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Begriff der Natur
§ 247
Die Natur hat sich als die Idee in der Form des Andersseins ergeben. Da die Idee so als das Negative ihrer selbst oder sich äußerlich ist, so ist die Natur nicht äußerlich nur relativ gegen diese Idee (und gegen die subjektive Existenz derselben, den Geist), sondern die Äußerlichkeit macht die Bestimmung aus, in welcher sie als Natur ist.
Zusatz. Ist Gott das Allgenügende, Unbedürftige, wie kommt er dazu, sich zu einem schlechthin Ungleichen zu entschließen? Die göttliche Idee ist eben dies, sich zu entschließen, dieses Andere aus sich herauszusetzen und wieder in sich zurückzunehmen, um Subjektivität und Geist zu sein. Die Naturphilosophie gehört selbst zu diesem Wege der Rückkehr; denn sie ist es, welche die Trennung der Natur und des Geistes aufhebt und dem Geiste die Erkenntnis seines Wesens in der Natur gewährt. Dies nun ist die Stellung der Natur im ganzen, ihre Bestimmtheit ist dies, daß die Idee sich selbst bestimmt, d. h. den Unterschied in sich setzt, ein Anderes, aber so, daß sie in ihrer Unteilbarkeit unendliche Güte ist und dem Anderssein ihre ganze Fülle erteilt und mitgibt. Gott bleibt sich also in seinem Bestimmen gleich; jedes dieser Momente ist selbst die ganze Idee und muß als die göttliche Totalität gesetzt werden. Das Unterschiedene kann unter dreierlei Formen gefaßt werden: das Allgemeine, das Besondere und das Einzelne. Einmal bleibt das Unterschiedene aufbehalten in der ewigen Einheit der Idee; das ist der λόγος, der ewige Sohn Gottes, wie es Philon faßte. Zu diesem Extrem ist das andere die Einzelheit, die Form des endlichen Geistes. Als Rückkehr in sich selbst ist zwar die Einzelheit Geist, aber als Anderssein mit Ausschließung aller anderen endlicher oder menschlicher Geist, denn andere endliche Geister als Menschen gehen uns nichts an. Indem der einzelne Mensch zugleich in Einheit mit dem göttlichen Wesen gefaßt wird, so ist er der Gegenstand der christlichen Religion; und das ist die ungeheuerste Zumutung, die an denselben gemacht werden kann. Die dritte Form, die uns hier angeht, die Idee in der Besonderheit, ist die Natur, die zwischen beiden Extremen liegt. Diese Form ist die erträglichste für den Verstand: der Geist ist als der für sich existierende Widerspruch gesetzt, denn die unendlich freie Idee und sie in der Form der Einzelheit sind in objektivem Widerspruche; in der Natur ist der Widerspruch nur an sich oder für uns, indem das Anderssein als ruhige Form an der Idee erscheint. In Christus ist der Widerspruch gesetzt und aufgehoben, als Leben, Leiden und Auferstehen; die Natur ist der Sohn Gottes, aber nicht als der Sohn, sondern als das Verharren im Anderssein, - die göttliche Idee als außerhalb der Liebe für einen Augenblick festgehalten. Die Natur ist der sich entfremdete Geist, der darin nur ausgelassen ist, ein bacchantischer Gott, der sich selbst nicht zügelt und faßt; in der Natur verbirgt sich die Einheit des Begriffs. Die denkende Naturbetrachtung muß betrachten, wie die Natur an ihr selbst dieser Prozeß ist, zum Geiste zu werden, ihr Anderssein aufzuheben, - und wie in jeder Stufe der Natur selbst die Idee vorhanden ist; von der Idee entfremdet, ist die Natur nur der Leichnam des Verstandes. Die Natur ist aber nur an sich die Idee, daher sie Schelling eine versteinerte, andere sogar die gefrorene Intelligenz nannten; der Gott bleibt aber nicht versteinert und verstorben, sondern die Steine schreien und heben sich zum Geiste auf. Gott ist Subjektivität, Tätigkeit, unendliche Aktuosität, worin das Andere nur momentan ist und an sich in der Einheit der Idee bleibt, weil es selbst diese Totalität der Idee ist. Ist die Natur die Idee in der Form des Andersseins, so ist, nach dem Begriffe der Idee, die Idee darin nicht, wie sie an und für sich ist, obgleich nichtsdestoweniger die Natur eine der Weisen der Idee ist, sich zu manifestieren, und darin vorkommen muß. Daß diese Weise der Idee aber die Natur sei, das ist das zweite, was zu erörtern und zu erweisen ist; zu dem Ende müssen wir eine Vergleichung anstellen, ob jene Definition der Vorstellung entspricht, was in der Folge vorkommen wird. Übrigens hat sich die Philosophie nicht um die Vorstellung zu bekümmern, noch braucht sie in jeder Rücksicht zu leisten, was die Vorstellung fordert, denn die Vorstellungen sind beliebig; aber im allgemeinen müssen beide doch übereinstimmen. Es ist bei dieser Grundbestimmung der Natur die Beziehung derselben auf die metaphysische Seite bemerklich zu machen, welche in Gestalt der Frage nach der Ewigkeit der Welt abgehandelt worden ist. Es könnte scheinen, daß wir hier die Metaphysik auf der Seite liegen lassen könnten; es ist jedoch hier die Stelle, sie vorzunehmen, und es hat nichts Bedenkliches, denn sie führt nicht in Weitläufigkeiten und ist gleich abgetan. Indem nämlich die Metaphysik der Natur, als die wesentliche Gedankenbestimmtheit ihres Unterschiedes, diese ist, daß die Natur die Idee in ihrem Anderssein ist, so liegt darin, daß sie wesentlich ein Ideelles ist oder das, was nur als relativ, nur in Verhältnis zu einem Ersten seine Bestimmtheit hat. Die Frage nach der Ewigkeit der Welt (diese verwechselt man mit der Natur, da sie doch eine Kollektion des Geistigen und Natürlichen ist) hat erstens den Sinn der Zeitvorstellung, einer Ewigkeit, wie man es heißt, einer unendlich langen Zeit, so daß sie keinen Anfang in der Zeit gehabt; zweitens liegt darin, daß die Natur als ein Unerschaffenes, Ewiges, für sich selbständig Gott gegenüber vorgestellt wird. Was das zweite betrifft, so ist dies durch die Bestimmtheit der Natur, die Idee in ihrem Anderssein zu sein, entfernt und gänzlich beseitigt. Was das erste betrifft, so ist, nach Entfernung des Sinnes der Absolutheit der Welt, nur die Ewigkeit in Beziehung auf die Zeitvorstellung vorhanden. Hierüber ist zu sagen: α) die Ewigkeit ist nicht vor oder nach der Zeit, nicht vor der Erschaffung der Welt, noch wenn sie untergeht; sondern die Ewigkeit ist absolute Gegenwart, das Jetzt ohne Vor und Nach. Die Welt ist erschaffen, wird erschaffen jetzt und ist ewig erschaffen worden; dies kommt in der Form der Erhaltung der Welt vor. Erschaffen ist die Tätigkeit der absoluten Idee; die Idee der Natur ist, wie die Idee als solche, ewig. β) Bei der Frage, ob nun die Welt, die Natur in ihrer Endlichkeit einen Anfang in der Zeit habe oder nicht, hat man die Welt oder die Natur überhaupt vor der Vorstellung, d. i. das Allgemeine; und das wahrhaft Allgemeine ist die Idee, von der schon gesagt worden, daß sie ewig. Das Endliche aber ist zeitlich, hat ein Vor und Nach; und wenn man das Endliche vor sich hat, so ist man in der Zeit. Es hat einen Anfang, aber keinen absoluten; seine Zeit fängt mit ihm an, und die Zeit ist nur des Endlichen. Die Philosophie ist zeitloses Begreifen, auch der Zeit und aller Dinge überhaupt, nach ihrer ewigen Bestimmung. Hat man so den absoluten Anfang der Zeit entfernt, so tritt die entgegengesetzte Vorstellung einer unendlichen Zeit ein; unendliche Zeit aber, wenn sie noch als Zeit, nicht als aufgehobene Zeit vorgestellt wird, ist noch von der Ewigkeit zu unterscheiden. Sie ist nicht diese Zeit, sondern eine andere Zeit, und wieder eine andere, und immer eine andere (§ 258), wenn der Gedanke das Endliche nicht in das Ewige auflösen kann. So ist die Materie ins Unendliche teilbar; d. i. dies ist ihre Natur, daß, was als Ganzes gesetzt wird, als Eins schlechthin sich selbst äußerlich, ein Vieles in sich sei. Aber sie ist nicht in der Tat ein Geteiltes, so daß sie aus Atomen bestände; sondern dies ist eine Möglichkeit, die nur Möglichkeit ist, d. h. dieses Teilen ins Unendliche ist nicht etwas Positives, Wirkliches, sondern nur ein subjektives Vorstellen. Ebenso ist die unendliche Zeit nur eine Vorstellung, ein Hinausgehen, das im Negativen bleibt; ein notwendiges Vorstellen, solange man in der Betrachtung des Endlichen als Endlichen bleibt. Gehe ich aber zum Allgemeinen über, zum Nichtendlichen, so habe ich den Standpunkt verlassen, auf welchem Einzelheit und deren Abwechslung stattfindet. In der 9/26 Vorstellung ist die Welt nur eine Sammlung von Endlichkeiten; wird sie aber als Allgemeines, als Totalität gefaßt, so fällt die Frage vom Anfang sogleich weg. Wo der Anfang zu machen, ist also unbestimmt; es ist ein Anfang zu machen, aber er ist nur ein relativer. Man geht darüber hinaus, aber nicht ins Unendliche, sondern nur zu einem weiteren Anfang, der freilich auch nur ein bedingter ist; kurz, es ist nur die Natur des Relativen ausgedrückt, weil wir im Endlichen sind. Dies ist diese Metaphysik, die zwischen abstrakten Bestimmungen herüber und hinüber geht, die sie für absolut nimmt. Eine runde, positive Antwort läßt sich auf die Frage nicht geben, ob die Welt ohne Anfang in der Zeit sei oder einen Anfang habe. Eine runde Antwort soll heißen, daß entweder das eine oder das andere sei. Die runde Antwort ist vielmehr, daß die Frage, dies Entweder-Oder, nichts taugt. Seid ihr im Endlichen, so habt ihr ebenso Anfang als Nichtanfang; diese entgegengesetzten Bestimmungen kommen dem Endlichen zu in ihrem Widerstreite, ohne Auflösung und Versöhnung; und so geht es unter, weil es der Widerspruch ist. Das Endliche hat ein Anderes vor sich; im Verfolg des endlichen Zusammenhangs muß man dies Vor aufsuchen, z. B. in der Geschichte der Erde oder Menschen. Da kommt man an kein Ende, ebenso als man mit jedem Endlichen zu einem Ende kommt; über die Vielheit des Endlichen hat die Zeit ihre Macht. Das Endliche hat einen Anfang, dieser Anfang ist aber nicht das Erste; das Endliche ist selbständig, aber diese Unmittelbarkeit ist ebenso beschränkt. Verläßt die Vorstellung dies bestimmte Endliche, welches ein Vor oder Nach hat, und geht zur leeren Vorstellung der Zeit über oder zur Welt überhaupt, so treibt sie sich in leeren Vorstellungen, d. i. bloß abstrakten Gedanken herum.
§ 248
In dieser Äußerlichkeit haben die Begriffsbestimmungen den Schein eines gleichgültigen Bestehens und der Vereinzelung gegeneinander; der Begriff ist deswegen als Innerliches. Die Natur zeigt daher in ihrem Dasein keine Freiheit, sondern Notwendigkeit und Zufälligkeit.
Die Natur ist darum nach ihrer bestimmten Existenz, wodurch sie eben Natur ist, nicht zu vergöttern, noch sind Sonne, Mond, Tiere, Pflanzen usf. vorzugsweise vor menschlichen Taten und Begebenheiten als Werke Gottes zu betrachten und anzuführen. - Die Natur ist an sich, in der Idee göttlich, aber wie sie ist, entspricht ihr Sein ihrem Begriffe nicht; sie ist vielmehr der unaufgelöste Widerspruch. Ihre Eigentümlichkeit ist das Gesetztsein, das Negative, wie die Alten die Materie überhaupt als das non-ens gefaßt haben. So ist die Natur auch als der Abfall der Idee von sich selbst ausgesprochen worden, indem die Idee als diese Gestalt der Äußerlichkeit in der Unangemessenheit ihrer selbst mit sich ist. - Nur dem Bewußtsein, das selbst zuerst äußerlich und damit unmittelbar ist, d. i. dem sinnlichen Bewußtsein, erscheint die Natur als das Erste, Unmittelbare, Seiende. - Weil sie jedoch, obzwar in solchem Elemente der Äußerlichkeit, Darstellung der Idee ist, so mag und soll man in ihr wohl die Weisheit Gottes bewundern. Wenn aber Vanini1) sagte, daß ein Strohhalm hinreiche, um das Sein Gottes zu erkennen, so ist jede Vorstellung des Geistes, die schlechteste seiner Einbildungen, das Spiel seiner zufälligsten Launen, jedes Wort ein vortrefflicherer Erkenntnisgrund für Gottes Sein als irgendein einzelner Naturgegenstand. In der Natur hat das Spiel der Formen nicht nur seine ungebundene, zügellose Zufälligkeit, sondern jede Gestalt für sich entbehrt des Begriffs ihrer selbst. Das Höchste, zu dem es die Natur in ihrem Dasein treibt, ist das Leben; aber als nur natürliche Idee ist dieses der Unvernunft der Äußerlichkeit hingegeben, und die individuelle Lebendigkeit ist in jedem Momente ihrer Existenz mit einer ihr anderen Einzelheit befangen; dahingegen in jeder geistigen Äußerung das Moment freier allgemeiner Beziehung auf sich selbst enthalten ist. - Ein gleicher Mißverstand ist es, wenn Geistiges überhaupt geringer geachtet wird als Naturdinge, wenn menschliche Kunstwerke natürlichen Dingen deswegen nachgesetzt werden, weil zu jenen das Material von außen genommen werden müsse und weil sie nicht lebendig seien. Als ob die geistige Form nicht eine höhere Lebendigkeit enthielte und des Geistes würdiger wäre als die natürliche Form, die Form überhaupt nicht höher als die Materie, und in allem Sittlichen nicht auch das, was man Materie nennen kann, ganz allein dem Geiste angehörte, als ob in der Natur das Höhere, das Lebendige, nicht auch seine Materie von außen nähme. - Die Natur bleibe, gibt man ferner als ihren Vorzug an, bei aller Zufälligkeit ihrer Existenzen ewigen Gesetzen getreu; aber doch wohl auch das Reich des Selbstbewußtseins! was schon in dem Glauben anerkannt wird, daß eine Vorsehung die menschlichen Begebenheiten leite; - oder sollten die Bestimmungen dieser Vorsehung im Felde der menschlichen Begebenheiten nur zufällig und unvernünftig sein? - Wenn aber die geistige Zufälligkeit, die Willkür, bis zum Bösen fortgeht, so ist dies selbst noch ein unendlich Höheres als das gesetzmäßige Wandeln der Gestirne oder als die Unschuld der Pflanze; denn was sich so verirrt, ist noch Geist.
Zusatz. Die unendliche Teilbarkeit der Materie heißt nichts anderes, als daß sie ein sich selbst Äußerliches ist. Die Unermeßlichkeit der Natur, welche zunächst den Sinn in Erstaunen setzt, ist eben diese Äußerlichkeit. Weil jeder materielle Punkt von allen anderen vollkommen unabhängig zu sein scheint, so hat die Begrifflosigkeit die Herrschaft in der Natur, die ihre Gedanken nicht zusammenbringt. Sonne, Planeten, Kometen, Elemente, Pflanzen, Tiere stehen einzeln für sich selbst da. Die Sonne ist ein gegen die Erde anderes Individuum, das nur die Schwere mit den Planeten verbindet. Erst im Leben kommt es zur Subjektivität, zum Gegenteil des Außereinander; Herz, Leber, Auge sind für sich keine selbständigen Individuen, und vom Körper abgerissen verfault die Hand. Der organische Körper ist noch das Mannigfaltige, Außereinanderseiende; aber jedes Einzelne besteht nur im Subjekt, und der Begriff existiert als die Macht jener Glieder. So kommt der Begriff, der in der Begrifflosigkeit nur ein innerlicher ist, erst im Leben als Seele zur Existenz. Die Räumlichkeit des Organismus hat gar keine Wahrheit für die Seele, sonst müßten wir soviel Seelen haben als Punkte, denn die Seele fühlt an jedem Punkte. Man muß sich durch den Schein des Außereinander nicht täuschen lassen, sondern erkennen, daß die Außereinanderseienden nur eine Einheit ausmachen; die Himmelskörper scheinen nur selbständig, sie sind Wächter einer Flur. Weil aber die Einheit in der Natur eine Beziehung scheinbar Selbständiger ist, so ist die Natur nicht frei, sondern nur notwendig und zufällig. Denn Notwendigkeit ist Untrennbarkeit von Unterschiedenen, die noch gleichgültig erscheinen; daß aber die Abstraktion des Außersichseins auch zu ihrem Rechte kommt, ist die Zufälligkeit, die äußerliche Notwendigkeit, nicht die innere Notwendigkeit des Begriffs. Man hat in der Physik viel von Polarität gesprochen; dieser Begriff ist ein großer Fortschritt der Physik in ihrer Metaphysik, denn der Gedanke der Polarität ist eben nichts anderes als die Bestimmung des Verhältnisses der Notwendigkeit zwischen zwei Verschiedenen, die Eines sind, insofern mit dem Setzen des einen auch das andere gesetzt ist. Diese Polarität schränkt sich nur auf den Gegensatz ein; durch den Gegensatz ist aber auch die Rückkehr aus dem Gegensatz als Einheit gesetzt, und das ist das Dritte. Dies ist es, was die Notwendigkeit des Begriffs mehr hat als die Polarität. In der Natur, als dem Anderssein, gehört zur ganzen Form der Notwendigkeit auch das Quadrat oder die Vierheit, z. B. in den vier Elementen, vier Farben usf., und weiter die Fünfheit, z. B. in den Fingern, den Sinnen; im Geiste ist die Grundform der Notwendigkeit die Dreiheit. Es existiert in der Natur die Totalität der Disjunktion des Begriffs als Vierheit darum, weil das Erste die Allgemeinheit als solche ist, das Zweite oder der Unterschied aber in der Natur selbst als ein Gedoppeltes erscheint, indem in der Natur das Andere für sich als Anderes existieren muß, so daß die subjektive Einheit der Allgemeinheit und Besonderheit das Vierte ist, das dann auch eine besondere Existenz gegen die drei anderen hat; ja, indem die Monas und die Duas selbst die ganze Besonderheit ausmachen, so kann die Totalität des Begriffs selbst zur Fünfheit fortgehen. Die Natur ist das Negative, weil sie das Negative der Idee ist. Jakob Böhme sagt, Gottes erste Geburt sei Luzifer, - dieses Lichtwesen habe sich in sich hineinimaginiert und sei böse geworden; das ist das Moment des Unterschiedes, das Anderssein, festgehalten gegen den Sohn, der das Anderssein in der Liebe ist. Solche Vorstellungen, die wild im orientalisierenden Geschmack vorkommen, haben ihren Grund und ihre Bedeutung in der negativen Natur der Natur. Die andere Form des Andersseins ist die Unmittelbarkeit, welche darin liegt, daß das Unterschiedene abstrakt für sich besteht. Dieses Bestehen ist aber nur momentan, kein wahrhaftes Bestehen; nur die Idee besteht ewig, weil sie Anundfürsichsein, d. i. Insichzurückgekehrtsein ist. Die Natur ist in der Zeit das Erste, aber das absolute Prius ist die Idee; dieses absolute Prius ist das Letzte, der wahre Anfang, das Α? ist das ΩO. Das Unmittelbare halten die Menschen oft für das Vorzüglichere, beim Vermittelten stellt man sich das Abhängige vor; der Begriff hat aber beide Seiten: er ist Vermittlung durch Aufhebung der Vermittlung, und so Unmittelbarkeit. So spricht man von einem unmittelbaren Glauben an Gott; das ist aber die degradierte Weise des Seins, nicht die höhere, wie denn auch die ursprünglichen, ersten Religionen Naturreligionen waren. Das Affirmative in der Natur ist das Durchscheinen des Begriffs; die nächste Weise, wie der Begriff seine Macht zeigt, ist die Vergänglichkeit dieser Äußerlichkeit; ebenso sind alle Existenzen aber auch ein Leib, in dem die Seele wohnt. Der Begriff manifestiert sich in diesen Riesengliedern, aber nicht als sich selbst; dies geschieht nur im Geiste, daß der Begriff existiert, wie er ist.
§ 249
Die Natur ist als ein System von Stufen zu betrachten, deren eine aus der andern notwendig hervorgeht und die nächste Wahrheit derjenigen ist, aus welcher sie resultiert, aber nicht so, daß die eine aus der andern natürlich erzeugt würde, sondern in der inneren, den Grund der Natur ausmachenden Idee. Die Metamorphose kommt nur dem Begriff als solchem zu, da dessen Veränderung allein Entwicklung ist. Der Begriff aber ist in der Natur teils nur ein Inneres, teils existierend nur als lebendiges Individuum; auf dieses allein ist daher die existierende Metamorphose beschränkt.
Es ist eine ungeschickte Vorstellung älterer, auch neuerer Naturphilosophie gewesen, die Fortbildung und den Übergang einer Naturform und Sphäre in eine höhere für eine äußerlich-wirkliche Produktion anzusehen, die man jedoch, um sie deutlicher zu machen, in das Dunkel der Vergangenheit zurückgelegt hat. Der Natur ist gerade die Äußerlichkeit eigentümlich, die Unterschiede auseinanderfallen und sie als gleichgültige Existenzen auftreten zu lassen; der dialektische Begriff, der die Stufen fortleitet, ist das Innere derselben. Solcher nebuloser, im Grunde sinnlicher Vorstellungen, wie insbesondere das sogenannte Hervorgehen z. B. der Pflanzen und Tiere aus dem Wasser und dann das Hervorgehen der entwickelteren Tierorganisationen aus den niedrigeren usw. ist, muß sich die denkende Betrachtung entschlagen.
Zusatz. Die Betrachtung der Nützlichkeit der natürlichen Dinge hat die Wahrheit in sich, daß sie nicht an und für sich absoluter Zweck sind; diese Negativität ist ihnen aber nicht äußerlich, sondern das immanente Moment ihrer Idee, das ihre Vergänglichkeit und Übergehen in eine andere Existenz, zugleich aber in einen höheren Begriff bewirkt. Der Begriff setzt alle Besonderheit auf allgemeine Weise zumal in die Existenz. Es ist völlig leer, die Gattungen vorzustellen als sich nach und nach in der Zeit evolvierend, der Zeitunterschied hat ganz und gar kein Interesse für den Gedanken. Wenn es allein ums Aufzählen zu tun ist, dem Sinn überhaupt die Reihe der Lebendigen nacheinander vorzuführen, wie sie sich in allgemeine Klassen teilen, es sei, daß sie immer entwickelter, reicher an Bestimmungen und Inhalt werden, und dabei somit von der dürftigsten [Bestimmung] angefangen wird, oder es sei in umgekehrter Richtung, so hat dies immer ein allgemeines Interesse. Es ist eine Ordnung überhaupt, wie schon in der Einteilung der Natur in die drei Reiche, und es ist besser, als wenn ich alles untereinandermenge; was sogleich für den Sinn überhaupt, den ahnenden Begriff etwas Zurückstoßendes hätte. Aber man muß nicht meinen, daß man eine solche trockene Reihenfolge dynamisch mache oder philosophisch oder begreiflicher, oder wie man es nennen will, wenn man die Vorstellung von Hervorgehen gebraucht. Die tierische Natur ist die Wahrheit der vegetabilischen, diese der mineralogischen; die Erde ist die Wahrheit des Sonnensystems. In einem System ist das Abstrakteste das Erste, das Wahre jeder Sphäre das Letzte; ebenso ist es aber nur das Erste einer höheren Stufe. Die Ergänzung einer Stufe aus der andern ist die Notwendigkeit der Idee, und die Verschiedenheit der Formen muß als eine notwendige und bestimmte aufgefaßt werden. Aus dem Wassertier ist aber nicht natürlich ein Landtier hervorgegangen, dieses nicht in die Luft geflogen, noch der Vogel dann etwa wieder zur Erde zurückgefallen. Will man die Stufen der Natur miteinander vergleichen, so ist es wohl richtig, wenn man bemerkt, daß dieses Tier eine Herzkammer, jenes zwei hat; aber man muß dann nicht sagen, es sind Stücke hinzugekommen, als wenn dies geschehen sei. Ebensowenig muß man die Kategorie früherer Stufen zur Erklärung der anderen Stufen gebrauchen; das ist ein formeller Unfug, wie wenn man sagt, die Pflanze ist Kohlenstoffpol, das Tier Stickstoffpol. Die zwei Formen, in denen der Stufengang der Natur gefaßt worden, sind Evolution und Emanation. Der Gang der Evolution, die vom Unvollkommenen, Formlosen anfängt, ist, daß zuerst Feuchtes und Wassergebilde waren, aus dem Wasser Pflanzen, Polypen, Molusken, dann Fische hervorgegangen seien, dann Landtiere; aus dem Tiere sei endlich der Mensch entsprungen. Diese allmähliche Veränderung nennt man Erklären und Begreifen, und diese von der Naturphilosophie veranlaßte Vorstellung grassiert noch; aber dieser quantitative Unterschied, wenn er auch am leichtesten zu verstehen ist, so erklärt er doch nichts. Der Gang der Emanation ist dem Morgenlande eigen; sie ist eine Stufenfolge der Verschlechterung, die vom Vollkommenen, von der absoluten Totalität, von Gott anfängt: er habe erschaffen, und Fulgurationen, Blitze, Abbilder von ihm seien hervorgetreten, so daß das erste Abbild ihm am ähnlichsten sei. Diese erste Produktion habe wieder tätig gezeugt, aber Unvollkommeneres, und so fort herunter, so daß jedes Erzeugte immer wieder erzeugend gewesen sei, bis zum Negativen, zur Materie, zur Spitze des Bösen. Die Emanation endet so mit dem Mangel aller Form. Beide Gänge sind einseitig und oberflächlich und setzen ein unbestimmtes Ziel. Der Fortgang vom Vollkommeneren zum Unvollkommeneren ist vorteilhafter, denn man hat dann den Typus des vollendeten Organismus vor sich; und dies Bild ist es, welches vor der Vorstellung dasein muß, um die verkümmerten Organisationen zu verstehen. Was bei ihnen als untergeordnet erscheint, z. B. Organe, die keine Funktionen haben, das wird erst deutlich durch die höheren Organisationen, in welchen man erkennt, welche Stelle es einnimmt. Das Vollkommene muß nun, wenn es vorteilhafter sein soll, nicht nur in der Vorstellung, sondern auch als existierend sein. Auch bei der Vorstellung der Metamorphose wird eine Idee zugrunde gelegt, welche in allen verschiedenen Gattungen, ebenso in den einzelnen Organen beharre, so daß sie nur Umbildungen der Form des einen und desselben Typus sind. So spricht man auch von der Metamorphose eines Insekts, indem z. B. Raupe, Puppe und Schmetterling ein und dasselbe Individuum sind; bei den Individuen freilich ist die Entwicklung eine zeitliche, aber bei der Gattung ist dies anders. Wenn die Gattung auf besondere Weise existiert, so sind zugleich die anderen Weisen der Existenz gesetzt; insofern Wasser ist, ist zugleich auch Luft, Feuer usw. gesetzt. Die Identität festzuhalten ist wichtig, das andere ist aber, den Unterschied: dieser ist zurückgestellt, wenn nur von quantitativer Veränderung die Rede ist; und das macht die bloße Vorstellung der Metamorphose ungenügend. Es fällt hierher die Vorstellung von den Reihen, welche die natürlichen Dinge, besonders die lebendigen bilden. Der Trieb, eine Notwendigkeit solchen Fortgangs zu erkennen, führt darauf, ein Gesetz der Reihe zu finden, eine Grundbestimmung, die, indem sie Verschiedenheit setze, sich zugleich in dieser wiederhole und zugleich dadurch eine neue Verschiedenheit erzeuge. Aber so ist das Bestimmen des Begriffs nicht beschaffen, eben nur immer wieder durch einen neuen gleichförmig bestimmten Zusatz sich zu vermehren und immer dasselbe Verhältnis aller Glieder untereinander zu beobachten. Es hat dem Fortschritte des Begreifens der Notwendigkeit der Gestaltungen wohl eben dieser Umstand der Vorstellung einer Reihe von Stufen und dergleichen besonders geschadet. Wenn so die Planeten, die Metalle oder die chemischen Körper überhaupt, die Pflanzen, Tiere in Reihen gestellt und ein Gesetz solcher Reihen gefunden werden soll, so ist dies eine vergebliche Bemühung, weil die Natur ihre Gestaltungen nicht so in Reih und Glied stellt und der Begriff nach qualitativer Bestimmtheit unterscheidet, insofern aber nur Sprünge macht. Der vormalige Spruch oder das sogenannte Gesetz: non datur saltus in natura, paßt für die Diremtion des Begriffs durchaus nicht; die Kontinuität des Begriffs mit sich selbst ist ganz anderer Natur.
§ 250
Der Widerspruch der Idee, indem sie als Natur sich selbst äußerlich ist, ist näher der Widerspruch einerseits der durch den Begriff gezeugten Notwendigkeit ihrer Gebilde und deren in der organischen Totalität vernünftigen Bestimmung, - andererseits deren gleichgültigen Zufälligkeit und unbestimmbaren Regellosigkeit. Die Zufälligkeit und Bestimmbarkeit von außen hat in der Sphäre der Natur ihr Recht. Am größten ist diese Zufälligkeit im Reiche der konkreten Gebilde, die aber als Naturdinge zugleich nur unmittelbar konkret sind. Das unmittelbar Konkrete nämlich ist eine Menge von Eigenschaften, die außereinander und mehr oder weniger gleichgültig gegeneinander sind, gegen die eben darum die einfache für sich seiende Subjektivität ebenfalls gleichgültig ist und sie äußerlicher, somit zufälliger Bestimmung überläßt. Es ist die Ohnmacht der Natur, die Begriffsbestimmungen nur abstrakt zu erhalten und die Ausführung des Besonderen äußerer Bestimmbarkeit auszusetzen.
Man hat den unendlichen Reichtum und die Mannigfaltigkeit der Formen und vollends ganz unvernünftigerweise die Zufälligkeit, die in die äußerliche Anordnung der Naturgebilde sich einmischt, als die hohe Freiheit der Natur, auch als die Göttlichkeit derselben oder wenigstens die Göttlichkeit in derselben gerühmt. Es ist der sinnlichen Vorstellungsweise zuzurechnen, Zufälligkeit, Willkür, Ordnungslosigkeit für Freiheit und Vernünftigkeit zu halten. - Jene Ohnmacht der Natur setzt der Philosophie Grenzen, und das Ungehörigste ist, von dem Begriffe zu verlangen, er solle dergleichen Zufälligkeiten begreifen - und, wie es genannt worden, konstruieren, deduzieren; sogar scheint man die Aufgabe um so leichter zu machen, je geringfügiger und vereinzelter das Gebilde sei2) . Spuren der Begriffsbestimmung werden sich allerdings bis in das Partikulärste hinein verfolgen, aber dieses sich nicht durch sie erschöpfen lassen. Die Spuren dieser Fortleitung und inneren Zusammenhangs werden den Betrachter oft überraschen, aber demjenigen insbesondere überraschend oder vielmehr unglaublich scheinen, der in der Natur- wie in der Menschengeschichte nur Zufälliges zu sehen gewohnt ist. Aber man hat darüber mißtrauisch zu sein, daß solche Spur nicht für Totalität der Bestimmung der Gebilde genommen werde, was den Übergang zu den erwähnten Analogien macht. In der Ohnmacht der Natur, den Begriff in seiner Ausführung festzuhalten, liegt die Schwierigkeit und in vielen Kreisen die Unmöglichkeit, aus der empirischen Betrachtung feste Unterschiede für Klassen und Ordnungen zu finden. Die Natur vermischt allenthalben die wesentlichen Grenzen durch mittlere und schlechte Gebilde, welche immer Instanzen gegen jede feste Unterscheidung abgeben, selbst innerhalb bestimmter Gattungen (z. B. des Menschen) durch Mißgeburten, die man einerseits dieser Gattung zuzählen muß, denen andererseits aber Bestimmungen fehlen, welche als wesentliche Eigentümlichkeit der Gattung anzusehen wären. - Um dergleichen Gebilde als mangelhaft, schlecht, mißförmig betrachten zu können, dafür wird ein fester Typus vorausgesetzt, der aber nicht aus der Erfahrung geschöpft werden könnte, denn diese eben gibt auch jene sogenannten Mißgeburten, Mißförmigkeiten, Mitteldinge usf. an die Hand: er setzte vielmehr die Selbständigkeit und Würde der Begriffsbestimmung voraus.
§ 251
Die Natur ist an sich ein lebendiges Ganzes; die Bewegung durch ihren Stufengang ist näher dies, daß die Idee sich als das setze, was sie an sich ist; oder, was dasselbe ist, daß sie aus ihrer Unmittelbarkeit und Äußerlichkeit, welche der Tod ist, in sich gehe, um zunächst als Lebendiges zu sein, aber ferner auch diese Bestimmtheit, in welcher sie nur Leben ist, aufhebe und sich zur Existenz des Geistes hervorbringe, der die Wahrheit und der Endzweck der Natur und die wahre Wirklichkeit der Idee ist.
Zusatz. Die Entwicklung des Begriffs nach ihrer Bestimmung, nach dem Ziel oder auch, wenn man will, Zweck, ist zu fassen als ein Setzen dessen, was er an sich ist: daß diese Bestimmungen seines Inhalts zur Existenz kommen, manifestiert werden, aber zugleich nicht als unabhängige, selbständige seien, sondern als Momente, die in seiner Einheit bleiben, als ideelle, d. i. gesetzte. Dieses Setzen kann somit gefaßt werden als eine Äußerung, Heraustreten, Auslegung, Außersichkommen, insofern sich die Subjektivität des Begriffs verlöre in dem Außereinander seiner Bestimmungen. Aber er erhält sich in ihnen als ihre Einheit und Idealität; und dies Herausgehen des Zentrums an die Peripherie ist daher ebensosehr, von der umgekehrten Seite angesehen, ein Resumieren dieses Heraus in die Innerlichkeit, ein Erinnern, daß er es sei, der in der Äußerung existiert. Von der Äußerlichkeit daher angefangen, in welcher der Begriff zuerst ist, ist sein Fortschritt ein Insichgehen ins Zentrum, d. h. die ihm unangemessene Existenz der Unmittelbarkeit, Äußerlichkeit zur subjektiven Einheit, zum Insichsein zu bringen; nicht so, daß der Begriff sich daraus herausziehe und sie als eine tote Schale liegen lasse, sondern vielmehr, daß die Existenz als solche in sich sei oder dem Begriffe angemessen, daß das Insichsein selbst existiere, welches das Leben ist. Der Begriff will die Rinde der Äußerlichkeit zersprengen und für sich werden. Das Leben ist der zu seiner Manifestation gekommene Begriff, der deutlich gewordene, ausgelegte Begriff, dem Verstande aber zugleich am schwersten zu fassen, weil für ihn das Abstrakte, Tote als das Einfachste, am leichtesten zu fassen ist.
1) Lucilio Vanini, 1585-1619, wegen Gotteslästerung verbrannt.
2) *Herr Krug hat in diesem und zugleich nach anderer Seite hin ganz naiven Sinne einst die Naturphilosophie aufgefordert, das Kunststück zu machen, nur seine Schreibfeder zu deduzieren. [vgl. Hegels Aufsatz "Wie der gemeine Menschenverstand die Philosophie nehme, - dargestellt an den Werken des Herrn Krug". Kritisches Journal der Philosophie, Bd. 1, Stück 1, 1802] - Man hätte ihm etwa zu dieser Leistung und respektiven Verherrlichung seiner Schreibfeder Hoffnung machen können, wenn dereinst die Wissenschaft so weit vorgeschritten und mit allem Wichtigeren im Himmel und auf Erden in der Gegenwart und Vergangenheit im Reinen sei, daß es nichts Wichtigeres mehr zu begreifen gebe.
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