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a. Der Mechanismus
§ 195
Das Objekt 1. in seiner Unmittelbarkeit ist der Begriff nur an sich, hat denselben als subjektiven zunächst außer ihm, und alle Bestimmtheit ist als eine äußerlich gesetzte. Als Einheit Unterschiedener ist es daher ein Zusammengesetztes, ein Aggregat, und die Wirksamkeit auf anderes bleibt eine äußerliche Beziehung, - formeller Mechanismus. - Die Objekte bleiben in dieser Beziehung und Unselbständigkeit ebenso selbständig, Widerstand leistend, einander äußerlich.
Wie Druck und Stoß mechanische Verhältnisse sind, so wissen wir auch mechanisch, auswendig, insofern die Worte ohne Sinn für uns sind und dem Sinne, Vorstellen, Denken äußerlich bleiben; sie sind sich selbst ebenso äußerlich, eine sinnlose Aufeinanderfolge. Das Handeln, Frömmigkeit usf. ist ebenso mechanisch, insofern dem Menschen durch Zeremonialgesetze, einen Gewissensrat usf. bestimmt wird, was er tut, und sein eigener Geist und Wille nicht in seinen Handlungen ist, sie ihm selbst somit äußerliche sind.
Zusatz. Der Mechanismus, als die erste Form der Objektivität, ist auch diejenige Kategorie, welche sich der Reflexion bei Betrachtung der gegenständlichen Welt zunächst darbietet und bei welcher dieselbe sehr häufig stehenbleibt. Dies ist jedoch eine oberflächliche und gedankenarme Betrachtungsweise, mit welcher weder in Beziehung auf die Natur, noch viel weniger in Beziehung auf die geistige Welt auszulangen ist. In der Natur sind es nur die ganz abstrakten Verhältnisse der noch in sich unaufgeschlossenen Materie, welche dem Mechanismus unterworfen sind; dahingegen sind schon die Erscheinungen und Vorgänge des im engeren Sinne des Wortes so genannten physikalischen Gebiets (wie z. B. die Phänomene des Lichts, der Wärme, des Magnetismus, der Elektrizität usw.) nicht mehr bloß auf mechanische Weise (d. h. durch Druck, Stoß, Verschiebung der Teile u. dgl.) zu erklären, und noch viel ungenügender ist die Anwendung und Übertragung dieser Kategorie auf das Gebiet der organischen Natur, insofern es sich darum handelt, das Spezifische derselben, so namentlich die Ernährung und das Wachstum der Pflanzen oder gar die animalische Empfindung, zu begreifen. Es muß jedenfalls als ein sehr wesentlicher, ja als der Hauptmangel der neueren Naturforschung angesehen werden, daß dieselbe auch da, wo es sich um ganz andere und höhere Kategorien als die des bloßen Mechanismus handelt, gleichwohl diese letztere, im Widerspruch mit demjenigen, was sich einer unbefangenen Anschauung darbietet, so hartnäckig festhält und sich dadurch den Weg zu einer adäquaten Erkenntnis der Natur versperrt. - Was hiernächst die Gestaltungen der geistigen Welt anbetrifft, so wird auch bei deren Betrachtung die mechanische Ansicht vielfältig zur Ungebühr geltend gemacht. Dies ist z. B. der Fall, wenn es heißt, der Mensch bestehe aus Leib und Seele. Diese beiden gelten hierbei als für sich ihren Bestand habend und als nur äußerlich miteinander verbunden. Ebenso geschieht es dann auch, daß die Seele als ein bloßer Komplex selbständig nebeneinander bestehender Kräfte und Vermögen angesehen wird. - So entschieden nun aber auch einerseits die mechanische Betrachtungsweise da, wo dieselbe mit der Prätention auftritt, die Stelle des begreifenden Erkennens überhaupt einzunehmen und den Mechanismus als absolute Kategorie geltend zu machen, von der Hand gewiesen werden muß, so ist doch auch andererseits dem Mechanismus ausdrücklich das Recht und die Bedeutung einer allgemeinen logischen Kategorie zu vindizieren und derselbe demgemäß keineswegs bloß auf jenes Naturgebiet zu beschränken, von welchem die Benennung dieser Kategorie entnommen ist. Es ist somit nichts dawider einzuwenden, wenn auch außerhalb des Bereichs der eigentlichen Mechanik, so namentlich in der Physik und in der Physiologie, das Augenmerk auf mechanische Aktionen (wie z. B. die der Schwere, des Hebels u. dgl.) gerichtet wird; nur darf dabei nicht übersehen werden, daß innerhalb dieser Gebiete die Gesetze des Mechanismus nicht mehr das Entscheidende sind, sondern nur gleichsam in dienender Stellung auftreten. Hieran schließt dann sogleich die weitere Bemerkung, daß da, wo in der Natur die höheren, namentlich die organischen Funktionen in ihrer normalen Wirksamkeit auf die eine oder die andere Weise eine Störung oder Hemmung erleiden, alsbald der sonst subordinierte Mechanismus sich als dominierend hervortut. So empfindet z. B. jemand, der an Magenschwäche leidet, nachdem er gewisse Speisen in geringer Quantität genossen, Druck im Magen, während andere, deren Verdauungsorgane gesund sind, obschon sie dasselbe genossen, von dieser Empfindung frei bleiben. Ebenso ist es mit dem allgemeinen Gefühl der Schwere in den Gliedern bei krankhafter Stimmung des Körpers. - Auch im Gebiet der geistigen Welt hat der Mechanismus seine, jedoch gleichfalls nur untergeordnete Stelle. Man spricht mit Recht vom mechanischen Gedächtnis und von den allerhand mechanischen Betätigungen, wie z. B. Lesen, Schreiben, Musizieren usw. Was hierbei näher das Gedächtnis anbetrifft, so gehört die mechanische Weise des Verhaltens sogar zum Wesen derselben; ein Umstand, der nicht selten, zum großen Schaden der Jugendbildung, in mißverstandenem Eifer für die Freiheit der Intelligenz von der neueren Pädagogik übersehen worden ist. Gleichwohl würde sich derjenige als ein schlechter Psychologe erweisen, der, um die Natur des Gedächtnisses zu ergründen, seine Zuflucht zur Mechanik nehmen und deren Gesetze ohne weiteres auf die Seele zur Anwendung bringen wollte. Das Mechanische des Gedächtnisses besteht eben nur darin, daß hier gewisse Zeichen, Töne usw. in ihrer bloß äußerlichen Verbindung aufgefaßt und dann in dieser Verbindung reproduziert werden, ohne daß dabei ausdrücklich die Aufmerksamkeit auf deren Bedeutung und innere Verbindung gerichtet zu werden braucht. Um diese Bewandtnis, die es mit dem mechanischen Gedächtnis hat, zu erkennen, dazu bedarf es weiter keines Studiums der Mechanik und kann aus diesem Studium der Psychologie als solcher keine Förderung erwachsen.
§ 196
Die Unselbständigkeit, nach der das Objekt Gewalt leidet, hat es nur (vorherg. §), insofern es selbständig ist, und als gesetzter Begriff an sich hebt sich die eine dieser Bestimmungen nicht in ihrer anderen auf, sondern das Objekt schließt sich durch die Negation seiner, seine Unselbständigkeit, mit sich selbst zusammen und ist erst so selbständig. So zugleich im Unterschiede von der Äußerlichkeit und diese in seiner Selbständigkeit negierend, ist es negative Einheit mit sich, Zentralität, Subjektivität, - in der es selbst auf das Äußerliche gerichtet und bezogen ist. Dieses ist ebenso zentral in sich und darin ebenso nur auf das andere Zentrum bezogen, hat ebenso seine Zentralität im Anderen; - 2. differenter Mechanismus (Fall, Begierde, Geselligkeitstrieb u. dgl.).
§ 197
Die Entwicklung dieses Verhältnisses bildet den Schluß, daß die immanente Negativität als zentrale Einzelheit eines Objekts (abstraktes Zentrum) sich auf unselbständige Objekte als das andere Extrem durch eine Mitte bezieht, welche die Zentralität und Unselbständigkeit der Objekte in sich vereinigt, relatives Zentrum; - 3. absoluter Mechanismus.
§ 198
Der angegebene Schluß (E—B—A) ist ein Dreifaches von Schlüssen. Die schlechte Einzelheit der unselbständigen Objekte, in denen der formale Mechanismus einheimisch ist, ist als Unselbständigkeit ebensosehr die äußerliche Allgemeinheit. Diese Objekte sind daher die Mitte auch zwischen dem absoluten und dem relativen Zentrum (die Form des Schlusses A—E—B); denn durch diese Unselbständigkeit ist es, daß jene beide dirimiert und Extreme, sowie daß sie aufeinander bezogen sind. Ebenso ist die absolute Zentralität als das substantiell Allgemeine (die identischbleibende Schwere), welche als die reine Negativität ebenso die Einzelheit in sich schließt, das Vermittelnde zwischen dem relativen Zentrum und den unselbständigen Objekten, die Form des Schlusses B—A—E, und zwar ebenso wesentlich nach der immanenten Einzelheit als dirimierend, wie nach der Allgemeinheit als identischer Zusammenhalt und ungestörtes Insichsein.
Wie Sonnensystem, so ist z. B. im Praktischen der Staat ein System von drei Schlüssen. 1. Der Einzelne (die Person) schließt sich durch seine Besonderheit (die physischen und geistigen Bedürfnisse, was weiter für sich ausgebildet die bürgerliche Gesellschaft gibt) mit dem Allgemeinen (der Gesellschaft, dem Rechte, Gesetz, Regierung) zusammen; 2. ist der Wille, Tätigkeit der Individuen das Vermittelnde, welches den Bedürfnissen an der Gesellschaft, dem Rechte usf. Befriedigung, wie der Gesellschaft, dem Rechte usf. Erfüllung und Verwirklichung gibt; 3. aber ist das Allgemeine (Staat, Regierung, Recht) die substantielle Mitte, in der die Individuen und deren Befriedigung ihre erfüllte Realität, Vermittlung und Bestehen haben und erhalten. Jede der Bestimmungen, indem die Vermittlung sie mit dem anderen Extrem zusammenschließt, schließt sich eben darin mit sich selbst zusammen, produziert sich, und diese Produktion ist Selbsterhaltung. - Es ist nur durch die Natur dieses Zusammenschließens, durch diese Dreiheit von Schlüssen derselben terminorum, daß ein Ganzes in seiner Organisation wahrhaft verstanden wird.
§ 199
Die Unmittelbarkeit der Existenz, welche die Objekte im absoluten Mechanismus haben, ist an sich darin, daß ihre Selbständigkeit durch ihre Beziehungen aufeinander, also durch ihre Unselbständigkeit vermittelt ist, negiert. So ist das Objekt als in seiner Existenz gegen sein Anderes different zu setzen.
G.W.F. Hegel Wissenschaft der Logik
Drittes Buch. Die Lehre vom Begriff
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