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β. Der Unterschied
§ 116
Das Wesen ist nur reine Identität und Schein in sich selbst, als es die sich auf sich beziehende Negativität, somit Abstoßen seiner von sich selbst ist; es enthält also wesentlich die Bestimmung des Unterschieds.
Das Anderssein ist hier nicht mehr das qualitative, die Bestimmtheit, Grenze; sondern als im Wesen, dem sich auf sich beziehenden, ist die Negation zugleich als Beziehung, Unterschied, Gesetztsein, Vermitteltsein.
Zusatz. Wenn gefragt wird: wie kommt die Identität zum Unterschied?, so liegt in dieser Frage die Voraussetzung, daß die Identität als bloße, d. h. als abstrakte Identität etwas für sich sei, und dann ebenso der Unterschied etwas anderes, gleichfalls für sich. Durch diese Voraussetzung wird indes die Beantwortung der aufgeworfenen Frage unmöglich gemacht, denn wenn die Identität als vom Unterschied verschieden betrachtet wird, so hat man in der Tat hiermit bloß den Unterschied, und es kann um deswillen der Fortgang zum Unterschied nicht nachgewiesen werden, weil dasjenige, von welchem fortgegangen werden soll, für den, welcher nach dem Wie des Fortganges fragt, gar nicht vorhanden ist. Diese Frage erweist sich somit, näher besehen, als durchaus gedankenlos, und wäre dem, welcher dieselbe aufwirft, zuvörderst die andere Frage vorzulegen, was er sich unter der Identität denkt, wobei sich dann ergeben würde, daß er sich eben nichts dabei denkt und daß die Identität für ihn bloß ein leerer Name ist. Weiter ist nun, wie wir gesehen haben, die Identität allerdings ein Negatives, jedoch nicht das abstrakte, leere Nichts überhaupt, sondern die Negation des Seins und seiner Bestimmungen. Als solche aber ist die Identität zugleich Beziehung, und zwar negative Beziehung auf sich oder Unterscheidung ihrer von sich selbst.
§ 117
Der Unterschied ist 1. unmittelbarer Unterschied, die Verschiedenheit, in der die Unterschiedenen jedes für sich ist, was es ist, und gleichgültig gegen seine Beziehung auf das Andere, welche also eine ihm äußerliche ist. Um der Gleichgültigkeit der Verschiedenen gegen ihren Unterschied willen fällt derselbe außer ihnen in ein Drittes, Vergleichendes. Dieser äußerliche Unterschied ist als Identität der Bezogenen die Gleichheit, als Nichtidentität derselben die Ungleichheit.
Diese Bestimmungen selbst läßt der Verstand so auseinanderfallen, daß, obschon die Vergleichung ein und dasselbe Substrat für die Gleichheit und Ungleichheit hat, dies verschiedene Seiten und Rücksichten an demselben sein sollen, aber die Gleichheit für sich ist nur das vorige, die Identität, und die Ungleichheit für sich ist der Unterschied. Die Verschiedenheit ist gleichfalls in einen Satz verwandelt worden, in den, daß alles verschieden ist oder daß es nicht zwei Dinge gibt, die einander vollkommen gleich sind*) . Hier wird Allem das entgegengesetzte Prädikat von der ihm im ersten Satze beigelegten Identität gegeben, also ein dem ersten widersprechendes Gesetz gegeben. Jedoch aber soll, insofern die Verschiedenheit nur der äußeren Vergleichung angehörig sei, etwas für sich selbst nur identisch mit sich und so dieser zweite Satz nicht dem ersten widersprechend sein. Dann aber gehört auch die Verschiedenheit nicht dem Etwas oder Allem an, sie macht keine wesentliche Bestimmung dieses Subjekts aus; dieser zweite Satz kann auf diese Weise gar nicht gesagt werden. - Ist aber das Etwas selbst, nach dem Satze, verschieden, so ist es dies durch seine eigene Bestimmtheit; hiermit ist dann aber nicht mehr die Verschiedenheit als solche, sondern der bestimmte Unterschied gemeint. - Dies ist auch der Sinn des Leibnizischen Satzes.
Zusatz. Indem der Verstand sich an die Betrachtung der Identität begibt, so ist er in der Tat bereits darüber hinaus, und was er vor sich hat, das ist der Unterschied in der Gestalt der bloßen Verschiedenheit. Sagen wir nämlich nach dem sogenannten Denkgesetz der Identität: das Meer ist das Meer, die Luft ist die Luft, der Mond ist der Mond usw., so gelten uns diese Gegenstände als gleichgültig gegeneinander, und es ist somit nicht die Identität, sondern der Unterschied, welchen wir vor uns haben. Weiter bleiben wir dann aber auch nicht dabei stehen, die Dinge bloß als verschieden zu betrachten, sondern wir vergleichen dieselben miteinander, und wir erhalten hierdurch die Bestimmungen der Gleichheit und der Ungleichheit. Das Geschäft der endlichen Wissenschaften besteht zum großen Teil in der Anwendung dieser Bestimmungen, und man pflegt heutzutage, wenn von wissenschaftlicher Behandlung die Rede ist, darunter vorzugsweise dasjenige Verfahren zu verstehen, welches darauf ausgeht, die zur Betrachtung gezogenen Gegenstände miteinander zu vergleichen. Es ist nicht zu verkennen, daß man auf diesem Wege zu manchen sehr wichtigen Resultaten gelangt ist, und in dieser Beziehung ist insbesondere an die großen Leistungen der neueren Zeit auf den Gebieten der vergleichenden Anatomie und der vergleichenden Sprachforschung zu erinnern. Dabei ist jedoch nicht nur zu bemerken, daß man zu weit gegangen ist, wenn man gemeint hat, es sei dieses vergleichende Verfahren auf alle Gebiete des Erkennens mit gleichem Erfolg anzuwenden, sondern auch außerdem noch besonders hervorzuheben, daß durch das bloße Vergleichen dem wissenschaftlichen Bedürfnis noch nicht letztlich genügt zu werden vermag und daß Resultate der vorher erwähnten Art nur als (allerdings unentbehrliche) Vorarbeiten für das wahrhaft begreifende Erkennen zu betrachten sind. - Insofern es übrigens beim Vergleichen darum zu tun ist, vorhandene Unterschiede auf Identität zurückzuführen, so muß die Mathematik als diejenige Wissenschaft betrachtetwerden, in welcher dieses Ziel am vollständigsten erreicht wird, und zwar um deswillen, weil der quantitative Unterschied nur der ganz äußerliche Unterschied ist. So werden z. B. in der Geometrie ein Dreieck und ein Viereck, welche qualitativ verschieden sind, indem von diesem qualitativen Unterschied abstrahiert wird, ihrer Größe nach einander gleichgesetzt. Daß die Mathematik um diesen Vorzug weder von seiten der empirischen Wissenschaften noch von seiten der Philosophie zu beneiden ist, davon ist bereits früher (§ 99 Zusatz) die Rede gewesen, und ergibt sich außerdem aus demjenigen, was vorher über die bloße Verstandesidentität bemerkt wurde. - Man erzählt, daß, als Leibniz einst bei Hofe den Satz der Verschiedenheit ausgesprochen, die Hofkavaliere und Hofdamen, im Garten herumspazierend, sich bemüht hätten, zwei nicht voneinander zu unterscheidende Blätter zu finden, um durch deren Vorzeigung das Denkgesetz des Philosophen zu widerlegen. Es ist dies ohne Zweifel eine bequeme, auch noch heutzutage beliebte Weise, sich mit Metaphysik zu beschäftigen; jedoch ist rücksichtlich des Leibnizischen Satzes zu bemerken, daß der Unterschied eben nicht bloß als die äußerliche und gleichgültige Verschiedenheit, sondern als Unterschied an sich aufzufassen ist und daß es somit den Dingen an ihnen selbst zukommt, unterschieden zu sein.
§ 118
Die Gleichheit ist eine Identität nur solcher, die nicht dieselben, nicht identisch miteinander sind, - und die Ungleichheit ist Beziehung der Ungleichen. Beide fallen also nicht in verschiedene Seiten oder Rücksichten gleichgültig auseinander, sondern eine ist ein Scheinen in die andere. Die Verschiedenheit ist daher Unterschied der Reflexion oder Unterschied an sich selbst, bestimmter Unterschied.
Zusatz. Während die bloß Verschiedenen sich als gleichgültig gegeneinander erweisen, so sind dagegen die Gleichheit und die Ungleichheit ein Paar Bestimmungen, die sich schlechthin aufeinander beziehen und von denen die eine nicht ohne die andere gedacht werden kann. Dieser Fortgang von der bloßen Verschiedenheit zur Entgegensetzung findet sich dann auch insofern schon im gewöhnlichen Bewußtsein, als wir einräumen, daß das Vergleichen nur einen Sinn hat unter der Voraussetzung eines vorhandenen Unterschiedes, und ebenso umgekehrt das Unterscheiden nur unter der Voraussetzung vorhandener Gleichheit. Man schreibt demgemäß auch, wenn die Aufgabe gestellt wird, einen Unterschied anzugeben, demjenigen keinen großen Scharfsinn zu, der nur solche Gegenstände voneinander unterscheidet, deren Unterschied unmittelbar zutage liegt (wie z. B. eine Schreibfeder und ein Kamel), wie man andererseits sagen wird, daß es derjenige nicht weit im Vergleichen gebracht hat, welcher nur einander Naheliegendes - eine Buche mit einer Eiche, einen Tempel mit einer Kirche - zu vergleichen weiß. Wir verlangen somit beim Unterschied die Identität und bei der Identität den Unterschied. Gleichwohl geschieht es auf dem Gebiet der empirischen Wissenschaften sehr häufig, daß über der einen dieser beiden Bestimmungen die andere vergessen und daß das eine Mal das wissenschaftliche Interesse nur in Zurückführen vorhandener Unterschiede auf Identität und anderes Mal wieder ebenso einseitigerweise in das Auffinden neuer Unterschiede gesetzt wird. Dies ist namentlich in der Naturwissenschaft der Fall. Hier macht man es sich zunächst zum Geschäft, neue und immer mehr neue Stoffe, Kräfte, Gattungen, Arten u. zu entdecken oder, nach einer anderen Wendung, Körper, welche bisher für einfach gegolten, als zusammengesetzt nachzuweisen, und neuere Physiker und Chemiker belächeln wohl die Alten, welche sich nur mit vier und nicht einmal einfachen Elementen begnügt haben. Andererseits wird dann aber auch wieder die bloße Identität ins Auge gefaßt und werden demgemäß z. B. nicht nur Elektrizität und Chemismus als wesentlich dasselbe, sondern sogar auch die organischen Prozesse der Verdauung und Assimilation als ein bloß chemischer Prozeß betrachtet. Es wurde bereits früher (§ 103 Zusatz) bemerkt, daß, wenn man die neuere Philosophie nicht selten spottweise als Identitätsphilosophie bezeichnet hat, es gerade die Philosophie, und zwar zunächst die spekulative Logik ist, welche die Nichtigkeit der vom Unterschied abstrahierenden, bloßen Verstandesidentität aufzeigt, dann aber allerdings auch ebensosehr darauf dringt, es nicht bei der bloßen Verschiedenheit bewenden zu lassen, sondern die innere Einheit alles dessen, was da ist, zu erkennen.
§ 119
2. Der Unterschied an sich ist der wesentliche, das Positive und das Negative, so daß jenes so die identische Beziehung auf sich ist, daß es nicht das Negative, und dieses das Unterschiedene so für sich ist, daß es nicht das Positive ist. Indem jedes so für sich ist, als es nicht das Andere ist, scheint jedes in dem Anderen und ist nur, insofern das Andere ist. Der Unterschied des Wesens ist daher die Entgegensetzung, nach welcher das Unterschiedene nicht ein Anderes überhaupt, sondern sein Anderes sich gegenüber hat; d. h. jedes hat seine eigene Bestimmung nur in seiner Beziehung auf das Andere, ist nur in sich reflektiert, als es in das Andere reflektiert ist, und ebenso das Andere; jedes ist so des Anderen sein Anderes.
Der Unterschied an sich gibt den Satz: "Alles ist ein wesentlich Unterschiedenes", - oder wie er auch ausgedrückt worden ist: "Von zwei entgegengesetzten Prädikaten kommt dem Etwas nur das eine zu, und es gibt kein Drittes". - Dieser Satz des Gegensatzes widerspricht am ausdrücklichsten dem Satze der Identität, indem Etwas nach dem einen nur die Beziehung auf sich, nach dem anderen aber ein Entgegengesetztes, die Beziehung auf sein Anderes sein soll. Es ist die eigentümliche Gedankenlosigkeit der Abstraktion, zwei solche widersprechende Sätze als Gesetze nebeneinanderzustellen, ohne sie auch nur zu vergleichen. - Der Satz des ausgeschlossenen Dritten ist der Satz des bestimmten Verstandes, der den Widerspruch von sich abhalten will und, indem er dies tut, denselben begeht. A soll entweder +A oder -A sein; damit ist schon das Dritte, das A ausgesprochen, welches weder + noch - ist, und das ebensowohl auch als +A und als -A gesetzt ist. Wenn +W 6 Meilen Richtung nach Westen, -W aber 6 Meilen Richtung nach Ost bedeutet und + und - sich aufheben, so bleiben die 6 Meilen Wegs oder Raums, was sie ohne und mit dem Gegensatz waren. Selbst das bloße plus und minus der Zahl oder der abstrakten Richtung haben, wenn man will, die Null zu ihrem Dritten; aber es soll nicht in Abrede gestellt werden, daß der leere Verstandesgegensatz von + und - nicht auch seine Stelle habe bei ebensolchen Abstraktionen wie Zahl, Richtung usf. In der Lehre von den kontradiktorischen Begriffen heißt der eine Begriff z. B. Blau (auch so etwas wie die sinnliche Vorstellung einer Farbe wird in solcher Lehre Begriff genannt), der andere Nichtblau, so daß dies Andere nicht ein Affirmatives, etwa Gelb wäre, sondern nur das Abstrakt-Negative festgehalten werden soll. - Daß das Negative in ihm selbst ebensosehr positiv ist, s. folg. §; dies liegt auch schon in der Bestimmung, daß das einem Anderen Entgegengesetzte sein Anderes ist. - Die Leerheit des Gegensatzes von sogenannten kontradiktorischen Begriffen hatte ihre volle Darstellung in dem sozusagen grandiosen Ausdruck eines allgemeinen Gesetzes, daß jedem Dinge von allen so entgegengesetzten Prädikaten das eine zukomme und das andere nicht, so daß der Geist sei entweder weiß oder nicht weiß, gelb oder nicht gelb usf. ins Unendliche. Indem vergessen wird, daß Identität und Entgegensetzung selbst entgegengesetzt sind, wird der Satz der Entgegensetzung auch für den der Identität in der Form des Satzes des Widerspruchs genommen und ein Begriff, dem von zwei einander widersprechenden Merkmalen keins (s. vorhin) oder alle beide zukommen, für logisch falsch erklärt, wie z. B. ein viereckiger Zirkel. Ob nun gleich ein vieleckiger Zirkel und ein geradliniger Kreisbogen ebensosehr diesem Satze widerstreitet, haben die Geometer doch kein Bedenken, den Kreis als ein Vieleck von geradlinigen Seiten zu betrachten und zu behandeln. Aber so etwas wie ein Zirkel (seine bloße Bestimmtheit) ist noch kein Begriff; im Begriffe des Zirkels ist Mittelpunkt und Peripherie gleich wesentlich, beide Merkmale kommen ihm zu; und doch ist Peripherie und Mittelpunkt einander entgegengesetzt und widersprechend. Die in der Physik so viel geltende Vorstellung von Polarität enthält in sich die richtigere Bestimmung der Entgegensetzung, aber wenn die Physik sich in Ansehung der Gedanken an die gewöhnliche Logik hält, so würde sie leicht erschrecken, wenn sie sich die Polarität entwickelte und zu den Gedanken käme, die darin liegen.
Zusatz 1. Das Positive ist wieder die Identität, aber in ihrer höheren Wahrheit, als identische Beziehung auf sich selbst und zugleich so, daß es nicht das Negative ist. Das Negative für sich ist nichts anderes als der Unterschied selbst. Das Identische als solches ist zunächst das Bestimmungslose; das Positive dagegen ist das mit sich Identische, aber als gegen ein Anderes bestimmt, und das Negative ist der Unterschied als solcher in der Bestimmung, nicht Identität zu sein. Dies ist der Unterschied des Unterschiedes in ihm selbst. - Am Positiven und Negativen meint man einen absoluten Unterschied zu haben. Beide sind indes an sich dasselbe, und man könnte deshalb das Positive auch das Negative nennen und ebenso umgekehrt das Negative das Positive. So sind denn auch Vermögen und Schulden nicht zwei besondere, für sich bestehende Arten von Vermögen. Was bei dem einen, als Schuldner, ein Negatives ist, dasselbe ist bei dem anderen, dem Gläubiger, ein Positives. Ebenso verhält es sich mit einem Weg nach Osten, welcher zugleich ein Weg nach Westen ist. Positives und Negatives sind also wesentlich durch einander bedingt und nur in ihrer Beziehung aufeinander. Der Nordpol am Magnet kann nicht sein ohne den Südpol und der Südpol nicht ohne den Nordpol. Schneidet man einen Magnet auseinander, so hat man nicht an dem einen Stück den Nordpol und am anderen den Südpol. Ebenso sind dann auch bei der Elektrizität die positive und die negative Elektrizität nicht zwei verschiedene, für sich bestehende Fluida. In der Entgegensetzung hat überhaupt das Unterschiedene nicht nur ein Anderes, sondern sein Anderes sich gegenüber. Das gewöhnliche Bewußtsein betrachtet die Unterschiedenen als gleichgültig gegeneinander. Man sagt so: Ich bin ein Mensch, und um mich herum ist Luft, Wasser, Tiere und Anderes überhaupt. Alles fällt da auseinander. Der Zweck der Philosophie ist dagegen, die Gleichgültigkeit zu verbannen und die Notwendigkeit der Dinge zu erkennen, so daß das Andere als seinem Anderen gegenüberstehend erscheint. So ist z. B. die unorganische Natur nicht bloß als etwas anderes als das Organische zu betrachten, sondern als das notwendige Andere desselben. Beide sind in wesentlicher Beziehung aufeinander, und das Eine von beiden ist nur, insofern es das Andere von sich ausschließt und eben dadurch sich auf dasselbe bezieht. Ebenso ist auch die Natur nicht ohne den Geist, und dieser ist nicht ohne die Natur. Es ist überhaupt ein wichtiger Schritt, wenn man im Denken davon abgekommen ist, zu sagen: nun ist auch noch anderes möglich. Indem man so spricht, so ist man noch mit Zufälligem behaftet, wohingegen, wie vorher bemerkt wurde, das wahre Denken ein Denken der Notwendigkeit ist. - Wenn man in der neueren Naturwissenschaft dazu gekommen ist, die zunächst am Magnetismus als Polarität wahrgenommene Entgegensetzung als durch die ganze Natur hindurchgehend, als ein allgemeines Naturgesetz anzuerkennen, so ist dies ohne Zweifel als ein wesentlicher Fortschritt der Wissenschaft; betrachten, nur wäre es dabei zunächst darum zu tun, daß man nicht neben der Entgegensetzung ohne weiteres auch wieder die bloße Verschiedenheit gelten ließ. So betrachtet man aber z. B. das eine Mal mit Recht die Farben als in polarer Entgegensetzung einander gegenüberstehend (als sogenannte Ergänzungsfarben), sodann aber auch wieder als den gleichgültigen und bloß quantitativen Unterschied des Roten, des Gelben, des Grünen usw.
Zusatz 2. Anstatt nach dem Satz des ausgeschlossenen Dritten (welches der Satz des abstrakten Verstandes ist) zu sprechen, wäre vielmehr zu sagen: alles ist entgegengesetzt. Es gibt in der Tat nirgends, weder im Himmel noch auf Erden, weder in der geistigen noch in der natürlichen Welt, ein so abstraktes Entweder- Oder, wie der Verstand solches behauptet. Alles was irgend ist, das ist ein Konkretes, somit in sich selbst Unterschiedenes und Entgegengesetztes. Die Endlichkeit der Dinge besteht dann darin, daß ihr unmittelbares Dasein dem nicht entspricht, was sie an sich sind. So ist z. B. in der unorganischen Natur die Säure an sich zugleich die Basis, d. h. ihr Sein ist schlechthin nur dies, auf ihr Anderes bezogen zu sein. Somit ist dann aber auch die Säure nicht das im Gegensatz ruhig Beharrende, sondern dahin strebend, sich als das zu setzen, was sie an sich ist. Was überhaupt die Welt bewegt, das ist der Widerspruch, und es ist lächerlich zu sagen, der Widerspruch lasse sich nicht denken. Das Richtige in dieser Behauptung ist nur dies, daß es beim Widerspruch nicht sein Bewenden haben kann und daß derselbe sich durch sich selbst aufhebt. Der aufgehobene Widerspruch ist dann aber nicht die abstrakte Identität, denn diese ist selbst nur die eine Seite des Gegensatzes. Das nächste Resultat der als Widerspruch gesetzten Entgegensetzung ist der Grund, welcher sowohl die Identität als auch den Unterschied als aufgehoben und zu bloß ideellen Momenten herabgesetzt in sich enthält.
§ 120
Das Positive ist jenes Verschiedene, welches für sich und zugleich nicht gleichgültig gegen seine Beziehung auf sein Anderes sein soll. Das Negative soll ebenso selbständig, die negative Beziehung auf sich, für sich sein, aber zugleich als Negatives schlechthin diese seine Beziehung auf sich, sein Positives, nur im Anderen haben. Beide sind somit der gesetzte Widerspruch, beide sind an sich dasselbe. Beide sind es auch für sich, indem jedes das Aufheben des Anderen und seiner selbst ist. Sie gehen hiermit zu Grunde. - Oder unmittelbar ist der wesentliche Unterschied, als Unterschied an und für sich, nur der Unterschied seiner von ihm selbst, enthält also das Identische; zum ganzen an und für sich seienden Unterschiede gehört also sowohl er selbst als die Identität. - Als sich auf sich beziehender Unterschied ist er gleichfalls schon als das mit sich Identische ausgesprochen, und das Entgegengesetzte ist überhaupt dasjenige, welches das Eine und sein Anderes, sich und sein Entgegengesetztes, in sich selbst enthält. Das Insichsein des Wesens, so bestimmt, ist der Grund.
*) vgl. Leibniz, Monadologie, § 9
Lehre vom Wesen
Wesen
Grund
Existenz
Ding
Die Erscheinung
Inhalt und Form
Das Verhältnis
Die Wirklichkeit
Substantialitätsverhältnis
Kausalitätsverhältnis
Die Wechselwirkung
Die Lehre vom Begriff
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