B. Materie und Bewegung. Endliche Mechanik
§ 262
Die Materie hält sich gegen ihre Identität mit sich, durch das Moment ihrer Negativität, ihrer abstrakten Vereinzelung, auseinander; die Repulsion der Materie. Ebenso wesentlich ist, weil diese Verschiedenen ein und dasselbe sind, die negative Einheit dieses außereinanderseienden Fürsichseins; die Materie ist somit kontinuierlich, - ihre Attraktion. Die Materie ist untrennbar beides und negative Einheit dieser Momente, Einzelheit, aber als gegen das unmittelbare Außereinander der Materie noch unterschieden und darum selbst noch nicht als materiell gesetzt, ideelle Einzelheit, Mittelpunkt, - die Schwere.
Kant hat unter anderem auch das Verdienst, durch seinen Versuch einer sogenannten Konstruktion der Materie, in seinen Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft53) , den Anfang zu einem Begriff der Materie gemacht und mit diesem Versuche den Begriff einer Naturphilosophie wiedererweckt zu haben. Er hat aber dabei die Reflexionsbestimmungen von Attraktivkraft und Repulsivkraft als gegeneinander feste angenommen und wieder, indem aus ihnen die Materie hervorgehen sollte, diese als ein Fertiges vorausgesetzt, so daß es schon Materie ist, was attrahiert und repelliert werden soll. Ausführlicher habe ich die in dieser Kantischen Exposition herrschende Verwirrung in meinem System der Logik, I. Bd., I. Teil, S. 119 ff.54) , dargestellt. - Übrigens ist erst die schwere Materie die Totalität und das Reelle, an dem Attraktion und Repulsion stattfinden kann; sie hat die ideellen Momente des Begriffs, der Einzelheit oder Subjektivität. Deswegen sind sie nicht als selbständig oder als Kräfte für sich zu nehmen; die Materie resultiert aus ihnen nur als Begriffsmomenten, aber ist das Vorausgesetzte für ihre Erscheinung. Die Schwere ist von der bloßen Attraktion wesentlich zu unterscheiden. Diese ist nur überhaupt das Aufheben des Außereinanderseins und gibt bloße Kontinuität. Hingegen die Schwere ist die Reduktion der auseinanderseienden, ebenso kontinuierlichen Besonderheit zur Einheit als negativer Beziehung auf sich, der Einzelheit, einer (jedoch noch ganz abstrakten) Subjektivität. In der Sphäre der ersten Unmittelbarkeit der Natur ist aber die außersichseiende Kontinuität noch als das Bestehende gesetzt; es ist erst in der physischen, in welcher die materielle Reflexion-in-sich beginnt. Die Einzelheit ist daher als Bestimmung der Idee zwar vorhanden, aber hier außer dem Materiellen. Die Materie ist daher erstens wesentlich selbst schwer; es ist dies nicht eine äußerliche, von ihr auch trennbare Eigenschaft. Die Schwere macht die Substantialität der Materie aus, diese selbst ist das Streben nach dem - aber (dies ist die andere wesentliche Bestimmung) außer ihr fallenden - Mittelpunkt. Man kann sagen, die Materie werde vom Mittelpunkte attrahiert, d. h. ihr außereinanderseiendes kontinuierliches Bestehen negiert; aber wenn der Mittelpunkt selbst materiell vorgestellt wird, so ist das Attrahieren nur gegenseitig, zugleich ein Attrahiertwerden, und der Mittelpunkt wieder ein von ihnen Verschiedenes. Der Mittelpunkt ist aber nicht als materiell zu nehmen; denn das Materielle ist eben dies, seinen Mittelpunkt außer sich zu setzen. Nicht dieser, sondern dies Streben nach demselben ist der Materie immanent. Die Schwere ist sozusagen das Bekenntnis der Nichtigkeit des Außersichseins der Materie in ihrem Fürsichsein, ihrer Unselbständigkeit, ihres Widerspruchs. Man kann auch sagen, die Schwere ist das Insichsein der Materie, in diesem Sinne, daß, eben sofern sie noch nicht Mittelpunkt, Subjektivität an ihr selbst ist, sie noch unbestimmt, unentwickelt, unaufgeschlossen ist, die Form noch nicht materiell ist. Wo der Mittelpunkt liege, ist durch die schwere Materie, deren Mittelpunkt er ist, determiniert; insofern sie Masse ist, ist sie bestimmt, und damit ihr Streben, welches das und somit ein bestimmtes Setzen des Mittelpunktes ist.
Zusatz. Die Materie ist räumliche Entfernung, leistet Widerstand, stößt sich dabei von sich selbst ab; das ist die Repulsion, wodurch die Materie ihre Realität setzt und den Raum erfüllt. Die Vereinzelten, welche voneinander repelliert werden, sind aber alle nur Eins, viele Eins; sie sind eins, was das andere. Das Eins stößt sich nur von sich selbst ab; das ist das Aufheben der Entfernung der Fürsichseienden, die Attraktion. Beides zusammen macht als Schwere den Begriff der Materie aus; die Schwere ist das Prädikat der Materie, welches die Substanz dieses Subjekts ausmacht. Die Einheit der Schwere ist nur ein Sollen, eine Sehnsucht, das unglückseligste Streben, zu dem die Materie ewig verdammt ist; denn die Einheit kommt nicht zu sich selbst, sie erreicht sich nicht. Wenn die Materie das erreichte, was sie in der Schwere sucht, so schwitzte sie in einen Punkt zusammen. Die Einheit kommt hier noch nicht zustande, weil die Repulsion ein ebenso wesentliches Moment der Materie ist als die Attraktion. Die dumpfe, finstere Einheit wird nicht frei; indem die Materie aber dennoch das Ineinssetzen der Vielen zu ihrer Bestimmung hat, so ist sie nicht so dumm als die Philosophen-sein-Wollenden, welche Eins und Vieles auseinanderhalten und hierin von der Materie widerlegt werden. Die beiden Einheiten der Repulsion und Attraktion, obgleich die untrennbaren Momente der Schwere, vereinen sich dennoch nicht zu einer ideellen Einheit; erst im Licht kommt es, wie wir später sehen werden, zur Existenz dieser Einheit für sich. Die Materie sucht einen Ort außerhalb der Vielen; und da noch kein Unterschied unter den Suchenden ist, so ist nicht zu sehen, warum eins näher wäre als das andere. Sie sind in gleichen Abständen in der Peripherie, der gesuchte Punkt ist das Zentrum, und dies nach allen Dimensionen ausgedehnt, so daß die nächste Bestimmung, zu der wir kommen, die Kugel ist. Die Schwere ist eine Weise der Innerlichkeit der Materie, nicht ihre tote Äußerlichkeit; diese Innerlichkeit hat indessen hier noch nicht ihre Stelle, sondern jetzt ist die Materie noch das Innerlichkeitslose, der Begriff des Begrifflosen. Diese zweite Sphäre, die wir jetzt zu betrachten haben, ist daher die endliche Mechanik, weil hier die Materie ihrem Begriffe noch nicht angemessen ist. Diese Endlichkeit der Materie ist das Unterschiedensein der Bewegung und der Materie als solcher; endlich ist also die Materie, insofern ihr Leben, die Bewegung, ihr äußerlich ist. Einmal ruht der Körper, oder die Bewegung wird ihm von außen mitgeteilt; der erste Unterschied, der an der Materie als solcher ist, ist dieser; und dieses wird dann durch seine Natur, die Schwere, aufgehoben. Hier haben wir also die drei Bestimmungen der endlichen Mechanik: erstens die träge Materie, zweitens den Stoß und drittens den Fall, der den Übergang zur absoluten Mechanik macht, wo die Materie auch in ihrer Existenz dem Begriffe gemäß ist. Die Schwere kommt der Materie nicht nur an sich zu, sondern insofern das Ansich schon erscheint; das ist der Fall, wo also die Schwere erst eintreten wird.
53) vgl. Zweites Hauptstück: "Metaphysische Anfangsgründe der Dynamik"
54) Erstausgabe von 1812
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