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c. Die Wechselwirkung
§ 155
Die in der Wechselwirkung als unterschieden festgehaltenen Bestimmungen sind α) an sich dasselbe; die eine Seite ist Ursache, ursprünglich, aktiv, passiv usf. wie die andere. Ebenso ist das Voraussetzen einer anderen und das Wirken auf sie, die unmittelbare Ursprünglichkeit und das Gesetztsein durch den Wechsel, ein und dasselbe. Die als erste angenommene Ursache ist um ihrer Unmittelbarkeit willen passiv, Gesetztsein und Wirkung. Der Unterschied der als zwei genannten Ursachen ist daher leer, und es ist an sich nur eine, sich in ihrer Wirkung ebenso als Substanz aufhebende als sich in diesem Wirken erst verselbständigende Ursache vorhanden.
§ 156
[β] Aber auch für sich ist diese Einheit, indem dieser ganze Wechsel das eigene Setzen der Ursache und nur dies ihr Setzen ihr Sein ist. Die Nichtigkeit der Unterschiede ist nicht nur an sich oder unsere Reflexion (vorhg. §), sondern die Wechselwirkung ist selbst dies, jede der gesetzten Bestimmungen auch wieder aufzuheben und in die entgegengesetzte zu verkehren, also jene Nichtigkeit der Momente zu setzen, die an sich ist. In die Ursprünglichkeit wird eine Wirkung gesetzt, d. h. die Ursprünglichkeit wird aufgehoben; die Aktion einer Ursache wird zur Reaktion usf.
Zusatz. Die Wechselwirkung ist das Kausalitätsverhältnis in seiner vollständigen Entwicklung gesetzt, und dies Verhältnis ist es dann auch, zu welchem die Reflexion ihre Zuflucht zu nehmen pflegt, wenn sich ihr die Betrachtung der Dinge unter dem Gesichtspunkt der Kausalität, um des vorher erwähnten unendlichen Progresses willen, nicht als genügend erweist. So wird z. B. bei geschichtlichen Betrachtungen zunächst die Frage verhandelt, ob der Charakter und die Sitten eines Volkes die Ursache seiner Verfassung und seiner Gesetze oder ob dieselben umgekehrt deren Wirkung seien, und es wird dann dazu fortgeschritten, diese beiden, Charakter und Sitten einerseits und Verfassung und Gesetze andererseits, unter dem Gesichtspunkt der Wechselwirkung aufzufassen, dergestalt, daß die Ursache in derselben Beziehung, in der sie Ursache, zugleich Wirkung und daß die Wirkung in derselben Beziehung, in der sie Wirkung, zugleich Ursache ist. Dasselbe geschieht dann auch bei Betrachtung der Natur und namentlich des lebendigen Organismus, dessen einzelne Organe und Funktionen sich gleichfalls als zueinander im Verhältnis der Wechselwirkung stehend erweisen. Die Wechselwirkung ist nun zwar allerdings die nächste Wahrheit des Verhältnisses von Ursache und Wirkung, und es steht dieselbe sozusagen an der Schwelle des Begriffs; jedoch eben um deswillen hat man sich mit der Anwendung dieses Verhältnisses nicht zu begnügen, insofern es um das begreifende Erkennen zu tun ist. Bleibt man dabei stehen, einen gegebenen Inhalt bloß unter dem Gesichtspunkt der Wechselwirkung zu betrachten, so ist dies in der Tat ein durchaus begriffloses Verhalten; man hat es dann bloß mit einer trockenen Tatsache zu tun, und die Forderung der Vermittlung, um die es sich zunächst bei der Anwendung des Kausalitätsverhältnisses handelt, bleibt wieder unbefriedigt. Das Ungenügende bei der Anwendung des Verhältnisses der Wechselwirkung besteht näher betrachtet darin, daß dies Verhältnis, anstatt als ein Äquivalent für den Begriff gelten zu können, vielmehr selbst erst begriffen sein will, und dies geschieht dadurch, daß die beiden Seiten desselben nicht als ein unmittelbar Gegebenes belassen, sondern, wie solches in den beiden vorhergehenden §§ gezeigt worden, als Momente eines Dritten, Höheren, erkannt werden, welches dann eben der Begriff ist. Betrachten wir z. B. die Sitten des spartanischen Volkes als die Wirkung seiner Verfassung und so umgekehrt diese als die Wirkung seiner Sitten, so mag diese Betrachtung immerhin richtig sein, allein diese Auffassung gewährt um deswillen keine letzte Befriedigung, weil durch dieselbe in der Tat weder die Verfassung noch die Sitten dieses Volkes begriffen werden, welches nur dadurch geschieht, daß jene beiden und ebenso alle die übrigen besonderen Seiten, welche das Leben und die Geschichte des spartanischen Volkes zeigen, als in diesem Begriff begründet erkannt werden.
§ 157
[γ] Dieser reine Wechsel mit sich selbst ist hiermit die enthüllte oder gesetzte Notwendigkeit. Das Band der Notwendigkeit als solcher ist die Identität als noch innere und verborgene, weil sie die Identität von solchen ist, die als Wirkliche gelten, deren Selbständigkeit jedoch eben die Notwendigkeit sein soll. Der Verlauf der Substanz durch die Kausalität und Wechselwirkung ist daher nur das Setzen, daß die Selbständigkeit die unendliche negative Beziehung auf sich ist, - negative überhaupt, in der das Unterscheiden und Vermitteln zu einer Ursprünglichkeit gegeneinander selbständiger Wirklichen wird, - unendliche Beziehung auf sich selbst, indem die Selbständigkeit derselben eben nur als ihre Identität ist.
§ 158
Diese Wahrheit der Notwendigkeit ist somit die Freiheit, und die Wahrheit der Substanz ist der Begriff, - die Selbständigkeit, welche das sich von sich Abstoßen in unterschiedene Selbständige, als dies Abstoßen identisch mit sich, und diese bei sich selbst bleibende Wechselbewegung nur mit sich ist.
Zusatz. Die Notwendigkeit pflegt hart genannt zu werden, und zwar mit Recht, insofern bei derselben als solcher, d. h. in ihrer unmittelbaren Gestalt stehengeblieben wird. Wir haben hier einen Zustand oder überhaupt einen Inhalt, welcher sein Bestehen für sich hat, und in der Notwendigkeit ist dann zunächst dies enthalten, daß über solchen Inhalt ein anderes kommt, wodurch derselbe zugrunde gerichtet wird. Dies ist das Harte und das Traurige der unmittelbaren oder abstrakten Notwendigkeit. Die Identität der beiden, welche in der Notwendigkeit als aneinander gebunden erscheinen und dadurch ihrer Selbständigkeit verlustig gehen, ist nur erst eine innere und noch nicht für die vorhanden, welche der Notwendigkeit unterworfen sind. So ist dann auch die Freiheit auf diesem Standpunkt nur erst die abstrakte Freiheit, welche nur durch Verzichtung auf dasjenige, was man unmittelbar ist und hat, gerettet wird. - Weiter ist nun aber, wie wir bisher gesehen haben, der Prozeß der Notwendigkeit von der Art, daß durch denselben die zunächst vorhandene starre Äußerlichkeit überwunden und daß ihr Inneres offenbart wird, wodurch es sich dann zeigt, daß die aneinander Gebundenen in der Tat einander nicht fremd, sondern nur Momente eines Ganzen sind, deren jedes in der Beziehung auf das andere bei sich selbst ist und mit sich selbst zusammengeht. Dies ist die Verklärung der Notwendigkeit zur Freiheit, und diese Freiheit ist nicht bloß die Freiheit der abstrakten Negation, sondern vielmehr konkrete und positive Freiheit. Hieraus ist dann auch zu entnehmen, wie verkehrt es ist, die Freiheit und die Notwendigkeit als einander gegenseitig ausschließend zu betrachten. Allerdings ist die Notwendigkeit als solche noch nicht die Freiheit; aber die Freiheit hat die Notwendigkeit zu ihrer Voraussetzung und enthält dieselbe als aufgehoben in sich. Der sittliche Mensch ist sich des Inhalts seines Tuns als eines Notwendigen, an und für sich Gültigen bewußt und leidet dadurch so wenig Abbruch an seiner Freiheit, daß diese vielmehr erst durch dieses Bewußtsein zur wirklichen und inhaltsvollen Freiheit wird, im Unterschied von der Willkür als der noch inhaltlosen und bloß möglichen Freiheit. Ein Verbrecher, welcher bestraft wird, mag die Strafe, die ihn trifft, als eine Beschränkung seiner Freiheit betrachten; in der Tat ist jedoch die Strafe nicht eine fremde Gewalt, der er unterworfen wird, sondern nur die Manifestation seines eignen Tuns, und indem er dies anerkennt so verhält er sich hiermit als ein Freier. Überhaupt ist dies die höchste Selbständigkeit des Menschen, sich als schlechthin bestimmt durch die absolute Idee zu wissen, welches Bewußtsein und Verhalten Spinoza als den amor intellectualis Dei bezeichnet.
§ 159
Der Begriff ist hiermit die Wahrheit des Seins und des Wesens, indem das Scheinen der Reflexion in sich selber zugleich selbständige Unmittelbarkeit und dieses Sein verschiedener Wirklichkeit unmittelbar nur ein Scheinen in sich selbst ist.
Indem der Begriff sich als die Wahrheit des Seins und Wesens erwiesen hat, welche beide in ihn als in ihren Grund zurückgegangen sind, so hat er umgekehrt sich aus dem Sein als aus seinem Grunde entwickelt. Jene Seite des Fortgangs kann als ein Vertiefen des Seins in sich selbst, dessen Inneres durch diesen Fortgang enthüllt worden ist, diese Seite als Hervorgang des Vollkommeneren aus dem Unvollkommeneren betrachtet werden. Indem solche Entwicklung nur nach der letzten Seite betrachtet worden ist, hat man der Philosophie daraus einen Vorwurf gemacht. Der bestimmtere Gehalt, den die oberflächlichen Gedanken von Unvollkommenerem und Vollkommenerem hier haben, ist der Unterschied, den das Sein, als unmittelbare Einheit mit sich, vom Begriffe, als der freien Vermittlung mit sich, hat. Indem sich das Sein als ein Moment des Begriffs gezeigt hat, hat er sich dadurch als die Wahrheit des Seins erwiesen; als diese seine Reflexion-in-sich und als Aufheben der Vermittlung ist er das Voraussetzen des Unmittelbaren - ein Voraussetzen, das mit der Rückkehr-in-sich identisch ist, welche Identität die Freiheit und den Begriff ausmacht. Wenn daher das Moment das Unvollkommene genannt wird, so ist der Begriff, das Vollkommene, allerdings dies, sich aus dem Unvollkommenen zu entwickeln, denn er ist wesentlich dies Aufheben seiner Voraussetzung. Aber er ist es zugleich allein, der als sich setzend die Voraussetzung macht, wie sich in der Kausalität überhaupt und näher in der Wechselwirkung ergeben hat. Der Begriff ist so in Beziehung auf Sein und Wesen bestimmt, das zum Sein als einfacher Unmittelbarkeit zurückgegangene Wesen zu sein, dessen Scheinen dadurch Wirklichkeit hat und dessen Wirklichkeit zugleich freies Scheinen in sich selbst ist. Das Sein hat der Begriff auf solche Weise als seine einfache Beziehung auf sich oder als die Unmittelbarkeit seiner Einheit in sich selbst; Sein ist eine so arme Bestimmung, daß sie das Wenigste ist, was im Begriffe aufgezeigt werden kann. Der Übergang von der Notwendigkeit zur Freiheit oder vom Wirklichen in den Begriff ist der härteste, weil die selbständige Wirklichkeit gedacht werden soll, als in dem Übergehen und der Identität mit der ihr anderen selbständigen Wirklichkeit allein ihre Substantialität zu haben; so ist auch der Begriff das Härteste, weil er selbst eben diese Identität ist. Die wirkliche Substanz als solche aber, die Ursache, die in ihrem Fürsichsein nichts in sich eindringen lassen will, ist schon der Notwendigkeit oder dem Schicksal, in das Gesetztsein überzugehen, unterworfen, und diese Unterwerfung ist vielmehr das Härteste. Das Denken der Notwendigkeit ist dagegen vielmehr die Auflösung jener Härte; denn es ist das Zusammengehen Seiner im Anderen mit Sich selbst, - die Befreiung, welche nicht die Flucht der Abstraktion ist, sondern in dem anderen Wirklichen, mit dem das Wirkliche durch die Macht der Notwendigkeit zusammengebunden ist, sich nicht als anderes, sondern sein eigenes Sein und Setzen zu haben. Als für sich existierend heißt diese Befreiung Ich, als zu ihrer Totalität entwickelt freier Geist, als Empfindung Liebe, als Genuß Seligkeit. - Die große Anschauung der spinozistischen Substanz ist nur an sich die Befreiung von endlichem Fürsichsein; aber der Begriff selbst ist für sich die Macht der Notwendigkeit und die wirkliche Freiheit.
Zusatz. Wenn der Begriff, wie dies hier geschehen, als die Wahrheit des Seins und des Wesens bezeichnet wird, so muß man der Frage gewärtig sein, warum nicht mit demselben der Anfang gemacht worden ist. Darauf dient zur Antwort, daß, wo es sich um denkende Erkenntnis handelt, mit der Wahrheit um deswillen nicht angefangen werden kann, weil die Wahrheit, als den Anfang bildend, auf bloßer Versicherung beruht, die gedachte Wahrheit aber als solche sich dem Denken zu bewähren hat. Würde der Begriff an die Spitze der Logik gestellt und, wie dies dem Inhalt nach ganz richtig ist, als die Einheit des Seins und des Wesens definiert, so entstände die Frage, was man sich unter dem Sein und was unter dem Wesen zu denken hat und wie diese beiden dazu kommen, in die Einheit des Begriffs zusammengefaßt zu werden. Hiermit wäre dann aber nur dem Namen und nicht der Sache nach mit dem Begriff angefangen worden. Der eigentliche Anfang würde mit dem Sein gemacht, wie solches auch hier geschehen, nur mit dem Unterschied, daß die Bestimmungen des Seins und ebenso auch die des Wesens unmittelbar aus der Vorstellung würden aufzunehmen sein, wohingegen wir das Sein und das Wesen in ihrer eigenen dialektischen Entwicklung betrachtet und als sich selbst zur Einheit des Begriffs aufhebend erkannt haben.
Lehre vom Wesen
Wesen
Grund
Existenz
Ding
Die Erscheinung
Inhalt und Form
Das Verhältnis
Die Wirklichkeit
Substantialitätsverhältnis
Kausalitätsverhältnis
Die Wechselwirkung
Die Lehre vom Begriff
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