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Vorlesungen über die Philosophie der Religion

 

c. Der Kultus

Dem Charakter der göttlichen Welt entspricht die subjektive Religion, das Sichselbsterfassen des Selbstbewußtseins im Verhältnis zu seiner göttlichen Welt.

Wie in dieser die Idee sich zum Hervortreten ihrer Grundbestimmungen entwickelt hat, aber diese sich einander äußerlich bleiben, und ebenso die empirische Welt gegen sie und gegen sich äußerlich und unverständig und daher der Willkür der Einbildung überlassen bleibt, - so kommt auch das nach allen Richtungen ausgebildete Bewußtsein nicht dazu, sich zur wahrhaften Subjektivität zu fassen. Obenan steht in dieser Sphäre die reine Gleichheit des Denkens, welche zugleich als in sich seiende, schöpferische Macht bestimmt ist.
Diese Grundlage ist aber rein
theoretisch; sie ist noch die Substantialität, aus welcher wohl an sich alles hervorgeht und darin gehalten ist, aber außer welcher aller Inhalt selbständig getreten und nicht nach seiner bestimmten Existenz und Verhalten durch jene Einheit zu einem objektiven und allgemeinen gemacht ist. Das nur theoretische, formelle Denken erhält den Inhalt, wie er als zufällig bestimmt erscheint; es kann wohl von ihm abstrahieren, aber ihn nicht zum Zusammenhang eines Systems und somit zu einem gesetzmäßigen Zusammensein erheben.
Das Denken erhält daher hier überhaupt nicht
praktische Bedeutung, d. h. die Wirksamkeit und der Wille gibt seinen Bestimmungen nicht die allgemeine Bestimmung, und die Form entwickelt sich zwar an sich nach der Natur des Begriffs, aber tritt nicht in der Bestimmung hervor, durch ihn gesetzt, in seiner Einheit gehalten zu sein. Die Wirksamkeit des Willens kommt daher nicht zur Willensfreiheit - nicht zu einem Inhalt, der durch die Einheit des Begriffs bestimmt, eben damit vernünftiger, objektiver, rechtmäßiger wäre. Sondern diese Einheit bleibt die der Existenz nach abgeschiedene, nur an sich seiende, substantielle Macht - der Brahma -, der die Wirklichkeit als Zufälligkeit entlassen hat und sie nun wild und willkürlich für sich gewähren läßt.

Der Kultus ist zuerst ein Verhältnis des Selbstbewußtseins zum Brahma, dann aber zu der übrigen, außer ihm seienden, göttlichen Welt.

α) Was das erste Verhältnis, das zu Brahma betrifft, so ist dasselbe für sich ebenso ausgezeichnet und eigentümlich als insofern, daß es sich isoliert von der übrigen konkreten, religiösen und zeitlichen Lebenserfüllung hält.

αα) Brahman ist Denken, der Mensch ist denkend; Brahman hat also im menschlichen Selbstbewußtsein wesentlich eine Existenz. Der Mensch aber ist überhaupt hier als denkend bestimmt, oder das Denken hat als solches, und zunächst als reine Theorie, hier allgemeine Existenz, weil das Denken selbst als solches, als Macht in sich, bestimmt ist, hiermit die Form überhaupt, nämlich abstrakt, oder die Bestimmung des Daseins überhaupt an ihm hat.

Der Mensch überhaupt ist nicht nur denkend, sondern er ist hier für sich Denken, er wird seiner als reines Denken bewußt; denn es ist soeben gesagt worden, daß das Denken hier als solches zur Existenz kommt, der Mensch hier die Vorstellung desselben in sich hat. Oder er ist für sich Denken, denn das Denken ist an sich die Macht; aber eben die Macht ist diese unendliche, die sich auf sich beziehende Negativität, welche Fürsichsein ist. Das Fürsichsein aber in die Allgemeinheit des Denkens überhaupt gehüllt, in ihr zur freien Gleichheit mit sich erhoben, ist Seele nur eines Lebendigen, nicht das mächtige, in der Einzelheit der Begierde befangene Selbstbewußtsein, sondern das sich in seiner Allgemeinheit wissende Selbst des Bewußtseins, welches so als sich denkend, in sich vorstellend, sich als Brahman weiß.

Oder gehen wir von der Bestimmung aus, daß Brahman das Wesen ist als abstrakte Einheit, Vertiefen in sich, so hat er auch als diese Vertiefung in sich, seine Existenz am endlichen Subjekt, am besonderen Geist. Zur Idee des Wahren gehört das Allgemeine, die substantielle Einheit und Gleichheit mit sich, aber so, daß sie nicht nur das Unbestimmte, nicht nur substantielle Einheit, sondern in sich bestimmt ist. Brahman aber hat die Bestimmtheit außer ihm. So kann die höchste Bestimmtheit des Brahman, nämlich das Bewußtsein, das Wissen seiner realen Existenz, diese Subjektivität der Einheit, nur das subjektive Bewußtsein als solches sein.

Dies Verhältnis ist nicht ein Kultus zu nennen, denn es ist keine Beziehung auf die denkende Substantialität als auf ein Gegenständliches, sondern es wird unmittelbar mit der Bestimmung meiner Subjektivität, als Ich selbst, gewußt. In der Tat bin Ich dies reine Denken, und Ich selbst ist sogar der Ausdruck desselben, denn Ich als solches ist diese abstrakte, bestimmungslose Identität meiner in mir, - Ich als Ich bin nur das Denken als das mit der Bestimmung der subjektiven, in sich reflektierten Existenz Gesetzte - das Denkende. Gleichfalls ist daher das Umgekehrte zuzugeben, daß das Denken als dieses abstrakte Denken eben diese Subjektivität, welche Ich zugleich ausdrückt, zu seiner Existenz hat; denn das wahrhafte Denken, welches Gott ist, ist nicht dies abstrakte Denken oder diese einfache Substantialität und Allgemeinheit, sondern das Denken nur als die konkrete, absolut erfüllte Idee. Das Denken, welches nur das Ansich der Idee ist, ist eben das abstrakte Denken, welches nur diese endliche Existenz, nämlich im subjektiven Selbstbewußtsein,  und gegen dieses nicht die Objektivität des konkreten Anundfürsichseins hat, daher mit Recht von diesem nicht verehrt wird.

Jeder Inder ist momentan selbst Brahman; Brahman ist dies Eine, die Abstraktion des Denkens; insofern der Mensch sich dahin versetzt, sich in sich zu sammeln, so ist er Brahman. Brahman selbst wird nicht verehrt; der eine Gott hat keinen Tempel, keinen Dienst, keine Gebete. Ein Engländer16) , Verfasser einer Abhandlung über den Götzendienst der Inder, stellt darüber viele Reflexionen an und sagt: "Wenn wir einen Hindu fragen, ob er Idole verehre, so wird er ohne das geringste Bedenken antworten: 'Ja, ich verehre Idole.' Man frage dagegen einen Hindu, einen gelehrten oder ungelehrten, gleichviel: 'Verehrt ihr das höchste Wesen, Parameschwara? betet ihr zu ihm, bringt ihr ihm Opfer dar?', so wird er sagen: 'niemals'. Wenn wir weiter fragen: 'Was ist diese stille Andacht, diese schweigende Meditation, die euch anbefohlen ist und so geübt wird?', so wird er erwidern: 'Wenn ich das Gebet verrichte, mich setze, die Beine übereinander verschränke, die Hände falte und gen Himmel blicke und meinen Geist und meine Gedanken sammle, ohne zu sprechen, so sage ich in mir selbst, ich bin Brahman das höchste Wesen.'"

ββ) Da mit diesem ersten Verhältnis nur ein Moment des einzelnen Gebets, der Andacht gesetzt ist, so daß Brahman in seiner Existenz nur momentan ist, und indem so diese Existenz solchem Inhalt und seiner Allgemeinheit unangemessen ist, so tritt die Forderung ein, daß diese Existenz zu einer allgemeinen gemacht werde, wie der Inhalt ist. Das Ich abstrakt als solches ist das Allgemeine, nur daß dies selbst nur ein Moment in der Existenz der Abstraktion ist; die nächste Forderung ist also, daß dies Abstraktum,
dies Ich dem Inhalt angemessen gemacht werde.
Dies Erheben heißt nichts anderes, als den
Übergang abbrechen aus dem Moment stiller Einsamkeit in das Leben, in die konkrete Gegenwart, in das konkrete Selbstbewußtsein. Es soll damit Verzicht getan werden auf alle Lebendigkeit, auf alle Verhältnisse des konkreten wirklichen Lebens zu dem Einen.
Alle lebendige Gegenwart, sei es die des Naturlebens oder des geistigen, der Familie, des Staats, der Kunst, der Religion, ist in die reine Negativität abstrakter Selbstlosigkeit aufgelöst.

Das Höchste, was so im Kultus erreicht wird, ist diese Vereinigung mit Gott, welche in der Vernichtung und Verdumpfung des Selbstbewußtseins besteht. Es ist das nicht die affirmative Befreiung und Versöhnung, sondern vielmehr nur die ganz negative, die vollkommene Abstraktion.
Es ist diese vollkommene Ausleerung, welche auf alles Bewußtsein, Wollen, Leidenschaften, Bedürfnisse Verzicht tut.
Der Mensch, solange er in seinem eigenen Bewußtsein verbleibt, ist nach indischer Vorstellung das Ungöttliche.
Die Freiheit des Menschen aber besteht gerade darin, nicht im Leeren, sondern im Wollen, Wissen, Handeln bei sich zu sein. Dem Inder ist dagegen die vollkommene Versenkung und Verdumpfung des Bewußtseins das Höchste, und wer sich in dieser Abstraktion hält und der Welt abgestorben ist, heißt ein Yogi.

Dies kommt bei den Indern zur Existenz, indem viele Hindu, welche nicht Brahmanen sind, es unternehmen und vollführen, sich zu dem vollkommen abstrakt sich verhaltenden Ich zu machen. Sie entsagen aller Bewegung, allem Interesse, allen Neigungen, indem sie sich einer stillen Abstraktion hingeben, sie werden von anderen verehrt und genährt, sie verharren sprachlos in stierer Dumpfheit, die Augen in die Sonne gerichtet oder mit geschlossenen Augen. Einige bleiben so das ganze Leben, andere zwanzig, dreißig Jahre. Es wird von einem dieser Hindu erzählt, er habe zehn Jahre gereist, ohne je zu liegen, indem er stehend geschlafen habe; die nächsten zehn Jahre habe er die Hände über dem Kopf gehalten, und dann habe er noch vorgehabt, sich an einem Fuße aufgehängt 3¾ Stunden über einem Feuer schwingen zu lassen und sich endlich 3¾ Stunden eingraben zu lassen. Dann hat er das Höchste erreicht, und hierdurch ist in der Meinung der Inder der Vollbringer solcher Bewegungslosigkeit, solcher Lebenslosigkeit ins Innere versenkt und fortdauernd als Brahman existierend.

Im Ramajana ist eine Episode, die uns ganz auf diesen Standpunkt versetzt. Es wird die Lebensgeschichte des Wischwamitra, des Begleiters des Rama (eine Inkarnation des Wischnu) erzählt.
Er sei ein mächtiger König gewesen und habe als solcher von dem Brahmanen Wasischtha eine Kuh (welche in Indien als die zeugende Kraft der Erde verehrt wird) verlangt, nachdem er die wunderbare Kraft derselben erkannt hatte; Wasischtha verweigert sie, darauf nimmt sie der König mit Gewalt, aber die Kuh entflieht wieder zum Wasischtha, macht ihm Vorwürfe, daß er sie sich habe nehmen lassen, da die Macht eines Kschatrijas (wie der König war) nicht größer sei als die eines Brahmanen. Wasischtha gibt dann der Kuh auf, ihm eine Macht gegen den König aufzustellen; dieser stellt dagegen wiederum sein ganzes Heer: die Heere von beiden Seiten werden wiederholt geschlagen. Wischwamitra erliegt aber doch endlich, nachdem auch seine hundert Söhne durch einen Wind, den Wasischtha aus seinem Nabel hatte fahren lassen, umgekommen waren; er überläßt voll Verzweiflung die Regierung seinem einzigen noch übrigen Sohne und begibt sich mit seiner Gemahlin ins Himalajagebirge, um die Gunst des Mahadewa (Schiwa) zu erlangen.
Durch seine strengen Übungen bewogen, läßt sich Mahadewa bereitfinden, seine Wünsche zu erfüllen; Wischwamitra bittet um die Wissenschaft des Bogens in seiner ganzen Ausdehnung, was ihm auch gewährt wird. Damit ausgerüstet will Wischwamitra den Wasischtha bezwingen; durch seine Pfeile zerstört er den Wald des Wasischtha, dieser aber greift zu seinem Stabe, der Brahmawaffe, und erhebt sie.
Da werden alle Götter mit Bangigkeit erfüllt, denn diese Gewalt drohte der ganzen Welt den Untergang; sie bitten den Brahmanen, abzulassen Wischwamitra erkennt die Macht desselben an und beschließt nun selbst, sich den härtesten Übungen zu unterwerfen, um zu dieser Macht zu gelangen; er begibt sich in die Einsamkeit und lebt da tausend Jahre in der Abstraktion allein mit seiner Gemahlin. Brahma kommt zu ihm und redet ihn an:
"Ich erkenne dich nun als den
ersten königlichen Weisen."
Wischwamitra, damit nicht zufrieden, fängt seine Büßungen von neuem an. Unterdes hatte sich ein indischer König an den Wasischtha gewendet mit dem Begehr, er möge ihn in seiner Körpergestalt in den Himmel erheben, es war ihm aber als einem Kschatrijas abgeschlagen worden; da er aber trotzig darauf bestand, wurde er vom Wasischtha zur Klasse der Tschandala herabgesetzt. Darauf begibt sich derselbe zum Wischwamitra mit demselben Verlangen; dieser richtet ein Opfer zu, wozu er die Götter einlädt; diese schlagen es jedoch aus, zu einem Opfer zu kommen, das für einen Tschandala gebracht würde. Wischwamitra, vermittels seiner Kraft, erhebt aber den König in den Himmel; aufs Gebot des Indra fällt er jedoch herab. Wischwamitra aber erhält ihn dann zwischen Himmel und Erde und erschafft darauf einen anderen Himmel, andere Plejaden, einen anderen Indra und einen anderen Kreis von Göttern.
Die Götter wurden mit Erstaunen erfüllt, sie wendeten sich demütig zum Wischwamitra und vereinigten sich mit ihm über eine Stelle, die sie jenem Könige im Himmel anwiesen. Wischwamitra wurde nach Verlauf von tausend Jahren belohnt, und Brahma nannte ihn das Haupt der Weisen, aber erklärte ihn noch nicht für einen Brahmanen. Da beginnt Wischwamitra seine Büßungen von neuem; den Göttern im Himmel wurde es bange, Indra versucht es, seine Leidenschaften zu erregen (zum vollendeten Weisen und Brahmanen gehört, daß er seine Leidenschaften unterworfen habe): er schickt ihm ein sehr schönes Mädchen, mit welchem Wischwamitra 25 Jahre lebt; dann aber entfernt sich Wischwamitra von ihr, indem er seine Liebe überwindet; vergeblich suchen die Götter ihn auch noch zum Zorn zu reizen. Es muß ihm zuletzt die Brahmakraft zugestanden werden.

Zu bemerken ist, daß dies keine Buße für Verbrechen ist, es wird nichts dadurch gutgemacht.
Diese Entsagung hat nicht das Bewußtsein der Sünde zur Voraussetzung. Dies ist hier nicht der Fall, sondern es sind Strengigkeiten (
austereties), um den Zustand des Brahman zu erreichen.
Es ist nicht Büßung in der Absicht angestellt, daß dadurch irgendein Verbrechen, Versündigung oder Beleidigung der Götter versöhnt werden soll; diese setzt ein Verhältnis voraus zwischen dem Werk des Menschen, seines
konkreten Seins und seiner Handlungen, und dem einen Gott - eine inhaltsvolle Idee, an welcher der Mensch den Maßstab und das Gesetz seines Charakters und Verhaltens habe und der er sich in seinem Willen und Leben angemessen machen soll. Allein das Verhältnis zum Brahman enthält noch nichts Konkretes, weil er selbst nur die Abstraktion der substantiellen Seele ist; alle weitere Bestimmung und Inhalt fällt außer ihm; ein Kultus als ein erfülltes, den konkreten Menschen betätigendes und dirigierendes Verhältnis findet daher nicht in der Beziehung zum Brahman statt, sondern wenn ein solches überhaupt vorhanden wäre, so würde es in der Verehrung der anderen Götter zu suchen sein.
Wie Brahman aber als das einsame, in sich verschlossene Wesen vorgestellt wird, so ist auch die Erhebung des einzelnen Selbstbewußtseins, das durch die angeführten Strengigkeiten sich seiner eigenen Abstraktion zu einem Perennierenden zu machen strebt, vielmehr eine
Flucht aus der konkreten Wirklichkeit des Gemüts und lebendiger Wirksamkeit; es verschwinden in dem Bewußtsein "Ich bin Brahman" alle Tugenden und Laster, alle Götter und endlich die Trimurti selbst. Das konkrete Bewußtsein seiner selbst und des objektiven Inhalts, das in der christlichen Vorstellung der Buße und Bekehrung des allgemeinen sinnlichen Lebens hierin aufgegeben wird, ist nicht als ein Sündliches, Negatives bestimmt - wie in dem Büßungsleben von Christen und christlichen Mönchen und in der Idee der Bekehrung -, sondern es umfaßt teils, wie soeben angegeben, den sonst für heilig geachteten Inhalt selbst, teils ist eben dies der Charakter des religiösen Standpunkts, den wir betrachten, daß alle Momente auseinanderfallen und jene höchste Einheit keinen Reflex in die Erfüllung des Gemüts und Lebens wirft.

Wenn das Absolute als das Geistig-Freie, Konkrete in sich gefaßt ist, so ist das Selbstbewußtsein nur als Wesentliches im religiösen Bewußtsein, insofern es in sich konkrete Bewegung, inhaltsvolle Vorstellung und Empfindung erhält. Ist aber das Absolute das Abstraktum des Jenseits oder des höchsten Wesens, so ist auch das Selbstbewußtsein, weil es Denkendes von Natur ist, von Natur gut, - das, was es sein soll.

Der Mensch, der sich so zum fortdauernden Brahman gemacht hat, gilt nun als das, was wir früher im Zauberer sahen, daß er die absolute Macht über die Natur erworben habe und sei. Es wird vorgestellt, daß der Indra, Gott des Himmels und der Erde, Angst und Bangnis bekomme vor solch einem Menschen. In Bopps17) Chrestomathie ist in einer Episode so die Geschichte zweier Riesen erwähnt, die dem Allmächtigen die Bitte um Unsterblichkeit vortragen; da sie aber jene Übungen nur vorgenommen haben, um zu solcher Macht zu kommen, so bewilligt er ihnen dieselbe nur insofern, daß sie nur durch sich selber umkommen. Sie üben nun alle Gewalt über die Natur aus, Indra bekommt Angst vor ihnen und benutzt das gewöhnliche Mittel, um jemand von solcher Übung abzuziehen: er läßt ein schönes Weib werden; jeder der Riesen will sie zur Frau haben, im Streit darüber bringen sie einander um, und dadurch ist dann der Natur geholfen.

γγ) Eine ganz eigentümliche Bestimmung ist noch, daß jeder Brahmane, jedes Mitglied dieser Kaste für Brahma gilt; er ist auch jedem anderen Hindu der Gott. Diese besondere Weise hängt aber mit den bisherigen Bestimmungen zusammen. Nämlich die zwei Formen, die wir gesehen haben, sind gleichsam nur ein abstraktes abgeschiedenes Verhältnis des Selbstbewußtseins zu Brahman, - ein nur momentanes das erste, das zweite nur die Flucht aus dem Leben das dauernde Leben im Brahman, der dauernde Tod aller Individualität. Die dritte Forderung ist daher, daß dies Verhältnis nicht bloß Flucht, Entsagung der Lebendigkeit sei, sondern daß es auch auf affirmative Weise gesetzt sei. Die Frage ist: wie muß die affirmative Weise dieses Verhältnisses beschaffen sein? Es kann kein anderes sein als die Form unmittelbarer Existenz. Es ist dies ein schwerer Übergang. Was nur innerlich, nur abstrakt ist, ist nur äußerlich, dies nur Abstrakte ist nun also unmittelbar das Sinnliche, sinnliche Äußerlichkeit. Indem das Verhältnis hier das ganz abstrakte zur ganz abstrakten Substanz ist, so ist das affirmative Verhältnis ebenso ein ganz abstraktes, mithin unmittelbares. Hiermit ist die konkrete Erscheinung gesetzt, daß das Verhältnis zum Brahman, des Selbstbewußtseins zu ihm, ein unmittelbares, natürliches ist, also ein angeborenes, durch die Geburt gesetztes Verhältnis.

Der Mensch ist denkend, und dies von Natur, es ist eine natürliche Qualität des Menschen; aber daß er denkend überhaupt ist, das ist verschieden von der Bestimmung, von der hier die Rede ist, von dem Bewußtsein des Denkens überhaupt als dem absolut Seienden. Wir haben in dieser Form überhaupt das Bewußtsein des Denkens, und dies ist denn als das Absolute gesetzt. Dies Bewußtsein des absoluten Seins ist es, was hier auf natürliche Weise existierend gesetzt ist oder als angeboren behauptet und gemeint wird, und daß es in diese Form herabgesetzt wird, beruht auf dem ganzen Verhältnis; denn obwohl Wissen, soll dies Bewußtsein doch auf unmittelbare Weise sein.

Indem nun der Mensch denkend ist und hiervon unterschieden wird das Bewußtsein des Denkens als des Allgemeinen, an sich Seienden, und beides ein Angeborenes ist, so folgt daraus, daß es zwei Klassen von Menschen gibt: die einen als denkende Menschen, als Menschen überhaupt, die anderen als die, welche das Bewußtsein des Menschen sind, als absolutes Sein.
Dies sind die Brahmanen, die Wiedergeborenen, durch die Geburt zweimal Geborenen: einmal natürlich, das andere Mal denkend geboren. Dies ist tief. Das Denken des Menschen ist hier angesehen als Quelle seiner zweiten Existenz, Wurzel seiner wahrhaften Existenz, die er sich durch Freiheit gibt.

Die Brahmanen sind von Hause aus zweimal geboren, und ihnen widerfährt die ungeheure Verehrung; wogegen alle anderen Menschen keinen Wert haben.
Das ganze Leben der Brahmanen drückt die Existenz Brahmans aus, ihr Tun besteht darin, Brahman hervorzubringen; ja, sie haben durch die Geburt das Vorrecht, die Existenz Brahmans zu sein. Wenn jemand aus einer niederen Kaste einen Brahmanen berührt, so hat er den Tod verwirkt. In Manus Gesetzen finden sich viele Bestrafungen bei Verbrechen gegen die Brahmanen. Wenn z. B. ein Schudra eine beschimpfende Rede gegen einen Brahmanen ausstößt, so wird ihm ein eiserner, zehn Zoll langer Stab glühend in den Mund gestoßen, und wenn er sich untersteht, einen Brahmanen belehren zu wollen, so wird ihm heißes Öl in den Mund und in die Ohren gegossen.
Den Brahmanen wird eine geheimnisvolle Macht beigeschrieben; es heißt im
Manu:
"Kein König ärgere einen Brahmanen; denn aufgebracht kann er sein Reich mit allen seinen festen Orten, seine Heere, Elefanten usf. zerstören."

Die höchste Spitze bleibt das abgesonderte Denken als Brahman ganz für sich, die zur Existenz kommt in diesem Vertiefen in Nichts, in diesem ganz leeren Bewußtsein, Anschauen. Dieser Brahman, dies höchste Bewußtsein des Denkens ist aber für sich, abgeschnitten, nicht als konkreter, wirklicher Geist; es ist darum auch nicht vorhanden im Subjekt ein lebendiger Zusammenhang mit dieser Einheit, sondern das Konkrete des Selbstbewußtseins ist geschieden von dieser Region, der Zusammenhang ist unterbrochen. Dies ist der Hauptpunkt dieser Sphäre, die zwar die Entwicklung der Momente hat, aber so, daß sie außereinander bleiben. Indem das Selbstbewußtsein so abgeschnitten ist, ist die Region desselben geistlos, d. h. auf natürliche Weise, als etwas Angeborenes, und insofern dies angeborene Selbstbewußtsein verschieden ist von dem allgemeinen, so ist es der Vorzug einiger. Der einzelne Dieser ist unmittelbar das Allgemeine, Göttliche; so existiert der Geist, aber der nur seiende ist der geistlose.
Dadurch fällt auch das Leben des Diesen als
Diesen und sein Leben in der Allgemeinheit vermittlungslos auseinander. In den Religionen, wo dies nicht der Fall ist, wo nämlich das Bewußtsein des Allgemeinen, der Wesenheit ins Besondere scheint, darin wirksam ist, entsteht Freiheit des Geistes, und es hängt damit, daß das Besondere durch das Allgemeine determiniert ist, Rechtlichkeit, Sittlichkeit zusammen. Im Privatrecht z. B. ist Freiheit des Individuums in Anwendung auf den Besitz der Sache: ich in dieser Besonderheit der Existenz bin frei; die Sache gilt als meine, eines freien Subjekts, und so ist die besondere Existenz determiniert durch das Allgemeine; meine besondere Existenz hängt zusammen mit dieser Allgemeinheit. Bei den Familienverhältnissen ist es ebenso. Sittlichkeit ist nur, indem die Einheit das Determinierende des Besonderen ist, alle Besonderheit ist determiniert durch die substantielle Einheit. Insofern dies nicht gesetzt ist, ist das Bewußtsein des Allgemeinen wesentlich ein abgeschnittenes, unwirksames, geistloses. Es ist also durch dies Isolieren das Höchste zu einem Unfreien, nur natürlich Geborenen gemacht.

β) Der eigentliche Kultus ist das Verhältnis des Selbstbewußtseins zu dem Wesenhaften, zu dem, was an und für sich ist, Bewußtsein des Einen in diesem Wesen, Bewußtsein seiner Einheit mit ihm; das Zweite ist dann das Verhältnis des Bewußtseins zu den selbst mannigfaltigen Gegenständen, - dies sind dann die vielen Gottheiten.

Brahman hat keinen Gottesdienst, keine Tempel und Altäre, die Einheit des Brahman wird nicht in Beziehung gesetzt auf das Reale, auf das wirksame Selbstbewußtsein. Aus dem Gesagten, daß das Bewußtsein des Einen isoliert ist, folgt, daß hier in dem Verhältnis zum Göttlichen nichts durch Vernunft bestimmt ist, denn dies heißt, daß die besonderen Handlungen, Symbole usf. determiniert sind durch die Einheit; hier ist aber die Region des Besonderen nicht durch diese Einheit bestimmt, hat so den Charakter der Unvernünftigkeit, Unfreiheit. Es gibt nur ein Verhalten zu besonderen Gottheiten, die losgebundene Natürlichkeit sind; es sind zwar die abstraktesten Momente durch den Begriff an sich bestimmt, aber nicht in die Einheit zurückgenommen, so daß die Trimurti der Geist würde; ihre Bedeutung ist deshalb nur eine Weise eines besonderen Stoffes.
Die Hauptbestimmung ist die Lebenskraft, das Erzeugende und Untergehende und das Lebendigwerden und Sichverändern; hieran schließen sich dann als Gegenstände der Verehrung Naturgegenstände, Tiere usf.
Der Kultus ist also hier ein Verhältnis zu diesen Besonderen, die einseitig abgeschnitten sind, also ein Verhältnis
zu unwesentlichen Dingen in natürlicher Form.
Das religiöse Tun ist ein wesentliches Tun; eine allgemeine Weise des Lebens wird damit vorgestellt, vollbracht, wird somit gewußt, verwirklicht. Hier aber ist das religiöse Tun ein Inhalt, der unwesentlich, ohne Vernunft ist.

Weil diese Stoffe überhaupt teils objektiv die Anschauung des Gottes sind, teils subjektiv das, was wesentlich zu tun ist, weil die Hauptsache unwesentlich wird, so ist der Kultus von unendlichem Umfang, alles kommt hinein; es ist gar nicht um den Inhalt zu tun, er hat keine Grenze in sich. Die religiösen Handlungen sind so vernunftlos in sich, sind auf ganz äußere Weise bestimmt. Was wesentlich sein soll, ist feststehend, in seiner Form der subjektiven Meinung, Willkür entnommen.
Hier ist aber der Gehalt diese
sinnliche Zufälligkeit und das Tun ein bloß seiendes Tun, Gewohnheiten, die nicht verstanden werden können, weil kein Verstand darin ist; es ist im Gegenteil darin eine Ungebundenheit nach allen Seiten gesetzt. Insofern darüber hinausgegangen wird und in den religiösen Handlungen auch Befriedigung sein muß, so ist dies nur durch sinnliche Betäubung. Das eine Extrem ist die Flucht der Abstraktion, die Mitte ist die Sklaverei sinnlosen Seins und Tuns, das andere Extrem ist die willkürliche Ausschweifung, die traurigste Religion. Insofern in diesem Kultus die Flucht gesetzt ist, so ist das gegenwärtige Tun bloß rein äußerliche Handlung, die vollbracht wird, bloße Werktätigkeit, und dazu kommt die wildeste Betäubung, Orgien der schrecklichsten Art. Dies ist der notwendige Charakter dieses Kultus, den er dadurch erhält, daß das Bewußtsein des Einen so getrennt ist, indem der Zusammenhang mit dem übrigen Konkreten unterbrochen ist und alles auseinander fällt. In der Einbildung ist die Wildheit und Freiheit gesetzt, in ihr hat die Phantasie ihr Feld. Wir finden so die schönste Poesie bei den Indern, aber immer mit der verrücktesten Grundlage; wir werden angezogen von der Lieblichkeit und abgestoßen von der Verworrenheit und dem Unsinn.

Die Weichheit und Lieblichkeit der zartesten Gefühle und die unendliche Hingebung der Persönlichkeit muß notwendig unter solchen Verhältnissen, wie sie diesem Standpunkte eigen sind, die höchste Schönheit haben, weil nur dieses Gefühl auf einer so vernunftlosen Grundlage ausschließend zur Schönheit ausgebildet ist. Aber weil dieses Gefühl der Hingebung ohne Rechtlichkeit ist, so stellt es eben deswegen eine Abwechslung mit der allergrößten Härte dar, und das Moment des Fürsichseins der Persönlichkeit geht so in Wildheit, in Vergessenheit aller festen Bande und in Zertretung der Liebe selbst über.

Aller Inhalt des Geistes und der Natur überhaupt ist wild auseinander gelassen. Jene Einheit, die obenan steht, ist wohl die Macht, aus der alles hervor-, in die alles zurückgeht; aber sie wird nicht konkret, nicht zum Band der mannigfachen Mächte der Natur, ebenso nicht konkret im Geist, nicht zum Band der vielerlei Geistestätigkeiten, Empfindungen.

Im ersten Fall, wenn die Einheit zum Bande der natürlichen Dinge wird, heißen wir sie Notwendigkeit; diese ist das Band der natürlichen Kräfte, Erscheinungen. So betrachten wir die natürlichen Eigenschaften, Dinge, daß sie in ihrer Selbständigkeit wesentlich aneinandergeknüpft sind; Gesetze, Verstand ist in der Natur, daß die Erscheinungen so zusammenhängen. - Aber jene Einheit bleibt einsam und leer für sich; daher ist jene Erfüllung eine wilde, ausgelassene Unordnung. Ebenso wird im Geistigen das Allgemeine, das Denken nicht ein konkretes, sich in sich bestimmendes. Daß das Denken sich in sich bestimmt und das Bestimmte in dieser Allgemeinheit aufgehoben ist, das reine Denken als konkret, ist Vernunft.

Pflicht, Recht ist nur im Denken: diese Bestimmungen, in Form der Allgemeinheit gesetzt, sind vernünftig in Ansehung der bewußten Wahrheit, Einheit und ebenso in Ansehung des Willens. Solche konkrete Einheit, Vernunft, Vernünftigkeit wird jenes Eine, jene einsame Einheit auch nicht. Es ist deswegen hier auch kein Recht, keine Pflicht vorhanden; denn die Freiheit des Willens, des Geistes ist eben, in der Bestimmtheit bei sich zu sein; aber dieses Beisichsein, diese Einheit ist hier abstrakt, bestimmungslos. Das ist die Quelle einerseits für diese phantastische Vielgötterei der Inder.

Es ist bemerkt, daß es hier nicht die Kategorie des Seins gibt; für das, was wir Selbständigkeit nennen an den Dingen oder daß wir sagen: "sie sind", "es gibt", dafür haben die Inder keine Kategorie, sondern als Selbständiges weiß der Mensch zunächst nur sich; ein Selbständiges der Natur stellt er sich daher vor als mit seiner Selbständigkeit, in der Weise der Selbständigkeit, die er an ihm hat, in seinem Sein, in seiner menschlichen Gestalt, Bewußtsein.

Die Phantasie macht hier alles zu Gott; es ist dies, was wir in seiner Weise auch bei den Griechen sehen, daß alle Bäume, Quellen zu Dryaden, Nymphen gemacht sind. Wir sagen: die schöne Phantasie des Menschen beseelt, belebt alles, stellt sich alles vor als begeistet, daß der Mensch unter seinesgleichen wandle, alles anthropomorphisiere, durch seine schöne Sympathie allem die schöne Weise erteile, die er selbst habe, und so alles als beseelt an seinen Busen drückt.

Daß aber die Inder in dieser wilden Ausgelassenheit so freigebig sind, ihre Weise des Seins mitzuteilen, diese Freigebigkeit hat in einer schlechten Vorstellung von sich, darin ihren Grund, daß der Mensch noch nicht in sich hat den Inhalt der Freiheit des Ewigen, wahrhaft an und für sich Seienden, daß er seinen Inhalt, seine Bestimmung noch nicht höher weiß als den Inhalt einer Quelle, eines Baumes. Es ist alles an die Einbildung verschwendet und für das Leben nichts übrigbehalten. Bei den Griechen ist das mehr ein Spiel der Phantasie; bei den Indern ist kein höheres Selbstgefühl von ihnen selbst vorhanden: die Vorstellung, die sie vom Sein haben, ist nur die, die sie von sich haben; mit allen Gebilden der Natur setzen sie sich auf gleiche Stufe. Dies ist, weil das Denken so ganz in diese Abstraktion verfällt.

Diese Naturmächte nun, deren Sein so vorgestellt wird als anthropomorphisch und als bewußt, sind über dem konkreten Menschen, der als Physikalisches abhängig ist von ihnen und seine Freiheit noch nicht unterscheidet gegen diese seine natürliche Seite.

Damit hängt zusammen, daß das Leben des Menschen keinen höheren Wert hat als das Sein von Naturgegenständen, das Leben eines Natürlichen.
Das Leben des Menschen hat nur Wert, wenn es selbst höher in sich selbst ist; das menschliche Leben bei den Indern aber ist ein Verachtetes, Geringgeschätztes: Wert kann der Mensch hier sich nicht geben auf affirmative, sondern auf negative Weise. Das Leben erhält bloß Wert durch die
Negation seiner selbst. Alles Konkrete ist nur negativ gegen die Abstraktion, die hier das Herrschende ist.
Daraus folgt diese Seite des indischen Kultus, daß Menschen sich, Eltern ihre Kinder opfern; hierher gehört auch das Verbrennen der Weiber nach dem Tode des Mannes.
Diese Opfer haben einen höheren Wert, wenn sie ausdrücklich mit Rücksicht auf Brahman oder irgendeinen Gott geschehen, denn dieser ist auch Brahman.
- Das gilt für ein hohes Opfer, wenn sie zu den Schneefelsen des Himalaja hinaufsteigen, wo die Quellen des Ganges sind, und sich in diese Quellen stürzen.
Das sind keine Büßungen wegen Verbrechen, keine Opferungen, um etwas Böses gutzumachen, sondern Opfer, bloß um sich Wert zu geben; dieser Wert kann nur erlangt werden auf negative Weise.

Mit der Stellung, die hier dem Menschen gegeben wird, hängt auch der Tierdienst der Inder zusammen. Das Tier ist nicht ein bewußter Geist, aber der Mensch ist eben in der Konzentration der Bewußtlosigkeit auch nicht weit vom Tiere entfernt. Das Wirken ist bei den Indern nicht vorgestellt als bestimmte Tätigkeit, sondern als einfache, durchwirkende Kraft. Die besondere Tätigkeit wird gering geachtet; nur die Verdumpfung gilt, bei der dann allerdings bloß die Lebendigkeit des Tieres übrigbleibt. Und ist keine Freiheit, keine Moralität, Sittlichkeit vorhanden, so ist die Macht nur als innerliche, dumpfe Macht gewußt, die auch dem Tiere und diesem in der vollendetsten Dumpfheit zukommt.

Indem der Mensch auf diese Weise ohne Freiheit ist, keinen Wert in sich hat, so ist damit verbunden in konkreter Ausdehnung dieser unsägliche, unendlich viele Aberglaube, diese enormen Fesseln und Beschränkungen. Das Verhältnis zu äußerlichen, natürlichen Dingen, das dem Europäer unbedeutend ist, diese Abhängigkeit wird zu einem Festen, Bleibenden gemacht. Denn der Aberglaube hat eben seinen Grund darin, daß der Mensch nicht gleichgültig ist gegen die äußerlichen Dinge, und er ist dies nicht, wenn er in sich keine Freiheit, nicht die wahrhafte Selbständigkeit des Geistes hat. Alles Gleichgültige ist fest, während alles Nichtgleichgültige, das Rechtliche und Sittliche losgelassen und der Willkür preisgegeben ist.

Hierher gehören die Vorschriften der Brahmanen, die sie zu beobachten haben; zu vergleichen ist die Erzählung von Nala im Mahabharata. Ebenso wie der Aberglaube wegen dieses Mangels an Freiheit unabsehbar ist, folgt auch daraus, daß keine Sittlichkeit, keine Bestimmung der Freiheit, keine Rechte, keine Pflichten stattfinden, daß das indische Volk in die höchste Unsittlichkeit versunken ist. Da keine vernünftige Bestimmung sich bis zur Solidität hat ausbilden können, so konnte auch der gesamte Zustand dieses Volkes nie ein rechtlicher und in sich berechtigter werden und war er nur ein vergönnter, zufälliger und verwirrter.

16) vermutlich Kapitän Francis Wilfort, der von 1781-1822 in Ostindien lebte

17) Franz Bopp, 1791-1867, Begründer der vergleichenden Sprachforschung

 

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