a. Anselmus
Unter den Männern, welche kirchliche Lehren auch durch den Gedanken erweisen wollten, ist Anselm angesehen. Anselmus, geboren zu Aosta in Piemont gegen 1034, ein sehr geehrter Mann, wurde 1060 Mönch zu Bec und sogar 1093 zum Erzbischof von Canterbury erhoben; er ist 1109 gestorben.1) Er hat die Lehre der Kirche auf philosophische Weise zu betrachten und zu beweisen gesucht; es wird sogar von ihm gesagt, daß er den Grund zur scholastischen Philosophie gelegt habe.
Er sagt in Ansehung des Verhältnisses des Glaubens zum Denken folgendes: "Der Christ muß durch den Glauben zur Vernunft fortgehen", vom Glauben anfangen, "nicht von der Vernunft aus zum Glauben kommen; noch weniger aber, wenn er nicht zu begreifen vermag, vom Glauben abgehen. Aber auch wenn er zum Erkennen durchzudringen vermag, so hat er seine Freude daran", daß er das erkennt, was er sonst nur glaubte; "wo nicht, so verehrt er", - so muß er bei der Lehre der Kirche bleiben. "Unser Glaube ist gegen die Gottlosen mit der Vernunft zu verteidigen, nicht gegen die Christen; denn von diesen wird vermutet, daß sie die durch die Taufe übernommene Verbindlichkeit halten werden. Jenen muß aufgezeigt werden, wie unvernünftig sie gegen uns streiten." 2) Sehr merkwürdig ist folgendes, was das Ganze seines Sinnes enthält. In seinem Traktatus Cur Deus homo, der reich an Spekulationen ist, sagt er (I, 2): "Es scheint mir eine Nachlässigkeit zu sein, wenn wir im Glauben fest sind und nicht suchen, das, was wir glauben, auch zu begreifen." Jetzt erklärt man dies für Hochmut, unmittelbares Wissen, Glauben hält man für höher als Erkennen. Anselmus aber und die Scholastiker haben das Gegenteil sich zum Zweck gemacht. Weiter lesen >>>
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