B. Die geoffenbarte Religion
§ 564
Es liegt wesentlich im Begriffe der wahrhaften Religion, d. i. derjenigen, deren Inhalt der absolute Geist ist, daß sie geoffenbart und zwar von Gott geoffenbart sei. Denn indem das Wissen, das Prinzip, wodurch die Substanz Geist ist, als die unendliche für sich seiende Form das Selbstbestimmende ist, ist es schlechthin Manifestieren; der Geist ist nur Geist, insofern er für den Geist ist, und in der absoluten Religion ist es der absolute Geist, der nicht mehr abstrakte Momente seiner, sondern sich selbst manifestiert.
Der alten Vorstellung der Nemesis, nach welcher das Göttliche und seine Wirksamkeit in der Welt nur als gleichmachende Macht, die das Hohe und Große zertrümmere, vom noch abstrakten Verstande gefaßt wurde, setzten Platon und Aristoteles entgegen, daß Gott nicht neidisch ist. Man kann dies gleichfalls den neuen Versicherungen entgegensetzen, daß der Mensch Gott nicht erkennen könne; - diese Versicherungen - denn mehr sind diese Behauptungen nicht - sind um so inkonsequenter, wenn sie innerhalb einer Religion gemacht werden, welche ausdrücklich die geoffenbarte heißt, so daß sie nach jenen Versicherungen vielmehr die Religion wäre, in der von Gott nichts offenbar wäre, in der er sich nicht geoffenbart hätte, und die ihr so Angehörigen "die Heiden" wären, "die von Gott nichts wissen". Wenn es mit dem Wort Gott überhaupt in der Religion Ernst ist, so darf und muß die Bestimmung auch von ihm, dem Inhalte und Prinzip der Religion, anfangen, und wenn ihm das Sichoffenbaren abgesprochen wird, so bliebe von einem Inhalte desselben nur dies übrig, ihm Neid zuzuschreiben. Wenn aber vollends das Wort Geist einen Sinn haben soll, so enthält derselbe das Offenbaren seiner. Bedenkt man die Schwierigkeit der Erkenntnis Gottes als Geistes, die es nicht bei den schlichten Vorstellungen des Glaubens bewenden lassen, sondern zum Denken, zunächst zum reflektierenden Verstande fortgeht, aber zum begreifenden Denken fortgehen soll, so mag es fast nicht zu verwundern sein, daß so viele, besonders die Theologen, als näher aufgefordert, sich mit diesen Ideen beschäftigen, darauf verfallen sind, leichter damit abzukommen, und so willig das aufgenommen haben, was ihnen zu diesem Behufe geboten worden; das allerleichteste ist das angegebene Resultat: daß der Mensch von Gott nichts wisse. Was Gott als Geist ist, dies richtig und bestimmt im Gedanken zu fassen, dazu wird gründliche Spekulation erfordert. Es sind zunächst die Sätze darin enthalten: Gott ist nur Gott, insofern er sich selber weiß; sein Sichwissen ist ferner sein Selbstbewußtsein im Menschen und das Wissen des Menschen von Gott, das fortgeht zum Sichwissen des Menschen in Gott. - Siehe die gründliche Erläuterung dieser Sätze in der Schrift, aus der sie genommen: Aphorismen über Wissen und Nichtwissen usf. von C. F. G. . . . . l, Berlin 1829.*)
§ 565
Der absolute Geist in der aufgehobenen Unmittelbarkeit und Sinnlichkeit der Gestalt und des Wissens ist dem Inhalte nach der an und für sich seiende Geist der Natur und des Geistes; der Form nach ist er zunächst für das subjektive Wissen der Vorstellung. Diese gibt den Momenten seines Inhaltes einerseits Selbständigkeit und macht sie gegeneinander zu Voraussetzungen und aufeinanderfolgenden Erscheinungen und zu einem Zusammenhang des Geschehens nach endlichen Reflexionsbestimmungen; andererseits wird solche Form endlicher Vorstellungsweise in dem Glauben an den einen Geist und in der Andacht des Kultus auch aufgehoben.
§ 566
In diesem Trennen scheidet sich die Form von dem Inhalte und in jener die unterschiedenen Momente des Begriffs zu besonderen Sphären oder Elementen ab, in deren jedem sich der absolute Inhalt darstellt, α) als in seiner Manifestation bei sich selbst bleibender, ewiger Inhalt; β) als Unterscheidung des ewigen Wesens von seiner Manifestation, welche durch diesen Unterschied die Erscheinungswelt wird, in die der Inhalt tritt; γ) als unendliche Rückkehr und Versöhnung der entäußerten Welt mit dem ewigen Wesen, das Zurückgehen desselben aus der Erscheinung in die Einheit seiner Fülle.
§ 567
α) In dem Momente der Allgemeinheit, der Sphäre des reinen Gedankens oder dem abstrakten Elemente des Wesens ist es also der absolute Geist, welcher zuerst das Vorausgesetzte, jedoch nicht Verschlossen-Bleibende, sondern als substantielle Macht in der Reflexionsbestimmung der Kausalität Schöpfer Himmels und der Erde ist, aber in dieser ewigen Sphäre vielmehr nur sich selbst als seinen Sohn erzeugt, ebenso in ursprünglicher Identität mit diesem Unterschiedenen bleibt, als diese Bestimmung, das von dem allgemeinen Wesen Unterschiedene zu sein, sich ewig aufhebt und durch diese Vermittlung der sich aufhebenden Vermittlung die erste Substanz wesentlich als konkrete Einzelheit und Subjektivität, - der Geist ist.
§ 568
β) Im Momente der Besonderheit aber des Urteils ist dies konkrete ewige Wesen das Vorausgesetzte, und seine Bewegung ist die Erschaffung der Erscheinung, das Zerfallen des ewigen Moments der Vermittlung, des einigen Sohnes, in den selbständigen Gegensatz, einerseits des Himmels und der Erde, der elementarischen und konkreten Natur, andererseits des Geistes als mit ihr im Verhältnis stehend, somit des endlichen Geistes, welcher als das Extrem der in sich seienden Negativität sich zum Bösen verselbständigt, solches Extrem durch seine Beziehung auf eine gegenüberstehende Natur und durch seine damit gesetzte eigene Natürlichkeit ist, in dieser als denkend zugleich auf das Ewige gerichtet, aber damit in äußerlicher Beziehung steht.
§ 569
γ) Im Momente der Einzelheit als solcher, nämlich der Subjektivität und des Begriffes selbst, als des in seinen identischen Grund zurückgekehrten Gegensatzes der Allgemeinheit und der Besonderheit, stellt sich 1. als Voraussetzung die allgemeine Substanz aus ihrer Abstraktion zum einzelnen Selbstbewußtsein verwirklicht und dieses als unmittelbar identisch mit dem Wesen, jenen Sohn der ewigen Sphäre in die Zeitlichkeit versetzt, und in ihm das Böse als an sich aufgehoben dar; aber ferner diese unmittelbare und damit sinnliche Existenz des absolut Konkreten sich in das Urteil setzend und in dem Schmerz der Negativität ersterbend, in welcher es als unendliche Subjektivität identisch mit sich, aus derselben als absolute Rückkehr und allgemeine Einheit der allgemeinen und einzelnen Wesenheit für sich geworden ist, - die Idee des ewigen, aber lebendigen und in der Welt gegenwärtigen Geistes.
§ 570
2. Diese objektive Totalität ist die an sich seiende Voraussetzung für die endliche Unmittelbarkeit des einzelnen Subjekts, für dasselbe daher zunächst ein Anderes und Angeschautes, aber die Anschauung der an sich seienden Wahrheit, durch welches Zeugnis des Geistes in ihm es wegen seiner unmittelbaren Natur zunächst sich für sich als das Nichtige und Böse bestimmt und weiter nach dem Beispiel seiner Wahrheit, vermittels des Glaubens an die darin an sich vollbrachte Einheit der allgemeinen und einzelnen Wesenheit, auch die Bewegung ist, seiner unmittelbaren Naturbestimmtheit und des eigenen Willens sich zu entäußern und mit jenem Beispiel und seinem Ansich in dem Schmerze der Negativität sich zusammenzuschließen und so als vereint mit dem Wesen sich zu erkennen, welches 3. durch diese Vermittlung sich als inwohnend im Selbstbewußtsein bewirkt und die wirkliche Gegenwärtigkeit des an und für sich seienden Geistes als des allgemeinen ist.
§ 571
Diese drei Schlüsse, die den einen Schluß der absoluten Vermittlung des Geistes mit sich selbst ausmachen, sind die Offenbarung desselben, welche dessen Leben in dem Kreislaufe konkreter Gestalten der Vorstellung expliziert. Aus ihrem Auseinandertreten und zeitlichen und äußerlichen Aufeinanderfolgen nimmt sich die Entfaltung der Vermittlung in ihrem Resultat, dem Zusammenschließen des Geistes mit sich selbst, nicht nur zur Einfachheit des Glaubens und der Gefühlsandacht zusammen, sondern auch zum Denken, in dessen immanenter Einfachheit ebenso die Entfaltung ihre Ausbreitung hat, aber gewußt als ein untrennbarer Zusammenhang des allgemeinen, einfachen und ewigen Geistes in sich selbst. In dieser Form der Wahrheit ist die Wahrheit der Gegenstand der Philosophie.
Wird das Resultat, der für sich seiende Geist, in welchem alle Vermittlung sich aufgehoben hat, in nur formellem, inhaltslosem Sinne genommen, so daß der Geist nicht zugleich als an sich seiender und objektiv sich entfaltender gewußt wird, so ist jene unendliche Subjektivität das nur formelle, sich in sich als absolut wissende Selbstbewußtsein, die Ironie, welche allen objektiven Gehalt sich zunichte, zu einem eitlen zu machen weiß, somit selbst die Gehaltlosigkeit und Eitelkeit ist, die sich aus sich und damit einen zufälligen und beliebigen Inhalt zur Bestimmung gibt, Meister darüber bleibt, durch ihn nicht gebunden ist und, mit der Versicherung, auf der höchsten Spitze der Religion und der Philosophie zu stehen, vielmehr in die hohle Willkür zurückfällt. Nur indem die reine unendliche Form, die bei sich seiende Selbstmanifestation, die Einseitigkeit des Subjektiven, worin sie die Eitelkeit des Denkens ist, ablegt, ist sie das freie Denken, welches seine unendliche Bestimmung zugleich als absoluten, an und für sich seienden Inhalt und ihn als Objekt hat, in welchem es ebenso frei ist. Das Denken ist insofern selbst nur das Formelle des absoluten Inhalts.
*) Carl Friedrich Göschel, Aphorismen über Nichtwissen und absolutes Wissen im Verhältnis zur christlichen Glaubenserkenntnis. Ein Beitrag zum Verständnisse der Philosophie unserer Zeit, Berlin 1829 - Vgl. Hegels Rezension dieser Schrift in Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik, 1829
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