich nicht auf den Inhalt einläßt, nur die abstrakten Formen der Subjektivität vor sich hat, und zwar einseitigerweise bei der ersteren, der Subjektivität, als letzter schlechthin affirmativer Bestimmung stehenbleibt. Bei der Betrachtung aber der sogenannten Anwendung, welche die Vernunft von den Kategorien für die Erkenntnis ihrer Gegenstände mache, kommt der Inhalt der Kategorien wenigstens nach einigen Bestimmungen zur Sprache, oder wenigstens läge darin eine Veranlassung, wodurch er zur Sprache kommen könnte. Es hat ein besonderes Interesse zu sehen, wie Kant diese Anwendung der Kategorien auf das Unbedingte, d. h. die Metaphysik beurteilt; dies Verfahren soll hier mit wenigem angeführt und kritisiert werden.
§ 47
1. Das erste Unbedingte, welches betrachtet wird, ist (s. oben § 34) die Seele. - In meinem Bewußtsein finde Ich mich immer α) als das bestimmende Subjekt, β) als ein Singuläres oder Abstrakt-Einfaches, γ) als das in allem Mannigfaltigen desjenigen, dessen ich mir bewußt bin, Ein und Dasselbe, - als Identisches, δ) als ein mich als Denkendes von allen Dingen außer mir Unterscheidendes. Das Verfahren der vormaligen Metaphysik wird nun richtig angegeben, daß sie an die Stelle dieser empirischen Bestimmungen Denkbestimmungen, die entsprechenden Kategorien setze, wodurch diese vier Sätze entstehen, α) die Seele ist Substanz, β) sie ist einfache Substanz, γ) sie ist den verschiedenen Zeiten ihres Daseins nach numerisch-identisch, δ) sie steht im Verhältnisse zum Räumlichen. An diesem Übergange wird der Mangel bemerklich gemacht, daß zweierlei Bestimmungen miteinander verwechselt werden (Paralogismus), nämlich empirische Bestimmungen mit Kategorien, daß es etwas Unberechtigtes sei, aus jenen auf diese zu schließen, überhaupt an die Stelle der ersteren die anderen zu setzen. Man sieht, daß diese Kritik nichts anderes ausdrückt als die oben § 39 angeführte Humesche Bemerkung, daß die Denkbestimmungen überhaupt - Allgemeinheit und Notwendigkeit - nicht in der Wahrnehmung angetroffen werden, daß das Empirische seinem Inhalte wie seiner Form nach verschieden sei von der Gedankenbestimmung.
Wenn das Empirische die Beglaubigung des Gedankens ausmachen sollte, so wäre für diesen allerdings erforderlich, in Wahrnehmungen genau nachgewiesen werden zu können. - Daß von der Seele nicht die Substantialität, Einfachheit, Identität mit sich und die in der Gemeinschaft mit der materiellen Welt sich erhaltende Selbständigkeit behauptet werden könne, dies wird in der Kantischen Kritik der metaphysischen Psychologie allein darauf gestellt, daß die Bestimmungen, welche uns das Bewußtsein über die Seele erfahren läßt, nicht genau dieselben Bestimmungen sind, welche das Denken hierbei produziert. Nach der obigen Darstellung aber läßt auch Kant das Erkennen überhaupt, ja selbst das Erfahren darin bestehen, daß die Wahrnehmungen gedacht werden, d. h. die Bestimmungen, welche zunächst dem Wahrnehmen angehören, in Denkbestimmungen verwandelt werden. - Immer ist es für einen guten Erfolg der Kantischen Kritik zu achten, daß das Philosophieren über den Geist von dem Seelendinge, von den Kategorien und damit von den Fragen über die Einfachheit oder Zusammengesetztheit, Materialität usf. der Seele befreit worden ist. - Der wahrhafte Gesichtspunkt aber von der Unzulässigkeit solcher Formen wird selbst für den gewöhnlichen Menschenverstand doch nicht der sein, daß sie Gedanken sind, sondern vielmehr, daß solche Gedanken an und für sich nicht die Wahrheit enthalten. - Wenn Gedanke und Erscheinung einander nicht vollkommen entsprechen, so hat man zunächst die Wahl, das eine oder das andere für das Mangelhafte anzusehen. In dem Kantischen Idealismus, sofern er das Vernünftige betrifft, wird der Mangel auf die Gedanken geschoben, so daß diese darum unzulänglich seien, weil sie nicht dem Wahrgenommenen und einem auf den Umfang des Wahrnehmens sich beschränkenden Bewußtsein adäquat, die Gedanken nicht als in solchem angetroffen werden. Der Inhalt des Gedankens für sich selbst kommt hier nicht zur Sprache.
Zusatz. Paralogismen sind überhaupt fehlerhafte Schlüsse, deren Fehler näher darin besteht, daß man in den beiden Prämissen ein und dasselbe Wort in verschiedenem Sinn anwendet. Auf solchen Paralogismen soll nach Kant das Verfahren der alten Metaphysik in der rationellen Psychologie beruhen, insofern nämlich hier bloß empirische Bestimmungen der Seele als derselben an und für sich zukommend betrachtet werden. - Es ist übrigens ganz richtig, daß dergleichen Prädikate wie Einfachheit, Unveränderlichkeit usw. der Seele nicht beizulegen sind, jedoch nicht aus dem von Kant dafür angegebenen Grunde, weil die Vernunft dadurch die ihr angewiesene Grenze überschreiten würde, sondern darum, weil dergleichen abstrakte Verstandesbestimmungen für die Seele zu schlecht sind und dieselbe noch etwas ganz anderes ist als das bloß Einfache, Unveränderliche usw. So ist z. B. die Seele allerdings einfache Identität mit sich, aber zugleich ist dieselbe, als tätig, sich in sich selbst unterscheidend, wohingegen das nur, d. h das abstrakt Einfache eben als solches zugleich das Tote ist. - Daß Kant durch seine Polemik gegen die alte Metaphysik jene Prädikate von der Seele und vom Geist entfernt hat, ist als ein großes Resultat zu betrachten, aber das "Warum" ist bei ihm ganz verfehlt.
§ 48
2. Bei dem Versuche der Vernunft, das Unbedingte des zweiten Gegenstandes (§ 35), der Welt, zu erkennen, gerät sie in Antinomien, d. h. in die Behauptung zweier entgegengesetzter Sätze über denselben Gegenstand, und zwar so, daß jeder dieser Sätze mit gleicher Notwendigkeit behauptet werden muß. Hieraus ergibt sich, daß der weltliche Inhalt, dessen Bestimmungen in solchen Widerspruch geraten, nicht an sich, sondern nur Erscheinung sein könne. Die Auflösung ist, daß der Widerspruch nicht in den Gegenstand an und für sich fällt, sondern allein der erkennenden Vernunft zukommt.
Hier kommt es zur Sprache, daß der Inhalt selbst, nämlich die Kategorien für sich es sind, welche den Widerspruch herbeiführen. Dieser Gedanke, daß der Widerspruch, der am Vernünftigen durch die Verstandesbestimmungen gesetzt wird, wesentlich und notwendig ist, ist für einen der wichtigsten und tiefsten Fortschritte der Philosophie neuerer Zeit zu achten. So tief dieser Gesichtspunkt ist, so trivial ist die Auflösung; sie besteht nur in einer Zärtlichkeit für die weltlichen Dinge. Das weltliche Wesen soll es nicht sein, welches den Makel des Widerspruchs an ihm habe, sondern derselbe nur der denkenden Vernunft, dem Wesen des Geistes zukommen. Man wird wohl dawider nichts haben, daß die erscheinende Welt dem betrachtenden Geiste Widersprüche zeige, - erscheinende Welt ist sie, wie sie für den subjektiven Geist, für Sinnlichkeit und Verstand ist. Aber wenn nun das weltliche Wesen mit dem geistigen Wesen verglichen wird, so kann man sich wundern, mit welcher Unbefangenheit die demütige Behauptung aufgestellt und nachgesprochen worden, daß nicht das weltliche Wesen, sondern das denkende Wesen, die Vernunft, das in sich widersprechende sei. Es hilft nichts, daß die Wendung gebraucht wird, die Vernunft gerate nur durch die Anwendung der Kategorien in den Widerspruch. Denn es wird dabei behauptet, dieses Anwenden sei notwendig und die Vernunft habe für das Erkennen keine anderen Bestimmungen als die Kategorien. Erkennen ist in der Tat bestimmendes und bestimmtes Denken; ist die Vernunft nur leeres, unbestimmtes Denken, so denkt sie nichts. Wird aber am Ende die Vernunft auf jene leere Identität reduziert (s. im folg. §), so wird auch sie am Ende glücklich noch von dem Widerspruche befreit durch die leichte Aufopferung alles Inhaltes und Gehaltes. Es kann ferner bemerkt werden, daß die Ermangelung einer tieferen Betrachtung der Antinomie zunächst noch veranlaßte, daß Kant nur vier Antinomien aufführt. Er kam auf diese, indem er wie bei den sogenannten Paralogismen die Kategorientafel voraussetzte, wobei er die späterhin so beliebt gewordene Manier anwendete, statt die Bestimmungen eines Gegenstandes aus dem Begriffe abzuleiten, denselben bloß unter ein sonst fertiges Schema zu setzen. Das weitere Bedürftige in der Ausführung der Antinomien habe ich gelegentlich in meiner Wissenschaft der Logik aufgezeigt. Die Hauptsache, die zu bemerken ist, ist, daß nicht nur in den vier besonderen, aus der Kosmologie genommenen Gegenständen die Antinomie sich befindet, sondern vielmehr in allen Gegenständen aller Gattungen, in allen Vorstellungen, Begriffen und Ideen. Dies zu wissen und die Gegenstände in dieser Eigenschaft zu erkennen, gehört zum Wesentlichen der philosophisch Betrachtung; diese Eigenschaft macht das aus, was weiterhin sich als das dialektische Moment des Logischen bestimmt.
Zusatz. Auf dem Standpunkt der alten Metaphysik wurde angenommen, daß, wenn das Erkennen in Widersprüche gerate, so sei dieses nur eine zufällige Verirrung und beruhe auf einem subjektiven Fehler im Schließen und Räsonieren. Nach Kant hingegen liegt es in der Natur des Denkens selbst, in Widersprüche (Antinomien) zu verfallen, wenn dasselbe das Unendliche erkennen will. Ob nun schon, wie in der Anmerkung zum obigen § erwähnt worden, das Aufzeigen der Antinomien insofern als eine sehr wichtige Förderung der philosophischen Erkenntnis zu betrachten ist, als dadurch der starre Dogmatismus der Verstandesmetaphysik beseitigt und auf die dialektische Bewegung des Denkens hingewiesen worden ist, so muß doch dabei zugleich bemerkt werden, daß Kant auch hier bei dem bloß negativen Resultat der Nichterkennbarkeit des Ansich der Dinge stehengeblieben und nicht zur Erkenntnis der wahren und positiven Bedeutung der Antinomien hindurchgedrungen ist. Die wahre und positive Bedeutung der Antinomien besteht nun überhaupt darin, daß alles Wirkliche entgegengesetzte Bestimmungen in sich enthält und daß somit das Erkennen und näher das Begreifen eines Gegenstandes eben nur soviel heißt, sich dessen als einer konkreten Einheit entgegengesetzter Bestimmungen bewußt zu werden. Während nun, wie früher gezeigt wurde, die alte Metaphysik bei Betrachtung der Gegenstände, um deren metaphysische Erkenntnis es zu tun war, so zu Werke ging, daß abstrakte Verstandesbestimmungen mit Ausschluß der denselben entgegengesetzten zur Anwendung gebracht werden, so hat Kant dagegen nachzuweisen gesucht, wie den auf solche Weise sich ergebenden Behauptungen immer mit gleicher Berechtigung und gleicher Notwendigkeit andere Behauptungen des entgegengesetzten Inhalts gegenüberzustellen sind. Kant hat sich beim Aufzeigen dieser Antinomien auf die Kosmologie der alten Metaphysik beschränkt und bei seiner Polemik gegen dieselbe unter Zugrundelegung des Schemas der Kategorien vier Antinomien herausgebracht. Die erste betrifft die Frage, ob die Welt als nach Raum und Zeit begrenzt zu denken sei oder nicht. Bei der zweiten Antinomie handelt es sich um das Dilemma, ob die Materie als ins Unendliche teilbar oder aber als aus Atomen bestehend zu betrachten sei. Die dritte Antinomie bezieht sich auf den Gegensatz der Freiheit und Notwendigkeit, insofern nämlich, als die Frage aufgeworfen wird, ob in der Welt alles als durch den Kausalnexus bedingt angesehen werden müsse oder ob auch freie Wesen, d. h. absolute Anfangspunkte der Aktion in der Welt anzunehmen seien. Hierzu kommt dann endlich noch als vierte Antinomie das Dilemma, ob die Welt überhaupt eine Ursache habe oder nicht. - Das Verfahren, welches Kant bei seiner Erörterung über diese Antinomien beobachtet, ist nun zunächst dieses, daß er die darin enthaltenen entgegengesetzten Bestimmungen als Thesis und Antithesis einander gegenüberstellt und beide zu beweisen, d. h. als notwendige Ergebnisse des Nachdenkens darüber darzustellen sucht, wobei er sich ausdrücklich dagegen verwahrt, als habe er Blendwerke gesucht, um etwa einen Advokatenbeweis zu führen. Nun aber sind in der Tat die Beweise, welche Kant für seine Thesen und Antithesen beibringt, als bloße Scheinbeweise zu betrachten, da dasjenige, was bewiesen werden soll, immer schon in den Voraussetzungen enthalten ist, von denen ausgegangen wird, und nur durch das weitschweifige, apagogische Verfahren der Schein einer Vermittlung hervorgebracht wird. Gleichwohl bleibt die Aufstellung dieser Antinomien insofern immer ein sehr wichtiges und anerkennenswertes Resultat der kritischen Philosophie, als dadurch (wenn auch zunächst nur subjektiv und unmittelbar) die tatsächliche Einheit jener Bestimmungen ausgesprochen ist, welche vom Verstand in ihrer Trennung festgehalten werden. So ist z. B. in der ersten der vorher erwähnten kosmologischen Antinomien dies enthalten, daß der Raum und die Zeit nicht nur als kontinuierlich, sondern auch als diskret zu betrachten sind, wohingegen in der alten Metaphysik bei der bloßen Kontinuität stehengeblieben und demgemäß die Welt als dem Raum und der Zeit nach unbegrenzt betrachtet wurde. Es ist ganz richtig, daß über jeden bestimmten Raum und ebenso über jede bestimmte Zeit hinausgegangen werden; allein es ist nicht minder richtig, daß Raum und Zeit nur durch ihre Bestimmtheit (d. h. als hier und jetzt) wirklich sind und daß diese Bestimmtheit in ihrem Begriff liegt. Dasselbe gilt dann auch von den übrigen vorher angeführten Antinomien, so z. B. von der Antinomie der Freiheit und Notwendigkeit, mit welcher es sich, näher betrachtet, so verhält, daß dasjenige, was der Verstand unter Freiheit und Notwendigkeit versteht, in der Tat nur ideelle Momente der wahren Freiheit und der wahren Notwendigkeit sind und daß diesen beiden in ihrer Trennung keine Wahrheit zukommt.
§ 49
γ) Der dritte Vernunftgegenstand ist Gott (§ 36), welcher erkannt, d. i. denkend bestimmt werden soll. Für den Verstand ist nun gegen die einfache Identität alle Bestimmung nur eine Schranke, eine Negation als solche; somit ist alle Realität nur schrankenlos, d. i. unbestimmt zu nehmen, und Gott wird als Inbegriff aller Realitäten oder als das allerrealste Wesen zum einfachen Abstraktum, und für die Bestimmung bleibt nur die ebenso schlechthin abstrakte Bestimmtheit, das Sein, übrig. Abstrakte Identität, welche auch hier der Begriff genannt wird, und Sein sind die zwei Momente, deren Vereinigung es ist, die von der Vernunft gesucht wird; sie ist das Ideal der Vernunft.
§ 50
Diese Vereinigung läßt zwei Wege oder Formen zu; es kann nämlich von dem Sein angefangen und von da zum Abstraktum des Denkens übergegangen, oder umgekehrt kann der Übergang vom Abstraktum aus zum Sein bewerkstelligt werden. Was jenen Anfang mit dem Sein betrifft, so stellt sich das Sein, als das Unmittelbare, dar als ein unendlich vielfach bestimmtes Sein, eine erfüllte Welt. Diese kann näher bestimmt werden als eine Sammlung von unendlich viel Zufälligkeiten überhaupt (im kosmologischen Beweise) oder als eine Sammlung von unendlich vielen Zwecken und zweckmäßigen Verhältnissen (im physikotheologischen Beweise). - Dieses erfüllte Sein denken heißt, ihm die Form von Einzelheiten und Zufälligkeiten abstreifen und es als ein allgemeines, an und für sich notwendiges und nach allgemeinen Zwecken sich bestimmendes und tätiges Sein, welches von jenem ersten verschieden ist, fassen, - als Gott. - Der Hauptsinn der Kritik dieses Ganges ist, daß derselbe ein Schließen, ein Übergang ist. Indem nämlich die Wahrnehmungen und deren Aggregat, die Welt, an ihnen als solchen nicht die Allgemeinheit zeigen, zu welcher das Denken jenen Inhalt reinigt, so werde hiermit diese Allgemeinheit nicht durch jene empirische Weltvorstellung berechtigt. Dem Aufsteigen des Gedankens von der empirischen Weltvorstellung zu Gott wird somit der Humesche Standpunkt entgegengesetzt (wie bei den Paralogismen, s. § 47) - der Standpunkt, der es für unzulässig erklärt, die Wahrnehmungen zu denken, d. i. das Allgemeine und Notwendige aus denselben herauszuheben.
Weil der Mensch denkend ist, wird es ebensowenig der gesunde Menschenverstand als die Philosophie sich je nehmen lassen, von und aus der empirischen Weltanschauung sich zu Gott zu erheben. Dieses Erheben hat nichts anderes zu seiner Grundlage als die denkende, nicht bloß sinnliche, tierische Betrachtung der Welt. Für das Denken und nur für das Denken ist das Wesen, die Substanz die allgemeine Macht und Zweckbestimmung der Welt. Die sogenannten Beweise vom Dasein Gottes sind nur als die Beschreibungen und Analysen des Ganges des Geistes in sich anzusehen, der ein denkender ist und das Sinnliche denkt. Das Erheben des Denkens über das Sinnliche, das Hinausgehen desselben über das Endliche zum Unendlichen, der Sprung, der mit Abbrechung der Reihen des Sinnlichen ins Übersinnliche gemacht werde, alles dieses ist das Denken selbst, dies Übergehen ist nur Denken. Wenn solcher Übergang nicht gemacht werden soll, so heißt dies, es soll nicht gedacht werden. In der Tat machen die Tiere solchen Übergang nicht, sie bleiben bei der sinnlichen Empfindung und Anschauung stehen; sie haben deswegen keine Religion. Es ist sowohl überhaupt als insbesondere über die Kritik dieses Erhebens des Denkens zweierlei zu bemerken. Erstens, wenn dasselbe in die Form von Schlüssen (sogenannten Beweisen vom Dasein Gottes) gebracht ist, so ist der Ausgangspunkt allerdings die Weltanschauung, auf irgendeine Weise als ein Aggregat von Zufälligkeiten oder von Zwecken und zweckmäßigen Beziehungen bestimmt. Dieser Ausgangspunkt kann scheinen, im Denken, insofern es Schlüsse macht, als feste Grundlage und ganz so empirisch, wie dieser Stoff zunächst ist, zu bleiben und belassen zu werden. Die Beziehung des Ausgangspunktes auf den Endpunkt, zu welchem fortgegangen wird, wird so als nur affirmativ vorgestellt als ein Schließen von einem, das sei und bleibe, auf ein anderes, das ebenso auch sei. Allein es ist der große Irrtum, die Natur des Denkens nur in dieser Verstandesform erkennen zu wollen. Die empirische Welt denken heißt vielmehr wesentlich, ihre empirische Form umändern und in ein Allgemeines verwandeln; das Denken übt zugleich eine negative Tätigkeit auf jene Grundlage aus; der wahrgenommene Stoff, wenn er durch Allgemeinheit bestimmt wird, bleibt nicht in seiner ersten empirischen Gestalt. Es wird der innere Gehalt des Wahrgenommenen mit Entfernung und Negation der Schale herausgehoben (vgl. § 13 u. 23). Die metaphysischen Beweise vom Dasein Gottes sind darum mangelhafte Auslegungen und Beschreibungen der Erhebung des Geistes von der Welt zu Gott, weil sie das Moment der Negation, welches in dieser Erhebung enthalten ist, nicht ausdrücken oder vielmehr nicht herausheben, denn darin, daß die Welt zufällig ist, liegt es selbst, daß sie nur ein Fallendes, Erscheinendes, und für sich Nichtiges ist. Der Sinn der Erhebung des Geistes ist, daß der Welt zwar Sein zukomme, das aber nur Schein ist, nicht das wahrhafte Sein, nicht absolute Wahrheit, daß diese vielmehr jenseits jener Erscheinung nur in Gott ist, Gott nur das wahrhafte Sein ist. Indem diese Erhebung Übergang und Vermittlung ist, so ist sie ebensosehr Aufheben des Überganges und der Vermittlung, denn das, wodurch Gott vermittelt scheinen könnte, die Welt, wird vielmehr für das Nichtige erklärt; nur die Nichtigkeit des Seins der Welt ist das Band der Erhebung, so daß das, was als das Vermittelnde ist, verschwindet und damit in dieser Vermittlung selbst die Vermittlung aufgehoben wird. - Es ist vornehmlich jenes nur als affirmativ gefaßte Verhältnis als Verhältnis zwischen zwei Seienden, an das sich Jacobi hält, indem er das Beweisen des Verstandes bekämpft; er macht demselben den gerechten Vorwurf, daß damit Bedingungen (die Welt) für das Unbedingte aufgesucht werden, daß das Unendliche (Gott) auf solche Weise als begründet und abhängig vorgestellt werde. Allein jene Erhebung, wie sie im Geiste ist, korrigiert selbst diesen Schein; ihr ganzer Gehalt vielmehr ist die Korrektion dieses Scheins. Aber diese wahrhafte Natur des wesentlichen Denkens, in der Vermittlung die Vermittlung selbst aufzuheben, hat Jacobi nicht erkannt und daher fälschlich den richtigen Vorwurf, den er dem nur reflektierenden Verstande macht, für einen das Denken überhaupt, damit auch das vernünftige Denken treffenden Vorwurf gehalten. Zur Erläuterung von dem Übersehen des negativen Moments kann beispielsweise der Vorwurf angeführt werden, der dem Spinozismus gemacht wird, daß er Pantheismus und Atheismus sei. Die absolute Substanz Spinozas ist freilich noch nicht der absolute Geist, und es wird mit Recht gefordert, daß Gott als absoluter Geist bestimmt werden müsse. Wenn aber Spinozas Bestimmung so vorgestellt wird, daß er Gott mit der Natur, mit der endlichen Welt vermische und die Welt zu Gott mache, so wird dabei vorausgesetzt, daß die endliche Welt wahrhafte Wirklichkeit, affirmative Realität besitze. Mit dieser Voraussetzung wird freilich mit einer Einheit Gottes und der Welt Gott schlechthin verendlicht und zur bloßen endlichen, äußerlichen Mannigfaltigkeit der Existenz herabgesetzt. Abgesehen davon, daß Spinoza Gott nicht definiert, daß er die Einheit Gottes und der Welt, sondern daß er die Einheit des Denkens und der Ausdehnung (der materiellen Welt) sei, so liegt es schon in dieser Einheit, selbst auch wenn sie auf jene erste, ganz ungeschickte Weise genommen wird, daß in dem Spinozischen Systeme vielmehr die Welt nur als ein Phänomen, dem nicht wirkliche Realität zukomme, bestimmt wird, so daß dieses System vielmehr als Akosmismus anzusehen ist. Eine Philosophie, welche behauptet, daß Gott und nur Gott ist, dürfte wenigstens nicht für Atheismus ausgegeben werden. Schreibt man doch den Völkern, welche den Affen, die Kuh, steinerne, eherne Statuen usf. als Gott verehren, noch Religion zu. Aber im Sinne der Vorstellung geht es noch viel mehr gegen den Mann, ihre eigene Voraussetzung aufzugeben, daß dies ihr Aggregat von Endlichkeit, welche Welt genannt wird, wirkliche Realität habe. Daß es, wie sie sich etwa ausdrücken könnte, keine Welt gebe, so etwas anzunehmen hält man leicht für ganz unmöglich oder wenigstens für viel weniger möglich, als daß es einem in den Kopf kommen könne, daß es keinen Gott gebe. Man glaubt, und dies eben nicht zur eigenen Ehre, viel leichter, daß ein System Gott leugne, als daß es die Welt leugne; man findet viel begreiflicher, daß Gott geleugnet werde, als daß die Welt geleugnet werde. Die zweite Bemerkung betrifft die Kritik des Gehalts, den jene denkende Erhebung zunächst gewinnt. Dieser Gehalt, wenn er nur in den Bestimmungen der Substanz der Welt, des notwendigen Wesens derselben, einer zweckmäßig einrichtenden und dirigierenden Ursache usf. besteht, ist freilich dem nicht angemessen, was unter Gott verstanden wird oder verstanden werden soll. Allein abgesehen von der Manier, eine Vorstellung von Gott vorauszusetzen und nach solcher Voraussetzung ein Resultat zu beurteilen, so haben jene Bestimmungen schon großen Wert und sind notwendige Momente in der Idee Gottes. Um in diesem Wege den Gehalt in seiner wahrhaften Bestimmung, die wahrhafte Idee Gottes vor das Denken zu bringen, dafür muß freilich der Ausgangspunkt nicht von untergeordnetem Inhalte aus genommen werden. Die bloß zufälligen Dinge der Welt sind eine sehr abstrakte Bestimmung. Die organischen Gebilde und deren Zweckbestimmungen gehören dem höheren Kreise, dem Leben, an. Allein außerdem, daß die Betrachtung der lebendigen Natur und der sonstigen Beziehung der vorhandenen Dinge auf Zwecke durch Geringfügigkeit von Zwecken, ja durch selbst kindische Anführungen von Zwecken und deren Beziehungen verunreinigt werden kann, so ist die nur lebendige Natur selbst in der Tat noch nicht dasjenige, woraus die wahrhafte Bestimmung der Idee Gottes gefaßt werden kann; Gott ist mehr als lebendig, er ist Geist. Die geistige Natur ist allein der würdigste und wahrhafteste Ausgangspunkt für das Denken des Absoluten, insofern das Denken sich einen Ausgangspunkt nimmt und den nächsten nehmen will.
§ 51
Der andere Weg der Vereinigung, durch die das Ideal zustande kommen soll, geht vom Abstraktum des Denkens aus fort zur Bestimmung, für die nur das Sein übrigbleibt; - ontologischer Beweis vom Dasein Gottes. Der Gegensatz der hier vorkommt, ist der des Denkens und Seins, da im ersten Wege das Sein den beiden Seiten gemeinschaftlich ist und der Gegensatz nur den Unterschied von dem Vereinzelten und Allgemeinen betrifft. Was der Verstand diesem anderen Wege entgegenstellt, ist an sich dasselbe, was soeben angeführt worden, daß nämlich, wie in dem Empirischen sich das Allgemeine nicht vorfinde, so sei ebenso umgekehrt im Allgemeinen das Bestimmte nicht enthalten, und das Bestimmte ist hier das Sein. Oder das Sein könne nicht aus dem Begriffe abgeleitet und herausanalysiert werden.
Die Kantische Kritik des ontologischen Beweises hat ohne Zweifel auch dadurch eine so unbedingt günstige Auf- und Annahme gefunden, daß Kant zur Verdeutlichung, welch ein Unterschied sei zwischen Denken und Sein, das Beispiel von den hundert Talern gebraucht hat, die dem Begriffe nach gleich hundert seien, ob sie nur möglich oder wirklich seien; aber für meinen Vermögenszustand mache dies einen wesentlichen Unterschied aus. - Nichts kann so einleuchtend sein, als daß dergleichen, was ich mir denke oder vorstelle, darum noch nicht wirklich ist, - der Gedanke, daß Vorstellen oder auch der Begriff zum Sein nicht hinreicht. - Abgesehen davon, daß es nicht mit Unrecht eine Barbarei genannt werden könnte, dergleichen wie hundert Taler einen Begriff zu nennen, so sollten doch wohl zunächst diejenigen, die immer und immer gegen die philosophische Idee wiederholen, daß Denken und Sein verschieden seien, endlich voraussetzen, den Philosophen sei dies gleichfalls nicht unbekannt; was kann es in der Tat für eine trivialere Kenntnis geben? Alsdann aber müßte bedacht werden, daß, wenn von Gott die Rede ist, dies ein Gegenstand anderer Art sei als hundert Taler und irgendein besonderer Begriff, Vorstellung oder wie es Namen haben wolle. In der Tat ist alles Endliche dies und nur dies, daß das Dasein desselben von seinem Begriffe verschieden ist. Gott aber soll ausdrücklich das sein, das nur "als existierend gedacht" werden kann, wo der Begriff das Sein in sich schließt. Diese Einheit des Begriffs und des Seins ist es, die den Begriff Gottes ausmacht. - Es ist dies freilich noch eine formale Bestimmung von Gott, die deswegen in der Tat nur die Natur des Begriffes selbst enthält. Daß aber dieser schon in seinem ganz abstrakten Sinne das Sein in sich schließe, ist leicht einzusehen. Denn der Begriff, wie er sonst bestimmt werde, ist wenigstens die durch Aufhebung der Vermittlung hervorgehende, somit selbst unmittelbare Beziehung auf sich selbst; das Sein ist aber nichts anderes als dieses. - Es müßte, kann man wohl sagen, sonderbar zugehen, wenn dies Innerste des Geistes, der Begriff, oder auch wenn Ich oder vollends die konkrete Totalität, welche Gott ist, nicht einmal so reich wäre, um eine so arme Bestimmung, wie Sein ist, ja welche die allerärmste, die abstrakteste ist, in sich zu enthalten. Es kann für den Gedanken dem Gehalte nach nichts Geringeres geben als Sein. Nur dies mag noch geringer sein, was man sich etwa beim Sein zunächst vorstellt, nämlich eine äußerliche, sinnliche Existenz wie die des Papiers, das ich hier vor mir habe; von einer sinnlichen Existenz eines beschränkten, vergänglichen Dinges aber wird man ohnehin nicht sprechen wollen. - Übrigens vermag die triviale Bemerkung der Kritik, daß der Gedanke und das Sein verschieden seien, dem Menschen etwa den Gang seines Geistes vom Gedanken Gottes aus zu der Gewißheit, daß er ist, höchstens zu stören, aber nicht zu benehmen. Dieser Übergang, die absolute Unzertrennlichkeit des Gedankens Gottes von seinem Sein ist es auch, was in der Ansicht des unmittelbaren Wissens oder Glaubens in sein Recht wieder hergestellt worden ist, wovon nachher.
§ 52
Dem Denken bleibt auf diese Weise auf seiner höchsten Spitze die Bestimmtheit etwas Äußerliches; es bleibt nur schlechthin abstraktes Denken, welches hier immer Vernunft heißt. Diese, ist hiermit das Resultat, liefert nichts als die formelle Einheit zur Vereinfachung und Systematisierung der Erfahrungen, ist ein Kanon, nicht ein Organon der Wahrheit, vermag nicht eine Doktrin des Unendlichen, sondern nur eine Kritik der Erkenntnis zu liefern. Diese Kritik besteht in ihrer letzten Analyse in der Versicherung, daß das Denken in sich nur die unbestimmte Einheit und die Tätigkeit dieser unbestimmten Einheit sei.
Zusatz. Kant hat zwar die Vernunft als das Vermögen des Unbedingten aufgefaßt; wenn dieselbe indes bloß auf die abstrakte Identität reduziert wird, so liegt darin zugleich das Verzichten auf ihre Unbedingtheit, und die Vernunft ist dann in der Tat nichts anderes als leerer Verstand. Unbedingt ist die Vernunft nur dadurch, daß dieselbe nicht von außen durch einen ihr fremden Inhalt bestimmt wird, sondern vielmehr sich selbst bestimmt und hiermit in ihrem Inhalt bei sich selbst ist. Nun aber besteht nach Kant die Tätigkeit der Vernunft ausdrücklich nur darin, den durch die Wahrnehmung gelieferten Stoff durch Anwendung der Kategorien zu systematisieren, d. h. in eine äußerliche Ordnung zu bringen, und ihr Prinzip ist dabei bloß das der Widerspruchslosigkeit.
§ 53
b) Die praktische Vernunft wird als der sich selbst und zwar auf allgemeine Weise bestimmende, d. i. denkende Wille gefaßt. Sie soll imperative, objektive Gesetze der Freiheit geben, d. i. solche, welche sagen, was geschehen soll. Die Berechtigung, hier das Denken als objektiv bestimmende Tätigkeit (d. i. in der Tat eine Vernunft) anzunehmen, wird darein gesetzt, daß die praktische Freiheit durch Erfahrung bewiesen, d. i. in der Erscheinung des Selbstbewußtsein nachgewiesen werden könne. Gegen diese Erfahrung im Bewußtsein rekurriert alles, was der Determinismus ebenso aus der Erfahrung dagegen vorbringt, insbesondere die skeptische (auch Humesche) Induktion von der unendlichen Verschiedenheit desjenigen, was für Recht und Pflicht unter den Menschen gilt, d. i. der objektiv sein sollenden Gesetze der Freiheit.
§ 54
Für das, was das praktische Denken sich zum Gesetz mache, für das Kriterium des Bestimmens seiner in sich selbst, ist wieder nichts anderes vorhanden als dieselbe abstrakte Identität des Verstandes, daß kein Widerspruch in dem Bestimmen stattfinde; - die praktische Vernunft kommt damit über den Formalismus nicht hinaus, welcher das Letzte der theoretischen Vernunft sein soll. Aber diese praktische Vernunft setzt die allgemeine Bestimmung, das Gute, nicht nur in sich, sondern ist erst eigentlicher praktisch in der Forderung, daß das Gute weltliches Dasein, äußerliche Objektivität habe, d. i. daß der Gedanke nicht bloß subjektiv, sondern objektiv überhaupt sei. Von diesem Postulate der praktischen Vernunft nachher.
Zusatz. Was Kant der theoretischen Vernunft abgesprochen - die freie Selbstbestimmung -, das hat derselbe der praktischen Vernunft ausdrücklich vindiziert. Es ist vornehmlich diese Seite der Kantischen Philosophie, welche derselben große Gunst erworben hat, und zwar mit vollem Recht. Um das Verdienst, welches Kant in dieser Hinsicht gebührt, zu würdigen, hat man sich zunächst diejenige Gestalt der praktischen Philosophie und näher der Moralphilosophie, welche derselbe als herrschend vorfand, zu vergegenwärtigen. Es war dies überhaupt das System des Eudämonismus, von welchem auf die Frage nach der Bestimmung des Menschen die Antwort erteilt wurde, daß derselbe sich seine Glückseligkeit zum Ziel zu setzen habe. Indem nun unter der Glückseligkeit die Befriedigung des Menschen in seinen besonderen Neigungen, Wünschen, Bedürfnissen usw. verstanden wurde, so war hiermit das Zufällige und Partikuläre zum Prinzip des Willens und seiner Betätigung gemacht. Diesem alles festen Halts in sich entbehrenden und aller Willkür und Laune Tür und Tor öffnenden Eudämonismus hat dann Kant die praktische Vernunft entgegengestellt und damit die Forderung einer allgemeinen und für alle gleich verbindlichen Bestimmung des Willens ausgesprochen. Während, wie in den vorhergehenden §§ bemerkt worden, die theoretische Vernunft nach Kant bloß das negative Vermögen des Unendlichen und, ohne eigenen positiven Inhalt, darauf beschränkt sein soll, das Endliche der Erfahrungserkenntnis einzusehen, so hat derselbe dagegen die positive Unendlichkeit der praktischen Vernunft ausdrücklich anerkannt, und zwar in der Art, daß er dem Willen das Vermögen zuschreibt, auf allgemeine Weise, d. h. denkend, sich selbst zu bestimmen. Dies Vermögen besitzt nun zwar der Wille allerdings, und es ist von hoher Wichtigkeit zu wissen, daß der Mensch nur insofern frei ist, als er dasselbe besitzt und in seinem Handeln sich desselben bedient; allein es ist mit diesem Anerkenntnis die Frage nach dem Inhalt des Willens oder der praktischen Vernunft noch nicht beantwortet. Wenn dann gesagt wird, der Mensch solle das Gute zum Inhalt seines Willens machen, so rekurriert sofort die Frage nach dem Inhalt, d. h. nach der Bestimmtheit dieses Inhalts, und mit dem bloßen Prinzip der Übereinstimmung des Willens mit sich selbst sowie mit der Forderung, die Pflicht um der Pflicht willen zu tun kommt man nicht von der Stelle.
§ 55
c) Der reflektierenden Urteilskraft wird das Prinzip eines anschauenden Verstandes zugeschrieben, d. i. worin das Besondere, welches für das Allgemeine (die abstrakte Identität) zufällig sei und davon nicht abgeleitet werden könne, durch dies Allgemeine selbst bestimmt werde, - was in den Produkten der Kunst und der organischen Natur erfahren werde.
Die Kritik der Urteilskraft hat das Ausgezeichnete, daß Kant in ihr die Vorstellung, ja den Gedanken der Idee ausgesprochen hat. Die Vorstellung eines intuitiven Verstandes, innerer Zweckmäßigkeit usf. ist das Allgemeine zugleich als an ihm selbst konkret gedacht. In diesen Vorstellungen allein zeigt daher die Kantische Philosophie sich spekulativ. Viele, namentlich Schiller, haben an der Idee des Kunstschönen, der konkreten Einheit des Gedankens und der sinnlichen Vorstellung, den Ausweg aus den Abstraktionen des trennenden Verstandes gefunden, - andere an der Anschauung und dem Bewußtsein der Lebendigkeit überhaupt, es sei natürlicher oder intellektueller Lebendigkeit. - Das Kunstprodukt wie die lebendige Individualität sind zwar beschränkt in ihrem Inhalte; aber die auch dem Inhalte nach umfassende Idee stellt Kant in der postulierten Harmonie der Natur oder Notwendigkeit mit dem Zwecke der Freiheit, in dem als realisiert gedachten Endzwecke der Welt auf. Aber die Faulheit des Gedankens, wie es genannt werden kann, hat bei dieser höchsten Idee an dem Sollen einen zu leichten Ausweg, gegen die wirkliche Realisierung des Endzwecks an dem Geschiedensein des Begriffs und der Realität fest- zuhalten. Die Gegenwart hingegen der lebendigen Organisationen und des Kunstschönen zeigt auch für den Sinn und die Anschauung schon die Wirklichkeit des Ideals. Die Kantischen Reflexionen über diese Gegenstände wären daher besonders geeignet, das Bewußtsein in das Fassen und Denken der konkreten Idee einzuführen.
§ 56
Hier ist der Gedanke eines anderen Verhältnisses vom Allgemeinen des Verstandes zum Besonderen der Anschauung aufgestellt, als in der Lehre von der theoretischen und praktischen Vernunft zugrunde liegt. Es verknüpft sich damit aber nicht die Einsicht, daß jenes das wahrhafte, ja die Wahrheit selbst ist. Vielmehr wird diese Einheit nur aufgenommen, wie sie in endlichen Erscheinungen zur Existenz kommt, und wird in der Erfahrung aufgezeigt. Solche Erfahrung zunächst im Subjekte gewährt teils das Genie, das Vermögen, ästhetische Ideen zu produzieren, d. i. Vorstellungen der freien Einbildungskraft, die einer Idee dienen und zu denken geben, ohne daß solcher Inhalt in einem Begriffe ausgedrückt wäre oder sich darin ausdrücken ließe, - teils das Geschmacksurteil, das Gefühl der Zusammenstimmung der Anschauungen oder Vorstellungen in ihrer Freiheit zum Verstande in seiner Gesetzmäßigkeit.
§ 57
Das Prinzip der reflektierenden Urteilskraft ferner für die lebendigen Naturprodukte wird als der Zweck bestimmt, der tätige Begriff, das in sich bestimmte und bestimmende Allgemeine. Zugleich wird die Vorstellung der äußerlichen oder endlichen Zweckmäßigkeit entfernt, in welcher der Zweck für das Mittel und das Material, worin er sich realisiert, nur äußerliche Form ist. Wohingegen im Lebendigen der Zweck in der Materie immanente Bestimmung und Tätigkeit ist und alle Glieder ebenso sich gegenseitig Mittel als Zweck sind.
§ 58
Wenn nun gleich in solcher Idee das Verstandesverhältnis von Zweck und Mittel, von Subjektivität und Objektivität aufgehoben ist, so wird nun doch wieder im Widerspruch hiermit der Zweck für eine Ursache erklärt, welche nur als Vorstellung, d. h. als ein Subjektives existiere und tätig sei, - hiermit denn auch die Zweckbestimmung nur für ein unserem Verstande angehöriges Prinzip der Beurteilung erklärt.
Nachdem es einmal Resultat der kritischen Philosophie ist, daß die Vernunft nur Erscheinungen erkennen könne, so hätte man doch wenigstens für die lebendige Natur eine Wahl zwischen zwei gleich subjektiven Denkweisen und nach der Kantischen Darstellung selbst eine Verbindlichkeit, die Naturprodukte nicht bloß nach den Kategorien von Qualität, Ursache und Wirkung, Zusammensetzung, Bestandteilen usf. zu erkennen. Das Prinzip der inneren Zweckmäßigkeit, in wissenschaftlicher Anwendung festgehalten und entwickelt, würde eine ganz andere, höhere Betrachtungsweise derselben herbeigeführt haben.
§ 59
Die Idee nach diesem Prinzip in ihrer ganzen Unbeschränktheit wäre, daß die von der Vernunft bestimmte Allgemeinheit, der absolute Endzweck, das Gute, in der Welt verwirklicht würde, und zwar durch ein Drittes, die diesen Endzweck selbst setzende und ihn realisierende Macht, - Gott, in welchem, der absoluten Wahrheit, hiermit jene Gegensätze von Allgemeinheit und Einzelheit, von Subjektivität und Objektivität aufgelöst und für unselbständig und unwahr erklärt sind.
§ 60
Allein das Gute, worin der Endzweck der Welt gesetzt wird, ist von vornherein nur als unser Gutes, als das moralische Gesetz unserer praktischen Vernunft bestimmt; so daß die Einheit weiter nicht geht als auf die Übereinstimmung des Weltzustands und der Weltereignisse mit unserer Moralität.1) Außerdem, daß selbst mit dieser Beschränkung der Endzweck, das Gute, ein bestimmungsloses Abstraktum ist, wie auch das, was Pflicht sein soll. Näher wird gegen diese Harmonie der Gegensatz, der in ihrem Inhalte als unwahr gesetzt ist, wieder erweckt und behauptet, so daß die Harmonie als ein nur Subjektives bestimmt wird, - als ein solches, das nur sein soll, d. i. das zugleich nicht Realität hat, - als ein Geglaubtes, dem nur subjektive Gewißheit, nicht Wahrheit, d. i. nicht jene der Idee entsprechende Objektivität zukomme. - Wenn dieser Widerspruch dadurch verdeckt zu werden scheint, daß die Realisierung der Idee in die Zeit, in eine Zukunft, wo die Idee auch sei, verlegt wird, so ist solche sinnliche Bedingung wie die Zeit das Gegenteil vielmehr von einer Auflösung des Widerspruchs, und die entsprechende Verstandesvorstellung, der unendliche Progreß, ist unmittelbar nichts als der perennierend gesetzte Widerspruch selbst.
Es kann noch eine allgemeine Bemerkung über das Resultat gemacht werden, welches sich aus der kritischen Philosophie für die Natur des Erkennens ergeben und zu einem der Vorurteile, d. i. allgemeinen Voraussetzungen der Zeit erhoben hat. In jedem dualistischen System, insbesondere aber im Kantischen, gibt sich sein Grundmangel durch die Inkonsequenz, das zu vereinen, was einen Augenblick vorher als selbständig, somit als unvereinbar erklärt worden ist, zu erkennen. Wie soeben das Vereinte für das Wahrhafte erklärt worden ist, so wird sogleich vielmehr für das Wahrhafte erklärt, daß die beiden Momente, denen in der Vereinung als ihrer Wahrheit das Fürsichbestehen abgesprochen worden ist, nur so, wie sie getrennte sind, Wahrheit und Wirklichkeit haben. Es fehlt bei solchem Philosophieren das einfache Bewußtsein, daß mit diesem Herüber- und Hinübergehen selbst jede dieser einzelnen Bestimmungen für unbefriedigend erklärt wird, und der Mangel besteht in der einfachen Unvermögenheit, zwei Gedanken - und es sind der Form nach nur zwei vorhanden - zusammenzubringen. Es ist darum die größte Inkonsequenz, einerseits zuzugeben, daß der Verstand nur Erscheinungen erkennt, und andererseits dies Erkennen als etwas Absolutes zu behaupten, indem man sagt, das Erkennen könne nicht weiter, dies sei die natürliche, absolute Schranke des menschlichen Wissens. Die natürlichen Dinge sind beschränkt, und nur natürliche Dinge sind sie, insofern sie nichts von ihrer allgemeinen Schranke wissen, insofern ihre Bestimmtheit nur eine Schranke für uns ist, nicht für sie. Als Schranke, Mangel wird etwas nur gewußt, ja empfunden, indem man zugleich darüber hinaus ist. Die lebendigen Dinge haben das Vorrecht des Schmerzes vor den leblosen; selbst für jene wird eine einzelne Bestimmtheit zur Empfindung eines Negativen, weil sie als lebendig die Allgemeinheit der Lebendigkeit, die über das Einzelne hinaus ist, in ihnen haben, in dem Negativen ihrer selbst sich noch erhalten und diesen Widerspruch als in ihnen existierend empfinden. Dieser Widerspruch ist nur in ihnen, insofern beides in dem einen Subjekt ist, die Allgemeinheit seines Lebensgefühls und die gegen dasselbe negative Einzelheit. Schranke, Mangel des Erkennens ist ebenso nur als Schranke, Mangel bestimmt durch die Vergleichung mit der vorhandenen Idee des Allgemeinen, eines Ganzen und Vollendeten. Es ist daher nur Bewußtlosigkeit, nicht einzusehen, daß eben die Bezeichnung von etwas als einem Endlichen oder Beschränkten den Beweis von der wirklichen Gegenwart des Unendlichen, Unbeschränkten enthält, daß das Wissen von Grenze nur sein kann, insofern das Unbegrenzte diesseits im Bewußtsein ist. Über jenes Resultat vom Erkennen kann noch die weitere Bemerkung angeschlossen werden, daß die Kantische Philosophie auf die Behandlung der Wissenschaften keinen Einfluß hat haben können. Sie läßt die Kategorien und die Methode des gewöhnlichen Erkennens ganz unangefochten. Wenn in wissenschaftlichen Schriften damaliger Zeit zuweilen der Anlauf mit Sätzen der Kantischen Philosophie genommen ist, so zeigt sich im Verfolge der Abhandlung selbst, daß jene Sätze nur ein überflüssige Zierat waren und derselbe empirische Inhalt aufgetreten wäre, wenn jene etlichen ersten Blätter weggelassen worden wären.2) Was die nähere Vergleichung der Kantischen Philosophie mit dem metaphysizierenden Empirismus betrifft, so hält sich zwar der unbefangene Empirismus an die sinnliche Wahrnehmung, aber läßt ebenso eine geistige Wirklichkeit, eine übersinnliche Welt zu, wie auch ihr Inhalt beschaffen sei, ob er aus dem Gedanken, aus der Phantasie usf. abstamme. Der Form nach hat dieser Inhalt die Beglaubigung, wie der sonstige Inhalt des empirischen Wissens in der Autorität der äußeren Wahrnehmung, in geistiger Autorität. Aber der reflektierende und die Konsequenz sich zum Prinzip machende Empirismus bekämpft solchen Dualismus des letzten, höchsten Inhalts und negiert die Selbständigkeit des denkenden Prinzips und einer in ihm sich entwickelnden geistigen Welt. Der Materialismus, Naturalismus ist das konsequente System des Empirismus. - Die Kantische Philosophie stellt diesem Empirismus das Prinzip des Denkens und der Freiheit schlechthin gegenüber und schließt sich dem ersten Empirismus an, ohne im geringsten aus dessen allgemeinem Prinzip herauszutreten. Die eine Seite ihres Dualismus bleibt die Welt der Wahrnehmung und des über sie reflektierenden Verstandes. Diese Welt wird zwar für eine Welt von Erscheinungen ausgegeben. Dies ist jedoch ein bloßer Titel, eine nur formelle Bestimmung, denn Quelle, Gehalt und Betrachtungsweise bleiben ganz dieselben. Die andere Seite ist dagegen die Selbständigkeit des sich erfassenden Denkens, das Prinzip der Freiheit, welches sie mit der vormalige gewöhnlichen Metaphysik gemein hat, aber alles Inhaltes entleert und ihm keinen wieder zu verschaffen vermag. Dies Denken, hier Vernunft genannt, wird, als aller Bestimmung beraubt, aller Autorität enthoben. Die Hauptwirkung, welche die Kantische Philosophie gehabt hat, ist gewesen, das Bewußtsein dieser absoluten Innerlichkeit erweckt zu haben, die, ob sie um ihrer Abstraktion willen zwar aus sich zu nichts sich entwickeln und keine Bestimmungen, weder Erkenntnisse noch moralische Gesetze, hervorbringen kann, doch schlechthin sich weigert, etwas, das den Charakter einer Äußerlichkeit hat, in sich gewähren und gelten zu lassen. Das Prinzip der Unabhängigkeit der Vernunft, ihrer absoluten Selbständigkeit in sich, ist von nun an als allgemeines Prinzip der Philosophie wie als eines der Vorurteile der Zeit anzusehen.
Zusatz 1. Der kritischen Philosophie gebührt das große negative Verdienst, die Überzeugung geltend gemacht zu haben, daß die Verstandesbestimmungen der Endlichkeit angehören und daß die innerhalb derselben sich bewegende Erkenntnis nicht zur Wahrheit gelangt. Allein die Einseitigkeit dieser Philosophie besteht dann darin, daß die Endlichkeit jener Verstandesbestimmungen darein gesetzt wird, daß dieselben bloß unserem subjektiven Denken angehören, für welches das Ding-an-sich ein absolutes Jenseits bleiben soll. In der Tat liegt jedoch die Endlichkeit der Verstandesbestimmungen nicht in ihrer Subjektivität, sondern dieselben sind an sich endlich, und ihre Endlichkeit ist an ihnen selbst aufzuzeigen. Nach Kant ist dagegen dasjenige, was wir denken, falsch, darum, weil wir es denken. - Als ein fernerer Mangel dieser Philosophie ist es zu betrachten, daß dieselbe nur eine historische Beschreibung des Denkens und eine bloße Herzählung der Momente des Bewußtseins gibt. Diese Herzählung ist nun zwar in der Hauptsache allerdings richtig, allein es ist dabei von der Notwendigkeit des so empirisch Aufgefaßten nicht die Rede. Als Resultat der über die verschiedenen Stufen des Bewußtseins angestellten Reflexionen wird dann ausgesprochen, daß der Inhalt dessen, wovon wir wissen, nur Erscheinung sei. Diesem Resultat ist insofern beizustimmen, als das endliche Denken allerdings es nur mit Erscheinungen zu tun hat. Allein mit dieser Stufe der Erscheinung ist es noch nicht abgemacht, sondern es gibt noch ein höheres Land, welches indes für die Kantische Philosophie ein unzugängliches Jenseits bleibt.
Zusatz 2. Während in der Kantischen Philosophie zunächst nur formellerweise das Prinzip aufgestellt ist, daß das Denken sich aus sich selbst bestimme, das Wie und Inwiefern dieser Selbstbestimmung des Denkens von Kant aber noch nicht nachgewiesen worden ist, so ist es dagegen Fichte, welcher diesen Mangel erkannt und, indem er die Forderung einer Deduktion der Kategorien ausgesprochen, zugleich den Versuch gemacht hat, eine solche auch wirklich zu liefern. Die Fichtesche Philosophie macht das Ich zum Ausgangspunkt der philosophischen Entwicklung, und die Kategorien sollen sich als das Resultat seiner Tätigkeit ergeben. Nun aber erscheint das Ich hier nicht wahrhaft als freie, spontane Tätigkeit, da dasselbe als erst durch einen Anstoß von außen erregt betrachtet wird; gegen diesen Anstoß soll dann das Ich reagieren, und erst durch diese Reaktion soll es zum Bewußtsein über sich selbst gelangen. - Die Natur des Anstoßes bleibt hierbei ein unerkanntes Draußen, und das Ich ist immer ein Bedingtes, welches ein Anderes sich gegenüber hat. Sonach bleibt also auch Fichte bei dem Resultat der Kantischen Philosophie stehen, daß nur das Endliche zu erkennen sei, während das Unendliche über das Denken hinausgehe. Was bei Kant "das Ding-an-sich" heißt, das ist bei Fichte der Anstoß von außen, dieses Abstraktum eines Anderen als Ich, welches keine andere Bestimmung hat als die des Negativen oder des Nicht-Ich überhaupt. Ich wird hierbei betrachtet als in Relation mit dem Nicht-Ich stehend, durch welches erst seine Tätigkeit des Sichbestimmens erregt wird, und zwar in der Art, daß Ich nur die kontinuierliche Tätigkeit des sich vom Anstoß Befreiens ist, ohne daß es jedoch zur wirklichen Befreiung kommt, da mit dem Aufhören des Anstoßes das Ich selbst, dessen Sein nur seine Tätigkeit ist, aufhören würde zu sein. Ferner ist nun der Inhalt, den die Tätigkeit des Ich hervorbringt, kein anderer als der gewöhnliche Inhalt der Erfahrung, nur mit dem Zusatz, daß dieser Inhalt bloß Erscheinung sei.
1) *In den eigenen Worten von Kants Kritik der Urteilskraft [1. Aufl.], S. 427 [§ 88]: "Endzweck ist bloß ein Begriff unserer praktischen Vernunft und kann aus keinen Datis der Erfahrung zu theoretischer Beurteilung der Natur gefolgert, noch auf Erkenntnis derselben bezogen werden. Es ist kein Gebrauch von diesem Begriffe möglich als lediglich für die praktische Vernunft nach moralischen Gesetzen; und der Endzweck der Schöpfung ist diejenige Beschaffenheit der Welt, die zu dem, was wir allein nach Gesetzen bestimmt angeben können, nämlich dem Endzwecke unserer reinen praktischen Vernunft, und zwar sofern sie praktisch sein soll, übereinstimmt."
2) *Sogar im Handbuch der Metrik von Hermann [Gottfried Hermann, Handbuch der Metrik, Leipzig 1799] ist der Anfang mit Paragraphen Kantischer Philosophie gemacht; ja, in § 8 wird gefolgert, daß das Gesetz des Rhythmus 1. ein objektives, 2. ein formales, 3. ein a priori bestimmtes Gesetz sein müsse. Man vergleiche nun mit diesen Forderungen und den weiter folgenden Prinzipien von Kausalität und Wechselwirkung die Abhandlung der Versmaße selbst, auf welche jene formelle Prinzipien nicht den geringsten Einfluß ausüben.
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