§ 2
Die Rechtswissenschaft ist ein Teil der Philosophie. Sie hat daher die Idee, als welche die Vernunft eines Gegenstandes ist, aus dem Begriffe zu entwickeln oder, was dasselbe ist, der eigenen immanenten Entwicklung der Sache selbst zuzusehen. Als Teil hat sie einen bestimmten Anfangspunkt, welcher das Resultat und die Wahrheit von dem ist, was vorhergeht und was den sogenannten Beweis desselben ausmacht. Der Begriff des Rechts fällt daher seinem Werden nach außerhalb der Wissenschaft des Rechts, seine Deduktion ist hier vorausgesetzt, und er ist als gegeben aufzunehmen.
Zusatz. Die Philosophie bildet einen Kreis: sie hat ein Erstes, Unmittelbares, da sie überhaupt anfangen muß, ein nicht Erwiesenes, das kein Resultat ist. Aber womit die Philosophie anfängt, ist unmittelbar relativ, indem es an einem andern Endpunkt als Resultat erscheinen muß. Sie ist eine Folge, die nicht in der Luft hängt, nicht ein unmittelbar Anfangendes, sondern sie ist sich rundend.
Nach der formellen, nicht philosophischen Methode der Wissenschaften wird zuerst die Definition, wenigstens um der äußeren wissenschaftlichen Form wegen, gesucht und verlangt. Der positiven Rechtswissenschaft kann es übrigens auch darum nicht sehr zu tun sein, da sie vornehmlich darauf geht, anzugeben, was Rechtens ist, d. h. welches die besonderen gesetzlichen Bestimmungen sind, weswegen man zur Warnung sagte: omnis definitio in iure civili periculosa. Und in der Tat, je unzusammenhängender und widersprechender in sich die Bestimmungen eines Rechtes sind, desto weniger sind Definitionen in demselben möglich, denn diese sollen vielmehr allgemeine Bestimmungen enthalten, diese aber machen unmittelbar das Widersprechende, hier das Unrechtliche, in seiner Blöße sichtbar. So z. B. wäre für das römische Recht keine Definition vom Menschen möglich, denn der Sklave ließe sich darunter nicht subsumieren, in seinem Stand ist jener Begriff vielmehr verletzt; ebenso perikulös würde die Definition von Eigentum und Eigentümer für viele Verhältnisse erscheinen. - Die Deduktion aber der Definition wird etwa aus der Etymologie, vornehmlich daraus geführt, daß sie aus den besonderen Fällen abstrahiert und dabei das Gefühl und die Vorstellung der Menschen zum Grunde gelegt wird. Die Richtigkeit der Definition wird dann in die Übereinstimmung mit den vorhandenen Vorstellungen gesetzt. Bei dieser Methode wird das, was allein wissenschaftlich wesentlich ist, in Ansehung des Inhalts die Notwendigkeit der Sache an und für sich selbst (hier des Rechts), in Ansehung der Form aber die Natur des Begriffs, beiseite gestellt. Vielmehr ist in der philosophischen Erkenntnis die Notwendigkeit eines Begriffs die Hauptsache, und der Gang, als Resultat, geworden zu sein, sein Beweis und Deduktion. Indem so sein Inhalt für sich notwendig ist, so ist das Zweite, sich umzusehen, was in den Vorstellungen und in der Sprache demselben entspricht. Wie aber dieser Begriff für sich in seiner Wahrheit und wie er in der Vorstellung ist, dies kann nicht nur verschieden voneinander, sondern muß es auch der Form und Gestalt nach sein. Wenn jedoch die Vorstellung nicht auch ihrem Inhalte nach falsch ist, kann wohl der Begriff als in ihr enthalten und, seinem Wesen nach, in ihr vorhanden aufgezeigt, d. h. die Vorstellung zur Form des Begriffs erhoben werden. Aber sie ist so wenig Maßstab und Kriterium des für sich selbst notwendigen und wahren Begriffs, daß sie vielmehr ihre Wahrheit aus ihm zu nehmen, sich aus ihm zu berichtigen und zu erkennen hat. - Wenn aber jene Weise des Erkennens mit ihren Förmlichkeiten von Definitionen, Schließen, Beweisen und dergleichen einerseits mehr oder weniger verschwunden ist, so ist es dagegen ein schlimmer Ersatz, den sie durch eine andere Manier erhalten hat, nämlich die Ideen überhaupt, so auf die des Rechts und dessen weiterer Bestimmungen, als Tatsachen des Bewußtseins unmittelbar aufzugreifen und zu behaupten und das natürliche oder ein gesteigertes Gefühl, die eigne Brust und die Begeisterung zur Quelle des Rechts zu machen. Wenn diese Methode die bequemste unter allen ist, so ist sie zugleich die unphilosophischste - andere Seiten solcher Ansicht hier nicht zu erwähnen, die nicht bloß auf das Erkennen, sondern unmittelbar auf das Handeln Beziehung hat. Wenn die erste zwar formelle Methode doch noch die Form des Begriffes in der Definition und im Beweise die Form einer Notwendigkeit des Erkennens fordert, so macht die Manier des unmittelbaren Bewußtseins und Gefühls die Subjektivität, Zufälligkeit und Willkür des Wissens zum Prinzip. - Worin das wissenschaftliche Verfahren der Philosophie bestehe, ist hier aus der philosophischen Logik vorauszusetzen.
[zu § 2] α) Art, wie wir hier verfahren müssen - in Bestimmung des Rechtsbegriffs. α) Gewöhnliche Weise, Bestimmungen aus einer Vorstellung positiver Rechtsbestimmungen zu machen. β) Begriff des Rechts an und für sich selbst - Notwendigkeit; es mag nun sonst in der Vorstellung anderer Bestimmungen liegen, was da will - Sohn [=] Sache, ein vom Vater Verkäufliches, fließt nicht aus dem Begriff des Rechts, - also entspricht die Definition dieser Vorstellung nicht, dies ist desto schlimmer für die Vorstellung, positive Rechtsbestimmung, - nicht die Definition. β) aus dem Begriff entwickeln - konsequent -, dem Begriff der Sache nach. Definition. Es kommt auf solche formellen allgemeinen Sachen in dem praktischen Rechte nicht an, sondern auf das Detail - um so gelehrter das Subjekt, je mehr Detail er innehat. Aber ein anderes ist die Sache, die ist desto schlimmer, wenn lauter Detail, nichts Allgemeines. Gottlob, in unseren Staaten darf man die Definition des Menschen - als eines rechtsfähigen - an die Spitze des Gesetzbuches stellen, - ohne Gefahr zu laufen, auf Bestimmungen über Rechte und Pflichten des Menschen zu treffen, die dem Begriff des Menschen widersprächen. Es lassen sich jedoch auch dem Begriffe nach richtige Definitionen vorne hinsetzen, wenn dabei Verzicht auf Konsequenz getan wird, darauf, daß die folgenden Bestimmungen diesem Begriff nicht widersprechen sollen. Wenn inkonsequente Definitionen für nichts und wieder nichts - auch nur eine Gelahrtheit. Im alten römischen Recht ist dies nicht so, - Sklave, Sohn nicht darunter subsumiert. Hein[eccius, Elementa Juris Civilis, 1728] § 75. Homo cuicunque mens10) , ratione praedita in corpore humano contigit. Persona est homo, cum quodam statu consideratus. § 76. Status est qualitas, cuius ratione homines diverso iure utuntur. § 77. Servus itaque est homo, est etiam persona, quatenus cum statu naturali consideratur, sed ratione status civilis estαa̓πpϱόσsωπpος . § 89. Ingenuus est, qui statim, ut natus est, liber est - und doch konnte er verkauft werden vom Vater - früher getötet werden. § 130. filii familias erant quidem ingenui, sed non patres familias (auch nicht wenn verheiratet -) et hinc personae quidem censebantur, sed ratione aliorum civium et ingenuorum, non ratione patris, cuius respectu res mancipi aeque ac servi habebantur. 11)
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