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α. Die Luft
§ 282
Das Element der unterschiedslosen Einfachheit ist nicht mehr die positive Identität mit sich, die Selbstmanifestation, welche das Licht als solches ist, sondern ist nur negative Allgemeinheit, als zum selbstlosen Moment eines Anderen herabgesetzt, daher auch schwer. Diese Identität ist als die negative Allgemeinheit die verdachtlose, aber schleichende und zehrende Macht über das Individuelle und Organische; die gegen das Licht passive, durchsichtige, aber alles Individuelle in sich verflüchtigende, nach außen mechanisch elastische, in alles eindringende Flüssigkeit, - die Luft.
Zusatz. 1. Das Band der Individualität, die Beziehung der Momente aufeinander ist das innere Selbst des individuellen Körpers; diese Selbstischkeit, frei für sich genommen, ohne alle gesetzte Individualisierung, ist die Luft, wiewohl dies Element die Bestimmung des Fürsichseins, der Punktualität, an sich enthält. Die Luft ist das Allgemeine, wie es in Verhältnis gesetzt ist zur Subjektivität, zur unendlich sich auf sich beziehenden Negativität, zum Fürsichsein, mithin das Allgemeine als unterworfenes Moment, in der Bestimmung des Relativen. Die Luft ist das Unbestimmte, absolut Bestimmbare; sie ist noch nicht in sich selbst bestimmt, sondern nur durch ihr Anderes bestimmbar, und das ist das Licht, weil es das freie Allgemeine ist. So steht die Luft im Verhältnis zum Licht; sie ist das absolut Durchgängige für das Licht, das passive Licht, überhaupt das Allgemeine als passiv gesetzt. Ebenso ist das Gute, als das Allgemeine, auch das Passive, indem es erst durch die Subjektivität verwirklicht wird, nicht sich durch sich selbst betätigend ist. Das Licht ist auch an sich das Passive; aber es ist noch nicht als solches gesetzt. Die Luft ist nicht finster, sondern durchsichtig, weil sie die Individualität nur an sich ist; erst das Irdische ist das Undurchsichtige. 2. Die zweite Bestimmung ist, daß die Luft das schlechthin Tätige gegen das Individuelle, die wirksame Identität ist, während das Licht nur abstrakte Identität war. Das Erleuchtete setzt sich nur ideell im Anderen; die Luft aber ist diese Identität, welche jetzt unter ihresgleichen ist und sich zu physikalischen Materien verhält, die nach ihrer physikalischen Bestimmtheit füreinander existieren und einander berühren. Diese Allgemeinheit der Luft ist somit der Trieb, das Andere, zu dem sie sich verhält, real identisch zu setzen; das Andere aber der Luft, welches sie mit sich identisch setzt, ist das Individualisierte, Partikularisierte überhaupt. Aber weil sie selbst nur Allgemeinheit ist, so tritt sie in diesem ihrem Tun nicht als individueller Körper auf, der Macht hat an diese Individualisierten, um sie aufzulösen. Die Luft ist so das schlechthin Korrosive, der Feind des Individuellen, der es als allgemeines Element setzt. Das Verzehren ist aber unscheinbar, bewegungslos und manifestiert sich nicht als Gewalt, sondern schleicht sich überall ein, ohne daß man der Luft etwas ansieht, wie die Vernunft sich ins Individuelle insinuiert und es auflöst. Die Luft macht daher riechend; denn das Riechen ist nur dieser unscheinbare, immer fortgehende Prozeß des Individuellen mit der Luft. Alles dünstet aus, zerstäubt in feine Teile; und das Residuum ist geruchlos. Das Organische ist durchs Atmen auch im Kampfe mit der Luft, wie es überhaupt von den Elementen bekämpft wird; eine Wunde z. B. wird allein gefährlich durch die Luft. Das organische Leben hat nur die Bestimmung, sich immer wieder herzustellen im Prozesse seiner Zerstörung. Das Unorganische, was diesen Kampf nicht bestehen kann, muß verfaulen; was festere Konsistenz hat, erhält sich zwar, ist aber immer von der Luft angegriffen. Animalische Gebilde, die nicht mehr leben, erhält man vor dem Untergang, wenn man sie von der Luft abschließt. Diese Zerstörung kann vermittelt sein, wie z. B. die Feuchtigkeit den Prozeß zu einem bestimmten Produkte bringt, das ist dann aber nur Vermittlung, da die Luft schon als solche das Zehren ist. Die Luft ist, als das Allgemeine, rein, aber nicht das träge Reine, denn was in der Luft verduftet, erhält sich nicht darin, sondern wird zur einfachen Allgemeinheit reduziert. Die mechanische Physik meint, die feinen Teile solcher in der Luft aufgelösten Körper schweben noch darin, seien aber nicht mehr riechbar, eben weil sie so klein verteilt sind. Man will sie also nicht untergehen lassen; wir aber müssen nicht so zärtlich mit der Materie sein, sie beharrt nicht als nur im Identitätssysteme des Verstandes. Die Luft reinigt sich, verwandelt alles in Luft, ist nicht Sammelsurium von Materien; weder Geruch, noch chemische Untersuchung bewährt dies. Der Verstand bringt zwar die Ausrede der Feinheit bei und hat ein großes Vorurteil gegen das Wort "verwandeln"; was die Wahrnehmung aber nicht gibt, hat die empirische Physik kein Recht als seiend zu behaupten, und will sie nur empirisch verfahren, so müßte sie sagen, daß es vergeht. 3. Die Luft leistet als Materie überhaupt Widerstand, aber bloß quantitativ als Masse, nicht auf Weise des Punktuellen, Individuellen, wie andere Körper. Biot (Traité de Physique I, p. 188) sagt daher: "Tous les gaz permanents, exposés à des températures égales, sous la même pression, se dilatent exactement de la même quantité."77) Indem die Luft nur als Masse Widerstand leistet, ist sie gleichgültig gegen den Raum, den sie einnimmt. Sie ist nicht starr, sondern kohäsionslos und hat nach außen keine Gestalt. Sie ist bis auf einen gewissen Grad kompressibel, denn sie ist nicht absolut raumlos, d. h. sie ist ein Außereinander, aber kein atomistisches, als ob das Prinzip der Vereinzelung in ihr zu Existenz käme. Hierher gehört, daß in demselben Raume andere Gasarten Platz haben; und das ist die zur Allgemeinheit der Luft gehörende Erscheinung ihrer Durchdringlichkeit, vermöge welcher sie nicht in sich individualisiert ist. Wenn man nämlich eine Glaskugel mit atmosphärischer Luft, die andere mit Wasserdampf füllt, so kann man diesen in die erste Glaskugel ausschütten, so daß diese noch so viel aufnehmen kann, als ob keine Luft darin wäre. Die Luft, mechanisch gewaltsam zusammengedrückt, so daß sie als Intensives gesetzt wird, kann so weit gehen, daß das räumliche Außereinander gänzlich aufgehoben wird. Das ist eine der schönsten Entdeckungen. Man hat bekanntlich Feuerzeuge dieser Art: einen Zylinder mit einem Stempel, der darein paßt, und unten Zunder; preßt man den Stempel hinein, so wird aus der komprimierten Luft ein Funken, der den Zunder entzündet; ist die Röhre durchsichtig, so sieht man den Funken entstehen. Hier kommt die ganze Natur der Luft zum Vorschein, daß sie dies Allgemeine, mit sich Identische, Verzehrende ist. Dieses Unscheinbare, riechend Machende wird auf den Punkt reduziert; so ist das wirksame Fürsichsein, was an sich war, hier als für sich seiendes Fürsichsein gesetzt. Das ist der absolute Ursprung des Feuers: die tätige Allgemeinheit, welche verzehrt, kommt zur Form, wo das gleichgültige Bestehen aufhört; es ist nicht mehr allgemeine, sondern unruhige Beziehung auf sich. Jener Versuch ist darum so schön, weil er den Zusammenhang von Luft und Feuer in ihrer Natur zeigt. Die Luft ist ein schlafendes Feuer; um es zur Erscheinung zu bringen, braucht man nur ihre Existenz zu ändern.
77) Jean Baptiste Biot, Traité de physique experimentale et mathématique, 4 Bde., Paris 1816. "Alle permanenten Gase dehnen sich bei gleicher Temperatur und gleichem Druck um gleichviel aus."
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